- I -
INHALTSÜBERSICHT
A )
Seite
Gegenstand der
Verfahrens: 4
B)
Feststellungen:
I. Der
Lebenslauf des Angeklagten Olejak 5
II. Der
Lebenslauf des Angeklagten Pansegrau 8
III. Das
Konzentrationslager Jaworzno (J.)
1. Lage und Aufbau
des Lagers J. 11
2. Die Häftlinge
des Lagers J. 17
3. Der
Arbeitseinsatz der Häftling im Lager J. 19
4. Die Verwaltung
des Lagers J. durch die SS 22
5.
Die Selbstverwaltung des Lagers J. durch
die Häftlinge
28
6.
Die Bewachung des Lagers J. und der einzelnen
Arbeitskommandos 30
7. Die Behandlung
der Häftlinge im Lager J. 33
8. Die sogenannte
Hängeaktion am 6.12.1943 42
IV. Die
Evakuierung des Lagers J. 46
V. Das Lager J.
nach dem Kriege 53
VI. Das Lager
Blechhammer und die Tätigkeit
des
Angeklagten Olejak in diesem Lager 54
VII. Das
Konzentrationslager Czechowitz (C.)
1. Lage und Aufbau
des Lager C. 56
2. Der
Arbeitseinsatz der Häftlinge des Lagers C. 58
3. Die Verwaltung
des Lagers C. 59
- II -
4. Der Einsatz des
Angeklagten Olejak im Lager C. 60
5. Die Hochzeit
des SS. Mannes Witowski und der
Fall Konjor
60
6. Die Flucht der
Ehefrau des Angeklagten Olejak 61
VIII. Die
Evakuierung des Lagers C. 62
IX. Das Lager C.
nach dem Kriege 63
C.
Beweiswürdigung
zu den unter B ) I - V getroffenen
Feststellungen:
I. Die
Einlassung des Angeklagten Olejak 64
1. Bis zu seinem
Einsatz im Lager J. 64
2. Zum Lager
J. 64
3. Zum Lager
Blechhammer 65
4. Zum Lager
C. 66
5. Zur Flucht
seiner Ehefrau 70
6. Zur Evakuierung
des Lagers C. 70
7.
Zum Besuch bei seinem Schwager Otto Kaesmarker
und zur
Hochzeit des SS.Mannes Witowski 72
8. Zu seinem
weiteren Werdegang 73
II. Die
Einlassung des Angeklagten Pansegrau 74
1. Bis zu seinem
Einsatz im Lager J. 74
2. Zum Lager J.
und zur Evakuierung dieses
Lagers
74
5. Zu seinem
weiteren Werdegang 79
III. Allgemeine
Ausführungen zur Beweiswürdigung 80
1. Umfang und
Gegenstand der Beweisaufnahme 80
2. Das Gutachten
des Sachverständigen Prof.
Dr.
Undeutsch 82
- III -
IV. Das Lager J.
86
1. Der Aufbau des
Lagers J. (zu B III 1) 86
2. Die Häftlinge
des Lagers J., die Ankunft
der
"Ungarn-Häftlinge" und der " Lagischa -
Häftlinge im
Lager J. und das Buch "Rückkehr
unerwünscht"
von Dr. Milos Novy (zu B III 2) 92
3. Der
Arbeitseinsatz der Häftlinge im Lager J.
(zu B III 3)
104
4. Die Verwaltung
des Lagers J. durch die SS.
(zu B III
4) 107
5. Die
Selbstverwaltung des Lagers J. durch die
Häftlinge (zu B
III 5) 114
6. Die Bewachung
der Häftlinge (zu B III 6) 118
7. Die Behandlung
der Häftlinge im Lager J.
(zu B III 7)
120
8. Die sogenannte
Hängeaktion am 6.12.1943
(zu B III 8)
124
V. Die
Evakuierung des Lagers J. (zu B IV) 130
1. Der Bericht von
Dr. Novy in dem Buch
„Rückkehr
unerwünscht“ 131
2. Der Bericht des
Zeugen Dr. Paul Heller aus
dem Jahre 1945
und die Aussage dieses Zeugen
vor dem
Generalkonsulat der Bundesrepublik
Deutschland in
Chicago 134
D)
Die
Beweiswürdigung zum Aufenthalt des Angeklagten
Olejak in
Konzentrationslager Blechhammer (zu 13 VI)
147
1. Der
Zeitpunkt der Versetzung aus Jaworzno 147
II. Die über den
Einsatz des Angeklagten Olejak
in
Blechhammer vorhandenen Dokumente aus dem
Jahre 1944
148
- IV -
III. Der
Lagerführer des Konzentrationslager Blechhammer 151
IV. Der
Zeitpunkt der Versetzung des Angeklagten
Olejak aus
dem Lager Blechhammer 151
Der
Kommandanturbefehl Nr. 11/44 vom 11.11.1944 152
1. Die Aussage des
Zeugen Kurt Czapla 153
2. Die Aussage des
Zeugen Karl Maselli 156
3. Die Aussage des
Zeugen Peter Quirin 156
Würdigung der
Aussagen dieser 3 Zeugen 157
V. Hinweis auf
die Aussagen von Zeugen, die im
Lager
Jaworzno inhaftiert waren 159
VI. Die Aussage
des Zeugen Otto Kaesmarker 160
E )
Beweiswürdigung
zur Person des letzten Rapport-
führers im Lager
J.
166
1. Allgemeine
Ausführungen zu den Aussagen der
einzelnen
Zeugen und Zeugengruppen sowie zur
Durchführung
der Vernehmung der Zeugen in der
Hauptverhandlung 166
II.1. Die Aussage
der Zeugin Maria Wilk 173
2.
Die Aussage und das Buch "Rückkehr unerwünscht"
aus dem Jahre
1949 von Dr. Milos
Novy sowie die
Aussagen einzelner Zeugen
über den Inhalt
und den Autor dieses Buches 175
- V -
3. Die Aussagen der
Zeugen
Moritz Salz
191
Karl Fried
191
Frantizek Herstik
192
Pesach Nitenberg
193
Irmgard Pansegrau
194
4. Die
Einlassung des Angeklagten Pansegrau
194
F)
Beweiswürdigung
zum Lager C., insbesondere zu
den beiden
Lagerführern und Umfang der insoweit
durchgeführten
Beweisaufnahme
198
1.1. Die Errichtung
des Lagers C.
199
2. Die Umgebung
des Lagers C., insbesondere
die Unterkunft der SS.Leute
204
3.
Der Arbeitseinsatz der Häftlinge des Lagers C.
und ihre Bewachung
206
4. Die
Kommandantur des Lagers C.
207
5. Die
Evakuierung des Lagers C.
213
6. Der Vergleich
der Einlassung des Angeklagten
Olejak mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme
220
7. Die Bedeutung
der Einlassung des Angeklagten
Olejak über das Lager C.
225
III.
Die Beweisaufnahme zur
Person des 2. Lagerführers
im Lager C.
230
Die Aussagen der
Zeugen
1.
Friedrich Repke
230
2. Ernst
Kraschewski
232
3. Zwi
Gutmann
233
4. Ervin
Habal
233
- VI –
5. Josef
Goldberg
234
6.
Gedaliahu Unikowski
235
8.
Die Aussagen der Zeugen Goldberg und Unikowski
vor dem Amtsgericht in Tel Aviv
236
9. Die Aussagen
der übrigen Zeugen, die im
Lager C. waren
246
III. Die Aussagen
der Zeuginnen
1.
Rudolfine Hassel
249
2.
Rosa Zdunek
252
3. Franziska
Wasserthal
253
4.
Marianne und Gisela Konjor
254
G)
Die Aussagen der
im Lager Jaworzno inhaftierten
Zeugen1 die den
Angeklagten Olejak auch im Sommer
1944 im Herbst
1944 und beim Evakuierungsmarsch
gesehen haben
wollen und die die Kammer nicht für
zutreffend hält
255
Die Zeugen die vor
Frühjahr 1944 nach Jaworzno
gekommen sind:
1. Raimund Zejer
255
2. Wiktor
Pasikowski 256
3. Wlodzislaw
Smigielski 256
4.
Antoni Sicinski 257
5.
Mieczyslaw Zewski 258
6. Dr. Paul
Heller 258
7. Dr. Boris
Braun 258
Würdigung dieser
Aussagen 259
8. Tadeusz
Usielski 262
9. Walerian Redyk
263
10. Mieczyslaw
Baran 264
- VII -
11. Motek Weltfreid
264
12.
Lipa Dinur 265
13.
Mosche Jachimowicz 268
14.
Hillel Charlupski 269
15.
Jehoschua Krawicki 270
16.
Ahron Ojzerowicz 271
17. Schmuel
Ben-David 271
18. David Lerer
273
19. Jakob Arroyo
273
20. Wigdor Siwek
274
21. Jakob Wigdor
275
22. Hersch
Nowak 275
23. Gerschon
Sieradzki 276
24. Meir
Sommer 277
25. Benjamin
Jachimowicz 277
26. Aron Pernat
278
27. Eljahu Tenzer
280
28. Abraham
Kowalski 281
29. Lernel Orenbach
283
30. Abraham
Nizachon 286
31. David
Zimmermann 288
32. Max
Diamond 289
33. Jakob Glazer
290
34.1. Abraham
Rabinowicz 291
54.2. Isaak
Mittelmann 291
34.3. Jechiel
Sieradzki 294
34.4. Chaim
Schulz 296
II. Die Aussagen
der Ungarn-Häft1inge 297
1. David Preisler
297
2. Jonah Schwarz
298
3.
Meir Mosche Shimoni 301
4. Schmuel Grol
302
5. Mordechaj
Hoffmann 304
6. Chaim Schuler
306
- VIII -
III. Die Aussagen
der Lagischa-Häftlinge 308
1. Arie Leon
Rosenkranz 308
2.
Joel Ryz 312
3.
Zbigniew Tokarski 315
4.
Zbigniew Mroczkowski 315
5.
Barry Lipsitz 316
6.
Irvin Balsam 316
7.
Henry Rosenblatt 317
8.
David Burdowski 318
9. Israel Lior
319
10. Jechiel
Liebermann 319
IV. Die Aussagen
der Zeugen Mietek Zurkowski und
Menachem
Pruszanowski 321
V. Hinweis auf
die übrigen Zeugen 323
VI.
Zusammenfassung des Ergebnisses der Beweisaufnahme 323
H )
Die dem
Angeklagten Olejak im einzelnen zur Last
liegenden
Straftaten:
330
1. Fall I 1 (Erschießung eines
Häftlings vom
Arbeitskommando Rudolfsgrube/Nachtschicht)
331
1. Gegenstand der
Anklage und Beweismittel 331
2. Das Kommando
Rudolfsgrube/Nachtschicht 333
3. Die Aussagen
der Zeugen
3.1. Motek Weltfreid
335
3.2. Ahron
Ojzerowicz 336
3.3. Abraham
Kowalski 338
3.4. Eljahu Tenzer
339
3.5. Aron Pernat
340
3.6. Lipa
Dinur 341
- IX -
4.
Die Aussagen der anderen Zeugen, die im Frühjahr
1944 bei dem
Kommando Rudolfsgrube/Nachtschicht waren:
4.1. Arie Leib
Jakubtschak 342
4.2. Leo
Neuhaus 343
4.3. Henry
Gage 344
4.4. Berik Beni
Kutnowski 344
4.5. Gerschon
Sieradzki 345
4.6. Simon Seidmann
346
4.7. Schlomo Szulc
346
4.8. Henrik
Gutmacher 347
4.9.
Schama Zlot 348
4.l0.
Jaacov Herschkowicz
348
5. Die Aussagen
anderer Zeugen über die Frage
der
Erschießungen von Häftlingen im Lager J.
5.1. Dr. Paul
Heller 349
5.2. Raimund Zejer
350
5.3. Wlodzislaw
Smigielski 350
5.4. Wiktor
Pasikowski 351
5.5. Mieczyslaw
Zewski 351
5.6.
Antoni Sicinski 351
5.7. Dr. Boris
Braun 351
5.8. Kazimierz
Glapinski 352
5.9. Jakob Glazer
352
5.1O. Mendel
Kalischmann 352
5.11. Lemel Orenbach
352
5.12. Dr. Milos Novy
352
5.12. Issak Chensky
353
6.
Zusammenfassende Würdigung des Ergebnisses
der
Beweisaufnahme zum Fall I 1 353
- X -
II. Fall I 2 der
Anklage(Erschießung eines Häftlings
vom Kommando
Dachsgrube) 355
Gegenstand und
Beweismittel 355
1. Die Aussage des
Zeugen Jehoschua Krawicki 355
2. Die Aussage des
Zeugen Moshe Jachimowicz 356
III. Fall I 3 der
Anklage (Erschlagen eines Häftlings
des
Arbeitskommandos Friedrich-August-Grube) 358
Gegenstand und
Beweismittel 358
1. Die Aussage des
Zeugen Mark Pusryk 358
2. Die Aussage des
Zeugen Schimschon Ganz 358
IV. Fall I 4 der
Anklage (Tötung des Häftlings
Goldberg am
Lagereingang 360
Gegenstand und
Beweismittel 360
Die Aussagen
der Zeugen
1. Abrahams
Rabinowicz 361
2. Benjamin
Jachimowicz 361
3. Menachem
Pruszanowski 362
4. Chaim
Schuler 362
5. Mordechaj
Hoffmann 363
6. Isaak
Mittelmann 363
7. Hersch
Nowak 364
8. Aron Pernat
364
IV.
Fall I 5 der Anklage (Erschlagen von zwei Häftlingen
- Vater und
Sohn - auf der Baustelle 365
Gegenstand und
Beweismittel 365
Die Aussage des
Zeugen Schmuel Grol 365
VI. Anklagepunkte I
6, I 7 und I 8 (Erschießungen
von Häftlingen
auf dem Evakuierungsmarsch 367
Gegenstand und
Beweismittel 367
Die Aussagen
der Zeugen
- XI -
1. Arie Leib
Jakubtschak 369
2. Joel Ryz
370
3. Lemel Orenbach
372
I)
Die dem
Angeklagten Pansegrau zur Last liegenden
Straftaten,
soweit sie das Lager Jaworzno betreffen:
Gegenstand der
Anklage und Einlassung des Angeklagten
Pansegrau
378
I.
Allgemeine Ausführungen zur
Person des Angeklagten
Pansegrau:
1. Stellung des
Angeklagten Pansegrau im Lager J. 378
2.
Die Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten
Pansegrau und
dem Zeugen Zitzmann an
Ostern 1944 und
die Arreststrafe des Angeklagten
Pansegrau
379
3. Die Identität
des Angeklagten Pansegrau mit
dem SS.Mann mit
dem Spitznamen „Mietliczka“ 380
4. Hatte der
Angeklagte Pansegrau in J. einen
Hund
? 381
II. Anklagepunkt II
1 (Erschießung eines Häftlings
auf dem Rückweg
von der Baustelle in das Lager) 383
1. Gegenstand und
Beweismittel 383
2.
Das Kommando Kraftwerk Wilhelm und die Erschießung
von Häftlingen
bei den Außenkommandos 384
3. Die Aussagen
der Zeugen
3.1. Benjamin
Jachimowicz 385
3.2. Aron Pernat
386
3.3. Josef Sieradzki
388
- XII -
3.4.
Moshe Jachimowicz 388
3.5. David Preisler
389
3.6. Szabtei
Leszczinsky 390
4. Würdigung der
Aussagen der vorgenannten
Zeugen Benjamin
Jachimowicz, Aron Pernat
und David
Preisler 392
5. Bedeutung des §
264 StPO im vorliegenden Fall 393
6. Würdigung der
Aussage des Zeugen Szabtei
Leszczinsky
394
7.
Würdigung der Aussagen der Zeugen Moshe Jachimowicz
und Josef
Sieradzki 397
II.
Fall II 2 der Anklage
(Erschießung eines Häftlings
am
Lagereingang) 4oo
1. Gegenstand und
Beweismittel 4oo
2. Die Aussage des
Zeugen Chaim Mastbaum 4oo
III.
Fall II 3 der Anklage
(Erschießung eines Häftlings
in der Nahe des
Magazins) 403
Gegenstand und
Beweismittel 403
1. Die Aussage des
Zeugen Jonah Schwarz 403
2. Die Aussage des
Zeugen Szabtei Leszczinsky 405
3. Würdigung der
Aussagen des Zeugen Schwarz
im Hinblick auf
das übrige Ergebnis der
Beweisaufnahme 405
4. Weitere
Würdigung der Aussage des Zeugen
Schwarz 407
5. Würdigung der
Aussage des Zeugen Leszczinsky 409
V. Fall II 4
der Anklage (Tötung der Häftlinge Herschl
und Meir
Goldbart vor der Blockführerstube) 410
Gegenstand und
Beweismittel 410
1. Die Aussage des
Zeugen Mordechaj Goldbart 410
2. Würdigung der
Aussage dieses Zeugen 413
VI. Fall II 5
der Anklage (Tötung eines griechischen
Juden in Block
12) 413
- XIII -
Gegenstand und
Beweismittel 413
Die Aussage des
Zeugen Shimoni 414
VII. Fall II 6
der Anklage (Tötung eines Häftlings im
Lager
J. 417
Gegenstand und
Beweismittel 417
Die Aussage des
Zeugen Lerer 417
VIII. Fall II 7
der Anklage (Erschlagen eines Häftlings
im Lager
J. 420
Gegenstand und
Beweismittel 420
1. Die Aussage des
Zeugen Aron Pernat 421
2. Die Aussage des
Zeugen Krawicki 421
3. Würdigung der
Aussagen der beiden vorgenannten
Zeugen 422
IX. Fall II 8
der Anklage (Ertränken eines Häftlings
im
Lagerlöschteich) 423
Gegenstand und
Beweismittel 423
1. Die Aussage des
Zeugen Krawicki 424
2. Hinweis auf das
übrige Ergebnis der Beweisaufnahme 425
J )
Die dem
Angeklagten Pansegrau zur Last liegenden
Straftaten,
soweit sie den Evakuierungsmarsch betreffen:
Gegenstand der
Anklage und Einlassung des Angeklagten
Pansegrau
426
I. 1. Der Ablauf
des Evakuierungsmarsches 426
2. Die Situation
der Häftlinge auf dem Evakuierungsmarsch 428
3. Die Teilnahme
des Angeklagten Pansegrau am
Evakuierungsmarsch 429
- XIV -
II. Anklagepunkt II
9 (Erschießung von insgesamt 10
Häftlingen bei
der Evakuierung auf der Strecke
zwischen
Jaworzno und Blechhammer 430
Gegenstand und
Beweiswürdigung 430
III. Die Aussagen
der Zeugen
1.
Motek Welfreid 433
2.
Lipa Dinur 436
3.
Josef Sieradzki 437
4.
Moshe Jachimowicz 438
5.
Jehoschua Krawicki 438
6. Jonah
Schwarz 440
7. Meir Mosche
Shimoni 443
8. Hillel
Charlupski 444
9. Schmuel
Ben-David 450
10. Israel Grol
452
11. David Lerer
452
12. Mordechaj
Hoffmann 454
13. Aron Pernat
464
14. Leon Krzetowski
464
15. Tadeusz
Lopaczewski 465
16. Piotr Kowalozyk
471
17. Jozef Szundt
473
18.
Walerian Redyk 477
19.
Mieczyslaw Baran 478
20. Mordechaj
Goldbart 481
21. Israel Lior
481
22. Jakob
Frenkel 483
23. Chaim
Mastbaum 484
24. Lemel Orenbach
485
25. Abraham
Strykowski 486
26. Tadeusz
Usielski 487
27. Szabtei
Leszczinsky 489
28. David Burdowski
490
29. David
Zimmermann 492
30. Hinweis auf die
übrigen vernommenen Zeugen 493
- XV -
IV. Anklagepunkt
II 10 (Begraben von lebendigen Häftlingen
nach einer
Übernachtung während des Evakuierungsmarsches
1. Gegenstand und
Beweismittel 494
2. Die Aussagen
der Zeugen
2.1. Menachem
Pruszanowski 493
2.2. Mordechaj
Hoffmann 495
2.3. Chaim
Mastbaum 495
2.4. Eljahu Tenzer
496
2.5. Abraham
Podebski 496
2.6. David
Zimmermann 497
V.
Zusammenfassung 499
VT. Mittäterschaft
und Beihilfe 500
1. Die
Befehlssituation auf dem Evakuierungsmarsch 500
2. Der Zweck des
Evakuierungsmarsches 500
3. Verneinung der
Voraussetzung für eine Mittäterschaft 502
4. Verneinung der
Voraussetzungen für eine Beihilfe 503
-K-
Nebenentscheidungen 504
Landgericht Aschaffenburg
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Das Schwurgericht
beim Landgericht Aschaffenburg erkennt
in der öffentlichen
Sitzung vom 3. November 1980,
an welcher
teilgenommen haben:
1) als Vorsitzender:
Vorsitzender Richter am Landgericht Link,
2) als Beisitzer: a)
Richter am Landgericht Dr. Martin,
b)
Richter am Landgericht Staab,
3) als Schöffen: a)
Bachmann Roman, Versicherungskaufmann,
Elsenfeld,
b)
Bleuel Margot, Hausfrau, Aschaffenburg,
4) als
Ergänzungsrichter: Richter am Landgericht Amon,
5) als
Ergänzungsschöffen: a) Zang Heinrich, technischer Revisor, Goldbach,
b) Flörchinger Alois, Schlosser,
Aschaffenburg,
6) als
Anklagevertreter: Oberstaatsanwalt Dr. Fischer,
Erster Staatsanwalt Gandorfer,
Staatsanwalt als Gruppenleiter Hartrich,
Staatsanwalt Renz,
Staatsanwalt Merkle,
alle von der Staatsanwaltschaft
Würzburg,
- 2 -
7) als Verteidiger
des Angeklagten Olejak:
a) Rechtsanwalt
Dr. Imhof, Aschaffenburg,
b) Rechtsanwalt
Stollberg, Aschaffenburg,
c) Rechtsanwalt
Ringe, Aschaffenburg,
8) als Verteidiger
des Angeklagten Pansegrau:
a) Rechtsanwalt
Haase, Aschaffenburg,
b) Rechtsanwalt
Fischer, Aschaffenburg,
c) Rechtsanwalt
Dr. Pieper (ab 21.11.1977), Aschaffenburg,
9) als
Urkundsbeamter: Justizassistent Amrhein,
in dem Strafverfahren
gegen
a) 0 1 e j a k Hans
Stefan, geboren am 9.8.1918 in Kunzendorf,
Kreis
Bielitz, verwitweter Vergolder, wohnhaft
Spessartstraße 1, 8761 Bürgstadt,
deutscher Staatsangehöriger;
b) P a n s e g r a
u Ewald, geboren am 13.8.1921 in Fleiß-
acker, Kreis Rippin, verheirateter
Schweißer, wohnhaft Am Alsbach 18,
4060 Viersen,
deutscher Staatsangehöriger
wegen Mordes
auf Grund der am
26.9.1977 begonnenen Hauptverhandlung
zu Recht:
- 3 -
I. Die Angeklagten
Hans Stefan Olejak und Ewald Pansegrau werden freigesprochen.
II. Die Kosten des
Verfahrens und die notwendigen
Auslagen der
Angeklagten trägt die Staatskasse.
III. Die beiden
Angeklagten sind für den durch den
Vollzug der
Untersuchungshaft erlittenen Schaden
aus der
Staatskasse zu entschädigen und zwar
der Angeklagte
Olejak für die Zeit von
8.7.1976 bis 24.4.1978,
der Angeklagte
Pansegrau für die Zeit vom
8.7.1976 bin 14.12.1978
vom
27.1.1979 bis 12. 4.1979
vom
17.5.1979 bis 31. 5.1979
und von
12.7.1979 bis 13. 7.1979.
- 4 -
Gründe:
A)
Gegenstand des Verfahrens:
Anklageschrift und
Eröffnungsbeschluß legen den beiden Angeklagten zur Last, als Angehörige der
Lagerkommandantur des Konzentrationslagers Jaworzno, das von Mitte Juni 1943
bis zum 17. Januar 1945 als Nebenlager des Konzentrationslagers Auschwitz
bestanden hat und in dem vorwiegend jüdische Häftlinge untergebracht waren,
mindestens 6 Häftlinge (Angeklagter Olejak)bzw. 11 Häftlinge (Angeklagter
Pansegrau) teils allein, teils als Mittäter mit anderen SS.Leuten
eigenmächtig und ohne Befehl unter den Voraussetzungen des § 211 StGB
getötet zu haben.
Weiter liegt den
Angeklagten zur Last, bei der Evakuierung der Häftlinge des Lagers Jaworzno
auf der Teilstrecke zwischen Jaworzno und dem Konzentrationslager
Blechhammer, die von den Häftlingen zwischen dem 17. Januar 1945 und dem 21.
Januar 1945 zu Fuß zurückgelegt worden ist, zur Begleitmannschaft gehört und
dabei wiederum eigenmächtig und ohne Befehl 26 Häftlinge (Angeklagter Olejak)
bzw. 11 Häftlinge (Angeklagter Pansegrau) unter den Voraussetzungen des §
211 StGB getötet zu haben, wobei der Angeklagte Olejak in 5 Fällen und der
Angeklagte Pansegrau in einem Fall in Mittäterschaft mit an-
deren SS.Leuten
gehandelt haben soll.
Nach Durchführung
der Beweisaufnahme hielt die Staatsanwaltschaft den Angeklagten Olejak noch
in 9 Fällen von Häftlingstönungen (einen Fall im Lager Jaworzno, 8 Fälle
wahrend der Evakuierung des Lagers) und den Angeklagten Pansegrau in 12
Fällen von Häftlingstötungen ( 2 Fälle im Lager Jaworzno, 10 Fälle wahrend
der Evakuierung des Lagers) für überführt.
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B)
Feststellungen:
I.
Der Lebenslauf des Angeklagten Olejak:
Der Angeklagte wurde
am 8.9.1918 in Kunzendorf Kreis Bielitz in Polen geboren. Sein Vater war als
Emaillebrennermeister tätig und der Angeklagte hatte noch 7 Geschwister. Er
wuchs im Elternhaus auf und besuchte zunächst 5 Jahre die deutsche
Volksschule in Kunzendorf und anschießend 2 Jahre eine deutsche Volksschule
in Bielitz. Er war ein guter Durchschnittsschüler und wurde aus der 7.
Klasse entlassen.
Nachdem er zunächst
ein Jahr arbeitslos gewesen war, arbeitete er 2 Jahre als Hilfsarbeiter in
einer Gärtnerei Maurer. Von März 1937 bis Dezember 1939 arbeitete er als
angelernter Tuchweber in der Tuchfabrik Schanze in Bielitz. Während dieser
Zeit war er Mitglied bei der deutschen katholischen Jugend und bei einem
deutschen Männergesangverein.
Seit September 1939
war der Angeklagte Mitglied bei einem deutschen Selbstschutz. Nachdem er
zuvor schon für die polnische Armee gemustert worden war, ohne eingezogen
worden zu sein, erfolgte am 12.12.1939 die Musterung durch deutsche
Behörden. Am 16.12.1939 wurde der Angeklagte zur Waffen-SS eingezogen.
Zur Ausbildung kam
der Angeklagte zu einem in Buchenwald stationierten Regiment, das
ausschließlich aus volksdeutschen Rekruten bestand. Im Januar oder Februar
1940 wurde er zur weiteren Ausbildung nach Radolfszell am Bodensee verlegt.
Dort wurde er jedoch schon nach kurzer Zeit wegen eines Herzfehlers, der von
einer doppelseitigen Lungenentzündung herrührt, gvh
(Garnisonsverwendungsfähig Heimat) geschrieben
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und bekam keine
Weitere militärische Ausbildung mehr. Von Radolfszell ans wurde der
Angeklagte nach Berlin verlegt wo damals gvh-Kompanien stationiert waren.
Aufgrund
verschiedener Aufforderungen meldete sich der Angeklagte dann zum Dienst in
Lager Auschwitz. Grund hierfür war, daß der Angeklagte aus der Nähe von
Auschwitz stammte und durch die Versetzung erreichen wollte, wieder näher an
seine Heimat zu kommen. Im Juli oder August 1940 wurde der Angeklagte dann
von Berlin nach Auschwitz versetzt.
In Lager Auschwitz,
das sich damals noch in Stadium des Aufbaus befand, machte der Angeklagte
zunächst kurze Zeit bei der Wacheinheit Dienst. Wegen seiner Herzbeschwerden
und wegen seiner polnischen Sprachkenntnisse wurde er alsbald zur
Kommandantur des Lagers Auschwitz versetzt.
In der Folgezeit
hatte er in Lager Auschwitz die Funktionen eines Kommandoführers,
Blockführers und Arbeitsdienstführers inne. Von Januar 1941 bis Juni 1941
war der Angeklagte als Kommandoführer für ca. 20 Häftlinge beim Bau eines
SS.-Erholungsheimes in Mienzebrodze eingesetzt. Nach seiner Rückkehr in das
Lager Auschwitz war der Angeklagte zeitweilig auch als Kommandoführer beim
Aufbau des Lagers Birkenau tätig, stationiert war er in Lager Birkenau zu
keinem Zeitpunkt.
Mit Wirkung vom
1.12.1941 wurde der Angeklagte zum SS.Rottenführer und mit Wirkung vom
1.9.1942 zum SS.-Unterscharführer befördert. Diesen Rang hatte der
Angeklagte bis Kriegsende inne.
In Januar 1943
erkrankte der Angeklagte an Fleckfieber und wurde deswegen einige Zeit in
einem Lazarett in Kattowitz stationär behandelt. Anschließend erhielt der
Angeklagte 4 Wochen Genesungsurlaub, den er in den SS.-Erholungsheim
- 7 -
in Mienzebrodze, an
dessen Errichtung er mitgearbeitet hatte, verbrachte. Nach einem weiteren
Heimaturlaub von ca. 4 Wochen kehrte der Angeklagte zur Dienstleistung in
das Lager Auschwitz zurück.
Mitte Juni 1943
wurde der Angeklagte Olejak als Rapportführer in das neuerrichtete Lager
Jaworzno versetzt.
Ende März oder
Anfang April 1944 wurde der Angeklagte von Jaworzno aus in das
Konzentrationslager Blechhammer versetzt, wo er ebenfalls als Rapportführer
eingesetzt war. Dort blieb der Angeklagte bis zum 9.11.1944.
Am 23.9.1944
heiratete der Angeklagte in Schakowa Fräulein Else Kaesmarker. Der
Angeklagte hatte seine spätere Ehefrau, die damals mit ihrer Familie in dem
nur wenige Kilometer von Jaworzno entfernten Schakowa wohnhaft war, während
seiner Stationierung in Lager Jaworzno kennengelernt. Nach einem kurzen
Urlaub, den er in Schakowa verbrachte, kehrte der Angeklagte nach
Blechhammer zurück, während seine Ehefrau bei ihren Eltern in Schakowa
blieb.
Von Blechhammer aus
wurde der Angeklagte am 9.11.1944 nach Czechowitz in der Nähe von Bielitz
versetzt, wo er in einem kleineren, in der Nähe einer Öl-Raffinerie
gelegenen Lager die Funktion des Lagerführers übernahm. Dort blieb er bis
zum 18.1.1945.
Die Häftlinge dieses
Lagers wurden am 18.1.1945 evakuiert und erreichten nach einem längeren
Fußmarsch und einem mehrtägigen Bahntransport am 23.1.1945 das
Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar. An dieser Evakuierung nahm der
Angeklagte Olejak teil.
Nachdem er noch
einen Transport von weiblichen Häftlingen von Buchenwald aus nach
Bergen-Belzen begleitet hatte, kam der Angeklagte zu einem
Panzergrenadierbataillon, mit dem er kurz
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vor Kriegsende in
englische Kriegsgefangenschaft geriet. Im Juni 1948 wurde er aus einem Lager
in Nottingham entlassen.
Bis 1954 wohnte der
Angeklagte, aus dessen Ehe zwei 1949 bzw. 1954 geborene Saline
hervorgegangen sind, mit seiner Familie in einem Flüchtlingslager in
Hammelburg. Von dort verzog er nach Miltenberg und im Jahre 1958 nach
Bürgstadt bei Miltenberg, wo er sich ein eigenes Haus errichtet hat, in dem
er heute noch wohnt. Die Ehefrau des Angeklagten ist im Jahre 1970
verstorben.
Seit 1949 ist der
Angeklagte bei der Firma Miltenberger Bilderleisten und Rahmenfabrik R. ä H.
Austel beschäftigt, in der er derzeit die Funktion eines Betriebsmeisters
inne hat.
Strafrechtlich ist
der Angeklagte Olejak bisher noch nicht in Erscheinung getreten.
In vorliegender
Sache befand sich der Angeklagte vom 8.7. 1976 bis zum 24.4.1978 in
Untersuchungshaft.
II.
Der Lebenslauf des
Angeklagten Pansegrau:
Der Angeklagte Ewald
Pansegrau wurde am 13.8.1921 in Fleißacker/Kreis Rippin geboren. Seine
Eltern hatten dort einen landwirtschaftlichen Betrieb. Der Angeklagte hatte
noch 4 jüngere Geschwister. Er besuchte zunächst 4 Jahre die deutsche und
anschießend 3 Jahre die polnische Schule.
Nach der Entlassung
aus der Schule arbeitete er bis zu seiner am 19.11.1939 erfolgten
Einberufung im elterlichen Betrieb mit.
- 9 -
Obwohl sich der
Angeklagte zu einem Einsatz bei der Polizei gemeldet hatte, wurde er zur SS.
eingezogen. In Buchenwald erhielt er als Angehöriger des 10.
Totenkopfregimentes eine sechsmonatige Grundausbildung. Wegen eines
Magenleidens wurde der Angeklagte gvh geschrieben und etwa Mitte 1940 zur
Wachmannschaft des Konzentrationslager Auschwitz versetzt. Nach kurzer Zeit
kam er von dort auf eigenen Wunsch in die Abteilung Landwirtschaft des
Konzentrationslagers Auschwitz, wo er bis Juni 1943 verblieb.
Mit Wirkung von
30.1.1941 wurde der Angeklagte zum SS.-Sturmmann und mit Wirkung von
1.12.1941 zum SS.-Rottenführer der Reserve ernannt. Diesen Rang hatte der
Angeklagte bis Kriegsende inne.
Anläßlich der
Errichtung des Nebenlagers Jaworzno im Juni 1943 wurde der Angeklagte von
Auschwitz in dieses Lager versetzt, wo er als Angehöriger der
Lagerkommandantur als Blockführer und Kommandoführer tätig war.
Mm 18.12.1943
heiratete der Angeklagte in Jaworzno Frau Irmgard Wollny, mit der er
zusammen eine Wohnung in Jaworzno bezog. Zuvor hatte der Angeklagte, wie die
Mehrzahl der übrigen in Lager Jaworzno eingesetzten SS.-Leute, in einer
Unterkunftsbaracke in der Nähe des Lagers gewohnt.
In Lager Jaworzno
verrichtete der Angeklagte Pansegrau mit Ausnahme eines Zeitraums von
mehreren Monaten, während dessen er sich in Lager Auschwitz in Haft befand
und auf den später noch näher eingegangen wird, seinen Dienst bin zum
17.1.1945. Am Abend dieses Tages wurde das Lager Jaworzno wegen des
Heranrückens der russischen Armee evakuiert. Der Angeklagte begleitete eine
zeitlang die Häftlingskolonne auf ihren Fußmarsch zu dem Lager Blechhammer.
Während dieser Zeit hielt sich die Ehefrau des Angeklagten, auf einem
Pferdefuhrwerk mitfahrend, ebenfalls in der Nähe der Häftlingskolonne auf.
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Im weiteren Verlauf
der Evakuierung verließ der Angeklagte mit seiner Ehefrau die
Häftlingskolonne und fuhr in Begleitung eines weiteren SS.-Mannes namens
Riedel mit dem Pferdefuhrwerk in Richtung Berlin weiter. Unterwegs verließ
Frau Pansegrau ihren Mann und setzte die Flucht aus den Osten mit der Bahn
fort.
Bis Kriegsende kam
der Angeklagte Pansegrau noch zu verschiedenen anderen Einheiten. In Mai
l945 geriet er in Kriegsgefangenschaft, aus der er in August 1945 wieder
entlassen wurde. Bis 1952 hielt sich der Angeklagte mit seiner Familie in
Sachsen auf, seit dieser Zeit wohnt er nunmehr in Viersen bei Düsseldorf.
Aus der Ehe des Angeklagten sind 4 Kinder hervor gegangen, die
zwischenzeitlich alle verheiratet sind.
Bis zu seiner
vorläufigen Festnahme arbeitete der Angeklagte als Elektroschweißer bei der
Fa. Babcock in Oberhausen. Seit Anfang des Jahres 1980 bezieht der
Angeklagte wegen Erwerbsunfähigkeit eine Rente.
Strafrechtlich ist
der Angeklagte bisher noch nicht in Erscheinung getreten.
Der Angeklagte
Pansegrau befand sich in vorliegender Sache
von 8.7.1976 bis.
14.12.1978,
vom 27.1.1979 bis
12.4.1979,
von 17.5.1979 bis
31.5.1979
und vom 12.7.1979
bis 13.7.1979
in
Untersuchungshaft.
Zu diesen
mehrmaligen Verhaftungen des Angeklagten kam es dadurch, daß der zuständige
Senat des Oberlandesgerichts Bamberg jeweils auf Beschwerden der
Staatsanwaltschaft hin Beschlüsse der Kammer, durch die der Haftbefehl des
Amtsgerichts Aschaffenburg außer Vollzug gesetzt wurde, aufgehoben hat.
- 11 -
III.
Das
Konzentrationslager Jaworzno:
1. Das
Konzentrationslager Jaworzno wurde im Sommer 1943 als eines der zahlreichen
Nebenlager des Konzentrationslagers Auschwitz errichtet und bestand als
Konzentrationslager bis zum 17.1.1945. Teilweise wurde für das Lager auch
die Bezeichnung „Neudachs“ verwendet. Grund für die Errichtung des Lagers
war, daß die Fa. EVO (Elektrizitätsversorgung Oberschlesien) in der Nähe der
Stadt Jaworzno ein Elektrizitätswerk errichten wollte, für dessen Bau
Häftlinge als Arbeitskräfte verwendet werden sollten. Die Stadt Jaworzno
liegt an der Hauptverbindungsstraße von Kattowitz nach Krakau und hatte
damals ca. 10.000 Einwohner. In der Stadt selbst und in der näheren Umgebung
gab es mehrere Kohlengruben. Die aus ihnen geförderte Kohle sollte nach
dessen Fertigstellung zum Betrieb des Kraftwerkes, das den Namen „Kraftwerk
Wilhelm“ erhielt, verwendet werden.
Schon vor dem
Eintreffen der ersten Häftlinge und ihrer Bewacher waren auf dem für die
Errichtung des Lagers vorgesehenen Gelände, das östlich der Stadt Jaworzno
lag und mit seiner Nordseite an die bereit erwähnte Verbindungsstraße
Kattowitz-Krakau angrenzte, drei Baracken errichtet worden. Um diese
Baracken wurde ein provisorischer, an Holzpfosten befestigter Drahtzaun
gezogen. Ob dieser Zaun bereits bei der Ankunft der ersten Häftlinge
bestand, oder erst von diesen Häftlingen errichtet wurde, konnte nicht
eindeutig geklärt werden. Das Lagertor befand sich an der Nordostseite den
Zaunes in Richtung der erwähnten Straße.
Der erste
Häftlingstransport mit ca. 100 Häftlingen, zu denen im wesentlichen
polnische und tschechische Häftlinge gehörten, die im Zivilberuf als
Handwerker ausgebildet
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waren, traf an
15.6.1943 mit 2 LKW's in Jaworzno ein. Eine der bereits erwähnten Baracken,
die Blocks genannt wurden, wurde als Unterkunft für die ersten Häftlinge und
eine weitere Baracke als Unterkunft für die ersten SS.-Leute, die mit den
Häftlingstransport von Auschwitz nach Jaworzno gekommen waren, als
Unterkunft verwendet.
In der dritten
Baracke wurde eine Schreibstube und die Küche eingerichtet.
Von dieser ersten
Gruppe von Häftlingen und den in kurzen Zeitabständen aus dem Hauptlager
Auschwitz weiter nach Jaworzno gebrachten Häftlingen wurde in der Folgezeit
das eigentliche Lager errichtet.
Zur Unterbringung
der Häftlinge wurden weitere elf oder zwölf Blocks gebaut. Dazu wurden aus
Holz vorgefertigte sogenannte RAD (Reichsarbeitsdienst)- Baracken verwendet,
die von den Häftlingen im Lager zusammengebaut und auf 60 bis 80 cm hohen,
in den Boden eingegrabenen Holzpflöcken gestellt wurden. Um das für den
Endausbau des Lagers vorgesehene Gelände, das nicht ganz eben war, und in
etwa die Form eines Rechteckes hatte, wobei lediglich die westliche Seite
des Lagers schräg verlief, wurde ein doppelter Drahtzaun gezogen, der auf
Betonpfosten gespannt wurde. Diese Pfosten wurden von Häftlingen in Lager
selbst hergestellt. Die für den inneren Zaun vorgesehenen Pfosten wurden mit
Isolatoren versehen, damit der Drahtzaun unter Strom gesetzt werden konnte.
An der Südseite und
damit an der Straße gegenüberliegenden Seite wurde ein neues Tor errichtet.
Dieses hatte 2 Flügel, die jeweils aus einem mit Maschendraht bespannten
Holzrahmen bestanden mit einem Vorhängeschloß abgeschlossen werden konnten.
Daneben befanden sich noch eine in gleicher Weise gefertigte kleinere Türe.
Dieses Tor war nach der Inbetriebnahme das Haupttor des Lagers.
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Ob in der neuen
Umzäunung auch an der Nordostseite des Lagers, wo sich im provisorischen
Zaun das Tor befunden hatte, ein Tor angebracht wurde, konnte nicht
endgültig geklärt werden, wahrscheinlich war es jedoch nicht der Fall.
An den vier Ecken
der neuen Lagereinzäunung, möglicherweise auch noch in der Mitte der Ost-,
Nord und der Westseite des Lagers, wurden hölzerne Wachtürme errichtet, auf
denen Scheinwerfer zur Beleuchtung der Lagerumzäunung montiert wurden. Der
innere der beiden Zäune wurde nach seiner endgültigen Fertigstellung
regelmäßig unter Strom gesetzt.
Die Aufstellung der
als Häftlingsunterkünfte vorgesehenen 14 oder 15 Blocks, die zur
Kenntlichmachung die Nummern 1 - 14 bzw. 15 erhielten, erfolgte in der
Weise, daß sich an der Ostseite den Lagers die Blocks 1 - 7 befanden, wobei
Block 1 in der unmittelbaren Nähe des neuen Lagertores stand. Block 1 und 2
standen mit einer Schmalseite und die übrigen Blocks, die mit Ausnahme von
Block 5 in einer Doppelreihe errichtet wurden, mit einer Längsseite zum
östlichen Lagerzaun.
In der Nordostecke
des Lagergeländes stand, etwas erhöht, der Block 8. An ihn schlossen sich,
wiederum in einer Doppelreihe und mit seiner Schmalseite zur nördlichen
Lagerbegrenzung stehend, die Blocks 9 - 14 bzw. 15 an.
Mit Ausnahme von
Block 8 waren die einzelnen Unterkunftsbaracken in 3 Räume unterteilt, von
denen jeder auf einer Längsseite der Baracke einen gesonderten Eingang
hatte. In den beiden äußeren Räumen befanden sich dreifache Stockbetten als
Schlafgelegenheit für die Häftlinge, der mittlere Raum war eine Art
Aufentha1tsraum, von dem ein Teil als Schlafraum für die in jedem Block
eingesetzten Funktionshäftlinge abgeteilt war. Im Winter konnten die
einzelnen Blocks mit Holz- bzw. Kohleöfen geheizt werden. Irgendwelche
sanitären Anlagen gab es in den einzelnen Blocks nicht.
- 14 -
Der Block 8, in dem,
worauf noch näher eingegangen werden wird, die Funktionshäftlinge des Lagers
untergebracht waren, war in mehrere Einzelräume unterteilt. Vor Block 8
wurde ein größerer Platz angelegt, der Appellplatz des Lagers.
Neben Block 5 wurde
eine sogenannte Duschbaracke eingerichtet, das Wasser wurde mit einer
ausrangierten Lokomotive, die vor der Baracke stand, erwärmt.
In den jeweiligen
Ecken des Lagers wurden Latrinenbaracken aufgestellt, da, wie erwähnt, die
einzelnen Blocks keine sanitären Anlagen hatten. Während der Nacht wurden in
den Blocks, die die Häftlinge zu dieser Zeit nicht verlassen durften, zu
Verrichtung der Notdurft einfache Eimer aufgestellt.
In einem Block waren
durchschnittlich zwischen 200 und 300 Häftlinge untergebracht.
Von neuen Tor aus
wurde, rechts an den Blocks 1 - 7 und der Duschbaracke vorbei, die
sogenannte Lagerstraße gebaut, die vor Block 8 fast in eines rechten Winkel
nach Osten abknickte und zwischen den Blocks 9 - 14 bzw. 15 hindurchführte.
Ob diese Straße befestigt war, konnte nicht eindeutig geklärt werden.
Etwa in der Mitte
des Lagergeländes, und zwar vom neuen Tor aus gesehen rechts der Lagerstraße
und in Höhe der Duschbaracke, wurde von den Häftlingen das einzige
Steingebäude des Lagers errichtet. Dieses hatte in Grundriß die Form eines T
und wurde Ende 1943 oder Anfang 1944 fertiggestellt. In dem parallel zur
Lagerstraße verlaufenden Teil den Gebäudes wurden in mittleren Teil die
Bekleidungskammer, in den zum Tor hin gelegenen südlichen Teil die
Lagerschreibstube und im nördlichen Teil die Häftlingskantine eingerichtet.
In letzterer konnten Häftlinge, die im Besitz von Prämienscheinen waren,
bestimmte Waren wie Seife, Zigaretten und
- 15 -
manchmal auch
Lebensmittel erhalten. In dem senkrecht zu dem erwähnten Teil des
Steingebäudes stehenden Flügel wurde nach dessen Fertigstellung die
Häftlingsküche und die notwendigen Lagerräume für die Lebensmittel
untergebracht.
In der südöstlichen
Ecke des Lagergeländes, die höher lag als der übrige Teil des Lagers, wurde
der Häftlingskrankenbau (HKB) errichtet. Zu diesen Zweck wurde das Gelände
teilweise abgetragen und eingeebnet. Der HKB bestand aus 3 in U-Form
aufgestellten Holzbaracken, und zwar sogenannten Luftwaffenbaracken. Diese
hatten im Gegensatz zu den als Wohnblocks aufgestellten RAD-Baracken, in
Längsrichtung gesehen, in der Mitte einen durch die ganze Baracke führenden
Gang, von dem links und rechts kleinere Räume lagen. Diese Baracken waren
zumindest teilweise unterkellert, die Kellerräume waren sowohl von innen als
auch von außen zugänglich. In einen Teil dieser Kellerräume wurden von den
Häftlingen für den Lagerführer Schweine und Kaninchen gefüttert.
Bevor der neue HKB
in Betrieb genommen wurde, war ein Teil einer Wohnbaracke, wahrscheinlich
Block 5, provisorisch als Krankenbau eingerichtet, wobei zur Behandlung der
Häftlinge nur 3 - 4 Betten zur Verfügung standen.
Zwischen dem neu
errichteten HKB und dem Haupttor wurde 1944 an der Südseite des Lagerzauns
eine Baracke errichtet, in der die Wäscherei für die Häftlingskleidung und
die sogenannte Entlausung eingerichtet wurden. Vor der Inbetriebnahme dieser
Einrichtungen wurde die schmutzige Wäsche der Häftlinge mit LKW nach
Auschwitz gebracht und dort gewaschen.
Im Jahre 1944 wurde
zwischen dem gemauerten Wirtschaftgebäudes und dem vor Block 8 liegenden
Appellplatz von den Häftlingen ein gemauerter bzw. betonierter
Feuerlöschteich gebaut, der nach der Fertigstellung auch mit Wasser gefüllt
- 16 -
wurde. Dieses
Wasserbecken wurde von manchen Häftlingen im Sommer 1944 auch zum Schwimmen
und Baden benutzt.
Um die Sicht von der
an der Nordseite des Lagers vorbeiführenden öffentlichen Straße in das Lager
hinein unmöglich zu machen, wurde bereits im Jahr 1943 entlang der Straße
und an der nordöstlichen Seite des Lagers eine 2 - 3 Meter hohe, aus
Ziegelsteinen gefertigte Mauer errichtet.
Zum Transport der
zum Aufbau des Lagers notwendigen Baumaterialien wie der vorgefertigten
Teile für die Holzbaracken und der Steine für den Bau des Wirtschaftgebäudes
und der Mauer sowie zur Durchführung der bereits erwähnten
Planierungsarbeiten im Lager wurden im Lager Schienen für eine Kleinbahn
verlegt. Diese Schienen führten auch durch das neu errichtete Tor aus dem
Lager heraus bis zu einer in der Nähe gelegenen Ziegelei und zur Baustelle
des Kraftwerks.
Außerhalb des neuen
Haupttores wurde, ins Lagerinnere gesehen, auf der rechten Seite den Tores
die sogenannte Blockführerstube in Form eines eingeschossigen Steingebäudes
errichtet. Daneben wurde die für die Elektrifizierung des Zaunes
erforderliche Trafostation gebaut. In der Nähe der Blockführerstube,
ebenfalls außerhalb den Lagers wurde ein Stall für die Pferde des
Lagerführers und eine Garage errichtet.
Südlich des Lagers
wurden von den Häftlingen auf einem kleinen Hügel die Unterkünfte und
Wirtschaftsräume für die SS.-Lagerbesatzung gebaut. Hierzu wurden ebenfalls
vorgefertigte Holzbaracken verwendet, von denen 3 in U-Form aufgestellt
wurden. In der linken und rechten Baracke waren die Unterkünfte für die
SS.-Leute und in der mittleren Baracke die Wirtschafträume wie Küche und
Kantine untergebracht.
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2. Die Häftlinge des
Lagers Jaworzno:
Wie bereits
ausgeführt, bestand der erste Transport von Häftlingen, der am 15.6.1943 vom
Hauptlager in Auschwitz nach Jaworzno verlegt wurde, aus ca. 100 Häftlingen,
in erster Linie Polen und Tschechen. Dieser Transport setzte sich, wie auch
alle übrigen, nur aus männlichen Häftlingen zusammen. Weibliche Häftlinge
waren im Lager Jaworzno zu keiner Zeit inhaftiert.
Am 21.6.1945 wurden
weitere 150 Häftlinge von Auschwitz nach Jaworzno verlegt. Auch dieser
Transport bestand wiederum in der Hauptsache aus polnischen und
tschechischen Häftlingen, die im Zivilberuf Handwerker waren. Auch einige
deutsche Häftlinge befanden sich in dieser Gruppe.
Am 2.7.1943 kam der
erste größere Häftlingstransport nach Jaworzno, der aus etwa 1.000
Häftlingen bestand, vorwiegend Juden, die aus Griechenland deportiert worden
waren.
Ein weiterer
Transport von 750 Häftlingen erreichte am 15.7.1943 das KZ Jaworzno, am
7.9.1943 wurden 500 Häftlinge und am 14.9.1943 300 Häftlinge vom Hauptlager
nach Jaworzno verlegt, wobei es sich fast ausschließlich um jüdische
Häftlinge handelte. Die meisten dieser Häftlinge waren zuvor in
Zwangsarbeitslagern in Polen inhaftiert gewesen. Anfang März 1944 kamen 800
neue Häftlinge in das Lager Jaworzno, darunter etwa 300 russische Gefangene.
Anfang Juni 1944
wurden ca. 1.500 jüdische Häftlinge, die aus Ungarn deportiert worden waren,
in vier Transporten nach Jaworzno gebracht. Unter ihnen befanden sich auch
zahlreiche relativ junge Häftlinge im Alter von etwa 16 Jahren.
Im September 1944
schließlich wurden 2 Transporte von je ca. 500 Häftlingen nach Jaworzno
gebracht. Bei einem dieser Transporte handelte es sich um Häftlinge, die
- 18 -
vorher in den
Konzentrationslager Lagischa untergebracht waren, das zu diesen Zeitpunkt
aufgelöst wurde.
Der letzte Transport
von Häftlingen kam am 7.12.1944 in Jaworzno an und umfaßte ca. 550
Häftlinge, die aus den Konzentrationslager Gleiwitz nach Jaworzno verlegt
wurden.
Ob es sich bei
dieser Zahl von 6.650 Häftlingen um alle oder auch nur um annähernd alle
Häftlinge handelt, die vom 15.6.1943 bis 17.1.1945 in Konzentrationslager
Jaworzno inhaftiert waren, konnte nicht sicher geklärt werden. Die Kammer
geht davon aus, daß die durchschnittliche Belegung
des Lagers Jaworzno
nach Errichtung der insgesamt 14 oder 15 Wohnblocks zwischen 3.000 und 4.000
Häftlingen gelegen hat. Den weitaus größten Teil dieser Häftlinge bildeten
Juden.
Zu dieser im
Verhältnis zu den Neuzugängen niedrigeren Zahl von Häftlingen kam es
deswegen, weil zahlreiche im Lager Jaworzno untergebrachten Häftlinge in
Jaworzno selbst verstorben sind oder anläßlich von Selektionen nach
Auschwitz oder Birkenau zurückgebracht wurden. Hierauf wird später noch
näher eingegangen werden. Vereinzelt kam es auch zu Verlegungen von
Häftlingen in andere Lager. So wurden zum Beispiel schon am 16.8.1943 etwa
50 tschechische politische Häftlinge über Auschwitz in das
Konzentrationslager Buchenwald verlegt. Im November 1944 wurde eine der Zahl
nach nicht genau feststellbare Gruppe von polnischen Häftlingen in das Lager
Mauthausen verlegt. Schließlich gelang auch einigen wenigen Häftlingen die
Flucht aus dem Lager Jaworzno.
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3. Der
Arbeitseinsatz der Häftlinge im Lager Jaworzno:
Zu Beginn des
Bestehens des KZ. Jaworzno wurden praktisch alle im Lager untergebrachten
Häftlinge beim Ausbau des Lagers eingesetzt. Auch nach Fertigstellung des
Lagers arbeitete ein Teil der Häftlinge ständig in Lager, zum Beispiel in
der Schreibstube, in der Küche, in der Bekleidungskammer, in Krankenbau und
in den einzelnen Blocks. Außerdem gab es ständig eine Gruppe von Häftlingen,
die im Lager als Tüncher, Dachdecker, Elektriker, Friseure, Schmiede und in
ähnlichen Handwerksberufen eingesetzt war. Ein nicht geringer Teil der
Belegschaft des Lagers war ständig so schwer erkrankt, daß er nicht arbeiten
konnte. Im Dezember 1944 betrug zum Beispiel dieser Anteil ca. 550
Häftlinge, also weitaus mehr als 10% der Gesamtbelegschaft des Lagers.
Der Großteil der ins
Lager inhaftierten Häftlinge kam jedoch außerhalb des eigentlichen Lagers
zum Arbeitseinsatz. Daß größte Arbeitskommando war das sogenannte
Außenkommando, dessen Mitglieder beim Bau des Kraftwerkes Wilhelm eingesetzt
wurden. Die Baustelle war etwa ein bis zwei Kilometer vom Lager entfernt,
den Weg mußten die Häftlinge zu Fuß zurücklegen. In diesem Kommando wurde
nur tagsüber gearbeitet, und zwar jeden Tag mit Ausnahme der Sonntage. Einen
Schichtbetrieb gab es in diesem Kommando nicht.
Das Außenkommando
umfaßte zeitweise ca. 1.700 bis 2.000 Häftlinge, die auf der Baustelle in
Einzelkommandos aufgeteilt und den an der Errichtung des Kraftwerks
beteiligten Firmen zugeteilt wurden. Beim Bau dieses Kraftwerkes waren auch
Zivilisten, darunter auch Frauen, beschäftigt.
Daneben kamen
zahlreiche Häftlinge in mehreren Kohlengruben zum Arbeitseinsatz.
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Ca. 300 - 350
Häftlinge arbeiteten täglich in 3 Schichten in der Dachsgrube, die ziemlich
nahe südöstlich den Lagers gelegen war. Den Weg von Lager zu der Grube und
zurück mußten die Häftlinge jeder Schicht, unter Bewachung von SS.-Leuten,
zu Fuß zurücklegen. Jeder Schicht gehörten ca. 100 - 120 Häftlinge an. Ihren
Arbeitsplatz in der Dachsgrube erreichten die Häftlinge durch einen schräg
nach unten in den Berg führenden Stollen. Die Arbeitszeit der Frühschicht
dauerte von 6.00 bis 14.oo Uhr, die der Mittagsschicht von 14.oo bis 22.00
Uhr und die der Nachtschicht von 22.00 bis 6.oo Uhr.
Jede Woche fand
zwischen den in den verschiedenen Schichten eingesetzten Häftlinge ein
Wechsel statt, so daß der einzelne Häftling abwechselnd in jeder der drei
Schichten arbeiten mußte.
Ebenfalls 300 - 350
Häftlinge arbeiteten in der sogenannten Rudolfsgrube. Diese Grube lag in
einer Entfernung von 5 - 6 km am anderen Ende der Stadt Jaworzno. Um diese
Grube zu erreichen, mußten die Häftlinge deshalb die Stadt Jaworzno
passieren.
Auch in dieser Grube
wurde von den Häftlingen in drei Schichten mit den gleichen Arbeitszeiten
wie in der Dachsgrube gearbeitet. Anders als in der Dachsgrube fand jedoch
in der Rudolfsgrube zwischen den einzelnen Schichten kein regelmäßiger
Wechsel statt, das heißt die einzelnen Häftlinge gehörten während des ganzen
Zeitraums, in dem sie in der Rudolfsgrube eingesetzt waren, immer der
gleichen Schicht an, zum Beispiel der Nachtschicht. Nur vereinzelt kam es
vor, daß Häftlinge nach längerem Einsatz in einer bestimmten Schicht einer
anderen Schicht zugeteilt wurden und dann wiederum längere Zeit in dieser
Schicht verblieben. Ihren Arbeitsplatz in der Grube erreichten diese
Häftlinge mittels eines Förderkorbes.
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Die in der
Rudolfsgrube eingesetzten Häftlinge legten den Weg vom Lager durch die Stadt
Jaworzno zur Grube meistenteils zu Fuß zurück. Gelegentlich wurden sie auch
mit offenen LKW's oder, vor allem am Schluß der Lagerzeit, einen Teil des
Weges mit Güterwaggons transportiert.
Da es am Anfang der
Lagerzeit auf dem Weg zwischen Lager und Kohlengruben zu verschiedenen
Fluchtversuchen von Häftlingen gekommen war, wurden die Häftlinge, die in
diesen beiden Gruben arbeiteten, auf dem Weg zwischen Lager und Grube
gefesselt, um solche Fluchtversuche zu verhindern. Diese Fesselung erfolgte
in der Weise, daß jeweils 10 Häftlinge auf einer Seite mit der rechten bzw.
linken Hand mittels einer Eisenkette, durch die eine dünne mit einen
Vorhängeschloß versehenen Eisenstange geschoben wurde, aneinander gefesselt
wurden.
Außer in diesen
beiden größeren Gruben wurden kleinere Häftlingskommandos auch in der
Richard- und Leopoldgrube Eingesetzt, ab Herbst 1944 auch in der neu
errichteten Friedrich-August-Grube.
Neben dem
Außenkommando und den Grubenkommandos gab es noch kleinere
Häftlingskommandos für die in der Nähe der Dachsgrube gelegene Ziegelei, zum
Abladen von Baustoffen, zum Bau von Geleisen und für Rodungsarbeiten.
Entsprechend ihrer
Zugehörigkeit an den verschiedenen Arbeitskommandos waren die Häftlinge im
Lager untergebracht. Die Häftlinge des Außenkommandos belegten die Blocks 1
- 7 und die Grubenkommandos die Blocks 9 - 14 bzw. 15. Die im Lager selbst
eingesetzten Häftlinge waren fast alle im Block 8, dem sogenannten
Prominentenblock untergebracht.
- 22 -
4. Die Verwaltung
des Lagers Jaworzno:
a)Die Verwaltung
des Lagers Jaworzno oblag der sogenannten Lagerkommandantur, an deren Spitze
der Lagerführer stand. Diese Funktion hatte in Jaworzno während der gesamten
Zeit des Bestehens des Lagers der SS.Angehörige Bruno Pfütze inne, der
vorher im Hauptlager Auschwitz als Rapportführer eingesetzt war. Bei Beginn
seiner Tätigkeit in Jaworzno hatte er den Rang eines SS.Untersturmführers
inne, mit Wirkung vom 9.11.1944 wurde er zum SS.Obersturmführer befördert.
Im Zivilberuf war er Tüncher und Lackierer gewesen. Er hatte ein Büro in der
am Lagertor stehenden Blockführerstube. Zusammen mit seiner Familie wohnte
er in einem Haus in der Stadt Jaworzno, zuvor hatte er in einem Zimmer auf
dem Gelände der Dachsgrube gewohnt. Zur Ausübung seines Dienstes stand ihm
ein Motorrad zur Verfügung. Außerdem besaß Pfütze in Jaworzno zunächst ein,
dann zwei Pferde, die er ritt und auch als Zugpferde für eine Kutsche
benutzte. Der Stall für diese Pferde befand sich in der Nähe der
Blockführerstube außerhalb des eigentlichen Lagers. Der derzeitige
Aufenthalt von Pfütze konnte nicht ermittelt werden, er soll 1945 in
Norwegen verstorben sein. Neben dem Lagerführer gehörten noch der
Rapportführer und die Blockführer der Lagerkommandantur an. Dabei gab es im
Lager Jaworzno zur gleichen Zeit immer nur einen Rapportführer. Aufgabe des
Rapportführers war die Abnahme der täglichen Appelle. Diese fanden, als das
Lager noch nicht voll belegt war, für das gesamte Lager auf dem Appellplatz
vor Block 8 statt. Später wurden die Appelle neben den einzelnen Blocks
abgehalten. Dem Rapportführer wurden von den jeweils zuständigen
Blockführern die Belegzahlen der einzelnen Blocks und Arbeitskommandos sowie
die Zahl der arbeitsunfähigen Häftlinge gemeldet, die er dann im Laufe des
Tages telefonisch in das Hauptlager nach Auschwitz weitermeldete. Dies war
praktisch seine
- 23 -
Hauptaufgabe im
Lager Jaworzno. Weiter gehörte zum Aufgabenbereich des Rapportführers die
Teilnahme an Kontrollen bei aus- und einrückenden Häftlingskommandos sowie
bei Kontrollen in den einzelnen Blocks und an den Arbeitsstellen der
Häftlinge. Er war auch für die Einteilung der Häftlinge in die einzelnen
Arbeitskommandos zuständig, da es in Jaworzno, anders als in größeren
Lagern, keinen eigenen Arbeitsdienstführer gab. Weiter oblag ihm die
Aufgabe, die Dienstpläne für die einzelnen Blockführer und Kommandoführer zu
erstellen. Insbesondere zu Beginn der Lagerzeit überwachte er zusammen mit
dem Lagerführer Pfütze den Aufbau des Lagers.
Die Funktion des
Rapportführers hatte vom 15.6.1943 bis Ende März/Anfang April 1944 der
Angeklagte Olejak inne.
Nach der Versetzung
des Angeklagten Olejak aus dem Lager Jaworzno übernahm zu einem nicht mehr
feststellbarem Zeitpunkt der SS.Mann Otto Hablesreiter dieses Amt, der zuvor
als Blockführer und Kommandoführer eingesetzt war. Er war der älteste der im
Lager selbst eingesetzten SS. Leute und von großer, kräftiger Gestalt. Von
den Häftlingen hat er möglicherweise den Spitznamen "Rasputin" erhalten. Er
ist zwischenzeitlich verstorben.
Nach Hablesreiter
übernahm der SS.Unterscharführer Erich Grauel den Posten des Rapportführers,
der Anfang November 1944 in das Lager Jaworzno versetzt worden ist. Grauel
war von Zivilberuf Schäfer und gehörte im Jahr 1941 zusammen mit dem
Angeklagten Pansegrau der Abteilung Landwirtschaft des Hauptlagers Auschwitz
an. Zu einem späteren, nicht genau feststellbarem Zeitpunkt vor seiner
Versetzung nach Jaworzno war Grauel Mitglied der Kommandantur des
Konzentrationslagers Auschwitz II, also des Lagers Birkenau, und war als
Arbeitsdienstführer eingesetzt. Er ist am 18.2.1945 in Goldschmieden bei
Breslau gefallen.
Weiter gehörten der
Lagerkommandantur noch die sogenannten Blockführer an. Ihre Aufgabe im Lager
war es, für Ordnung
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und Sauberkeit in
den einzelnen Blocks zu sorgen und an den Appellen teilzunehmen. Dabei war
jeweils ein Blockführer für mehrere Blocks zuständig. Einer von ihnen war
ständig als sogenannter Blockführer von Dienst in der Blockführerstube an
Lagertor tätig, wo er die aus- und einrückenden Häftlingskolonnen
kontrollieren und zählen mußte. Daneben wurden die einzelnen Blockführer
noch als Kommandoführer eingesetzt. In dieser Eigenschaft brachten sie
zusammen mit Angehörigen der Wachmannschaft die Häftlinge vom Lager zu deren
Arbeitsplatz.
Welche und wieviele
SS.Leute in Jaworzno während des Bestehens des Lagers als Block- und
Kommandoführer eingesetzt wurden, konnte nicht endgültig geklärt werden.
Folgende SS.Leute waren jedoch mit Sicherheit als Blockführer in Jaworzno
tätig:
Der SS.-Mann Paul
Kraus ins Range eines SS.-Rottenführers und ab 1.5.1944 im Range eines
Unterscharführers.
Ihm fehlten an der
linken Hand mehrere Finger. Wegen dieser Verletzung erhielt er von den
Häftlingen verschiedene Spitznamen, je nachdem welche Muttersprache die
Häftlinge sprachen. So hieß er bei polnischen Häftlingen Lapka oder
Rountschka, was soviel wie „Pfote“ bedeutet. Bei tschechischen Häftlingen
hatte er den Spitznamen Pradznika, was „Pratze“ bedeutet. Er hielt sich
einen oder zwei Schäferhunde, die er auch mit in das Lager nahm und
gelegentlich auf Häftlinge hetzte. Hierauf wird später noch näher
eingegangen werden. Sein derzeitiger Aufenthalt konnte nicht ermittelt
worden.
Der an 21.7.1919
geborene SS.-Mann Ernst König war vom Sommer 1943 bis Frühjahr 1944 als
Blockführer und Kommandoführer in Jaworzno eingesetzt. Zu diesem Zeitpunkt
unternahm er mit seiner Pistole einen Selbstmordversuch, den er jedoch
überlebte. Er kam in ein Lazarett und kehrte
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nicht mehr nach
Jaworzno zurück. Er wurde in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen.
Ein SS.-Mann namens
Lausmann (phonetisch), der mit dem Vornamen wahrscheinlich Franz geheißen
hat. Er war relativ klein und hatte eine untersetzte Figur. Ein besonderes
Kennzeichen von ihn war, daß er mehrere Goldzähne hatte. Er stammte
wahrscheinlich aus Rumänien und sprach neben Deutsch auch Jiddisch. Zu
weichem Zeitpunkt er in das Lager gekommen ist, konnte nicht genau geklärt
werden. Er war jedenfalls an Ende des Bestehens den Lagers in Jaworzno und
hat auch die Häftlinge auf dem Evakuierungsmarsch zumindest teilweise
begleitet.
Die näheren
Personalien und sein derzeitiger Aufenthalt konnten nicht ermittelt werden.
Weiter war ein
SS.Mann namens Markewitsch (phonetisch) als Blockführer in Jaworzno
eingesetzt. Hinsichtlich seines Aussehens, Alters und seiner Herkunft
konnten keine genauen Feststellungen getroffen werden. Sein derzeitiger
Aufenthalt konnte derzeit auch nicht ermittelt werden.
Während der meisten
Zeit des Bestehens des Lagers Jaworzno übte auch der Angeklagte Pansegrau
die Funktion eines Block- und Kommandoführers aus. Er kam in Sommer 1943 von
der Abteilung Landwirtschaft des Hauptlagers in Auschwitz nach Jaworzno und
verblieb dort zunächst bis Ostern 1944. Am Tag nach Ostern 1944 wurde der
Angeklagte Pansegrau verhaftet und kam in das Hauptlager in Auschwitz. Grund
hierfür war, daß es an den Osterfeiertagen zwischen dem Angeklagten und den
Zeugen Zitzmann, der damals bei der Wachkompanie des Lagers Jaworzno
eingesetzt war, zu einer Auseinandersetzung gekommen war, in deren Verlauf
der Angeklagte Pansegrau seine Pistole zog. Aus dieser
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löste sich ein Schuß,
der den Zeugen Zitzmann in das linke Bein traf. Der Grund für diese
Auseinandersetzung war, daß der Zeuge Zitzmann gegenüber Frau Pansegrau, die
sich damals bei ihren Mann in den Unterkunftsbaracken der SS.-Leute
aufgehalten hatte, zudringlich geworden war. Infolge der durch den Schuß
erlittenen Verletzung mußte dem Zeugen Zitzmann in einem Lazarett das linke
Bein oberhalb den Knies amputiert werden.
Der Angeklagte
Pansegrau befand sich längere Zeit, möglicherweise bis Mitte oder Ende
September 1944 nicht im Lager Jaworzno, sondern in Haft im Hauptlager
Auschwitz. Nach der Entlassung aus der Haft, kehrte der Angeklagte Pansegrau
nach Jaworzno zurück, wo er seine frühere Tätigkeit wieder aufnahm. In
erster Linie war er dann jedoch als Blockführer in Lager selbst und nur
gelegentlich als Kommandoführer eingesetzt.
Als Vertreter des
Angeklagten Pansegrau kam, als sich dieser in Haft befand, cm SS.Mann namens
Bräutigam als Block- und Kommandoführer nach Jaworzno, der auch nach der
Rückkehr des Angeklagten in Lager Jaworzno blieb. Nähere Einzelheiten zu
seiner Person und sein derzeitiger Aufenthalt konnten nicht ermittelt
werden.
Vom Sommer 1943 bis
Frühjahr 1944 war ein wahrscheinlich aus Kroatien stammender SS.Mann als
Blockführer und Kommandoführer in Jaworzno eingesetzt, der entweder Bischof
oder Miller hieß. Dieser erschoß ein Dienstmädchen des Lagerführers Pfütze,
worauf er verhaftet und aus Jaworzno weggebracht wurde.
Außer diesem als
Blockführer aufgeführten SS.-Leuten übte, wie bereits erwähnt, der SS.Mann
Otto Hablesreiter zeitweise die Funktion eines Blockführers und
Kommandoführers ans.
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b)Außer den bereits
erwähnten Lagerführer, Rapportführer und den Blockführern war noch eine
Reihe von SS.Leuten im Lager zur Beaufsichtigung der Häftlinge in bestimmten
Bereichen eingesetzt. So war für die Häftlingsküche im Lager zeitweilig der
SS.Mann Alfred Fischer verantwortlich, sein Vertreter war ein SS.Mann namens
Hoffmann. Für die Bekleidungskammer war cm SS.Mann namens Lechner, später
einer mit Namen Kaufmann zuständig.
c)Nicht dem
Lagerführer Pfütze, sondern direkt dem Hauptlager unterstellt war die
politische Abteilung den Lagers Jaworzno. Aufgabe dar politischen Abteilung
war die Überwachung der Sicherheit des Lagers sowie die Kontrolle der
Häftlingspost. Ihr Chef war dar SS.Rottenführer Felix Witowski, dessen
Aufenthalt nicht ermittelt werden konnte. Zumindest zeitweilig gehörte
dieser Abteilung auch ein SS.Mann namens Willers an, der Ende 1944 als
Sachbearbeiter bei der Flucht von Häftlingen aus dem Lager zuständig war.
d)Schließlich gab es
im Lager Jaworzno selbst noch jeweils einen SS.Mann, der für den
Häftlingskrankenbau verantwortlich war, den sogenannten Sanitätsdienstgrad (SDG).
Auch dieser unterstand nicht dem Lagerführer des Lagers Jaworzno, sondern
direkt dem Lagerarzt im Hauptlager Auschwitz.
Die Funktion des SDG
hatten im Lager Jaworzno nacheinander der SS.Rottenführer Kallfuß und die
SS.Unterscharführer Arno Frank und Emil Hantl inne. Von diesen konnte
lediglich der letztgenannte Hantl in der Hauptverhandlung als Zeuge
vernommen werden. Dabei konnte nicht eindeutig geklärt worden, ob Hantl
schon im Frühjahr 1944 oder erst am 1.9.1944 nach Jaworzno gekommen ist.
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5. Die
Selbstverwaltung den Lagers Jaworzno durch die Häftlinge:
An der Spitze der
Häftlingsselbstverwaltung stand der sogenannte Lagerälteste, der im Lager
für Ruhe, Ordnung und Sauberkeit verantwortlich und gegenüber seinen
Mithäftlingen weisungsberechtigt war. Lagerältester des Lagers Jaworzno war
von Anfang an bis zum April 1944 der deutsche Häftling Bruno Brodnewicz, der
dar erste Häftling im Lager Auschwitz gewesen ist und deshalb die
Häftlingsnummer 1 trug. Sein Nachfolger wurde der deutsche Häftling Kurt
Pennowitz. Diesem gelang es, am 23.12.1944 in der Nacht aus dem Lager zu
flüchten. Seine Flucht wurde dadurch möglich, daß der SS.Unterscharführer
Paul Kraus ihn verbotenerweise aus dem Lager mitnahm und ihn unbeaufsichtigt
bei Frauen in der Stadt Jaworzno zurückließ, während er selbst ein
Häftlingskommando in die Kohlengrube brachte. Bevor Kraus zurückkam, um ihn
wieder mit in das Lager zu nehmen, war Kurt Pennowitz geflohen. Weder
Brodnewicz noch Pennowitz konnten ermittelt werden.
Dem Lagerältesten
unterstellt waren die sogenannten Blockältesten, die jeweils für einen
Häftlingsblock verantwortlich waren. Sie hatten für Ordnung und Sauberkeit
im Block zu sorgen. Außerdem waren sie für die Essensausgabe an die
Häftlinge ihres Blocks verantwortlich. Ihnen zur Seite standen für jeden
Block mehrere Häftlinge, die als Stubenälteste bezeichnet wurden sowie ein
Häftlingsblockschreiber.
Die Funktion eines
Blockältesten, Stubenältesten und Blockschreibers hatten im Lager Jaworzno
in erster Linie deutsche, polnische und tschechische nichtjüdische Häftlinge
inne.
Eine erhebliche
Bedeutung in der Häftlingsselbstverwaltung kam der Häftlingsschreibstube zu.
In dieser waren der Arbeitsdienstschreiber und der Rapportschreiber mit
ihren
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jeweiligen Gehilfen
beschäftigt.
Der
Arbeitsdienstschreiber hatte in erster Linie die Aufgabe, die Häftlinge den
einzelnen Arbeitskommandos zuzuteilen. Diese Funktion hatte während der
gesamten Zeit des Bestehens des Lagers der polnische Häftling Theo Piskon
inne, der in Januar 1945 bei der Evakuierung des Lagers ums Leben gekommen
ist. Einer seiner Gehilfen war der tschechische Häftling Dr. Milos Novy, der
damals mit Familienname Gruenhut hieß.
Bei dem
Rapportschreiber des Lagers liefen die gesamten Meldungen über den
Häftlingsstand in den einzelnen Blocks und im Gesamtlager zusammen und er
war für die Führung der verschiedenen Häftlingskarteien im Lager
verantwortlich.
Zu Beginn des Lagers
hatte diese Funktion der Zeuge Antoni Sicinski und ab Juli 1943 der Zeuge
Raimund Zejer inne, beides polnische politische Häftlinge. Nach der
Übernahme des Amtes durch den Zeugen Zejer war der Zeuge Sicinski bis zum
11.4.1944 als Gehilfe des Rapportschreibers Zejer tätig.
Weiter gab es in
Jaworzno eine Reihe von Häftlingen, die im Lager bestimmte Funktionen
ausübten, wie zum Beispiel in der Küche, in der Bekleidungskammer und in der
Häftlingskantine. Auch diese Posten hatten im wesentlichen nichtjüdische
polnische und tschechische Häftlinge inne. So war der Zeuge Smigielski von
Anfang an bis zum 29.11.1944, als ihm die Flucht aus dem Lager gelang, für
die Bekleidungskammer und der Zeuge Zewski während der meisten Zeit für die
Häftlingsküche verantwortlich. Der bereits erwähnte Zeuge Sicinski leitete
mach deren Eröffnung am 11.4.1944 die Häftlingskantine. Nebenbei war er noch
als Schreiber für den Leiter der politischen Abteilung Witowski tätig.
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Eine besondere
Stellung hatte im Lager Jaworzno der Zeuge Wiktor Pasikowski, wiederum ein
polnischer nichtjüdischer Häftling, inne, der zusammen mit den Zeugen
Smigielski am 29.11.1944 aus dem Lager geflohen ist. Er war dem Lagerführer
Pfütze und dem jeweiligen Lagerältesten zur besonderen Verwendung zugeteilt,
weshalb er von den Mithäftlingen mit dem Ausdruck " Pipel " belegt wurde.
Eine Sonderstellung
in Lager nahm, ebenso wie auf Seiten der SS., der Häftlingskrankenbau ein.
Dieser hatte an der Spitze einen eigenen Lagerältesten, der nicht den
Lagerältesten den Gesamtlagers unterstand. Weicher Häftling diese Funktion
zu Beginn der Lagerzeit inne hatte, konnte nicht ermittelt werden. Während
der längsten Zeit war dann bis Oktober/November 1944 der österreichische
politische Häftling Josef Luger Lagerältester des HKB. Nach seiner Verlegung
in ein anderes Lager übernahm die Funktion der Zeuge Dr. Paul Heller, der
als Häftlingsarzt im Krankenbau tätig war.
Bei jedem
Arbeitskommando schließlich waren Häftlinge als sogenannte Kapos und
Vorarbeiter eingesetzt. Diese brauchten, jedenfalls bei den größeren
Kommandos, nicht selbst körperlich zu arbeiten, sondern sie führten nur die
Aufsicht über die ihnen unterstellten Häftlinge und waren dafür
verantwortlich, daß diese die vorgeschriebenen Arbeitsleistungen erbrachten.
6. Die Bewachung den
Lagers Jaworzno und der einzelnen Arbeitskommandos:
Die Bewachung des
Lagers selbst und der Häftlinge während ihres Arbeitseinsatzes außerhalb des
Lagers erfolgte durch Ca. 200 - 250 SS.Leute. Diese waren in einer Kompanie
zusammengefaßt und gehörten dem SS.Totenkopf Sturmbann an.
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Als Kompanieführer
war zunächst der SS.Obersturmführer Brossmann eingesetzt, der Ende
März/Anfang April 1944 zusammen mit dem Angeklagten Olejak in das Lager
Blechhammer versetzt wurde. In der Folgezeit übernahm der Lagerführer Pfütze
zusätzlich zu dieser Funktion auch die Führung der Wachkompanie.
Als Stabsscharführer
(Spieß) fungierte bis zu der bereits erwähnten Auseinandersetzung mit dem
Angeklagten Pansegrau der Zeuge Albert Zitzmann. Sein Nachfolger wurde der
SS.Oberscharführer Fritz Lorenz. Ob Lorenz diese Stelle bis zur Auflösung
den Lagers inne hatte, konnte nicht geklärt werden. Möglicherweise war
dieser SS.Mann Lorenz gleichzeitig auch als Kommandoführer tätig.
Nach der Versetzung
des Kompanieführers Brossmann nach Blechhammer wurde der am Zeuge vernommene
ehemalige SS. Oberscharführer Josef Weiß vom Lager Monowitz zur Wachkompanie
den Lagers Jaworzno versetzt. Als Oberscharführer war er nach dem Lagerund
Kompanieführer Pfütze der ranghöchste SS.Mann in Jaworzno. Weiche genaue
Funktion er in Jaworzno inne hatte, konnte nicht eindeutig geklärt werden.
Der Lagerkommandantur jedenfalls gehörte er nicht an.
Nach der bereits
erwähnten Auflösung des Lagers Lagischa im September 1944 kamen auch einige
Mitglieder der dortigen Wachmannschaft zusammen mit den Häftlingen nach
Jaworzno und blieben dort.
Aufgabe der
Wachkompanie war die Bewachung des Lagers selbst sowie der Häftlinge, die in
den Außenkommandos arbeiten mußten. Die Bewachung des Lagers erfolgte in
zwei Arten, nämlich der sogenannten kleinen und großen Postenkette.
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Die kleine
Postenkette umfaßte nur den umzäunten Lagerbereich, wobei die Wachen sich
auf den um das Lager errichteten Wachtürmen, auf denen Maschinengewehre von
Typ MG 34 und Scheinwerfer montiert waren, aufhielten.
Die große
Postenkette umfaßte neben dem eigentlichen Lager auch noch den Bereich
zwischen Lagertor und SS.Unterkunftsbaracken sowie diese Baracken selbst.
Hinsichtlich der
Begleitkommandos für die verschiedenen außerhalb des Lagers eingesetzten
Häftlinge wurde jeweils am Vorabend von der Lagerkommandantur, meistens dem
Rapportführer, der Kompanieschreibstube mitgeteilt, wie viele Wachen für die
verschiedenen Kommandos benötigt wurden. Die erforderliche Einteilung war
dann Aufgabe des jeweiligen Stabsscharführers der Kompanie. Die Aufsicht
über die einzelnen Abteilungen der Wachkompanie, die die Häftlinge
begleiteten, oblag regelmäßig einem der Blockführer, die zu diesem Zweck von
dem Rapportführer als Kommandoführer eingeteilt worden waren. Bei kleineren
Häftlingskommandos wurde die Aufsicht über die Wachen auch Unterführern aus
der Wachkompanie übertragen.
Das jeweilige
Häftlingskommando wurde von den eingeteilten Wachleuten am Lagertor
übernommen und zum Beispiel zur Arbeitsstelle am Kraftwerk, den Kohlengruben
oder der Ziegelei gebracht. Mit Ausnahme der Kohlengrubenkommandos, die
während ihres Arbeitseinsatzes in der Grube nicht gesondert bewacht wurden,
gehörte es dann weiter zur Aufgabe der eingeteilten Wachleute, die Häftlinge
an ihrer Arbeitsstelle zu bewachen und insbesondere Fluchtversuche zu
verhindern, Nach Beendigung der Arbeit wurden die Häftlinge zum Lager
zurückgebracht, wobei die Wachleute das Lager selbst nicht betreten durften.
Bei ihrem Einsatz
waren die Angehörigen der Wachmannschaft mit Gewehren vom Typ K 98 und
teilweise mit Maschinenpistolen
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ausgerüstet, die
Gruppenführer hatten auch Pistolen.
Befehlsgemäß durften
die Wachleute von der Schußwaffe nur bei Fluchtversuchen von Häftlingen
Gebrauch machen. Hierüber wurden sie auch während ihres Einsatzes in
Jaworzno belehrt, ebenso darüber, daß ihnen das Mißhandeln und Schlagen von
Häftlingen verboten war.
Neben den bereits
erwähnten Zeugen Albert Zitzmann und Josef Weiß wurden die Zeugen Anton Oder
und Philipp Desch als ehemalige Mitglieder der Wachkompanie in der
Hauptverhandlung vernommen
7. Die Behandlung
der Häftlinge im Lager Jaworzno:
Die Mehrzahl der
Insassen des Lagers Jaworzno bildeten, wie bereits erwähnt, jüdische
Häftlinge, die aus fast allen von deutschen Truppen besetzten Ländern
Europas stammten und nach kurzem Aufenthalt in den Hauptlagern Auschwitz
oder Birkenau nach Jaworzno gebracht wurden.
Die übrigen
Häftlinge waren einige deutsche sowie polnische und tschechische Häftlinge,
die in der Mehrzahl aus politischen Gründen inhaftiert waren. Unter ihnen
war auch eine kleine Gruppe von kriminellen Häftlingen, ins Lager BVer
(Abkürzung für Berufsverbrecher) genannt. Jeder Häftling bekam vor seiner
Überstellung nach Jaworzno in den Hauptlagern Auschwitz oder Birkenau eine
Nummer, die in den Unterarm eintätowiert wurde. Zur Kenntlichmachung der
verschiedenen Häftlingskategorien wurden an die Häftlinge sogenannte
„Winkel„ in Form von verschiedenfarbigen
Stoffdreiecken
ausgegeben. Diesen Winkel mußte jeder Häftling, ebenso wie seine
Häftlingsnummer, auf der linken Brustseite seiner Kleidung tragen.
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Die Winkel hatten
die Farben rot, schwarz und grün, wobei
rot = politischer
Häftling
grün = krimineller
Häftling
schwarz asozialer
oder arbeitsscheuer Häftling bedeutete.
Die Juden mußten
zur besonderen Kennzeichnung zusätzlich zu dem roten Winkel noch einen
gelben Winkel tragen. Beide Winkel wurden teilweise übereinander genäht, so
daß die Form eines Sternes entstand. Außerdem hatten die Häftlinge auf dem
Winkel noch einen Buchstaben aufgenäht, durch den ihr Herkunftsland
gekennzeichnet wurde, zum Beispiel P für Polen. Für jeden Außenstehenden,
der die Bedeutung der Winkel und Buchstaben kannte, war deshalb sofort zu
erkennen, um welche Art von Häftling es sich handelte.
Wie bereits unter
III 5 ausgeführt, waren die im Rahmen der Häftlingsselbstverwaltung im Lager
Jaworzno vorhandenen wichtigen Positionen, mit Ausnahme der des
Lagerältesten, in der Hand von polnischen und tschechischen politischen
Häftlingen. Dies gilt insbesondere für die wichtige Position des
Arbeitsdienstschreibers, die der Pole Theo Piskon inne hatte. Durch diese
hervorgehobene Stellung in Lager, zu der ein starkes
Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den polnischen und tschechischen
nichtjüdischen Häftlingen kam, erreichten diese Häftlinge, daß praktisch
alle ihre Landsleute, die längere Zeit im Lager waren, irgendwelche
gegenüber den anderen Häftlingen hervorgehobene Funktionen erhielten. So
wurden sie Blockälteste, Blockschreiber, Stubendienst, Mitglied des Küchen-
oder Bekleidungskammerkommandos, Kapo oder Vorarbeiter. Kaum einer dieser
Häftlinge mußte während seines Aufenthalts im Lager Jaworzno schwere
körperliche Arbeit leisten, wie dies bei fast allen jüdischen Häftlingen der
Fall war.
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Darüberhinaus hatten
diese Häftlinge gegenüber den jüdischen Häftlingen das Privileg, von ihren
Angehörigen Lebensmittelpakete empfangen zu dürfen, sodaß sie nicht nur auf
die Lagerverpflegung angewiesen waren.
Nur wenigen
jüdischen Häftlingen gelang es im Lager, eine Position zu erlangen, in der
sie nicht schwerere körperliche Arbeit leisten mußten. Die weitaus meisten
jüdischen Häftlinge kamen als einfache Arbeiter beim Bau des Kraftwerks
Wilhelm und in den Kohlengruben zum Einsatz. Dabei hatten die Angehörigen
der Grubenkommandos noch den Vorteil, daß sie nicht im Freien arbeiten
mußten. Dies war insbesondere in der kalten und nassen Jahreszeit von
erheblicher Bedeutung. Für die Angehörigen des Kraftwerkkommandos wurden die
Lebensumstände noch besonders dadurch erschwert, daß sie durch die
Häftlingskleidung, die im Lager und bei der Arbeit getragen werden mußte,
nur unzureichend gegen Kälte und Regen geschützt waren. Dazu kam, daß diese
jüdischen Häftlinge, wie erwähnt, nur auf die Lagerkost angewiesen waren,
die angesichts der schweren Arbeit, die die Häftlinge verrichten mußten,
ebenso wie die Kleidung völlig unzureichend war.
Diese Umstände
führten dazu, daß zahlreiche jüdische Häftlinge, die im Freien arbeiten
mußten, gesundheitlich nicht mehr in der Lage waren, die Arbeitsleistungen,
die von ihnen erwartet wurden, zu erbringen. Dies gilt im besonderen Maße
für solche Häftlinge, die, wie zum Beispiel die griechischen Häftlinge, aus
wärmeren Ländern stammten und den kalten polnischen Winter nicht gewohnt
waren.
Das Zurückbleiben
hinter der geforderten Arbeitsleistung hatte zur Folge, daß die schon
schwachen und kranken Häftlinge oft schwer geschlagen und mißhandelt wurden,
damit sie mehr und schneller arbeiteten. Hierfür zeichneten in erster Linie
die Oberkapos, Kapos und Vorarbeiter, also Mithäftlinge verantwortlich.
Diese waren darauf bedacht,
- 36 -
daß die ihnen
unterstellten Häftlinge die geforderten Arbeitsleistungen erbrachten, damit
sie selbst keine Schwierigkeiten mit den verantwortlichen SS.Leuten bekamen.
Außerdem kamen die privilegierten Häftlinge bei guten Arbeitsleistungen der
ihnen unterstellten Häftlinge in den Genuß von Prämienscheinen zum Einkauf
in der Kantine und zu ähnlichen Privilegien.
Etwas erträglicher
waren die Umstände bei den Grubenkommandos. Neben dem Vorteil, insbesondere
im Winter nicht im Freien arbeiten zu müssen, gelang es vielen dieser
Häftlinge, von volksdeutschen oder polnischen Zivilarbeitern, die mit ihnen
zusammen in der Grube arbeiteten, zusätzliche Lebensmittel zu erhalten. Aber
auch bei diesen Kommandos kam es vor, daß Häftlinge von Kapos oder
Vorarbeitern und auch von Steigern und Hauern, denen sie zugeteilt waren,
schwer geschlagen wurden, um sie zu höheren Arbeitsleistungen zu
veranlassen.
Die geschilderten
Umstände führten dazu, daß viele schon geschwächte jüdische Häftlinge
infolge der Mißhandlungen an Ort und Stelle verstarben. Dies gilt
insbesondere für Häftlinge, die beim Bau des Kraftwerkes eingesetzt waren
und hier wiederum in erster Linie für die Wintermonate 1945 und 1944. Die
Leichen der so verstorbenen Häftlinge mußten von den anderen Häftlingen nach
Arbeitsschluß mit in das Lager getragen werden.
Zu zahlreichen
Mißhandlungen von Häftlingen, insbesondere durch die Angehörigen der
SS.Lagerkommandantur, aber auch durch Funktionshäftlinge wie Lagerälteste,
Blockälteste und Kapos, kam es auch in den Fällen, in denen Häftlinge gegen
die Lagerordnung verstießen. Darüber, wie sie sich im Lager zu verhalten
hatten, wurden die Häftlinge durch den jeweiligen Lagerältesten und
Blockältesten belehrt, die wiederum von den Angehörigen der
SS.Lagerkommandantur belehrt wurden.
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So war es für die
Häftlinge streng verboten, irgendwelche Gegenstände aus den Lager heraus
oder in das Lager hinein mitzunehmen. Da, wie ausgeführt, die Verpflegung im
Lager für die nichtjüdischen Häftlinge völlig unzureichend war, versuchten
vor allem Angehörige der Grubenkommandos, Decken, Kleidungsstücke und Schuhe
aus dem Lager herauszuschmuggeln, um diese Sachen in der Grube bei den dort
beschäftigten Zivilisten gegen Lebensmittel, Schnaps und Zigaretten
einzutauschen. Die so erhaltenen Waren wurden, soweit sie nicht an Ort und
Stelle verzehrt wurden, von den Häftlingen unter der Kleidung verborgen, mit
in das Lager genommen. Zum Teil geschah das Mitnehmen in das Lager deswegen,
um die zusätzlichen Lebens- und Genußmitte1 mit solchen Häftlingen zu
teilen, die zu diesen Tauschgeschäften keine Gelegenheit hatten. Da die
Tauschgeschäfte der SS.Lagerleitung bekannt waren und diese auch
befürchtete, von den Häftlingen könnten Waffen mit in das Lager geschmuggelt
werden, wurden die aus- und einrückenden Häftlinge der Arbeitskommandos von
den zuständigen Kommandoführern, dem Blockführer vom Dienst und oft auch von
dem Rapportführer am Lagertor kontrolliert. Dies geschah in der Form, daß
entweder alle Häftlinge des Kommandos durchsucht oder auch nur Stichproben
gemacht wurden. Wenn bei einer solchen Kontrolle ein Häftling mit verbotenen
Gegenständen angetroffen wurde, so bestand für den SS.Mann, der für die
Kontrolle verantwortlich war, der Befehl, dem Häftling die mitgeführten
Gegenstände abzunehmen und ihn zu melden. Die Meldung wurde dann von dem
Lagerführer und dem verantwortlichen Mann der politischen Abteilung des
Lagers auf einem dafür vorgesehenen Formular unterschrieben und an das
Hauptlager in Auschwitz bzw. später in Monowitz weitergeleitet. Vom
Hauptlager wurde eine Strafe in Form einer bestimmten Anzahl von
Stockschlägen festgesetzt. Diese Strafe wurde einige Tage später, meistens
an einem arbeitsfreien Sonntag, im Beisein der anderen Häftlinge im Lager
vollzogen. Von den Häft1ingen wurde diese Prozedur
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„Auszahlung“
genannt.
Im Laufe den
Bestehens den Lagers Jaworzno sind auf diese Weise zahlreiche Häftlinge von
den SS.Leuten gemeldet und einige später bestraft worden. In den meisten
Fällen jedoch, in denen anläßlich einer Kontrolle am Lagertor bei einem
Häftling etwas gefunden wurde, wurde der betreffende Häftling von dem
kontrollierenden SS.Mann an Ort und Stelle zum Teil schwer geschlagen und
mißhandelt. Es kam auch vor, daß der Häftling von dann SS.Leuten mit in die
Blockführerstube genommen und dort geschlagen und mißhandelt wurde.
Nicht selten kam es
vor, daß der betreffende Häftling anschließend noch zusätzlich von dem für
sein Kommando verantwortlichen Kapo oder seinem Blockältesten geschlagen
wurde.
Da, wie ausgeführt,
die den Häftlingen zur Verfügung gestellte Kleidung in den Wintermonaten bei
den Häftlingen, die im Freien arbeiten mußten, nicht ausreichend war,
versuchten viele dieser Häftlinge, sich zusätzlich gegen die Kälte zu
schützen, indem sie sich zum Beispiel leere Zementsäcke unter die Kleidung
steckten. Dies war, insbesondere auch wegen der von diesen Säcken
ausgehenden Infektionsgefahr, streng verboten. Wenn ein Häftling bei einer
Kontrolle oder sonst mit einem solchen Zementsack unter der Kleidung
angetroffen wurde, wurde er oft auf das schwerste geschlagen und mißhandelt.
Auch bei anderen
Verstößen gegen die Lagerordnung wie bei nicht ordnungsgemäßem Gruß, bei
nicht korrektem Stehen bei Appellen und Kontrollen oder bei Verstößen gegen
die vorgeschriebene Ordnung im Block wurden Häftlinge ebenfalls sowohl von
SS,Leuten als auch von Funktionshäftlingen geschlagen.
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Von den Angehörigen
der Lagerkommandantur hatte, wie ausgeführt, zumindest der Blockführer Paul
Kraus einen oder zwei Schäferhunde, die er auch mit in das Lager nahm. Diese
Hunde hetzte er öfters auf Häftlinge, die in vielen Fällen von den Hunden
gebissen und verletzt wurden.
Im Lager kam es im
Jahr 1944, als der Feuerlöschteich gebaut worden war, öfter vor, daß
Häftlinge zur Strafe für irgendwelche Vergehen von SS.Leuten oder auch
Funktionshäftlingen in diesen Teich gestoßen oder gejagt und dann längere
Zeit am Verlassen des Löschteichs gehindert wurden. Wahrscheinlich gab es
hierbei auch Fälle, wo Häftlinge ertrunken sind oder ertränkt wurden.
Schließlich kam es
infolge unzureichender Sicherheitsvorkehrungen und des oft schlechten
Gesundheitszustandes der Häftlinge an den Arbeitsstellen am Kraftwerk und in
den Kohlengruben zu zahlreichen Unfällen, die zum sofortigen Tod von
Häftlingen oder zu mehr oder weniger schweren Verletzungen geführt haben.
Falls die
geschilderten Mißhandlungen von Häftlingen oder die Unfälle nicht zum
sofortigem Tod führten, wurden die kranken oder verletzten Häftlinge in den
HKB (Häftlingskrankenbau) eingeliefert.
Dieser HKB wurde,
wie bei der Beschreibung des baulichen Zustandes des Lagers ausgeführt,
bereits kurz nach Gründung des Lagers in einem Teil einer Wohnbaracke
provisorisch eingerichtet. Zur stationären Behandlung von erkrankten oder
verletzten Häftlingen standen den Häftlingsärzten, an ihrer Spitze dem
Zeugen Dr. Paul Heller, nur 3 - 4 Betten zur Verfügung. Alle Häftlinge, die
schwer erkrankt oder verletzt waren, wurden deshalb zur damaligen Zeit in am
anderes Lager verlegt.
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Neben den fehlenden
Räumlichkeiten war die Behandlung von Häftlingen im HKB zum Anfang der
Lagerzeit auch deswegen besonders schwierig, weil sich der auf Seiten der
SS. verantwortliche SDG, der Rottenführer Kalfuß, sehr wenig um die
Häftlinge im HKB kümmerte und gern dem Alkohol zusprach. Erst unter dem
Nachfolger von Kalfuß, dem SDG Arno Frank, verbesserten sich die
Verhältnisse für die kranken Häftlinge in Jaworzno wesentlich. Zu dieser
Besserung trug auch die bereits geschilderte Errichtung des neuen,
wesentlich größeren und besser eingerichteten HKB in der Südostecke des
Lagers bei. Ebenso kümmerte sich der zu einem nicht mehr genau
feststellbaren Zeitpunkt ernannte neue Lagerälteste des HKB, der Häftling
Sepp Luger, sehr um das Schicksal der in den HKB eingelieferten Häftlinge.
Noch besser wurden die Verhältnisse im HKB, als der Zeuge Emil Hantel als
Nachfolger für Arno Frank SDG in Jaworzno wurde. Hantl kam zwischen Frühjahr
1944 und September 1944 nach Jaworzno, der genaue Zeitpunkt konnte nicht
festgestellt werden.
Ende 1944 war der
HKB dann soweit ausgebaut, daß bis zu 400 Häftlinge gleichzeitig von den
dort tätigen etwa 10 Häftlingsärzten und den Häftlingspflegern behandelt
werden konnten. Trotz des Fehlens von Medikamenten und teilweise auch
technischer Einrichtungen wurden im HKB des Lagers Jaworzno schwierige
Operationen und Behandlungen durchgeführt. In erster Linie zeichnete hierfür
neben dem Zeugen Dr. Heller der Häftlingsarzt Dr. Kohn verantwortlich, der
ausgebildeter Chirurg war. So wurde zum Beispiel dem Zeugen Schwarzbart, der
am 1.10.1944 in einer Kohlengrube einen Arbeitsunfall erlitt, ein Fuß
amputiert und für ihn eine Prothese angefertigt und der Sol Pachlin wurde am
Blinddarm operiert.
Trotz der Bemühungen
der Häftlingsärzte sind im Laufe des
- 41 -
Bestehens des Lagers
Jaworzno im HKB zahlreiche Häftlinge an den Folgen von Erkrankungen und
Mißhandlungen verstorben. Eine genaue Zahl konnte nicht festgestellt werden.
Zur Aufbewahrung der
Leichen der Verstorbenen gab es im Keller des neu errichteten HKB einen
gesonderten Raum, der auch von außen zu betreten war und zu dem nur dar
jeweilige SDG den Schlüssel hatte. Die Leichen der Verstorbenen wurden nicht
in Jaworzno beerdigt oder verbrannt, sondern in regelmäßigen Abständen mit
Kraftfahrzeugen nach Auschwitz oder Birkenau abtransportiert.
In Lager Jaworzno
kam es auch regelmäßig zu sogenannten Selektionen, bei denen „Muselmänner“(das
war die Bezeichnung für kranke, nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge)
ausgesondert und aus dem Lager abtransportiert wurden. Diese Selektionen
wurden nicht oder zumindest nicht allein von SS.Leuten durchgeführt, die in
Jaworzno stationiert waren, sondern von einer SS.Ärztekommission, die zu
diesem Zweck aus dem Hauptlager nach Jaworzno anreiste, Meistens erfolgte
diene Aussonderung im Rahmen von Appellen, bei denen die Häftlinge antreten
mußten. Manchmal wurden sie auch in den einzelnen Blocks oder im HKB
durchgeführt. Wieviele Häftlinge auf diese Weise aus dem Lager
abtransportiert wurden, konnte nicht genau geklärt werden. Die Zahl dürfte
jedoch zwischen 2.000 und 3.000 Häftlingen liegen.
Allerdings wurden
nicht alle arbeitsunfähigen und kranken Häftlinge im Lager Jaworzno, auch
wenn sie längere Zeit krank waren, von diesen Selektionen betroffen. Da die
Durchführung der Selektionen dem SDG und den verantwortlichen
Häftlingsärzten vorher bekannt wurde bemühten diese sich, auf Seiten der SS.
jedenfalls der Zeuge Hantl, möglichst viele Häftlinge aus dem HKB, wenn auch
nur vorübergehend, in einen Block zu entlassen, damit sie der
Ärztekommission aus dem Hauptlager nicht unter die Augen kamen.
- 42 -
Anschließend kehrten
die kranken Häftlinge in vielen Fällen wieder in den HKB zurück.
Auch bedeutete nicht
jeder Abtransport eines kranken Häftlings aus dem Lager den sicheren Tod des
Häftlings. So wurde zum Beispiel der Zeuge Saphirstein, ein jüdischer
Häftling, Anfang 1944 aus dem HKB des Lagers Jaworzno abtransportiert und in
das Krankenhaus des Hauptlagers in Monowitz eingeliefert, wo er wieder
gesundete. Auch der Zeuge Usielski kam aus dem HKB des Lagers Jaworzno für
zwei Monate in den Häftlingskrankenbau in Monowitz, von wo er nach seiner
Gesundung wieder nach Jaworzno zurückverlegt wurde.
Daß kranke Häftlinge
im HKB des Lagers Jaworzno von den verantwortlichen SS.Leuten vorsätzlich,
etwa durch die Injektion von Spritzen getötet wurden, ist nicht sicher
festgestellt worden.
Auf die Frage, ob im
Lager Jaworzno selbst oder auf den Arbeitsstellen der Häftlinge sowie auf
dem Weg zwischen Lager und Arbeitsstellen Häftlinge von Angehörigen der
Lagerkommandantur oder Mitgliedern der SS.Wachmannschaft erschossen worden
sind, wird bei der Erörterung der den Angeklagten zur Last gelegten
Einzeltaten eingegangen werden. Dies gilt auch für die Frage, inwieweit sich
die Angeklagten an den geschilderten Mißhandlungen von Häftlingen beteiligt
haben.
8. Im Rahmen der
Ausführungen zu der Behandlung von Häftlingen im Lager Jaworzno ist auf ein
Ereignis besonders hinzuweisen, obwohl dies nicht Gegenstand der Anklage
ist, nämlich die sogenannte Hängeaktion.
Im Herbat 1943
bereiteten polnische und tschechische Häftlinge, die in dem in der Nähe des
Lagerzaunes stehenden Block 2 untergebracht waren, einen Ausbruchsversuch
vor,
- 43 -
indem sie mit
primitivsten Mitteln von dem Block aus einen unterirdischen Gang unter dem
Lagerzaun hindurch gruben. Nachdem der Fluchttunnel bis auf den Durchstich
zur Oberfläche fertiggestellt war, sollte die Flucht der Häftlinge aus Block
2 in der Nacht zum 19.10.1943 erfolgen. Wahrscheinlich durch Verrat eines
Häftlinge erfuhr der damalige Lagerälteste Bruno Brodnewicz von dem Vorhaben
und meldete es dem Angeklagten Olejak als dem Rapportführer den Lagers.
Dieser gab die Meldung an den Lagerführer Pfütze und den Leiter der
politischen Abteilung Witowski weiter. Außerdem erfolgte sofort befehlsgemäß
Meldung an das Hauptlager.
Nach Bekanntwerden
des Fluchtplans wurden alle Häftlinge, die außerhalb des Lagers arbeiteten,
in das Lager zurückgebracht und ein Appell des gesamten Lagers durchgeführt.
Die in Block 2 untergebrachten Häftlinge, darunter der Zeuge Karel Bulaty,
der damals Blockältester in Block 2 war, wurden festgenommen und zunächst
von dem Lagerführer Pfütze, dem Angeklagten Olejak und dem Leiter der
politischen Abteilung in Jaworzno Witowski einzeln verhört. Dies geschah in
dem Block 9, Bei diesen Verhören wurden die Häftlinge von den drei genannten
SS.Leuten erheblich geschlagen und mißhandelt, um von ihnen zu erfahren,
welche Häftlinge von dem Fluchtversuch gewußt haben und welche bei der
Vorbereitung beteiligt waren. Der Zeuge Bulaty wurde dabei so schwer
mißhandelt, daß er längere Zeit bewußtlos war. Von Mithäftlingen wurde er in
den HKB gebracht und dort behandelt.
Im Laufe des
Nachmittags kamen auch einige SS.Offiziere aus dem Hauptlager in Auschwitz,
die sich ebenfalls an den Vernehmungen beteiligten. Anschließend wurden etwa
50 polnische und tschechische Häftlinge nach Auschwitz abtransportiert.
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Am 6.12.1943 wurde
unter Leitung des Lagerältesten Bruno Brodnewicz von Häftlingen vor dem im
Lager erhöht stehenden Block 8 ein Galgen in der Weise aufgebaut, daß Pfähle
in die Erde gegraben und auf ihnen ein längerer Holzbalken waagrecht
befestigt wurde. An diesem Galgen befestigte man insgesamt 26 Schlingen.
Unter dem Galgen wurden Tische aufgestellt.
Am Nachmittag dieses
Tages mußten die Häftlinge des Lagers Jaworzno auf dem Appellplatz vor Block
8 und damit um den Galgen herum zu einem Appell antreten. Zur gleichen Zeit
wurden mit einem geschlossenen LKW 26 der ursprünglich 50 am 18.10.1943
verhafteten Häftlinge, die Hände mit Draht auf den Rücken gefesselt, in das
Lager gebracht. Diese 26 Häftlinge mußten sich auf den Tischen unter den
jeweiligen Schlingen aufstellen. Unter Beteiligung des Lagerältesten Bruno
Brodnewicz wurden ihnen dann die Schlingen um den Hals gelegt. Ob sich auch
der Angeklagte Olejak an dem Umlegen der Schlingen beteiligt hat, konnte
nicht sicher festgestellt werden.
In Anwesenheit des
SS.Hauptsturmführers Schwarz, des Leiters des Lagers Monowitz, dem Jaworzno
schon damals unterstand, wurde ein Urteil verlesen, das die Verurteilung der
26 Häftlinge zum Tode wegen des beabsichtigten Fluchtversuchs zum Ausdruck
brachte. Der Lagerführer Pfütze hielt eine Rede, in der er den um den Galgen
angetretenen Häftlinge empfahl, nicht dem Beispiel dieser 26 Häftlinge zu
Folgen und keinen Fluchtversuch zu unternehmen.
Noch während der
Rede des Lagerführers riefen einige der bereits mit den Schlingen um den
Hals auf den Tischen stehenden zu Tode verurteilten Häftlinge Parolen wie „
Es lebe die Tschechoslowakei! Es lebe Polen! Tod dem Verräter!„
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Daraufhin gab der
Lagerführer Pfütze den Blockältesten und Kapos, die zu diesem Zweck
ausgesucht waren und schon hinter den Tischen standen, den Befehl, die
Tische, auf denen die Häftlinge standen, umzustoßen. Dies geschah auch. Nach
einiger Zeit durften die Häftlinge wieder in ihre Blocks zurückkehren. Der
Zeuge Dr. Heller als Häftlingsarzt erhielt von dem Angeklagten Olejak dann
den Befehl, den Tod der erhängten Häftlinge festzustellen. Am späten Abend
waren die Leichen dann von anderen Häftlingen von den Galgen abgenommen und
mit einem Auto aus dem Lager Jaworzno abtransportiert.
- 46 -
IV.
Die Evakuierung des
Lagers Jaworzno:
Im Januar 1945
näherte sich die Ostfront dem Teil Oberschlesiens, in dem Jaworzno liegt und
die russischen Truppen drangen immer weiter in Richtung Westen vor. An
16.1.1945 gegen 22.00 Uhr wurde das gemauerte Wirtschaftsgebäude in der
Mitte des Lagers von einer Bombe getroffen und schwer beschädigt. Von den 20
Häftlingen, die sich in dem Gebäude aufhielten, wurden einige getötet, die
übrigen mehr oder weniger schwer verwundet. Auch an den Wohnblocks
entstanden Schäden, insbesondere wurden viele Glasfenster zertrümmert. Die
in dem zerstörten Wirtschaftgebäudes gelagerten Lebensmittel wurden, soweit
sie noch verwendungsfähig waren, von einem Häftlingskommando in den Keller
des Krankenbaus gebracht.
Trotz der
Zerstörungen in Lager mußten die außerhalb des Lagers beschäftigten
Häftlinge am folgenden Tag zur Arbeit ausrücken. Die Häftlinge der
Mittagsschicht in den Kohlengruben fuhren zwar noch in die Grube ein, ihre
Arbeit nahmen sie aber nicht mehr auf. Sie kehrten vielmehr mit den
Häftlingen der Frühschicht in das Lager zurück. Die am Bau des Kraftwerkes
Wilhelm eingesetzten Häftlinge des Außenkommandos kehrten gegen 16.30 Uhr in
das Lager zurück.
Anschließend wurde
wie üblich der Abendappell durchgeführt und die Häftlinge in ihre Blocks
entlassen.
Gegen 21.00 Uhr
mußten bis auf die kranken Häftlinge in Krankenbau sämtliche Häftlinge des
Lagers Jaworzno vor ihren Blocks zu einem Sonderappell antreten. Dabei wurde
ihnen mitgeteilt, daß sie nach einer Stunde das Lager zu Fuß verlassen
müßten. Weiter wurde ihnen gesagt, jeder Häftlinge dürfe aus dem Lager
mitnehmen, was er tragen könne. Der Fußmarsch solle bin Myslowitz gehen,
dort werde die Verladung der Häftlinge auf Züge erfolgen.
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In der Folgezeit
wurde fast der gesamte Vorrat an Lebensmitteln, die im Lager vorhanden
waren, an die Häftlinge verteilt. Allerdings bekamen nicht alle Häftlinge
davon etwas ab.
Gegen 22.00 Uhr
versammelten sich die Häftlinge erneut vor ihren Blocks und zwischen 22.30
und 23.00 Uhr verließen fast alle Häftlinge, die im Lager Jaworzno
untergebracht waren, das Lager zu Fuß. Dies war am Mittwoch, den 17.1. 1945.
Lediglich zwischen
4oo und 500 Häftlinge, die sich damals im Krankenbau befanden, blieben ohne
Bewachung im Lager zurück.
Sämtliche Angehörige
der Lagerkommandantur, darunter der Lagerführer Pfütze und der Rapportführer
Grauel sowie die Wachmannschaft verließen mit den Häftlingen das Lager. Die
Zahl der Häftlingskolonne betrug ungefähr 3.000 bis 3.200 Häftlinge, sie
wurden von 200 - 250 SS.Leuten begleitet.
Da die Häftlinge in
Fünferreihen marschieren mußten, ergab sich von Anfang an eine langgezogene
Kolonne. Links und rechts dieser Kolonne gingen in bestimmten Abständen die
SS.Leute. In der Kolonne, wahrscheinlich an deren Ende, wurden Wagen oder
Schlitten mitgeführt, die von Häftlingen gezogen bzw. geschoben werden
mußten. Wieviele solcher Wagen oder Schlitten dies waren, konnte nicht genau
geklärt werden. Auch mußten manche Häftlinge Gepäck der SS.Leute tragen oder
deren Fahrräder schieben.
Der Weg der
Häftlingskolonne führte von Jaworzno aus in nordwestlicher Richtung nach
Myslowitz, das die Häftlinge am frühen Morgen des 18.1.1945 passierten. Ohne
Pause mußten die Häftlinge dann bis nach Laurahütte weitermarschieren, das
im Laufe des Tages erreicht wurde. Auf dem umzäunten Hof einer Fabrik
durften die Häftlinge im Freien die erste Pause ein legen. Wie lange diese
Pause gedauert hat, konnte nicht eindeutig geklärt werden.
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In den
Nachmittagstunden des 18.1.1945 verließ die Häftlingskolonne den Fabrikhof
in Laurahütte und marschierte in Richtung Beuthen weiter. Diese Stadt
erreichten die Häftlinge am 19.1.1945 gegen 3.00 Uhr morgens. Am Rande der
Stadt durften sie, wiederum im Freien, etwa eine Stunde rasten, bevor der
Marsch in Richtung Westen weiterging. Am Vormittag des 19.1.1945 passierte
die Häftlingskolonne die Stadt Gleiwitz, von wo sie, fast in nördlicher
Richtung, nach Peiskretscham weitermarschierte. Am Nachmittag dieses Tages
gegen 16.00 Uhr erreichten die Häftlinge dann die Stadt Peiskretscham.
Hinter der Stadt wurden die Häftlinge von den SS.Leuten in eine große
Scheune oder Lagerhalle getrieben, in der sie bis zum nächsten Vormittag
bleiben mußten. Nachdem die Häftlinge die Scheune am nächsten Morgen wieder
verlassen durften, wurde eine Suppe gekocht und an sie ausgegeben. Während
dieser Essensausgabe kam es über den Häftlingen zu einem Luftkampf zwischen
mehreren Flugzeugen, wobei viele Häftlinge von Splittern oder Geschossen aus
den Bordwaffen der Flugzeuge getötet wurden.
Am Nachmittag des
20.1.1945 verließ die Häftlingskolonne Peiskretscham und marschierte in
nordwestlicher Richtung auf die Stadt Groß-Strelitz zu.
Gegen 22.00 Uhr kam
die Spitze der Häftlingskolonne in die Nähe russischer Soldaten - oder
Panzerverbände -. Um diesen auszuweichen, änderten die SS.Leute die
Marschrichtung und führten die Häftlinge in Richtung Süden weiter. Während
der Evakuierungsmarsch bis zu diesem Zeitpunkt über öffentliche Straßen
führte, wurden die Häftlinge nunmehr teilweise auch über Wiesen, Felder und
Feldwege getrieben, wobei sie von den sie begleitenden SS.Leuten während der
ganzen Nacht zum schnelleren Laufen angehalten wurden.
- 49 -
Am Morgen des
21.1.1945, einem Sonntag, gegen 8.00 Uhr erreichten die Häftlinge dann das
Konzentrationslager Blechhammer. Die in diesem Lager inhaftierten Häftlinge
verließen zu dieser Zeit gerade ebenfalls zu Fuß dieses Lager.
Mach einer Pause von
ca. 1 Stunde verließen die SS.Leute mit einem kleinen Teil der Häftlinge aus
Jaworzno das Lager Blechhammer und marschierten in Richtung Westen weiter.
Mehr als die Hälfte der Häftlinge aus dem Lager Jaworzno blieb im Lager
Blechhammer zurück, das in den folgenden Tagen teilweise ohne Bewachung
gelassen wurde. Einer Anzahl von Häftlingen gelang deshalb durch ein Loch in
der gemauerten Umzäunung des Lagers die Flucht. Mach 3 oder 4 Tagen. wurde
das Lager Blechhammer von Angehörigen der Wehrmacht übernommen, die den
Großteil der im Lager verbliebenen Häftlingen zu Fuß in einem mehrtägigen
Marsch bis nach Groß-Rosen brachte. Von dort wurden die Häftlinge mit
Güterzügen weitertransportiert
Ein Teil der
Häftlinge aus den Lager Jaworzno konnte sich auch diesem Transport entziehen
und blieb in Lager Blechhammer zurück, das dann nach einiger Zeit von
russischen Truppen besetzt wurde.
Zum Zeitpunkt der
Evakuierung des Lagers Jaworzno in Januar 1945 war das Gebiet, das von dem
Marsch berührt wurde, mit einer geschlossenen Altschneedecke bedeckt. Neue
Niederschläge gab es während der Evakuierung zwischen Jaworzno und
Blechhammer nicht. Die Temperaturen lagen fast während der gesamten Zeit,
insbesondere in den Nächten, unter den Gefrierpunkt und erreichten zeitweise
Werte von minus 10 bis minus 15 Grad. Zum Schutz gegen diese Kälte. hatten
fast alle Häftlinge aus den Lager ihre Decken mitgenommen und über die
Schultern gehängt. Trotzdem waren die meisten nur sehr unzureichend,
insbesondere auch an den Füßen, gegen die Kälte geschützt.
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Am 16.1.1945
herrschte Neumond, das erste Viertel wurde am 20.1.1945 erreicht und am
28.1.1945 war Vollmond.
Auf dem Weg zwischen
Jaworzno und Blechhammer sind zahlreiche Häftlinge von den sie begleitenden
SS.Leuten erschossen werden. Zu besonders vielen Erschießungen kam es in der
letzten Nacht vor Erreichen des Lagers Blechhammer, als die Häftlinge, die
zu diesem Zeitpunkt größtenteils schon sehr erschöpft waren, von den
SS.Leuten teilweise über Felder und Wiesen gejagt wurden. Grund für die
Erschießung eines Häftlinge war in den meisten Fällen, daß der betreffende
Häftlinge wegen Erschöpfung dem Marschtempo nicht mehr folgen konnte und
deshalb aus der Kolonne ging oder hinter der Kolonne zurückblieb. Die
meisten Häftlinge sind deshalb am Ende oder hinter der Marschkolonne
erschossen worden.
Allerdings fanden
nicht alle Häftlinge, die wegen Erschöpfung nicht mehr weiter konnten, den
Tod. Teilweise wurden solche Häftlinge, wie zum Beispiel der Zeuge Dr.
Heller, von Mithäftlingen auf die mitgeführten Schlitten oder Wagen geladen
und soweit mitgenommen, bis sie sich wieder etwas erholt hatten.
Während der bereits
erwähnten Übernachtung der Häftlinge in der Scheune bei Peiskretscham kamen
wegen der beengten Verhältnisse und des schlechten Zustandes, in dem sich
viele Häftlinge befanden, zahlreiche Häftlinge ums Leben oder wurden
verletzt. Manche wurden auch von Mithäftlingen wegen eines Stückchen Brot
oder aus Rache umgebracht.
Bevor die
Häftlingskolonne am Nachmittag aus Peiskretscham weitermarschierte, wurden
die während der Nacht und während den Fliegerkampfes verletzten Häftlinge,
die den Marsch nicht mehr fortsetzen konnten, von SS.Leuten erschossen.
Diese Toten wurden zusammen mit den Toten aus der Scheune auf Befehl der SS.
von Mithäftlingen in einer Grube beerdigt.
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Wieviele Häftlinge
auf der Strecke von Jaworzno nach Blechhammer den Tod gefunden haben,
insbesondere wieviele von den sie begleitenden SS.Leuten erschossen worden
sind, konnte nicht sicher geklärt werden. Die Kammer geht jedoch davon aus,
daß es mehrere hundert Häftlinge waren.
Allerdings kamen
nicht alle Häftlinge, die Jaworzno am 17.1.1945 verließen und die das Lager
Blechhammer nicht erreichten, ums Leben. So gelang es einer nicht mehr
feststellbaren Zahl von Häftlingen, darunter zum Beispiel dem Zeugen
Mieczyslaw Baran, zu flüchten.
Auch nicht alle
Häftlinge, auf die geschossen wurde, und die dadurch zurückblieben, fanden
den Tod. So erlitt der Zeuge Mordechaj Hoffmann, auf den ein SS.Mann aus
kurzer Entfernung schoß, nur eine Verletzung an der Hand und konnte gerettet
werden. Schließlich wurde während des Marsches in Beuthen mindestens eine
Gruppe von Häftlingen, die möglicherweise über 500 Häftlinge umfaßte, von
der übrigen Häftlingskolonne aus Jaworzno abgesondert. Diese Häftlinge
setzten den Evakuierungsmarsch gesondert fort und kamen mit den anderen
Häftlingen nicht mehr zusammen.
In der
Hauptverhandlung konnte nicht geklärt werden, wann der Befehl zum Räumen des
Lagers vom Hauptlager aus an den Lagerführer erteilt worden ist. Es konnte
auch nicht geklärt werden, welche Befehle der Lagerführer im einzelnen über
die Behandlung der Häftlinge erhalten hat und welche Befehle er an die ihm
unterstellten SS.Leute weitergegeben hat. Es konnte auch nicht ermittelt
werden, ob der Ablauf den Evakuierungsmarsches von Anfang an so geplant war,
wie er tatsächlich erfolgt ist oder ob nicht wegen der nahen Kriegsfront und
der fehlenden Transportmittel die Pläne für die Evakuierung ständig geändert
werden mußten, wobei eine Änderung in der letzten Nacht vor Erreichen des
Lagers Blechhammer sicher stattgefunden hat.
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Die in
Häftlingskrankenbau des Lagers Jaworzno zurückgebliebenen 400 - 500
Häftlinge blieben unbehelligt und flüchteten teilweise aus dem nicht mehr
bewachten Lager. Die übrigen wurden von der russischen Armee aus dem Lager
befreit.
Der Angeklagte
Olejak hat an der Evakuierung der Häftlinge aus dem Lager Jaworzno nicht
teilgenommen.
Zu der Beteiligung
des Angeklagten Pansegrau an der Evakuierung wird in Rahmen der ihm in der
Anklageschrift zur Last gelegten Einzeltaten Stellung genommen werden.
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V.
Das Lager Jaworzno
nach den Krieg
Nach Beendigung des
zweiten Weltkrieges in Jahre 1945 wurde das ehemalige Konzentrationslager
Jaworzno von den polnischen Behörden eine zeitlang als Internierungslager
für Kriegsgefangene und Zivilisten, darunter auch Frauen, verwendet.
Während dieser Zeit
wurden außerhalb des früheren Lagerbereichs mehrere Baracken gebaut, die als
Werkstätten benutzt wurden. Die an der Nord- und Ostseite des Lagers
teilweise vorhandene Mauer wurde um den gesamten Lagerbereich erweitert.
Heute ist das Lager
Jaworzno als solches nicht mehr vorhanden. Auf den ehemaligen Lagergelände
stehen Wohnhäuser. Lediglich die gemauerten Gebäude wie Blockführerstube,
Wirtschaftsgebäude und Garage sind noch vorhanden, sie sind jedoch teilweise
in der Nachkriegszeit erheblich verändert worden. Auch ein Teil der
Betonpfosten den Zaunes an der Südseite des Lagers sowie ein Teil der
ehemaligen Unterkunftsbaracken der SS.Leute sind noch vorhanden.
- 54 -
VI.
Das Lager
Blechhammer und die Tätigkeit des Angeklagten Olejak in diesen Lager:
Wie bereits erwähnt,
wurde der Angeklagte Olejak Ende März / Anfang April 1944 von
Konzentrationslager Jaworzno in ein Lager in Blechhammer versetzt. Zusammen
mit ihm kam der damalige Chef der Wachkompanie, Brossmann, nach Blechhammer.
Blechhammer liegt westlich von Jaworzno und ist davon ca. 72 km Luftlinie
entfernt.
In Blechhammer
bestand zum damaligen Zeitpunkt ein Zwangsarbeitslager, das von Angehörigen
der Wehrmacht bewacht wurde. Dieses Lager wurde von der SS. als
Konzentrationslager übernommen.
Lagerführer und
gleichzeitig Chef der Wachkompanie wurde der SS.Hauptsturmführer Brossmann.
Der Angeklagte Olejak übernahm, ebenso wie in Jaworzno, die Funktion den
Rapportführers und Arbeitsdienstführers. Zur Lagerkommandantur in
Blechhammer gehörte auch der SS.Mann Karl Masselli. Als SDG in Blechhammer
war der SS.Mann Peter Quirin. tätig.
Im Lager Blechhammer
waren ca. 2.000 Häftlinge, darunter auch Frauen. Der Großteil dieser
Häftlinge arbeitete in einem von Lager ca. 15 Minuten Fußweg entfernten
Hydrierwerk. Der Angeklagte Olejak blieb bis zum 9.11.1944 als Rapportführer
im Lager Blechhammer. Während dieser Zeit hat er, wie ausgeführt, in
Schakowa, den Wohnort seiner Ehefrau, geheiratet.
Anfang November 1944
fuhr der Angeklagte Olejak mit der Bahn von Blechhammer aus nach Schakowa,
um dort einen Bruder seiner Ehefrau, den Zeugen Otto Kaesmarker zu treffen.
Dieser hielt sich anläßlich eines Urlaubs von der Front für wenige Tage in
Schakowa auf. Der Angeklagte Olejak
- 55 -
fuhr sofort wieder
nach Blechhammer zurück.
Am 9.11.1944 wurden
sowohl der Lager- und Kompanieführer Brossmann als auch der Angeklagte
Olejak von ihren Posten im Konzentrationslager Blechhammer abgelöst.
Neuer Lagerführer
und gleichzeitig Führer der. 7. Kompanie als der für das Lager Blechhammer
zuständigen Wachkompanie wurde der Untersturmführer der Reserve Kurt Klipp.
Sein Vorgänger Brossmann wurde mit Wirkung vorn 10.11.1944 mit der Führung
des Wachbataillons im Konzentrationslager Auschwitz III in Monowitz
beauftragt.
Nachfolger des
Angeklagten Olejak als Rapportführer des Lagers Blechhammer wurde der
SS.Oberscharführer Karl Czapla, der am 23.12.1976 in Wolfenbüttel verstorben
ist.
- 56 -
VII.
Das
Konzentrationslager Czechowitz:
1. Der Ort
Czechowitz liegt südwestlich von Jaworzno, die Entfernung zwischen beiden
Orten beträgt in der Luftlinie ca. 39 km. Fast in der Mitte zwischen
Jaworzno und Czechowitz liegt die Stadt Auschwitz. In einer Entfernung von
ca. 7,2 km liegt südlich von Czechowitz die Stadt Bielitz - Biala. Östlich
dieser Stadt liegt, ca. 4 km entfernt, der Ort Lipnik bzw. Kunzendorf, der
Geburtsort des Angeklagten Olejak.
In Czechowitz befand
sich in der Kriegszeit eine größere Raffinerieanlage der Fa. Vacuum Oil. Im
August oder September 1944 wurde die Raffinerie von mehreren Bomben
getroffen und teilweise zerstört. Bei den Aufräumungsarbeiten kamen auch
Häftlinge aus Konzentrationslagern zum Einsatz. Zu deren Unterbringung wurde
das Lager Czechowitz errichtet.
Als Unterkunft für
die Häftlinge wurde ein in der Nähe der Raffinerie, von dieser durch eine
Straße und einer auf einem Damm verlaufenden Bahnlinie getrennt gelegenes
Stallgebäude verwendet. Dieses Stallgebäude hatte eine Länge von 66 m und
eine Breite von fast 9 m. Es hatte an der Raffinerie hin gelegenen
Längsseite 3 Eingänge und wurde im Inneren unterteilt. Auf der rechten Seite
(wie bei allen weiteren Angaben von der Raffinerie in Richtung Stallgebäude
aus gesehen) wurden mehrere kleine Räume für die Funktionshäftlinge
eingerichtet. Im Inneren des Stallgebäudes führte eine Treppe auf den
Dachboden.
Der 1.
Häftlingstransport mit ca. 300 Häftlingen kam im September 1944 nach
Czechowitz. In erster Linie gehörten diesem Transport jüdische Häftlinge an,
die sich zuvor im Ghetto Lodz aufgehalten hatten.
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In Oktober 1944 kam
ein 2. Transport mit ebenfalls ca. 300 Häftlingen in das Lager Czechowitz,
dem vorwiegend tschechische Häftlinge angehörten. Außer diesen beiden
größeren Transporten kam zumindest noch ein kleinerer Transport von
Häftlingen nach Czechowitz, mit den die Funktionshäftlinge eingeliefert
wurden. Einer dieser Funktionshäftlinge war de? Zeuge Ernst Kraschewski, der
im Lager Czechowitz die Funktion des Häftlingsschreibers übernahm.
Nach Ankunft des
ersten Häftlingstransportes wurde um das Stallgebäude ein Stacheldrahtzaun
mit Holzpfosten gezogen und einige hölzerne Wachttürme mit Scheinwerfern
errichtet.
In diese Umzäunung
wurden zwei Tore eingebaut, von denen eines für Fahrzeuge und das zweite für
die Häftlinge bestimmt waren. Das für Fahrzeuge bestimmte größere Lagertor
befand sich an der rechten Vorderseite des Zaunes. Rechts von diesem Tor
stand außerhalb des Zaunes ein kleines Haus, in dem eine ältere Frau wohnte,
die sich öfters mit den Häftlingen unterhalten hat.
Das zweite Tor,
durch das die Häftlinge auf dem Weg zur Arbeit das Lager verließen und
wieder betraten, befand sich etwa in der Mitte der linken Lagerbegrenzung.
In unmittelbarer Nähe dieses Tores stand, außerhalb dem Zaunes, eine runde,
aus vorgefertigten Teilen errichtete Holzbaracke, ein sogenanntes
Finnenzelt. Dieses war als Unterkunft. für die Torwache bestimmt. Eine
ähnliche Baracke wurde innerhalb des Zaunes vor dem Stallgebäude errichtet
und als Schreibstube verwendet.
Links am
Stallgebäude wurde ein Anbau mit einer Duschgelegenheit für die Häftlinge
errichtet. Zur Erwärmung des hierfür benötigten Wassers wurde eine
Lokomobile verwendet, die vor dem Stallgebäude aufgestellt war. Das
Stallgebäude selbst wurde mit Heißluft aus elektrisch betriebenen
Ventilatoren geheizt.
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Unmittelbar
außerhalb des vorderen Zaunes stand eine Scheune, die jedoch nicht zum
eigentlichen Lagerbereich gehörte.
Außerhalb des
umzäunten Lagerbereiches standen neben den bereits erwähnten drei Gebäuden
zwischen dem Bahndamm und dem Lager noch drei Gebäude, die vom Lager etwa
eine Entfernung von 50 - 100 m hatten.
Parallel zu dem
Bahndamm stand eine Baracke, in der eine Küche und ein Speiseraum
eingerichtet waren. Dahinter, etwas links versetzt, stand mit der
Schmalseite zum Bahndamm ein Gebäude, in dem die Wachmannschaft und
Zivilisten, die in der Raffinerie arbeiteten, untergebracht waren.
Links von diesem
Gebäude stand eine weitere Baracke, in der sich in dem zum Bahndamm hin
gelegenen Tal ein Magazin befand, während auf der anderen Seite
dienstverpflichtete italienische Arbeiter untergebracht waren. Im November
1944 wurde ein Teil des Magazines in vier kleinere Räume aufgeteilt, in
denen dann die im Lager Czechowitz tätigen SS.Leute untergebracht wurden.
Hierauf wird noch näher eingegangen werden.
2. Die im Lager
untergebrachten Häftlinge wurden, mit Ausnahme der kranken Häftlinge und
eines kleines Kommandos, das im Lager blieb, auf dem Gelände der durch die
Bombardierung teilweise zerstörten Raffinerie zu Aufräumungsarbeiten
eingesetzt. Sie mußten auch bei der Errichtung von Schutzmauern helfen, die
als Splitterschutz um Öltanks errichtet wurden.
Während ihrer Arbeit
wurden die Häftlinge, die dabei in kleinere Kommandos eingeteilt waren,
zunächst in der Weise bewacht, daß jedes einzelne Arbeitskommando von Wachen
umstellt war. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde dann eine Postenkette um das
gesamte Gelände, auf dem Häftlinge eingesetzt
- 59 -
waren, gebildet.
Verpflegt wurden die
Häftlinge aus der außerhalb des Lagers stehenden Küche. Eine eigene Küche
gab es im Lager Czechowitz nicht. Das Essen wurde in mehreren Kübeln in das
Lager gebracht.
Ob es innerhalb des
Stallgebäudes eine eigene Abteilung zur stationären Behandlung von kranken
Häftlingen gegeben hat, konnte nicht sicher geklärt werden.
Eine zeitlang wurde
im Lager mit Wissen zumindest eines SS.Mannes der Lagerkommandantur von
Häftlingen mit einer selbstgebauten Destillieranlage Schnaps gebrannt.
3. Träger des Lagers
Czechowitz war die Organisation Todt (OT), an deren Spitze in Czechowitz ein
Herr Dotzauer stand. Die OT stellte auch ein Teil der Wachmannschaft für das
Lager. Die übrigen Wachen waren ehemalige Wehrmachtsangehörige.
Der
Lagerkommandantur gehörten zwei SS.Leute an. Lagerführer war bis zum
9.11.1944 der SS.Oberscharführer Knoblich. Er wohnte wahrend seines
Einsatzes in Czechowitz in einem außerhalb den Lagerbereichs gelegenen
Zimmer.
Ihm zur Seite stand
der SS.Mann Erich Ligon. Ligon wurde noch aus Czechowitz versetzt, als
Knoblich noch Lagerführer war. Nachfolger den SS.Mannes Ligon als
Stellvertreter oder Gehilfe des Lagerführer wurde ein SS.Mann namens Weiß.
In Oktober 1944
wurde der SS.Oberscharführer Friedrich Repke nach Czechowitz versetzt. Er
gehörte jedoch nicht zur Lagerkommandantur, sondern war für die Wachleute
bzw. deren Ausbildung zuständig. Einen eigenen SDG gab es im Lager
Czechowitz nicht, dieser kam vielmehr gelegentlich
- 60 -
aus einem anderen in
der Nähe gelegenen Lager.
4. Am 9.11.1944
löste der Angeklagte Olejak, der an diesem Tag aus Blechhammer versetzt
wurde, den SS.Oberscharführer Knoblich als Lagerführer des Lagers Czechowitz
ab. Olejak übernahm auch das Zimmer, in den Knoblich bisher gewohnt hatte.
Da ihm und seiner Ehefrau, die ihn in Czechowitz ebenso wie in Blechhammer
mehrmals besuchte, dieses Zimmer nicht gefiel, bemühte sich Olejak um eine
andere Unterkunft. Auf seine Veranlassung hin wurde, wie bereits erwähnt, in
der ganz links am Bahndamm stehenden Baracke ein Teil den Magazins in vier
kleine Räume unterteilt. Von diesen Räumen bezogen der Angeklagte die beiden
rechts eines schmalen Flures liegenden Räume, während die beiden linken
Räume von dem Oberscharführer Repke, der zuvor in der Raffinerie gewohnt
hatte, und dem SS.Mann Weiß übernommen wurden.
5. Während seines
Einsatzes in Czechowitz fuhr der Angeklagte einmal mit der Bahn nach
Schakowa, dem Wohnort seiner Ehefrau, um zusammen mit ihr an der Hochzeit
des SS.Mannes Felix Witowski teilzunehmen. Witowski, der Leiter der
politischen Abteilung des Lagers Jaworzno, heiratete am Samstag, den
16.12.1944 eine Freundin der Frau Olejak. Nach diesem Besuch war der
Angeklagte Olejak nicht mehr bei seiner Ehefrau in Schakowa, auch nicht an
Weihnachten und Neujahr.
Zusammen mit dem
Oberscharführer Repke nahm der Angklagte Olejak um die Weihnachtszeit herum
an einer Weihnachtsfeier teil.
Zu einem nicht mehr
genau feststellbaren Zeitpunkt traf der Angeklagte Olejak auf dem Gelände
der Raffinerie mit den aus seinem Heimatdorf stammenden und ihm deshalb
bekannten Jan Konjor zusammen, der in der Raffinerie beschäftigt war. Dieser
Konjor erzählte dem Angeklagten Olejak, er habe Schwierigkeiten und werde
eines Diebstahls bezichtigt.
- 61 -
Der Angeklagte
Olejak setzte sich daraufhin für Herrn Konjor ein und bereinigte die
Angelegenheit.
6. Als sich die
Kriegsfront im Januar 1945 immer mehr dem oberschlesischen Raum näherte,
wurden nicht nur die dort liegenden Konzentrationslager evakuiert, sondern
auch die Mehrzahl der deutschstämmigen Zivilisten flüchtete vor den
herannahenden russischen Truppen in den Westen.
Die Ehefrau den
Angeklagten Olejak blieb, wie erwähnt, auch nach ihrer Eheschließung mit dem
Angeklagten in Schakowa bei ihren Eltern wohnen. Sie arbeitete am
Telefonistin in einer Zementfabrik weiter.
Nachdem einige Tag
zuvor schon ihre Mutter und einige ihrer Geschwister Schakowa in Richtung
Westen verlassen hatten, entschloß sich Frau Olejak am 17.1.1945 ebenfalls
zur Flucht. Zusammen mit ihrer jüngsten Schwester, der Zeugin Rudolfine
Hassel, und ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Vater fuhr sie mit einem LKW
der Zementfabrik, in der sie arbeitete, nach Kattowitz. Von dort aus fuhr
sie mit ihren Verwandten in einem Zug nach Czechowitz zu dem Angeklagten
Olejak. Frau Olejak, ihr Vater und ihre Schwester übernachteten in den
Unterkunftsräumen des Angeklagten und fuhren am Morgen des 18.1.1945 nach
Saybusch weiter. Auf dem dortigen Bahnhof verschaffte ihnen der ihnen
bekannte Vorstand dieses Bahnhofes, ein Herr Seidel, noch einen Platz in
einem der abfahrenden Züge.
- 62 -
VIII.
Die Evakuierung des
Lagers Czechowitz:
Die Evakuierung der
Häftlinge den Lagers Czechowitz erfolgte, ebenfalls zunächst zu Fuß, am
Abend des 18.1.1945, also einen der Tag später als die der Häftlinge des
Lagers Jaworzno. Im Lager blieben über 100 Häftlinge zurück, die übrigen
verließen das Lager unter Bewachung der im Lager tätigen SS.Leute sowie der
Wehrmachtsangehörigen und der OT-Leute. Es lag Schnee und von den Häftlingen
mißte mindestens ein Schlitten mitgezogen werden, auf dem sich Gepäck der
SS.Leute befand.
Wie lange der
Fußmarsch gedauert hat, konnte nicht genau geklärt werden. Fest steht
jedoch, daß die Häftlinge einmal während einer Nacht oder tagsüber eine
längere Pause in einer zu einem Bauernhof, in dem sich damals eine Frau und
zwei Mädchen aufhielten, gehörenden Scheune machten und daß nur kurze Zeit
nach dem Verlassen dieser Scheune die Häftlinge in einem bereits mit
Häftlingen aus anderen Lagern beladenen Güterzug mit offenen Waggons
verladen wurden. Nach einer mehrtägigen Bahnfahrt kamen die Häftlinge aus
dem Lager Czechowitz am 23.1.1945 im Konzentrationslager Buchenwald bei
Weimar an.
Kurz nach Verlassen
den Lagers Czechowitz wurde dem Angeklagten Olejak von einem am Wegerand
stehenden Parteigenossen eine Gruppe von etwa 14 weiblichen Häftlingen
übergeben mit dem Auftrag, diese bei der Evakuierung mitzunehmen. Dies ist
auch geschehen. Ob diese Frauen bei der Rast in der Scheune zurückblieben
oder auch die Bahnfahrt nach Buchenwald mitmachten, konnte nicht genau
geklärt werden.
Die im Lager
zurückgebliebenen kranken Häftlinge wurden einige Tags später von SS.Leuten,
die vorher nicht im Lager Czechowitz waren, größtenteils erschossen.
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Ob es außerdem im
Lager Czechowitz und bei der Evakuierung der Häftlinge zu Tötungsfällen
gekommen ist, braucht nicht erläutert zu werden, da sich hierauf die Anklage
nicht bezieht.
IX.
Das Lager Czechowitz
nach dem Krieg:
Das Lager Czechowitz
besteht in seiner damaligen Form nicht mehr. Allerdings ist das
Stallgebäude, in dem die Häftlinge untergebracht waren, mit nur
geringfügigen Änderungen noch vorhanden. In ihm werden jetzt Schweine
gezüchtet. Auch das kleine Hans, das rechts neben den größeren Tor gestanden
hat und in dem damals die ältere Frau wohnte, ist noch erhalten. Der
Raffineriebetrieb, in dem Häftlinge damals arbeiten mußten, besteht
ebenfalls noch.
- 64 -
C:
Beweiswürdigung zu
den unter B) getroffenen Feststellungen:
I.
Die Einlassung des
Angeklagten Olejak:
Der Angeklagte
Olejak hat sich im wesentlichen, was seinen persönlichen Werdegang, die
Dauer seiner Einsätze in den Lagern Auschwitz, Jaworzno, Blechhammer und
Czechowitz sowie die Beschaffenheit dieser Lager und die mit ihm in diesen
Lagern eingesetzten SS.Leuten betrifft, so eingelassen, wie die Kammer
diesen Sachverhalt unter B) festgestellt hat.. Lediglich seine Angaben über
die Anzahl der Häftlinge, die in den Lagern Jaworzno, Blechhammer und
insbesondere Czechowitz inhaftiert waren, weichen von den festgestellten
Zahlen ab.
1. Bis zu dem
Einsatz im Lager Jaworzno im Juni 1943 beruhen die Feststellungen der Kammer
ausschließlich auf der Einlassung des Angeklagten Olejak, sodaß der
festgestellte Sachverhalt mit der Einlassung des Angeklagten voll
übereinstimmt.
2. Das Lager
Jaworzno hat der Angeklagte Olejak hinsichtlich seines Aufbaus, seiner
Organisation, des Einsatzes der Häftlinge im Lager und auf den einzelnen
Arbeitsstellen und der im Lager eingesetzten SS.Leute einschließlich seiner
eigenen Tätigkeit im wesentlichen so geschildert, wie es unter B) zu dem
Zeitpunkt seiner Versetzung aus Jaworzno festgestellt wurde. Darüberhinaus
hat der Angeklagte Olejak angegeben: Eine Kantine mit einer
Einkaufsmöglichkeit für die Häftlinge habe es in Jaworzno noch nicht
gegeben, ihre Einrichtung im Wirtschaftgebäudes sei jedoch geplant gewesen.
Ebenso sei der Bau eines Feuerlöschteichs vorgesehen gewesen. Eine Wäscherei
- und Entlausungsbaracke habe es
- 65 -
während seiner Zeit
in Jaworzno ebenfalls noch nicht gegeben.
Bei seiner
Versetzung aus Jaworzno seien dort etwa 1.000 bis 1.200 Häftlinge inhaftiert
gewesen.
Hinsichtlich der
Dauer seines Aufenthaltes im Lager Jaworzno hat sich der Angeklagte von
Anfang an dahingehend eingelassen, er sei im Frühjahr 1944 aus Jaworzno
versetzt worden und nicht mehr dorthin zurückgekehrt. Er habe auch den
Evakuierungsmarsch des Lagers Jaworzno nicht mitgemacht.
3. Zu seinem
Aufenthalt im Lager Blechhammer hat der Angeklagte Olejak von Beginn des
Ermittlungsverfahrens an behauptet, er sei zusammen mit dem
SS.Hauptsturmführer Brossmann aus Jaworzno nach Blechhammer versetzt worden
und er sei am gleichen Tag wie Brossmann wieder aus Blechkammer weggekommen.
Dies sei zwischen dem 9. und 15.11.1944 geschehen. Brossmann sei von einem
Obersturmführer abgelöst und nach Monowitz versetzt worden, wo er Kommandeur
des Wachbataillons geworden sei. Sein eigener Nachfolger In Blechhammer sei
ein Oberscharführer gewesen, der zu diesem Zeitpunkt erstmals nach
Blechhammer versetzt worden sei. In Blechhammer seien etwa 1.000 Häftlinge
gewesen, vornehmlich Juden. Die Mehrzahl der Häftlinge habe außerhalb den
Lagers in einem Hydrierwerk gearbeitet. In Gegensatz zu Jaworzno seien in
Blechhammer auch weibliche Häftlinge gewesen, die zu Arbeiten im Lager
selbst eingesetzt gewesen seien.
Während seiner
Stationierung in Blechhammer habe er am 23.9.1944 in Schakowa, dem Wohnort
seiner Ehefrau, geheiratet. Nach einem kurzen Urlaub, den er in Schakowa
verbracht habe, sei er nach Blechhammer zurückgekehrt. Seine Frau habe
weiterhin in Blechhammer gewohnt. Im Lager Jaworzno sei er während dieses
Aufenthaltes in Schakowa nicht gewesen, obwohl es von Schakowa bin zum Lager
Jaworzno
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nur etwa 1/2 Stunde
Fußweg gewesen sei.
4. Von Blechhammer
aus sei er nach Czechowitz versetzt worden, wo er einen Oberscharführer als
Lagerführer des Lagers Czechowitz abgelöst habe. Dieser sei mit den gleichen
LKW, mit dem er selbst nach Czechowitz gekommen sei, weggefahren. Warum
dieser Oberscharführer, an dessen Nasen er sich nicht mehr erinnere,
abgelöst worden sei, wisse er nicht. Er habe jedoch gehört, dieser habe sich
nicht genug um die Häftlinge den Lagers gekümmert.
Das Lager habe in
der Nähe einer Raffinerie gelegen und sei von dieser nur durch eine Straße
und ein auf einem Damm verlaufenden Bahngeleis getrennt gewesen.
Die Häftlinge des
Lagers Czechowitz seien in einem ehemaligen Stallgebäude untergebracht
gewesen. Dieses habe auf der vorderen Längsseite 3 Eingange gehabt und sei
in Inneren teilweise unterteilt gewesen, wobei rechts ein kleinerer Raum für
die Funktionshäftlinge. wie Lagerältester, Lagerschreiber und Häftlingsarzt
gewesen sei. Im Inneren des Stallgebäudes habe eine Holztreppe in den nicht
weiter ausgebauten Dachboden geführt. Einen Teil, dieses Dachbodens habe er
mit Heraklitplatten ausbauen lassen, um dort eine Krankenabteilung
einzurichten. Der Ausbau sei jedoch nicht mehr fertig geworden.
Links an den
Pferdestall sei ein Anbau mit einer Duschvorrichtung gewesen, dort habe er
selbst auch geduscht. Das Wasser für die Dusche sei mit einer vor dem
Stallgebäude stehenden Lokomobile erwärmt worden. Das Stallgebäude selbst
sei mit Warmluft aus elektrisch betriebenen Ventilatoren geheizt worden.
Um das Stallgebäude
sei schon bei seiner Ankunft in Czechowitz ein Stacheldrahtzaun mit
Holzpfosten gezogen worden.
An den Ecken habe
jeweils ein hölzerner Wachturm mit Scheinwerfern gestanden.
- 67 -
Für das Lager seien
2 Eingänge vorhanden gewesen, einer für die Häftlinge und ein zweiter
größerer für Fahrzeuge. Der erste habe sich in der linken Umzäunung, der
zweite an der rechten Seite der vorderen Umzäunung befunden. Außerhalb des
ersten Einganges habe ein sogenanntes Finnenzelt als Unterkunft für die
Torwache gestanden. Außerhalb den zweiten Einganges habe ein kleines Haus
gestanden, in den eine ältere Frau gewohnt habe, die öfters zum Fenster
herausgeschaut habe.
Entlang der vorderen
Lagerumzäunung habe eine Scheune gestanden, die für das Lager jedoch nicht
benutzt worden sei.
Außerdem hätten
zwischen dem umzäunten Lager und dem Bahndamm noch 3 Gebäude gestanden.
Eines davon sei ein unterteiltes gemauertes Steingebäude gewesen. In der
einen Hälfte sei die Wachmannschaft und in der anderen Hälfte
dienstverpflichtete Zivilisten untergebracht gewesen. In dem davor und
parallel zum Bahndamm stehenden Gebäude sei eine Küche und ein Speiseraum
für die Wachmannschaft und Zivilisten eingerichtet gewesen.
Ganz links habe eine
Holzbaracke gestanden, in der sich bei seiner Ankunft in Czechowitz ein
Magazin und Unterkunftsräume für italienische Arbeiter befunden hätten. Die
beiden letzteren Baracken hätten jeweils mit einer schmalen Stirnseite in
Richtung Bahndamm gestanden.
Im Lager Czechowitz
seien während seinen Aufenthaltes etwa 120 Häftlinge untergebracht gewesen.
Für mehr Häftlinge sei in dem Pferdestall nicht Platz gewesen. Bis auf
wenige im Lager beschäftigte Häftlinge seien diese auf dem Gelände der
Raffinerie, die teilweise durch Bomben zerstört gewesen sei, zu
Aufräumungsarbeiten und bei der Errichtung von Schutzmauern um Öltanks
eingesetzt worden. Bei seiner Ankunft seien die einzelnen Arbeitskommandos
gesondert bewacht worden. Er habe dann die Bewachung in Form einer
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Postenkette um das
gesamte Gelände durchführen lassen.
Die Verpflegung der
Häftlinge sei in drei je 50 Litern fassenden Kanistern aus der bereits
erwähnten Küche in das Lager gebracht worden. In Lager selbst habe es keine
Küche gegeben.
Daß im Lager
Czechowitz von Häftlingen Schnaps gebrannt worden sei, habe er damals nicht
gewußt. Er könne sich jedoch daran erinnern, daß ihm der Lagerälteste zu
Weihnachten 1944 eine Flasche mit selbstgebranntem Schnaps gebracht habe.
Ihm sei auch aufgefallen1 daß der Verwalter der OT Zucker in das Lager
gebracht habe. Weiter sei ihm im Laufe der Verhandlung eingefallen, daß der
SS.Mann Weiß damals öfters betrunken gewesen sei.
Träger des Lagers
sei die Organisation Todt gewesen, an deren Spitze in Czechowitz ein Herr
Dotzauer gestanden habe. Die Wachmannschaft für das Lager und die Häftlinge
habe aus etwa 20 OT-Leuten und 8 Wehrmachtsangehörigen bestanden.
Der eigentlichen
Lagerkommandantur haben neben im selbst als Lagerführer noch ein SS.Mann
namens Weiß angehört, der aus den Warthegau gestammt und mit Vornamen
wahrscheinlich Arno geheißen habe. Einen SS.Mann namens Ligon habe er in
Czechowitz nicht kennengelernt.
Außerdem sei noch
von der SS. ein Oberscharführer namens Repke oder Rapke in Czechowitz
gewesen, der für die Wachmannschaft zuständig gewesen sei. Dessen Name, an
den er sich in Ermittlungsverfahren nicht erinnert habe, sei ihm zu Beginn
der Hauptverhandlung von allein eingefallen. Besonderen Kontakt habe er mit
ihm, den er vorher nicht gekannt habe, in Czechowitz nicht gehabt.
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Bei seiner Ankunft
in Czechowitz habe er zunächst in dem außerhalb den Lagerbereichs gelegenen
Zimmers der Oberscharführers, der vor ihm Lagerführer gewesen sei, gewohnt.
Dieses Zimmer habe ihm und seiner Ehefrau, die ihn auch in Czechowitz
mehrmals besucht habe, nicht gefallen. Er habe sich deshalb um eine andere
Unterkunft bemüht. Daraufhin sei ein Teil des Magazins in der ganz links
stehenden Baracke, in der auch die italienischen Arbeiter untergebracht
gewesen seien, in 4 kleine Räume abgeteilt worden, die durch einen schmalen
Flur getrennt gewesen seien. Er habe die beiden rechts des Flurs liegenden
Räume und der Oberscharführer Repke oder Rapke und der SS.Mann Weiß die
beiden links des Flurs liegenden Räume als Unterkunft erhalten.
Er erinnere sich
noch daran, daß er zusammen mit den Oberscharführer von der Wachmannschaft
an einer Weihnachtsfeier teilgenommen habe.
Anfang Januar 1945
sei der Lagerführer des Lagers Monowitz Schwarz und der Kommandeur des
Wachbataillons Brossmann zu einer Inspektion des Lagers nach Czechowitz
gekommen. Das Lager selbst hätten die beiden jedoch nicht besichtigt. Einige
Tags später sei Brossmann nochmals gekommen und habe ihm einen Plan
übergeben, auf dem mit roter Tinte oder roter Tusche der bei einer
eventuellen Evakuierung den Lagers einzuhaltende Weg eingezeichnet gewesen
sei. Die tägliche Marschstrecke habe etwa 20 - 30 km betragen. Dabei habe
Brossmann ihm die mündliche Anweisung gegeben, Häftlinge, die den Fußmarsch
nicht mehr mitmachen könnten, zurückzulassen.
Davon, solche
Häftlinge zu erschießen, sei keine Rede gewesen. Außerdem sei ihm gesagt
worden, bei einem Flucht- versuch eines Häftlings solle dieser angerufen
und, falls
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er dem Anruf keine
Folge leiste von der Schußwaffe Gebrauch gemacht werden.
5. Am Abend den
Tages vor der Evakuierung, die zwischen dem 18. und 20.1.1945 erfolgt sei,
seien abends zwischen 23.00 und 24.00 Uhr seine Frau, sein Schwiegervater
und seine Schwägerin, die Zeugin Hassel nach Czechowitz gekommen und hätten
bei ihm übernachtet. Sie hätten sich auf der Flucht befunden und nur das
Nötigste dabei gehabt. Morgens seien sie mit dem ersten Zug weitergefahren.
Er habe sie noch zum Bahnhof, der an der Raffinerie gelegen habe, begleitet.
Dieser Besuch sei ihm im Ermittlungsverfahren erst wieder eingefallen, als
er von seiner Schwägerin Hassel daran erinnert worden sei.
6. Am Abend dieses
Tages habe er von Brossmann die telefonische Anweisung erhalten, die
Insassen des Lagers Czechowitz zu Fuß zu evakuieren. 30 marschunfähige
Häftlinge seien im Lager zurückgeblieben, mit ca. 90 Häftlingen habe er
abends zwischen 20.00 und 21.00 Uhr das Lager verlassen. Die Wachleute von
der OT und der Wehrmacht seien ebenso wie die beiden anderen SS.Leute
dabeigewesen. Es habe Schnee gelegen und von den Häftlingen sei ein kleiner
Schlitten mitgezogen worden, auf dem er selbst eine Kiste und Gepäck
deponiert gehabt habe.
Kurz nach dem
Verlassen des Lagers sei ein Parteigenosse gekommen und habe ihm ca. 14
weibliche Häftlinge übergeben mit dem Auftrag, diese auf dem
Evakuierungsmarsch mitzunehmen.
Sie seien dann die
ganze erste Nacht und den folgenden Tag durchmarschiert. In der zweiten
Nacht sei in einer Scheune zwischen Pless und Nikolai übernachtet worden.
Dieser Übernachtungsort sei in den erwähnten Plan nicht
- 71 –
eingezeichnet
gewesen, sie hätten die Scheune zufällig am Wegesrand gefunden. Die Scheune
habe in der Nähe eines Bauernhauses gestanden, in dem damals eine Frau und
zwei junge Mädchen gewohnt hätten. Die Frau habe noch Tee gekocht und sich
am Morgen bereit erklärt, für einen Häftling zu sorgen, der wegen seines
schlechten Gesundheitszustandes in der Scheune zurückgeblieben sei.
Von der Scheune aus
sei dann am Morgen noch etwa 1 1/2 bis 2 Stunden marschiert worden bis zu
dem Ort Loslau. Von einem Radfahrer seien sie verständigt worden, daß die
Häftlinge in Loslau verladen werden sollten. Auf dem Bahnhof habe schon ein
längerer Zug mit offenen Waggons gestanden. Der Zug sei schon größtenteils
mit Häftlingen aus anderen Lagern beladen gewesen. Die Häftlinge des Lagers
Czechowitz seien ebenfalls in diesen Zug verladen worden. Der Zug sei noch
am Vormittag diesen Tages in Richtung Groß-Rosen ab- gefahren. Weiß und der
Oberscharführer und er selbst seien in dem Zug mitgefahren. Er könne sich
noch erinnern, daß Weiß im Bremserhäuschen eines Waggons gesessen habe. Die
Wachmannschaft aus OT-Leuten und Wehrmachtsangehörigen sei nicht
mitgefahren. Was aus den weiblichen Häftlingen geworden sei, wisse er heute
nicht mehr.
Er selbst sei
während des gesamten Evakuierungsmarsches an der Spitze der Kolonne
gegangen. Den in dem schriftlichen Fluchtplan eingezeichneten Weg habe er
nicht eingehalten. Er wisse nichts davon, daß auf dem Weg von Czechowitz zum
Bahnhof Häftlinge erschossen worden seien. Er habe zwar Schüsse gehört,
wisse aber nicht, wer die abgegeben habe. Er nehme an, daß es Gewehrschüsse
gewesen seien. Für die Wachmannschaft sei nicht er, sondern der
Oberscharführer verantwortlich gewesen. Die Wachsoldaten seien mit Gewehren
ausgerüstet gewesen. Er selbst habe nur eine Pistole und ein Fernglas
dabeigehabt. Gegen Ende des
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Marsches seien
fußkranke Häftlinge noch auf den Schlitten verladen und mittransportiert
worden. Da an dem Weg tote Häftlings gelegen seien, nehme er an, daß zuvor
schon andere Häftlingskolonnen diesen Weg benutzt hätten. Selbst gesehen
habe er während des Marsches keine. Häftlinge aus anderen Lagern. Mit dem
Zug seien sie über Groß-Rosen nach Buchenwald gefahren, wobei der Aufenthalt
in Groß-Rosen nur ganz kurz gewesen sei.
7. Von Beginn des
Ermittlungsverfahrens an bin zur Hauptverhandlung vom 30.7.1979 hat sich der
Angeklagte Olejak dahingehend eingelassen, nach seiner am 23.9.1944 in
Schakowa erfolgten Hochzeit und dem damit verbundenen kurzen Urlaub in
Schakowa sei er nur noch einmal dort gewesen. Dies sei anläßlich der
Hochzeit den SS.Mannes Felix Witowski gewesen, der eine Freundin seiner
Ehefrau geheiratet habe. Diese Reise nach Schakowa habe er von Blechhammer
aus angetreten und sie sei ihm deshalb möglich gewesen, weil ihm der
Lagerführer Brossmann eine Dienstreise nach Auschwitz genehmigt habe. Er
könne. sich noch erinnern, daß er von Krenau aus zusammen mit einem Bruder
den Bräutigams Witowski im Zug nach Schakowa gefahren sei. Dieser Bruder
habe in Krenau eine Drogerie betrieben. Die Reise von Blechhammer aus nach
Schakowa sei kurz vor seiner eigenen Versetzung aus Blechhammer erfolgt.
Nachdem dem
Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 30.7. 1979 die Fotokopie eines
Schreibens des Standesamtes Schakowa von 16.12.1944 an den Reichsführer
SS.Rasse- und Siedlungsamt Berlin vorgehalten wurde, aus den sich ergibt,
daß die Hochzeit des Witowski an 16.12.1944 stattgefunden hat, erklärte der
Angeklagte Olejak in der nächsten Hauptverhandlung am 2.8.1979 folgendes:
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Nach Kenntnisnahme
von dem vorerwähnten Schreiben des Standesamtes Schakowa habe er weiter
nachgedacht und in dar letzten Nacht sei ihm eingefallen, daß er sich
getäuscht habe. Die ihm von Brossmann genehmigte Reise aus Blechhammer nach
Schakowa sei nicht anläßlich der Hochzeit Witowski erfolgt, sondern habe
vielmehr einem Treffen mit seinem Schwager Otto Kaesmarker gedient. Sein
Schwager, den er noch nicht gekannt habe, habe sich zu einem kurzen
Heimaturlaub in Schakowa aufgehalten. Er bleibe jedoch dabei, daß diese
Reise kurz vor seiner Versetzung aus Blechhammer erfolgt sei. Bei dem
Treffen mit seinem Schwager seien auch seine inzwischen verstorbene Ehefrau,
seine Schwiegereltern und seine Schwägerin, die Zeugin Hassel dabeigewesen.
Das Treffen mit seinem Schwager Otto Kaesmarker habe Ende Oktober/Anfang
November 1944 stattgefunden.
Anläßlich der
Hochzeit des SS.Mannes Witowski sei er ein zweites Mal in Schakowa gewesen.
Dabei sei er jedoch von Czechowitz aus über Krenau mit der Bahn angereist.
Diese Hochzeit habe an einem Samstag stattgefunden. Am Nachmittag sei er von
Czechowitz aus hingefahren und am Morgen des folgenden Sonntags in aller
Frühe mit dem ersten Zug nach Czechowitz zurückgekehrt.
8. Den weiteren
Werdegang des Angeklagten Olejak nach der Ankunft im Konzentrationslager
Buchenwald und insbesondere auch nach Beendigung des Krieges hat die Kammer
so festgestellt, wie ihn der Angeklagte geschildert hat.
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II.
Die Einlassung des Angeklagten Pansegrau:
1. Bis zu seinem
Einsatz im Lager Jaworzno in Sommer 1943 beruhen die Feststellungen der
Kammer allein auf der Einlassung des Angeklagten Pansegrau, so daß der
festgestellte Sachverhalt mit der Einlassung voll übereinstimmt.
2. Über seinen
weiteren Werdegang und über das Lager Jaworzno hat sich der Angeklagte
Pansegrau wie folgt eingelassen:
In Sommer 1943, es
könne Juni gewesen sein, sei er von der Abteilung Landwirtschaft des
Konzentrationslager Auschwitz nach Jaworzno versetzt worden. Er habe sich
nicht freiwillig für diesen Posten beworben. Er habe eine Auseinandersetzung
mit dem Lagerführer Höß in Auschwitz gehabt und nehme an, daß er deshalb
nach Jaworzno versetzt worden sei.
Bei seiner Ankunft
seien 3 Baracken als Unterkünfte für die Häftlinge schon fertig gewesen,
eine vierte sei gerade gebaut worden. Es seien auch schon Häftlinge und
SS.Leute im Lager gewesen. Die bereits begonnene vierte Baracke sei zu Ende
gebaut worden, weitere Unterkunftsbaracken für die Häftlinge seien in der
Folgezeit nicht mehr errichtet worden.
Vom Eingang des
Lagers, der sich gegenüber der Straße Kattowitz-Krakau befunden habe, in
Richtung Lager gesehen, seien links am Zaun die Baracken 1 und 2, auf der
gegenüberliegenden Seite parallel zur Straße die Baracke 3 und rechts von
dieser, senkrecht zur Straße, die Baracke Nr. 4 gestanden. Um diese Baracken
sei bereits ein Doppelzaun mit Holzpfosten errichtet gewesen. Der äußere
Zaun habe meistens unter Strom gestanden. Vor diesem Zaun sei im Abstand von
Ca. 2 m ein Draht gespannt gewesen. Ein neuer Zaun mit Betonpfosten sei
nicht gebaut worden. Ebenso sei um das Lager herum keine Beton- oder
Steinmauer errichtet worden.
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Innerhalb des
Lagerbereichs seien noch 3 weitere Baracken für die Küche, die Schreibstube
und den Krankenbau von den Häftlingen errichtet worden. Letzterer habe nur
aus einer Baracke bestanden, die in der Mitte einen Gang gehabt habe. Im
Lagerbereich habe es keine Schienen und keinen Feuerlöschteich gegeben. Auch
die Wäsche sei nicht in Jaworzno gewaschen worden, sondern in das Hauptlager
nach Auschwitz gebracht worden und von dort gereinigt zurückgekommen.
Der bei den Akten
befindliche Lagerplan zeige nicht das Konzentrationslager Jaworzno, sondern
das nach dem Kriege von polnischen Behörden errichtete Lager zur
Inhaftierung von deutschen Kriegsgefangenen.
Im Lager Jaworzno
seien nur 550 - 600 Häftlinge untergebracht gewesen, für mehr habe der Platz
nicht ausgereicht. Diese Häftlinge seien, außer im Lager, beim Bau das
Kraftwerkes und in zwei Kohlengruben, nämlich der Rudolfs- und der
Dachsgrube eingesetzt gewesen. Ein kleineres Kommando habe in der neben der
Dachsgrube gelegenen Ziegelei gearbeitet. Weitere Gruben, in denen Häftlinge
aus dem Lager gearbeitet hatten, habe es in Jaworzno nicht gegeben.
Er selbst habe
während seines Aufenthaltes in Jaworzno der Lagerkommandantur angehört und
sei als Blockführer und Kommandoführer tätig gewesen. Die meiste Zeit sei er
Blockführer, insbesondere Blockführer vom Dienst am Lagertor gewesen. Ein
festes Kommando als Blockführer habe er nie gehabt.
Zuerst habe er in
den außerhalb des Lagerbereichs gelegenen SS.Unterkunftsbaracken gewohnt.
Nach seiner am 18.12.1943 erfolgten Hochzeit habe er zusammen mit seiner
Ehefrau in Jaworzno eine Wohnung gehabt. Sein Bett in der Unterkunftsbaracke
habe er dann nur noch gelegentlich zu einer kurzen Mittagsruhe benutzt.
- 76 -
An Ostern 1944 habe
er den Rapportführer vertreten und deshalb Dienst machen müssen. Am 2.
Osterfeiertag sei seine Frau in die Unterkunftsbaracke gekommen und zusammen
mit ihr sei er in die SS.Kantine gegangen. Hier sei auch der Spieß der
Wachkompanie, der Zeuge Zitzmann, dabeigewesen. Zusammen mit seiner Frau und
dem Zeugen Zitzmann sei er dann in ein Zimmer gegangen, wo er nach kurzer
Zeit eingeschlafen sei. Als er wieder aufgewacht sei, habe er gesehen, daß
Zitzmann bei seiner Frau Annäherungsversuche gemacht habe. Aus diesem Grund
habe er mit Zitzmann Streit bekommen, wobei er auch seine Pistole gezogen
habe. Ohne daß er. das gewollt habe, habe sich aus der Pistole ein Schuß
gelöst und die Kugel habe Zitzmann ins Bein getroffen.
Am nächsten Tag sei
er verhaftet und nach Auschwitz in eine Arrestzelle gebracht worden. Nach
einiger Zeit habe es eine Verhandlung gegeben und gegen ihn sei eine
Arreststrafe von 6 Wochen verhängt worden.
Zu der Frage, wann
er wieder nach Jaworzno zurückgekehrt ist, hat der Angeklagte Pansegrau in
Laufe der Hauptverhandlung unterschiedliche Angaben gemacht. Zu Beginn
erklärte er, er sei etwa in Sommer 1944 nach Jaworzno zurückgekehrt. Am
20.9.1979 erklärte der Angeklagte dann, er sei etwa bis Ende September 1944
in Auschwitz gewesen. Daran sei er anläßlich eines Besuchs seiner
Schwiegermutter erinnert worden. Diese habe ihm gesagt, er sei etwa 14 Tage
vor dem Geburtstag ihres Mannes am 6. Oktober aus der Haft entlassen worden.
Dies entspreche auch seiner jetzigen Erinnerung.
Weiter erklärte der
Angeklagte Pansegrau: Lagerführer in Jaworzno sei der SS.Mann Pfütze
gewesen. Blockführer und Kommandoführer seien außer ihm selber am Anfang die
SS.Leute Hablesreiter, Kraus, König und Bischof gewesen. König habe einen
Selbstmordversuch gemacht und sei aus Jaworzno weggekommen. Bischof, der
etwa in Alter von Hablesreiter gestanden
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habe, habe Ende 1943
oder Anfang 1944 ein Dienstmädchen des Lagerführers Pfütze erschossen und
sei deshalb verhaftet und aus Jaworzno weggebracht worden.
Für König und
Bischof seien dann die SS.Leute Lausmann und Markewicz als Blockführer und
Kommandoführer nach Jaworzno gekommen. Als er sich selbst in Auschwitz in
Haft befunden habe, sei der SS.Mann Bräutigam nach Jaworzno versetzt worden.
Dies sei ein junger Mann mit blonden Haaren gewesen. Er sei auch in Jaworzno
geblieben, als er selbst wieder nach Jaworzno zurückgekehrt sei.
Ob Kraus bis zum
Schluß in Jaworzno gewesen sei, wisse er nicht mehr genau. Er könne sich
daran erinnern, daß Kraus etwas mit der Flucht des 2. Lagerältesten zu tun
gehabt habe. Diesen habe er, als er Häftlinge zur Rudolfsgrube gebracht
habe, aus dem Lager mitgenommen und bei Frauen in Jaworzno gelassen. Von
dort sei der Lagerälteste dann geflohen. Was dann mit Kraus geschehen sei,
wisse er nicht mehr.
Rapportführer in
Jaworzno sei am Anfang der Angeklagte Olejak gewesen. Mit diesem habe sich
außerhalb des Dienstes, wie auch mit den anderen SS.Leuten der
Lagerkommandantur, geduzt, Freunde seien sie aber nicht gewesen. Ob Olejak
an Ostern 1944, als er selbst verhaftet worden sei, noch in Jaworzno gewesen
sei, wisse er nicht mehr.
Als er jedoch von
Auschwitz nach Jaworzno zurückgekehrt sei, sei ein anderer Rapportführer
dagewesen, nämlich der SS.Mann Grauel. Dieser sei wahrscheinlich
Unterscharführer und im gleichen Alter wie Olejak gewesen. Auch seine Größe
habe der von Olejak entsprochen, allerdings sei er in den Schultern etwas
breiter gewesen als Olejak.
Im weiteren Verlauf
der Hauptverhandlung ergänzte der Angeklagte Pansegrau seine Einlassung noch
dahin, ihm sei jetzt
- 78 -
wieder eingefallen,
daß Grauel im Zivilberuf Schäfer gewesen und mit ihm zusammen in der
Abteilung Landwirtschaft in Auschwitz gewesen sei. Olejak sei nicht mehr
nach Jaworzno zurückgekehrt. Wo er eingesetzt gewesen sei, wisse er nicht.
Außer diesen
SS.Leuten erinnere er sich noch an Alfred Fischer, der für die Küche
verantwortlich gewesen sei.
Von den in Lager
Jaworzno eingesetzten SS.Leuten habe nur Kraus einen Hund gehabt und zwar
einen Schäferhund. Ob dies ein Privat- oder Diensthund gewesen sei, wisse er
nicht. Kraus habe diesen Hund auch auf Häftlinge gehetzt. Er habe aber nie
gesehen, daß der Hund einen Häftling gebissen habe.
Er selbst habe in
Lager Jaworzno oder bei den Außenkommandos nie einen Hund dabei gehabt, auch
nicht den Hund des SS.Mannes Kraus.
Die Evakuierung des
Lagers Jaworzno im Januar 1945 sei nicht nachts, sondern am Morgen erfolgt.
Er sei morgens von zu Hause zum Dienst gekommen und habe von dem Lagerführer
Pfütze erfahren, daß sie sofort das Lager verlassen müßten. Er habe
daraufhin Pfütze gefragt, was er mit seiner Frau machen solle. Pfütze habe
ihm daraufhin gestattet, seine Ehefrau auf den Marsch mitzunehmen.
Er sei dann mit
seinem Fahrrad nach Hause gefahren, um seine Frau zu holen. Diese sei schon
unterwegs zu ihrer Arbeitsstelle gewesen, wo er sie dann angetroffen habe.
Sie seien zusammen mit dem Fahrrad zu ihrer Wohnung zurückgefahren, hätten
das Nötigste gepackt und seien mit dem Fahrrad zum Lager zurückgekehrt. Die
Häftlinge hätten schon in einer Kolonne auf der Straße gestanden. Pfütze
habe ihm erlaubt, seine Frau auf einen Pferdewagen, der hinter der Kolonne
gestanden habe, mitzunehmen und ihn selbst beauftragt, auf diesen Wagen
aufzupassen.
- 79 -
Was sich auf diesem
Wagen befunden habe, wisse er nicht. Er vermute aber, daß es sich um Akten
gehandelt habe.
Als Kutscher für
dieses Fahrzeug sei ein SS.Mann namens Riedel eingeteilt gewesen. Zusammen
mit Riedel sei seine Frau auf dem Pferdewagen hinter der Häftlingskolonne,
die sich in Richtung Myslowitz in Marsch gesetzt habe, hergefahren. Er
selbst sei hinter den Pferdewagen hergelaufen, wobei er sei Fahrrad, an das
er sein Gewehr gebunden gehabt habe, mitgeschoben habe.
Die Häftlingskolonne
habe er nur bis Myslowitz gesehen, wo man bei Sonnenaufgang angekommen sei.
Danach habe er die Häftlingskolonne aus den Augen verloren. Mit der
Bewachung der Häftlinge habe er, auch auf der Strecke zwischen Jaworzno und
Myslowitz, nichts zu tun gehabt.
Über Beuthen und
Blechhammer, das auch das Ziel des Evakuierungsmarsches gewesen sei, sei er
zusammen mit Riedel Auf dem Pferdewagen nach Berlin gefahren. Dort habe er
auch den Lagerführer Pfütze wieder getroffen. Wie dieser nach Berlin
gekommen sei, wisse er nicht. Seine Frau habe ihn unterwegs verlassen und
sei mit einem Zug weitergefahren.
3. Über seine
weiteren persönlichen Verhältnisse hat sich der Angeklagte Pansegrau so
eingelassen, wie es unter B) von der Kammer festgestellt wurde.
- 80 -
III.
Allgemeine
Ausführungen zur Beweisaufnahme:
1. Neben der Prüfung
der den beiden Angeklagten zur Last liegenden Einzeltaten wurde die
Beweisaufnahme vor allem bestimmt durch die Einlassung des Angeklagten
Olejak, er sei in Frühjahr 1944 aus Jaworzno versetzt worden und nicht mehr
dahin zurückgekehrt, sondern er habe in der Folgezeit in den Lagern
Blechhammer und Czechowitz Dienst getan. Denn in diesem Fall kommt der
Angeklagte allein schon aus Zeitgründen bei 31 der angeklagten 32 Verbrechen
des Mordes nicht als Täter in Betracht. Die Kammer hatte deshalb zu prüfen,
wie lange der Angeklagte Olejak im Lager Blechhammer war, wer nach ihm die
Funktion des Rapportführers in Lager Jaworzno inne hatte und wer im Lager
Czechowitz, insbesondere von November 1944 bis Januar 1945 Lagerführer war
und wie dieses Lager beschaffen war. Letzteres war deshalb von besonderer
Bedeutung, weil der Angeklagte Olejak zahlreiche Einzelheiten des Lagers
Czechowitz geschildert hat, deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit überprüft
werden mußte.
Auch hinsichtlich
des Lagers Jaworzno selbst und der Zahl der dort inhaftierten Häftlinge
waren umfangreiche Zeugenbefragungen erforderlich, da der Angeklagte
Pansegrau dieses Lager und die Zahl der Häftlinge wesentlich anders
geschildert hat als der Angeklagte Olejak und als es in der Anklageschrift
angenommen wurde.
Die Kammer war sich
dabei bewußt, daß sie wegen der schwierigen Beweislage, die sich aus der
großen zeitlichen Differenz zwischen dem Zeitpunkt der angeklagten Taten und
der Durchführung der Hauptverhandlung ergibt, jede ihr zu Gebote stehende
Möglichkeit zur Aufklärung des Sachverhaltes, auch ohne entsprechenden
Beweisantrag, benutzen mußte (vgl. BGH, Urteil v. 13.3.1952, 3 Str 19/52).
- 81 -
Das Gericht hat sich
deshalb insbesondere bemüht, Urkunden aus den Jahren 1944 oder 1945 über den
Einsatz der hier in Frage kommenden SS.Leute und Berichte aus der
unmittelbaren Nachkriegszeit aufzufinden. Auf das Ergebnis dieser Bemühungen
wird, soweit erforderlich, an den einschlägigen Stellen der Beweiswürdigung
eingegangen werden.
In der
Hauptverhandlung, die sich über 3 Jahre erstreckte und mehr als 200
Verhandlungstage umfaßte, wurden 77 ehemalige Häftlinge des Lagers Jaworzno
und 5 frühere Angehörige der Lagerkommandantur bzw. der Wachmannschaft des
Lagers Jaworzno als Zeugen vernommen.
Hinsichtlich des
Lagers Blechhammer wurde ein ehemaliges Mitglied der Lagerkommandantur in
der Hauptverhandlung vernommen.
Über die
Verhältnisse im Lager Czechowitz wurden neun ehemalige Häftlinge sowie drei
ehemalige Angehörige der Lagerkommandantur bzw. der Wachmannschaft als
Zeugen in der Hauptverhandlung vernommen.
Schließlich wurden
in der Hauptverhandlung noch 27 weitere Zeugen vernommen, darunter der
ehemalige Lagerführer des Lagers Lagischa, Verwandte des Angeklagten Olejak
und die Ehefrau des Angeklagten Pansegrau sowie mehrere Polizeibeamte, auch
aus Israel, die im Ermittlungsverfahren tätig waren.
Zur Frage der
Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten Pansegrau wurde im Laufe der
Hauptverhandlung insgesamt 5 Sachverständige, zum Teil mehrmals vernommen.
Durch beauftragte
Richter der Kammer wurden in der Bundesrepublik insgesamt 5 Zeugen
vernommen, und zwar 2 ehemalige Häftlinge des Lagers Jaworzno, ein
ehemaliger Angehöriger der Wachmannschaft dieses Lagers, ein ehemaliger
- 82 –
Sanitätsdienstgrad
des Lagers Blechhammer und eine Zeugin, die nach Ende des Krieges in Lager
Jaworzno inhaftiert war.
Insgesamt 38 Zeugen
wurden im Wege der Rechtshilfe in Israel, Polen, U.S.A. und Australien
vernommen, wobei teils sämtliche Mitglieder der Kammer und teils einer oder
mehrere Berufsrichter an den Vernehmungen teilnahmen. Darunter waren 30
ehemalige Häftlinge des Lagers Jaworzno und ein ehemaliges Mitglied der
Wachmannschaft des Lagers Czechowitz.
Schließlich wurden
in der Hauptverhandlung mehrere frühere Aussagen bzw. schriftliche
Äußerungen von Personen verlesen, die zwischenzeitlich verstorben oder aus
gesundheitlichen Gründen nicht mehr vernehmungsfähig sind. Darunter waren 10
ehemalige Häftlinge des Lagers Jaworzno, 4 ehemalige Häftlinge des Lagers
Czechowitz sowie ein ehemaliger Häftling des Lagers Blechhammer und ein
Angehöriger der SS.Lagerkommandantur dieses Lagers.
Ferner wurden
zahlreiche Urkunden und Schriftstücke verlesen, sowie Landkarten,
Lichtbilder und Skizzen in Augenschein genommen. Hierauf wird, soweit
erforderlich, an den einschlägigen Stellen der Beweiswürdigung in einzelnen
eingegangen werden.
Noch vor Beginn der
Hauptverhandlung wurde von den 3 Berufsrichtern der Kammer als beauftragte
Richter des Gerichts ein Augenschein auf dem Gelände der ehemaligen Lager
Jaworzno und Czechowitz durchgeführt. Die dabei gefertigten Niederschriften
wurden in der Hauptverhandlung verlesen.
2. Die Kammer hat
bereits am 2. Verhandlungstag einen Antrag der Verteidiger der Angeklagten,
zu den Zeugenvernehmungen einen Sachverständigen für Aussagepsychologie
hinzuzuziehen, abgelehnt mit der Begründung, sie habe selbst aufgrund der
Lebenserfahrung und Menschenkenntnis ihrer Mitglieder die erforderliche
Sachkunde, um die Glaubwürdigkeit von Zeugen selbst beurteilen zu können.
Auch sämtliche im weiteren
- 83 -
Verlauf der
Hauptverhandlung von den Verteidigern gestellten Anträge auf Zuziehung eines
Sachverständigen für Aussagepsychologie zur Vernehmung von bestimmten Zeugen
und zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Einlassung den Angeklagten
Olejak wurden mit der gleichen Begründung zurückgewiesen.
Hieran hält die
Kammer auch weiter fest. Zusätzlich ist noch darauf hinzuweisen, daß mehrere
Mitglieder des Gerichts eigene Erfahrungen aus Lageraufenthalten in der Zeit
unmittelbar nach dem Kriege haben, die sie den übrigen Mitgliedern des
Gerichts vermittelt haben.
Zur Vertiefung ihrer
eigenen Sachkunde hat die Kammer in der Hauptverhandlung vom 5.10.1978
zusätzlich noch Herrn Prof. Dr. Undeutsch als Sachverständigen für
Aussagepsychologie gehört. Dieser hat, kurz zusammengefaßt, folgendes
Gutachten erstattet
Es sei grundsätzlich
möglich, daß sich ein Mensch nach mehr als 20 oder 30 Jahren noch sicher an
bestimmte Vorgänge oder Personen erinnere.
Bei einer
Zeugenaussage spielten 3 zeitlich voneinander getrennte Abschnitte eine
wesentliche Rolle, nämlich die Wahrnehmung, die Erinnerung und die
Wiedergabe.
Es sei zunächst zu
prüfen, ob der Aussagende das, was er berichte, überhaupt wahrgenommen habe
könne. Eine wesentliche Rolle spiele dabei auch die Unterscheidung zwischen
Kern- und Randgeschehen.
Das Kerngeschehen
sei der Teil der Wahrnehmung des Zeugen, der besonders gefühlsstark erlebt
oder beobachtet worden sei. Was im einzelnen Fall für den betreffenden
Zeugen Kerngeschehen gewesen sei oder zum Kerngeschehen gehört habe, könne
für jeden Menschen verschieden sein und sei oft nur sehr schwer zu
ermitteln. Dabei sei Kern- und
- 84 –
Randgeschehen nicht
immer identisch mit dem, was wichtig und unwichtig sei, insbesondere für ein
Strafverfahren.
Die Erinnerung sei
ein Bestandteil der sich ständig ändernden Persönlichkeit eines Menschen und
deshalb nicht unveränderbar. Solche Veränderungen in der Erinnerung könnten
allein schon durch einen längeren Zeitablauf bewirkt werden. Aber auch durch
äußere Einflüsse wie Gespräche mit Mitmenschen, durch Lesen, Hören oder
Sehen von Berichten über die gleichen oder ähnliche Vorfälle könnten
Veränderungen im Erinnerungsbild eines Menschen eintreten. Dabei sei die
Erinnerung um so anfälliger. gegen mögliche Einflüsse von außen je
unbestimmter die eigene Wahrnehmung gewesen sei. Auch könne sich in der
Erinnerung eines Menschen selbst Erlebtes und nur Gehörtes oder Gelesenes so
vermischen, daß der Zeuge auch die nur gehörten und gelesenen Vorgänge als
eigene Wahrnehmung in der eigenen Erinnerung behalte.
Hinsichtlich des 3.
Abschnittes einer Zeugenaussage, der Wiedergabe, führte der Sachverständige
aus, daß es praktisch keine Aussage eines Menschen gebe, die dessen
Erinnerung an einen bestimmten Vorgang vollständig wiedergäbe. Es könne
deshalb durchaus sein, daß zwischen verschiedenen Vernehmungen inhaltlich
Unterschiede bestünden. Allerdings könne kein Mensch von einem bestimmten
Vorfall oder einer bestimmten Person verschiedene Erinnerungsbilder haben.
Es sei auch nicht möglich, daß man sich an bestimmte Vorgänge nach 20 oder
30 Jahren noch erinnere und dann 2 oder 3 Jahre später nicht mehr.
Wenn Differenzen in
verschiedenen Aussagen eines Zeugen vorlägen, dürften diese normalerweise
nicht im Kern-, sondern allenfalls im Randgeschehen auftreten. Wenn
allerdings ein Zeuge nach mehr als 20 Jahren bestimmte, dem Randgeschehen
zuzuordnende Details gewußt habe, so müsse er diese Details auch 2 oder
3.Jahre später noch in der gleichen Weise wissen und wiedergeben können.
- 85 -
Es sei auch zu
berücksichtigen, daß viele Menschen bei einer Aussage als Zeuge dazu
neigten, eine möglichst präzise und vollständige Aussage zu machen und
deshalb die in ihrer Erinnerung vorhandenen Lücken oft, zum Teil unbewußt,
ergänzten. Dabei spiele auch eine Rolle, daß die Gefahr bestehe, unbewußt
bestimmte Vorfälle, an die man sich erinnere, später solchen Personen
zuzuschreiben, denen solche Vorfälle wegen ihres übrigen Vorhaltens
zuzutrauen seien.
Schließlich sei es
ein „Alarmzeichen“ für die Richtigkeit des Teils einer Aussage, dessen
Richtigkeit oder Unrichtigkeit man nicht kenne, wenn sich ein anderer Teil
der Aussage als falsch herausgestellt habe und der Zeuge hierfür keine
vernünftige und ausreichende Erklärung geben könne.
Die von dem
Sachverständigen Prof. Undeutsch vorgetragenen Grundsätze, die mit den schon
vorhandenen Erkenntnissen der Kammer übereinstimmten, hat das Gericht bei
der Beweiswürdigung zugrunde gelegt.
- 86 -
IV..
Das Lager Jaworzno:
1. Der Aufbau des
Lagers (zu B III i)
Neben dem
Angeklagten Olejak (bis Frühjahr 1944) haben die meisten der Zeugen, die als
Häftlinge im Lager Jaworzno inhaftiert waren, das Lager im wesentlichen so
geschildert, wie es die Kammer unter B III (Seite 11 - 16 des Urteils)
festgestellt hat.
Nur in einzelnen
Punkten, zum Beispiel ob es im Lager Schienen für eine Kleinbahn oder einen
Feuerlöschteich gegeben hat oder ob um einen Teil des Lagergeländes eine
Mauer errichtet worden ist, weichen die Aussagen der Zeugen teilweise
voneinander ab.
So haben die in der
Hauptverhandlung vernommenen Zeugen
Wiktor
Pasikowski,
Antoni
Sicinski,
Aron Pernat,
Franz Kafka,
Dr. Boris Braun,
Kazimierz Glapinski,
Karol Bulaty und
Mieczyslaw Zewski
glaubhaft bekundet,
sie seien mit dem ersten oder zweiten Transport von Häftlingen im Juni 1943
von Hauptlager Auschwitz nach Jaworzno gekommen. Damals habe es bereite 3
oder 4 Baracken gegeben.
Ob um diese Baracken
schon, wie der Angeklagte Olejak meint, ein provisorischer Zaun mit
Holzpfosten errichtet war, konnte nicht eindeutig geklärt werden. Die
Mehrzahl der genannten Zeugen hat dies zwar bestätigt. Der Zeuge Kafka aber,
der mit dem 1. Transport nach Jaworzno gekommen ist, hat ausgesagt, die 3
Baracken seien noch nicht umzäunt gewesen.
- 87 -
Die genannten Zeugen
und die überwiegende Mehrzahl der Zeugen, die ab Juli 1943 bis etwa Ende
1943 als Häftlinge in das Lager Jaworzno gekommen sind, haben
übereinstimmend bekundet, das Lager sei in dieser Zeit ständig ausgebaut und
vergrößert worden und ab Ende 1943/Anfang 1944 habe es dann 14 oder 15
Baracken als Häftlingsunterkünfte gegeben. Diese Zahl bzw. eine in diesem
Bereich liegende Zahl von Häftlingsblocks haben neben den bereits erwähnten
Zeugen die weiter im Rahmen des Verfahrens vernommenen Zeugen
Josef Sieradzki,
Mosche Jachimowicz,
David Preisler,
Jehoschua Krawicki,
Jonah Schwarz,
Hillel Charlupski,
Aharon Ojzerowicz,
David Lerer,
David Zimmermann,
Mieczyslaw Zewski,
Wlodzislaw
Smigielski,
Karl Fried,
Raimund Zejer,
Mordechaj Weltfreid,
Jakob
Wigdor,
Walerian Redyk,
Gerschon Sieradzki,
Jehuda Glück,
Simon Seidmann und
Frantizek Herstik
bei ihren
Vernehmungen genannt.
Aufgrund der
Aussagen dieser Zeugen sieht die Kammer die Einlassung des Angeklagten
Pansegrau, in Lager habe es nur 4 Unterkunftsbaracken für die Häftlinge
gegeben, als widerlegt an. Eine so niedrige Zahl von Häftlingsblocks ist
während der Hauptverhandlung nur noch von den Zeugen Emil Hantl, der in der
2. Hälfte 1944 als SDG in Jaworzno war und der Ehefrau
- 88 -
des Angeklagten
Pansegrau, die von 6 Baracken gesprochen hat, genannt worden.
Durch dieses
Ergebnis der Beweisaufnahme ist auch die Behauptung des Angeklagten
Pansegrau, das Lager Jaworzno sei erst nach dem Kriege auf ca. 14 - 15
Blocks ausgebaut worden, als widerlegt anzusehen.
Zum einen haben, wie
ausgeführt, die genannten Zeugen die Größe des Lagers so geschildert, wie
sie von der Kammer festgestellt wurde. Zum anderen hat der Zeuge Heinz
Wittig ausgesagt, er sei im Mai 1946 in ein Kriegsgefangenenlager nach
Jaworzno gekommen. Nach der Beschreibung, die der Zeuge von diesem Lager
gegeben hat, muß davon ausgegangen werden, daß es sich dabei um das
ehemalige Konzentrationslager Jaworzno gehandelt hat. Der Zeuge hat weiter
ausgesagt, das Lager sei ziemlich groß gewesen und sei während seines
Aufenthaltes, der bis zum Januar 1947 gedauert habe, nicht weiter ausgebaut
worden. Lediglich die Umzäunung sei durch den Bau einer Mauer um das ganze
Lager geändert worden. In ähnlicher Weise haben sich auch die Zeugen Otto
Krause, Sebastian Tschita und die Zeugin Olga Thamm, die ebenfalls nach
Kriegsende in dem ehemaligen Konzentrationslager Jaworzno inhaftiert waren,
geäußert.
Hinsichtlich der
Umzäunung steht aufgrund der Einlassung des Angeklagten Olejak in Verbindung
mit den Aussagen mehrerer Zeugen zur Überzeugung der Kammer fest, daß zuerst
ein provisorischer Drahtzaun mit Holzpfosten um einen kleineren Teil des
Lagergeländes bestand und daß im weiteren Verlauf ein neuer Zaun mit
Betonpfosten, der auch unter Hochspannung gesetzt werden konnte, von den
Häftlingen um das endgültige Lagergelände errichtet wurde. Dies haben neben
vielen anderen Zeugen insbesondere die Zeugen Aharon Ojzerowicz und Dr.
Boris Braun glaubhaft bekundet. Der Zeuge Ojzerowicz hat ausgesagt, er sei
selbst beim Gießen der Betonpfosten im Lager eingesetzt worden. Der Zeuge
Boris Braun hat bekundet,
- 89 -
er sei die meiste
Zeit während seines Aufenthaltes in Jaworzno, der von Juni 1943 bis Januar
1945 gedauert habe, als Lagerelektriker tätig und in dieser Eigenschaft beim
Bau des neuen Zaunes beteiligt gewesen.
Aufgrund der
Aussagen praktisch aller Zeugen steht auch fest, daß sich das Haupttor des
Lagers ab Spätsommer oder Herbst 1943 nach Fertigstellung des neuen Zaunes
gegenüber der Straße Kattowitz - Krakau befunden hat.
Nicht eindeutig
geklärt worden konnte dagegen die Frage, ob das ursprüngliche Lagertor an
der Nordseite unmittelbar an der genannten Straße noch weiter benutzt oder
geschlossen wurde. Zwar hat die Mehrzahl der Zeugen hierzu ausgesagt, es
habe in Jaworzno immer nur ein Tor gegeben. Einige Zeugen, die das Lager im
übrigen gut und genau beschrieben haben, haben jedoch bekundet, nach
Einrichtung des 2. Lagertores sei das erste Tor weiterhin benutzt worden.
Dabei handelt es sich um die Zeugen Lipa Dinur, Jonah Schwarz, Aharon
Ojzerowicz, Kazimierz Glapinski, Jakob Glazer, Mendel Kalichmann und Pesach
Nitenberg. Entscheidende Bedeutung kommt dieser Frage jedoch nicht zu.
Die Beweisaufnahme
hat auch die Einlassung des Angeklagten Olejak bestätigt, daß in Jahre 1943
entlang der Straße Kattowitz - Krakau an der Nordseite und an der
nordöstlichen Seite des Lagers zusätzlich zu dem Zaun eine Mauer errichtet
und ebenfalls noch im Jahre 1943 mit den Bau eines gemauerten
Wirtschaftgebäudes begonnen wurde.
Hinsichtlich der
Mauer stützt die Kammer ihre Feststellungen insbesondere auf die Aussagen
der Zeugen Aharon Ojzerowicz, Kazimierz Glapinski, Wiktor Pasikowski, Jozef
Szmidt, Mieczyslaw Zewski, Walerian Redyk, Piotr Kowalczyk, Henry Gage,
Jehuda Glück und Wlodzislaw Smigielski.
- 90 -
Von fast allen
Zeugen wurde bestätigt, daß etwa in der Mitte des Lagergeländes ein größeres
Steingebäude als Wirtschaftgebäudes errichtet wurde. Hier sei nur auf die
Aussagen der Zeugen Raimund Zejer, Wlodzislaw Smigielski, Antoni Sicinski
und Mieczyslaw Zewski verwiesen. Diese Zeugen die alle 4 politische
polnische Häftlinge mit besonderer Funktion im Lager waren, haben nach der
Inbetriebnahme dieses Gebäudes dort gearbeitet und übereinstimmend
geschildert, daß in dem Gebäude die Küche, die Magazine, die
Bekleidungskammer, die Schreibstube und die Kantine untergebracht waren.
Die Feststellungen
der Kammer hinsichtlich des Aussehens und der Einrichtung des
Häftlingskrankenbaus (HKB) beruhen im wesentlichen auf der Aussage den
Zeugen Dr. Paul Heller, der ab Sommer 1943 der verantwortliche Häftlingsarzt
im Lager Jaworzno gewesen ist.
Die Kammer hat auch
keine Zweifel daran, daß im Jahre 1944 nördlich des Wirtschaftgebäudes ein
Feuerlöschteich errichtet wurde und daß in Lager Schienen für eine
Schmalspurbahn verlegt waren, die durch das neue Lagertor auch aus dem Lager
heraus führten.
Den Bau des Bassins,
an das sich zahlreiche Zeugen nicht mehr erinnert haben, haben die Zeugen
Hillel Charlupski, Jehoschua Krawicki, Mosche Jachimowicz, Jonah Schwarz,
Wiktor Pasikowski, David Zimmermann, Franz Kafka, Tadeusz Lopaczewski, Piotr
Kowalczyk, Henry Gage, Jehuda Glück und Wlodzislaw Smigielski glaubhaft
bekundet. Die Zeugen Zimmermann und Kowalczyk haben ausgesagt, sie seien
selbst beim Bau des Bassins eingesetzt worden. Die Zeugen Zewski und
Lopaczewski haben bekundet, sie hätten in Sommer 1944 selbst in diesem
Bassin gebadet.
Der Angeklagte
Olejak hat sich dahingehend eingelassen, bei seiner Versetzung im Frühjahr
1944 sei der Bau eines solches
- 91 -
Feuerlöschbassins
geplant, es sei jedoch noch nicht gebaut gewesen.
Hinsichtlich des
Vorhandenseins von Schienen für eine Schmalspurbahn im Lager beruhen die
Feststellungen der Kammer in erster Linie auf den Aussagen der Zeugen Mosche
Jachimowicz, Jonah Schwarz, David Lerer, Kazimierz Glapinski, Wiktor
Pasikowski, Antoni Sicinski, Tadeusz Lopaczewski, Piotr Kowalczyk, Walerian
Redyk und Wlodzislaw Smigielski.
Besondere Bedeutung
kommt dabei den Aussagen der Zeugen Lerer, Pasikowski und Smigielski zu. Der
Zeuge Lerer hat glaubhaft bekundet, er sei zeitweise selbst als Lokführer
für diese Kleinbahn eingesetzt worden. Die Zeugen Pasikowski und Smigielski
haben ausgesagt, sie seien am 29.11.1944 mit Hilfe dieser Kleinbahn aus den
Lager geflohen, wobei allerdings über die Frage, wie die Flucht im Einzelnen
vonstatten ging, erhebliche Widersprüche in den Aussagen der Zeugen
aufgetreten sind.
Die Errichtung der
Wäschereibaracke an der Südseite des Lagers zwischen HKB und Haupttor
schließlich hat der Zeuge Smigielski der für die Bekleidungskammer der
Häftlinge im Lager verantwortlich war, glaubhaft geschildert.
Was den Bereich
außerhalb des neuen Lagertores betrifft, haben die beiden Angeklagten und
fast alle Zeugen übereinstimmend die Errichtung und das Aussehen der am Tor
stehenden Blockführerstube und der in U-Form aufgestellten SS.
Unterkunftsbaracken geschildert.
Die Feststellungen
der Kammer über den Bau der Trafostation an der Blockführerstube beruhen auf
der glaubhaften Aussage des Zeugen Dr. Boris Braun, der als Lagerelektriker
in diesem Bau zu tun hatte.
Während sich sehr
viele Zeugen daran erinnerten, daß der Lagerführer in Jaworzno ein oder zwei
Reitpferde hatte, konnte nur ein einziger Zeuge sagen, wo diese
untergebracht waren. Insoweit hat die Kammer ihren Feststellungen die
- 92 -
Aussage des Zeugen
Norbert Hirschkorn zugrunde gelegt. Dieser hat glaubhaft bekundet, er sei
selbst zeitweise damit betraut gewesen, die Pferde des Lagerführers zu
betreuen und zuzureiten. Für die beiden Pferde und die Kutsche seien in der
Nähe der Blockführerstube ein Schuppen errichtet worden.
Bei diesem Ergebnis
der Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, daß die Errichtung des
Lagers nach einem Plan vom 20.9.1943 erfolgte, dessen Original sich im
Museum des ehemaligen Lagers Auschwitz befindet. Die von den polnischen
Behörden zur Verfügung gestellte Kopie (32, 58) wurde wiederholt zum
Gegenstand des Verfahrens gemacht und sowohl von dem Angeklagten Olejak als
auch den meisten Zeugen als dem tatsächlichen Aussehen des Lagers
entsprechend bezeichnet. Diesem Plan entspricht auch die Zeichnung, die sich
nach Seite 64 der Hefte von Auschwitz Nr. 12 befindet und die ebenfalls
wiederholt zum Gegenstand der Verhandlung gemacht wurde. Dieser Plan stimmt
Mit den Feststellungen der Kammer über Größe und Aussehen des Lagers in
allen wesentlichen Punkten überein.
2. Die Häftlinge des
Lagers Jaworzno (zu B III 2)
Was die Zahl der
Häftlinge betrifft, die wahrend des Bestehens des Lagers von Juni 1943 bis
Januar 1945 dort inhaftiert waren, konnten sichere Feststellungen nicht mehr
getroffen werden. Da keine Unterlagen darüber vorhanden sind, war die Kammer
insoweit auf die Angaben der Angeklagten und Aussagen von Zeugen angewiesen.
In erster Linie hat die Kammer ihren Feststellungen die Angaben des Zeugen
Dr. Milos Novy zugrunde gelegt. Zu diesem Zeugen ist folgendes zu bemerken:
Da der Zeuge aus Gesundheitsgründen weder in der Hauptverhandlung noch
kommissarisch vernommen werden konnte, wurde
- 93 -
die Niederschrift
über die Aussage des Zeugen vom 7.5.1975 vor dem Stadtgericht in Prag (20,
69 - 73) in der Hauptverhandlung verlesen.
Im Rahmen dieser
Vernehmung übergab der Zeuge insgesamt 34 Blatt Fotokopien aus seinem Buch,
das er im Jahre 1949 in Prag unter den Titel "Rückkehr unerwünscht" über die
Zeit seiner Inhaftierung in verschiedenen Lagern veröffentlicht hat. Die
Fotokopien umfassen die Seiten 144 - 210 dieses Buches. Auf diesen Seiten
befaßt sich Dr. Novy mit dem Lager Jaworzno und der Evakuierung dieses
Lagers. Ein Exemplar dieses Buches, das in tschechischer Sprache abgefaßt
ist, wurde in der Hauptverhandlung von den Zeugen Adler dem Gericht
übergeben. Die Übersetzung der Seiten 144 - 210 (20, 78 - 130) wurde in der
Hauptverhandlung gem. § 251 Abs. 2 StPO mit Zustimmung aller
Prozeßbeteiligter verlesen.
Zur Person des Dr.
Milos Novy hat die Beweisaufnahme ergeben, daß er während der Kriegszeit mit
dem Familiennamen Gruenhut geheißen hat. In Jaworzno, wohin er nach seinen
eigenen Angaben in der Vernehmung aus dem Jahre 1975 am 21.6.1943 aus den
Lager Auschwitz gebracht wurde, war er während der ganzen Zeit seines
Aufenthaltes in der Häft1ingsschreibstube als Gehilfe des
Arbeitsdienstschreibers Theo Piskon beschäftigt. Dies haben die Zeugen Karel
Bulaty, Franz Kafka, Kurt Fried und Raimund Zejer glaubhaft bekundet.
Die Zeugen Karel
Bulaty, Franz Kafka, Karel Fried, Frantizek Herstik und Dr. Boris Braun, die
den Zeugen Dr. Novy in Jaworzno und teilweise schon vor seiner Festnahme in
Prag gut gekannt haben und auch bei der Evakuierung mit ihm zusammen waren,
haben übereinstimmend bekundet, Dr. Novy habe ein gutes Gedächtnis,
insbesondere ein gutes Namensgedächtnis gehabt. Er habe auch die
Verhältnisse im Lager Jaworzno einschließlich der dort eingesetzten SS.Leute
wegen seiner Tätigkeit in der Schreibstube gut gekannt. Daß dies tatsächlich
der Fall war, beweist sowohl der Inhalt seiner Vernehmung aus dem Jahre 1975
als auch der Inhalt des von ihm veröffentlichten Buches.
- 94 -
Hierauf wird
insbesondere bei der Frage, wer Ende 1944 Rapportführer in Jaworzno war,
noch näher eingegangen werden.
Dr. Novy war durch
seine Tätigkeit in der Schreibstube des Lagers in der Lage, den gesamten.
Ablauf des Lagerlebens in Jaworzno zu überblicken und kennenzulernen.
Bedingt durch diese Tätigkeit kam er auch mit den im Lager selbst
eingesetzten SS.Leuten, also den Angehörigen der Lagerkommandantur,
persönlich in Berührung und lernte zum Teil sogar ihre persönlichen
Verhältnisse kennen. Hierauf wird bei den Ausführungen zur Person des
Lagerführers noch eingegangen werden.
Neben der
hervorgehobenen Stellung des Autors Dr. Novy im Lager Jaworzno wird der
Beweiswert dieses Buches im vorliegenden Verfahren noch besonders dadurch
bestimmt, daß Dr. Novy seine Erlebnisse und Erinnerungen nur kurze Zeit nach
seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager niedergeschrieben hat. Dies
ergibt sich daraus, daß das Buch schon im Jahre 1949 erschienen ist und
daher in den Jahren 1945 bis 1949 geschrieben worden sein muß. Bei dem
Zeugen Dr. Novy besteht deshalb die Gefahr, daß seine Erinnerung an Personen
oder Vorgänge schon allein durch den Zeitablauf von 20 oder 30 Jahren
getrübt oder verändert wurde, nicht in dem Maße wie dies bei Zeugen der Fall
ist, die erstmals nach 20 oder 30 Jahren nach ihren Erlebnissen im
Konzentrationslager befragt wurden.
Im übrigen beweist
ein Vergleich zwischen dem Inhalt dieses Buches und der Aussage des Dr. Novy
im Jahre 1975, daß auch bei ihm zwischenzeitlich erhebliche
Erinnerungsverluste eingetreten sind. So erklärte der Zeuge zum Beispiel bei
dieser Vernehmung, an den Namen Emil Hantl erinnere er sich nicht. In seinem
Buch aus dem Jahre 1949 dagegen hat Dr. Novy noch geschrieben, Emil Hantl
sei der letzte SDG des Lagers Jaworzno gewesen und er beschreibt im
einzelnen sein Verhalten gegenüber den Häftlingen und anderen SS.Leuten.
- 95 -
Daß Hantl der letzte
SDG im Lager Jaworzno war, hat er selbst bei seiner Aussage in der
Hauptverhandlung bestätigt. Da der Kammer von Anfang an der mögliche
Beweiswert des Buches von Dr. Novy bewußt war, hat sie sich bemüht, den
Inhalt dieses Buches im Rahmen der Beweisaufnahme, soweit als möglich, auf
seine Richtigkeit zu überprüfen. Dabei haben sich, von einer geringfügigen
Abweichung bei der Angabe des Datums für die Ankunft der Häftlinge aus den
Nebenlager Lagischa, weder in Bezug auf bestimmte von Dr. Novy geschilderte
Vorgänge noch in Bezug auf die Angabe von Namen von Häftlingen oder
SS.Leuten irgendwelche Unrichtigkeiten ergeben. Hierauf wird im weiteren
Verlauf der Beweiswürdigung noch näher eingegangen werden.
Dr. Novy hat nun in
seinem Buch Angaben darüber gemacht, wann jeweils Häftlingstransporte nach
Jaworzno gekommen sind, um wieviele Häftlinge es sich gehandelt hat und
meistens auch, woher diese Häftlinge stammten. Diese Angaben hat die Kammer
in wesentlichen ihren Feststellungen zugrunde gelegt. Im einzelnen schreibt
der Zeuge Dr. Novy hierzu: Der 1. Transport von Ca. 100 Häftlingen sei am
15.6.1943 in das Lager Jaworzno gekommen. Ihm hätten in erster Linie
polnische und tschechische Handwerker angehört. Der nächste Transport, der
am 21.6.1943 nach Jaworzno gekommen sei, habe 150 Häftlinge umfaßt,
ebenfalls in der Mehrzahl polnische und tschechische Handwerker.
Am 2.7.1943 sei ein
Transport mit 1.000 griechischen Juden in das Lager gebracht worden. Am
15.7.1943 seien weitere 750 Häftlinge, am 7.9.1943 500 Häftlinge und an
14.9.1943 300 Häftlinge vom Hauptlager nach Jaworzno verlegt worden. Bei
diesen Transporten habe es sich meistens um jüdische Häftlinge gehandelt.
- 96 -
Anfang Juni 1944
seien in 4 Transporten 1.500 ungarische Juden nach Jaworzno gebracht worden.
Im September 1944 seien 500 jüdische Häftlinge, die zuvor im Ghetto Lodz
untergebracht gewesen seien und im Oktober 1944 500 Häftlinge aus dem damals
aufgelösten Konzentrationslager in Lagischa nach Jaworzno gebracht worden.
Der letzte Transport sei in Dezember 1944 aus den Konzentrationslager
Gleiwitz nach Jaworzno gekommen. Von den ursprünglich 700 Häftlingen seien
150 Häftlinge, die nicht mehr arbeitsfähig gewesen seien, nach Gleiwitz
zurückgebracht worden.
Diese Angaben des
Zeugen Dr. Novy sind im wesentlichen durch das Ergebnis der übrigen
Beweisaufnahme bestätigt worden. Allerdings konnte nicht sicher festgestellt
werden, ob die von Dr. Novy genannte Zahl von insgesamt 6.650 alle Häftlinge
umfaßt, die während des Bestehens des Konzentrationslagers Jaworzno dort
inhaftiert waren.
Die Angaben des
Zeugen Dr. Novy über die ersten beiden Häftlingstransporte im Juni 1943
wurden von den in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen Wiktor Pasikowski,
Antoni Sicinski, Franz Kafka, Dr. Boris Braun, Mieczyslaw Zewski und
Kazimierz Glapinski bestätigt, die nach ihren Aussagen in der
Hauptverhandlung mit diesen Transporten nach Jaworzno gekommen sind.
Zu den Angaben von
Dr. Novy, am 2.7.1943 sei ein Transport mit 1.000 griechischen Juden nach
Jaworzno gekommen, hat der Zeuge Raimund Zejer, ein polnischer Häftling, der
dann Rapportschreiber in Jaworzno wurde, ausgesagt, er sei im Juli 1943
zusammen mit 1.000 griechischen Juden nach Jaworzno gekommen.
- 97 -
Zu diesem Transport
gehörte nach seiner Aussage in der Hauptverhandlung auch der Zeuge Jakob
Arroyo, der heute in Israel lebt. Er hat glaubhaft bekundet, er sei an
5.5.1943 in Griechenland festgenommen und per Bahn nach Birkenau
transportiert worden. Nach einem kurzen Aufenthalt in diesem Lager, dessen
Länge er nicht genau angeben könne, sei er nach Jaworzno gekommen. Wieviele
Häftlinge dieser Transport umfaßte, konnte der Zeuge Arroyo allerdings nicht
mehr angeben.
Zu den weiteren
Ausführungen von Dr. Novy, im Juli 1943 seien 750 Häftlinge, am 7.9.1943 500
Häftlinge und 14.9.1943 300 Häftlinge nach Jaworzno gekommen, haben
zahlreiche der vernommenen jüdischen Zeugen bestätigt, daß sie um diese Zeit
nach Jaworzno gekommen seien. Sie haben auch bestätigt, daß sie, wie Novy
schreibt, zuvor in Zwangsarbeitslagern in Polen inhaftiert gewesen seien.
Die Beweisaufnahme
hat auch bestätigt, daß die Angaben von Dr. Novy zu den sogenannten
Ungarnhäftlingen richtig sind. Zu diesen Transporten gehörten nach ihren
glaubhaften Aussagen die in der Hauptverhandlung vernommen Zeugen
David Preisler,
Jonah Schwarz,
Meir Shimoni,
Schmuel Grol
Mordechaj Hoffmann,
Chaim Schuler und
Henry Friedmann.
Der Zeuge Preisler
hat ausgesagt, er sei im April/Mai 1944 nach Auschwitz und nach einem
Aufenthalt von etwa einer Woche nach Jaworzno gekommen.
Der Zeuge Schwarz
hat bekundet, er habe mit seiner Familie in Ungarn gelebt, sei im Frühjahr
1944 festgenommen und dann nach Birkenau und Auschwitz gebracht worden. Nach
Jaworzno sei er etwa im Mai 1944 gekommen.
- 98 -
Der Zeuge Shimoni
meint, er sei im April 1944 nach Jaworzno gekommen, es könne aber auch
später gewesen sein.
Die Zeugen Grol und
Schuler haben ausgesagt, sie seien im Juni 1944 nach Jaworzno gekommen.
Der Zeuge Hoffmann
hat als Zeitpunkt seiner Ankunft in Lager Jaworzno die Monate Mai oder Juni
1944 genannt.
Der Zeuge Friedmann
schließlich meinte, er sei Ende Mai 1944 nach Jaworzno gekommen.
Die Aussagen dieser
Zeugen die sich alle was verständlich ist, auf den genauen Zeitpunkt ihrer
Ankunft im Lager Jaworzno nicht festlegen konnten, beweisen, daß die Angaben
des Zeugen Dr. Novy richtig sind.
Durch die Aussagen
dieser Zeugen werden auch die Angaben von Dr. Novy über das Alter dieser
ungarischen Juden bestätigt. Dr. Novy schreibt hierzu:
„.... In der
Gesamtzahl von 1.500 Personen waren nahezu 200 Kinder in Alter von 13 - i6
Jahren. ....“
Die Zeugen Preisler,
Shimoni und Schuler waren zum Zeitpunkt ihrer Ankunft im Lager jeweils 16
Jahre und der Zeuge Henry Friedmann 17 Jahre alt. Soweit der Zeuge Dr. Novy
schreibt, im September 1944 sei ein Transport von 500 Häftlingen aus dem
Ghetto in Lodz nach Jaworzno gekommen, so gehörten diesem Transport
wahrscheinlich die Zeugen Mietek Zurkowski und Mark Puszyk an.
Der in der
Hauptverhandlung vernommene Zeuge Zurkowski hat ausgesagt, er sei Lodz
geboren worden und sei wahrscheinlich im August 1944 nach Jaworzno gekommen.
Zur Person des Zeugen Puszyk ist zu bemerken, daß dieser wegen seines
schlechten Gesundheitszustandes weder in der Hauptverhandlung noch Wege der
Rechtshilfe vernommen werden konnte.
- 99 -
Gemäß § 251 Abs. 2
StPO wurde deshalb die Niederschritt über seine Vernehmung vor der
Israel-Polizei vom 29.3.1976 (22, 161) in der Hauptverhandlung verlesen.
Danach ist der Zeuge in Warschau geboren worden und kam ebenfalls im August
1944 nach Jaworzno.
In der Angabe von
Dr. Novy, die Häftlinge aus dem aufgelösten Lager Lagischa seien im Oktober
1944 nach Jaworzno gekommen, sieht die Kammer, wie bereits erwähnt, die
einzige geringfügige Unrichtigkeit in dem Bericht des Zeugen Dr. Novy aus
dem Jahre 1949. Denn aufgrund des übrigen Ergebnisses der Beweisaufnahme ist
die Kammer der Überzeugung, daß diese Häftlinge bereits in der 2.
Septemberhälfte 1944 nach Jaworzno gekommen sind.
Zu diesem Schluß
kommt die Kammer in erster Linie aufgrund des Inhalts zweier Dokumente aus
der damaligen Zeit, die in der Hauptverhandlung verlesen wurden, in
Verbindung mit der Aussage des Zeugen Horst Czerwinski, der zur Zeit der
Auflösung des Lagers Lagischa dessen Lagerführer war. Aus dem
Kommandanturbefehl Nr. 9/44 vom 6.9.1944 der Kommandantur des K.L. Auschwitz
III (53, 4750 c - i) ergibt sich, daß die Auflösung des Lagers Lagischa am
1.9.1944 verfügt wurde.
Ziffer 16 des
genannten Kommandanturbefehls hat folgenden Wortlaut:
Auflösung eines
Lagers.
Auf Anordnung des
SS.-WVH. vom 1.9.1944 wurde das Lager Lagischa wegen Einstellung des
Bauvorhabens des Kraftwerks "Walter" aufgelöst. Die Wachmannschaften
übernehmen die Sicherung eines neu anlaufenden Lagers in Neustadt 0/S.
Vom Bundesarchiv in
Koblenz wurde auf Anforderung des Gerichts eine beglaubigte Fotokopie einer
Abkommandierung vom 1.10.1944 (53, 4750 b) übersandt, die in der
Hauptverhandlung verlesen wurde und folgenden Wortlaut hat:
- 100 -
Waffen - SS
Kommandantur K.L.
Auschwitz III
Auschwitz, den 1.10.1944
Ia -
P - Az.: 23b14/1O.44/Schw.-He.
Betreff:
Kommandierung.
An das
Arbeitslager
Golleschau und Althammer
Abteilung III
K.L.Auschwitz III
Mit
sofortiger Wirkung übernimmt
SS-Usoha.
Horst C z e r w i n s k i
die Führung
des Arbeitslagers „Golleschau“.
Mit gleicher
Wirkung wird
SS-Oscha.
Hans M i r b e t h
mit der
Führung des Arbeitslagers „Althammer“ beauftragt.
Nach
Ordnungsgemässer Übergabe meldet sich
SS.Oscha.
Hans H ö w n e r
zur weiteren
Dienstleistung beim SS-T.Stuba.AU.III
F.d.R.
Der Lagerkommandant
Unterschrift gez. Schwarz
SS –
Untersturmführer SS-Hauptsturmführer
und Adjutant
Der in der
Hauptverhandlung vernommene Zeuge Horst Czerwinski hat bekundet, er sei im
Januar oder Februar 1944 als Kommandoführer, was der Position des
Lagerführers entsprochen habe, nach Lagischa gekommen. Dort seien etwa 500
Häftlinge gewesen. Er habe die Position des Lagerführers bis zur Auflösung
des Lagers inne gehabt. Diese Auflösung sei etwa Mitte September 1944
erfolgt. Er sei der letzte gewesen, der das Lager verlassen habe. Er habe
dann noch etwa 14 Tage Dienst in Monowitz geleistet und sei Anfang Oktober
1944 in das Lager Golleschau versetzt worden.
Die Aussage den
Zeuge Czerwinski in Verbindung mit dem Inhalt der beiden aufgeführten
Dokumente ergibt, daß die Verlegung der Häftlinge aus dem Lager Lagischa in
das Lager Jaworzno nicht vor dem 1.9.1944 erfolgt sein kann, da das Lager
Lagischa
- 101 -
erst mit einer
Verfügung von diesem Tag aufgelöst worden ist und daß die Verlegung etwa
Mitte September 1944 beendet war.
Zu dieser Gruppe
von Häftlingen, die aus dem Nebenlager Lagischa nach Jaworzno gekommen ist,
gehörten von den in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen folgende
Personen:
Arie Leon
Rosenkranz
Joel Feliks Ryz
Menachem
Pruszanowski
Zbigniew Tokarski
Zbigniew
Mroczkowski
Barry
Lipschitz
Jehuda Glück
Irvin
Balsam
Henry
Rosenblatt
David
Burdowski.
Außerdem wurden
von dieser Gruppe von Häftlingen folgende Zeugen die wegen ihres schlechten
Gesundheitszustandes einer Vorladung zur Hauptverhandlung keine Folge
geleistet hatten, im Wege der Rechtshilfe vernommen und jeweils die
Niederschrift über ihre Vernehmung in der Hauptverhandlung verlesen:
Chaim Mastbaum
Jakob Frenkel
Schimschon Ganz
Israel Lior
Jecheskel
Liebermann
Eduard Lipschitz.
Auch von der
Mehrzahl dieser Zeugen wurde, soweit sie überhaupt sichere Angaben machen
konnten, als Zeitpunkt der Verlegung aus dem Lager Lagischa in das Lager
Jaworzno September 1944 oder jedenfalls Herbst 1944 benannt.
So haben die
Zeugen Rosenkranz von August 1944, Ryz von September 1944, Pruszanowski von
September oder Oktober 1944, Tokarski von Spätherbst 1944, Mroczkowski von
August oder
- 102 -
September 1944,
Barry Lipsitz von Herbst 1944, Glück von Ende September oder Anfang Oktober
1944 und Balsam von Ende Sommer 1944 als Zeitpunkt ihrer Ankunft in Jaworzno
gesprochen.
Die Zeugen
Rosenkranz, Mroczkowski, Barry Lipsitz, Balsam, Frenkel, Ganz und Liebermann
haben darüberhinaus ausgesagt, sie seien bei der Auflösung des Lagers
Lagischa nach Jaworzno gekommen.
Der auf Antrag der
Staatsanwaltschaft zu diesem Thema gehörte Zeuge Franz Mauer hat ausgesagt,
er sei am 9.1.1944 als Angehöriger der SS. nach Lagischa gekommen und dort
bis zur Auflösung des Lagers geblieben. Als Zeitpunkt für diese Auflösung
nannte der Zeuge zunächst den 27. oder 28.9.1944. Nach Vorhalt der Aussage
des Zeugen Czerwinski war der Zeuge dann der Meinung, daß die Auflösung
jedenfalls in der Mitte der 2. Hälfte des Monats September 1944 erfolgt sei.
Einen genaueren Zeitpunkt konnte er dann nicht mehr nennen.
Die Aussagen der
Zeugen Burdowski, Mastbaum und Lior dieser Frage sieht die Kammer nicht als
glaubhaft an. Der Zeuge Burdowski meint, er sei im Mai 1944 nach Jaworzno
gekommen und der Zeuge Lior spricht von Sommer 1944. Der Zeuge Mastbaum
schließlich ist der Meinung, er sei nach der Verlegung aus Lagischa noch ein
Jahr lang im Lager Jaworzno gewesen. Die Beweisaufnahme hat keine
Anhaltspunkte dafür ergeben, daß außer bei der Auflösung des Lagers Lagischa
Häftlinge aus diesem Lager nach Jaworzno verlegt worden sind.
Insgesamt ist die
Kammer deshalb der Auffassung, daß die Zeugen, die aus dem Lager Lagischa in
das Lager Jaworzno gekommen sind, in der 2. Septemberhälfte 1944 nach
Jaworzno ver1egt wurden.
Die von Dr. Novy
in' einzelnen geschilderten Transporte ergeben in ihrer Gesamtheit eine Zahl
von 6.650 Häftlingen. Ob diese
- 103 -
Aufzählung
vollständig ist, konnte nicht geklärt werden, da kein anderer Zeuge darüber
genauere Angaben machen konnte.
Der Zeuge Dr.
Heller, der wie bereits erwähnt, leitender Häftlingsarzt in Jaworzno gewesen
ist, konnte bei seiner Vernehmung vor dem Generalkonsulat der Bundesrepublik
Deutschland in Chicago, deren Niederschrift in der Hauptverhandlung verlesen
wurde, auf Vorhalt einer Häftlingszah1 vom 13.574, die er im Jahre 1945 nach
seiner Befreiung bei einem Bericht gegenüber der Jewish Agency in Prag
genannt hatte (11. 158) keine Angaben mehr darüber machen, woher er diese
Zahl damals erfahren hatte. Er meinte allerdings, nach seiner Erinnerung
könnte diese Zahl zutreffen. Sichere Feststellungen können auf diese Aussage
jedoch nach Meinung der Kammer nicht gestützt werden. Diese Frage ist für
die Entscheidung letztlich auch nicht von entscheidender Bedeutung.
Die Kammer ist
jedoch der Auffassung, daß sich nach der Fertigstellung der 14 oder 15
Unterkunftsbaracken durchschnittlich zwischen 3.000 und 4.000 Häftlingen in
Jaworzno aufgehalten haben.
Diese Zahl ergibt
sich aus den Aussagen der Zeugen, die aufgrund ihrer Stellung im Lager in
der Lage waren, die Lagerstärke zu erfahren und die nicht, wie die meisten
Häftlinge auf blosse Schätzungen angewiesen waren.
Der Zeuge Dr.
Heller, der als verantwortlicher Lagerarzt über die Häftlingsstärke mit
Sicherheit informiert war, hat ausgesagt, die durchschnittliche Belegung
habe zwischen 3.000 und 3.500 Häftlingen gelegen.
Der Zeuge Antoni
Sicinski, zuerst Rapportschreiber, dann Gehilfe des Rapportschreibers und
Verwalter der Häftlingskantine hat bei seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung erklärt, durchschnittlich seien zwischen 3.000 und 4.000
Häftlinge in Jaworzno gewesen.
- 104 -
Der Zeuge
Wlodzislaw Smigielski, verantwortlich für die Häftlingsbekleidungskammer hat
bekundet, der höchste Stand der Häftlingszahl sei 3.200 gewesen. Dies wisse
er deshalb, weil für soviele Häftlinge Wäsche ausgeteilt worden sei.
Der Zeuge
Mieczyslaw Zewski, der die meiste Zeit seines Aufenthaltes im Lager Jaworzno
für die Häftlingsküche verantwortlich war, hat ausgesagt, die Zahl der
Häftlinge habe zwischen 2.500 und 3.500 gelegen. Für soviele Häftlinge sei
in der Küche gekocht worden.
Der Zeuge Raimund
Zejer schließlich, ab Juli 1943 Rapportschreiber des Lagers, nennt eine Zahl
von ca. 4.000 Häftlinge als durchschnittliche Stärke.
Bei diesem
Ergebnis der Beweisaufnahme sieht die Kammer die Einlassung des Angeklagten
Pansegrau, in Jaworzno seien nur etwa 6oo Häftlinge gewesen, als widerlegt
an. Allerdings ist die Kammer auch hier der Meinung, daß der Angeklagte
Pansegrau insoweit nicht bewußt die Unwahrheit gesagt hat, sondern daß seine
Angaben seiner heutigen Erinnerung entsprechen.
Die Frage, ob und
wieviele Häftlinge in Jaworzno verstorben oder im Rahmen von Selektionen aus
dem Lager abtransportiert wurden, wird in anderem Zusammenhang gewürdigt
werden.
3. Der
Arbeitseinsatz der Häftlinge im Lager Jaworzno (zu B III 3)
Beide Angeklagten
und alle Zeugen, die als Häftlinge oder Angehörige der SS. in Jaworzno
waren, haben übereinstimmend bekundet, daß mit Ausnahme der kranken
Häftlinge alle anderen zur Arbeit im Lager oder außerhalb des Lagers an
verschiedenen Arbeitsstellen eingesetzt wurden.
Der Zeuge Dr. Novy
hat in seinem bereits mehrfach erwähnten Buch „Rückkehr unerwünscht“
berichtet, im Lager selbst seien etwa 500 Häftlinge ständig im Einsatz
gewesen. Der Zeuge Zewski hat in seiner Aussage in der Hauptverhandlung
diese
- 105 -
Zahl auf 200 bis
300 Häftlinge beziffert. Neben den Funktionshäftlingen, auf die unter Ziffer
5 gesondert eingegangen wird, waren zum Beispiel der Zeuge Glaser als
Lagermaler, der Zeuge Kalischmann als Dachdecker, der Zeuge Dr. Braun als
Elektriker und die Zeugen Nitenberg und Burdowski als Friseure tätig.
Daß beim Bau des
Kraftwerkes Wilhelm teilweise 1.700 bis 1.800 Häftlinge eingesetzt waren,
ergibt sich wiederum aus dem Buch von Dr. Novy, der darin von 1.700 an
dieser Baustelle eingesetzten Häftlingen spricht, und der Aussage des Zeugen
Franz Kafka. Letzterer war nach seinen glaubhaften Bekundungen in der
Hauptverhandlung als Schreiber dieses Kommandos tätig, er spricht von 1.800
bin 2.000 Häftlingen bei diesem Außenkommando
Hinsichtlich den
Arbeitseinsatzes von Häftlingen in der sogenannten Dachsgrube beruhen die
Feststellungen der Kammer wiederum auf den Ausführungen von Dr. Novy sowie
auf den Aussagen der Zeugen, die während ihres gesamten Aufenthaltes in
Jaworzno oder zumindest zeitweise in dieser Grube gearbeitet haben
Dr. Novy schreibt
hierzu, die ersten Häftlinge seien am 17.7. 1943 in dieser Grube eingesetzt
worden, und zwar in 3 Schichten mit einer täglichen Arbeitszeit von 6.00 bin
14.00 Uhr, 14.00 bis 22.00 Uhr und von 22.00 bis 6.00 Uhr. Alle 14 Tage habe
zwischen den Angehörigen der einzelnen Schichten ein Wechsel stattgefunden.
Diese
Arbeitszeiten und der regelmäßige Schichtwechsel in der Dachsgrube sind von
den meisten Häftlingen, die nach ihrer Aussage dort gearbeitet haben,
bestätigt worden.
In dieser Grube
waren nach ihren Bekundungen in der Hauptverhandlung die Zeugen Lipa Dinur,
Mosche Jachimowicz, Krawicki, Ben David, Paluch, Schwarzbart und Pachlin
beschäftigt.
- 106 -
Der regelmäßige
Schichtwechsel in dieser Grube ist von den Zeugen Dinur, Mosche Jachimowicz,
Krawicki, Schwarzbart und Pachlin bestätigt worden. Aufgrund der Aussagen
dieser Zeugen steht auch fest, daß es für die Häftlinge in dieser Grube
keinen Förderkorb gegeben hat, sondern daß sie ihren Arbeitsplatz durch
einen schräg nach unten verlaufenden Stollen erreicht haben.
Eine weitere
Grube, in der Häftlinge eingesetzt wurden, war die sogenannte Rudolfsgrube.
Auch hinsichtlich dieser Grube steht aufgrund des Ergebnisses der
Hauptverhandlung fest, daß die Häftlinge in drei Schichten rund um die Uhr
arbeiten mußten. Weiter steht aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme
fest, daß ein in dieser Grube im Gegensatz zur Dachsgrube keinen
regelmäßigen Schichtwechsel gab. Neben Dr. Novy in seinem Buch haben dies
fast alle Zeugen, die in der Rudolfsgrube eingesetzt waren, in ihren
Aussagen bestätigt.
Auf den Inhalt der
einzelnen Zeugenaussagen wird bei der Beweiswürdigung zu dem Anklagepunkt I
1 (Erschießung eines Häftlings der Rudolfsgrube Nachtschicht durch den
Angeklagten Olejak) näher eingegangen werden.
Daß Häftling außer
in der Rudolfsgrube und Dachsgrube auch in den Gruben Leopold, Richard und
Friedrich-August eingesetzt waren, ergibt sich aus den Aussagen der in
diesen Gruben eingesetzten Häftlinge.
Der Zeuge
Lopaczewski hat glaubhaft bekundet, er habe etwa einen Monat in der
Leopoldgrube gearbeitet.
Der Zeuge
Zimmermann hat ausgesagt, er sei in der Richardgrube eingesetzt worden, wo
ein neuer Schacht gebaut worden sei. Auch der Zeuge Mieczyslaw Baran hat
bekundet, er habe etwa 3 Monate lang in dieser Grube gearbeitet.
Schließlich haben
die Zeugen Salz, Glück, Ganz, Kestenbaum und Zurkowski ausgesagt, sie hätten
während ihres Aufenthaltes
- 107 -
in Jaworzno in der
Friedrich-August-Grube gearbeitet.
Das Bestehen eines
Ziegeleikommandos wurde von dem Zeugen Abraham Korn bestätigt, der nach
seiner Aussage in der Hauptverhandlung bei diesem Kommando gearbeitet hat.
Die zeugen
Preisler und Lopaczewski haben schließlich ausgesagt, sie seien bei einem
Kommando gewesen, das in der Nähe der Lager Geleise verlegt habe.
4. Die Verwaltung
des Lagers Jaworzno durch die Angehörigen der Lagerkommandantur (zu B III
4):
Die Feststellungen
der Kammer in diesem Punkt beruhen in erster Linie auf den Einlassungen der
beiden Angeklagten Olejak und Pansegrau, die auch von den meisten Zeugen,
die sich an Namen von den im Lager tätigen SS.Leuten erinnern konnten,
bestätigt wurden.
Übereinstimmend
haben die beiden Angeklagten und diese Zeugen bekundet, daß während der
gesamten Zeit des Bestehens des Lagers Jaworzno der SS.Mann Bruno Pfütze
Lagerführer in Jaworzno war. Pfütze hatte zunächst den Rang eines
SS.Untersturmführers inne, mit Wirkung vom 9.11.1944 wurde er zum
SS.Obersturmführer befördert. Dies ergibt sich aus Ziffer 1 des
Kommandanturbefehls Nr. 11/44 der Kommandantur des K.L.Auschwitz III.
der in der
Hauptverhandlung verlesen wurde. Daß Pfütze im Zivilberuf Maler und
Lackierer war, haben die Zeugen Glazer, der selbst als Maler im Lager
Jaworzno eingesetzt war, und Kafka glaubhaft bekundet. Mehrere Zeugen haben
auch ausgesagt, daß Pfütze in Jaworzno Pferde gehabt habe. Hier sei
insbesondere auf die Aussagen der Zeugen Pernat, Lerer, Grol, Lopaczewski
und Dr. Heller verwiesen.
Der Zeuge
Hirschkorn hat glaubhaft bekundet, er selbst habe das 2. Pferd, das sich der
Lagerführer angeschafft habe, zugeritten. Die Feststel1ungen der Kammer
schließlich, daß
- 108 -
Pfütze in der
Stadt Jaworzno eine Wohnung hatte, ergeben sich aus der Aussage des Zeugen
Pasikowski. Dieser hat glaubhaft bekundet, er sei dem Lagerführer Pfütze
zeitweise zu persönlichen Dienstleistungen zugeteilt gewesen und er habe
auch in der Wohnung und im Garten des Lagerführer gearbeitet.
Auch der Zeuge Dr.
Novy hat sich in dem bereits mehrfach erwähnten Buch „Rückkehr unerwünscht“
ausführlich mit der Person des Lagerführers Bruno Pfütze befaßt. Er
beschreibt ihn als ehemaligen Lackierer, der zum Zeitpunkt seiner Tätigkeit
als Lagerführer in Jaworzno wie cm Fürst gelebt habe. Er sei Offizier im
Range eines Obersturmführers gewesen, habe in Jaworzno eine schöne Villa mit
Garten gehabt, wo Häftlinge unentgeltlich für ihn gearbeitet hätten. Er habe
ein Motorrad sowie Pferde zur Verfügung gehabt.
Diese Beschreibung
des Lagerführers durch den Zeugen Dr. Novy ist, wie ein Vergleich mit dem
übrigen Ergebnis der Beweisaufnahme beweist, in allen Punkten richtig.
Der derzeitige
Aufenthalt des ehemaligen Lagerführers Pfütze
konnte nicht
ermittelt werden. Nach der Aussage des Zeugen Pasikowski soll Pfütze 1945 in
Oslo ums Leben gekommen sein.
Die Feststellung
über die Person und Tätigkeit des Rapportführers im Lager Jaworzno beruhen
im wesentlichen auf den Einlassungen der Angeklagten Olejak und Pansegrau.
Auf die Frage, wer nach dem Angeklagten Olejak Rapportführer in Jaworzno
war, wird in einem gesonderten Punkt der Beweiswürdigung eingegangen werden.
Neben dem
Lagerführer und dem Rapportführer gehörten noch die sogenannten Blockführer
der Lagerkommandantur an. Diese wurden daneben auch als sogenannte
Kommandoführer eingesetzt. Auch insoweit beruhen die Feststellungen der
Kammer über Aufgaben und Tätigkeiten der Blockführer im wesentlichen auf den
Einlassungen der beiden Angeklagten.
- 109 -
Beide Angeklagten
sowie die Mehrzahl der Zeugen, die sich Überhaupt an die Namen von
Kommandanturangehörigen erinnern konnten, haben bekundet, daß einer der
Blockführer in Jaworzno der SS.Mann Paul Kraus war, wobei allerdings nur
wenige Häftlinge den Vornamen wußten, Diese Zeugen erinnerten sich in der
Mehrzahl auch daran, daß diesem SS.Mann an einer Hand mehrere Finger
fehlten. Hierzu ist zu bemerken, daß sich aus. einem in der Hauptverhandlung
teilweise verlesenen ärztlichen Untersuchungsbogen aus dem Jahre 1935
ergibt, daß Kraus schon zu diesem Zeitpunkt durch einen Unfall mit einer
Exzenterpresse den 2., 3. und 4. Finger der linken Hand sowie das Endglied
des 5. Fingers an dieser Hand verloren hatte.
Die Mehrzahl der
Zeugen, die sich an diesen SS.Mann erinnert haben, hat ausgesagt, er habe
wegen dieser Verletzung bei den Häftlingen die Spitznamen Lapka, Raunschka
oder Bradznizka, was Pfote bzw. Pratze bedeutet habe, gehabt. Schließlich
haben fast alle Zeugen, die sich an die Person dieses SS.Mannes mit den
fehlenden Fingern erinnert haben, bekundet, daß er einen oder zwei
Schäferhunde gehabt habe, die er auch mit in das Lager genommen habe.
Daß Kraus
Blockführer in Jaworzno war, wegen einer Verletzung an einer Hand die
genannten Spitznamen sowie einen oder mehrere Hunde hatte, haben unter
anderem die Zeugen Mosche Jachiwowicz, Glapinski, Pasikowski, Sicinski,
Kafka, Smigielski, Salz, Hirschkorn und Swift bestätigt.
Auf die Frage, wie
lange Kraus in Jaworzno war, wird in anderem Zusammenhang noch näher
eingegangen werden.
Der in der
Hauptverhandlung vernommene Zeuge Ernst König hat selbst glaubhaft bekundet,
daß er bis zu einem Selbstmordversuch im Frühjahr 1944 Blockführer und
Kommandoführer in Jaworzno war. An ihn als Blockführer haben sich nur die
- 110 -
Zeugen Zimmermann
und Smigielski erinnert.
Sowohl der
Angeklagte Pansegrau als auch die Mehrzahl der in der Hauptverhandlung
vernommenen Zeugen, die sich noch an Namen von SS.Leuten erinnern konnten,
haben bekundet, daß ein SS.Mann namens Lausmann und einer namens Markewicz
die Funktion eines Blockführers und Kommandoführers inne gehabt haben.
Hinsichtlich dieser beiden SS.Leute, deren genaue Namen, insbesondere
Vornamen nicht ermittelt werden konnten, konnte aufgrund des Ergebnisses der
Hauptverhandlung nur festgestellt werden, daß sie in Jaworzno waren.
Zur Person des
SS.Mannes Lausmann haben mehrere Zeugen, nämlich Grol, Herstik, Dr. Braun
und Herschkowicz bekundet, er habe Goldzähne gehabt. Dies hat auch der
Angeklagte Pansegrau im Rahmen seiner Einlassung erwähnt. Mehrere Zeugen,
darunter der Zeuge Glück, haben ausgesagt, Lausmann habe aus Rumänien
gestammt und jiddisch gesprochen. Ob dies tatsächlich zutraf, konnte nicht
sicher festgestellt werden.
Ebenso wenig
konnte sicher geklärt werden, ob das in der Hauptverhandlung vom 13.11.1979
ans den Ermittlungsakten 1 Ja 75/73 der Staatsanwaltschaft Würzburg zu den
Akten genommene Lichtbild, das einen SS.Mann namens Franz Lausmann
darstellt, den im Lager Jaworzno eingesetzten SS.Mann Lausmann zeigt. Keiner
der beiden Angeklagten und die nach diesem Zeitpunkt vernommenen Zeugen
konnten zu diesem Bild sichere Angaben machen.
Auch hinsichtlich
des SS.Mannes Markewicz haben mehrere Zeugen, darunter die Zeugen Pasikowski
und Smigielski ausgesagt, er habe aus Rumänien gestammt. Ob dies richtig
ist, konnte nicht geklärt werden.
Eine längere Zeit
war auch der SS.Mann Otto Hablesreiter, der zwischenzeitlich verstorben ist,
als Blockführer und Kommandoführer in Jaworzno eingesetzt.
- 111 -
Dieser wurde von
den meisten Zeugen, die sich an ihn erinnert haben, als großer, schwerer und
schon älterer Mann beschrieben, wobei jedoch den wenigsten dieser Zeugen der
Name bekannt oder noch in Erinnerung war. Insoweit wird insbesondere auf die
Aussagen der Zeugen Zejer und Pasikowski hingewiesen.
Von einem weiteren
SS.Mann, der als Blockführer in Jaworzno eingesetzt war, konnte nur
festgestellt werden, daß er bis etwa Frühjahr 1944 dort war und daß er ein
Dienstmädchen des Lagerführers Pfütze erschossen hat. Daß ein Angehöriger
der Lagerkommandantur ein Dienstmädchen des Lagerführers erschossen hat,
haben die Zeugen Pasikowski und Weis, der als Angehöriger der Wachmannschaft
frühestens im April 1944 nach Jaworzno gekommen ist, sowie der Angeklagte
Pansegrau glaubhaft berichtet. Auf die Aussage und die Person des Zeugen
Weis wird später noch näher eingegangen werden.
Der Name dieses
SS.Mannes konnte nicht sicher festgestellt werden. Während der Angeklagte
Pansegrau meinte, er habe Bischof geheißen, hat der Zeuge Pasikowski
ausgesagt, sein Name sei Miller gewesen. Welche der beiden Aussagen
hinsichtlich des Namens richtig ist, konnte nicht geklärt werden. Der Zeuge
Weis konnte zur Person des Täters nur angeben, dieser habe seiner Erinnerung
nach ans Kroatien gestammt.
Schließlich war
auch der Angeklagte Pansegrau während der meisten Zeit des Bestehens des
Lagers Jaworzno in diesem als Blockführer und zeitweilig auch als
Kommandoführer eingesetzt.
Dies steht schon
aufgrund der Einlassung des Angeklagten Pansegrau fest. Aufgrund der
Einlassung des Angeklagten Pansegrau in Verbindung mit den Aussagen seiner
Ehefrau Irmgard Pansegrau und der Aussage des Zeugen Zitzmann, sieht es die
Kammer als erwiesen an, daß der Angeklagte Pansegrau am Tag nach Ostern 1944
verhaftet und aus dem Lager Jaworzno weggebracht wurde. Grund für diese
Verhaftung war nach den
- 112 -
insoweit
glaubhaften Einlassungen des Angeklagten Pansegrau, daß er an den
Osterfeiertagen des Jahres 1944 mit dem Zeugen Zitzmann eine
Auseinandersetzung gehabt hatte, in deren Verlauf Zitzmann von einer Kugel
aus der Pistole des Angeklagten Pansegrau in das linke Bein getroffen wurde.
Frau Pansegrau und der Zeuge Zitzmann, der damals Spieß der Wachkompanie in
Jaworzno war, haben in ihren Aussagen im wesentlichen den Grund und den
Ablauf der Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten Pansegrau und
Zitzmann so geschildert, wie es der Angeklagte im Rahmen seiner Einlassung
getan hat.
Frau Pansegrau hat
weiter ausgesagt, ihr. Ehemann sei aufgrund dieses Vorfalles alsbald
verhaftet und aus Jaworzno weggebracht worden. Die Kammer hat keinen Zweifel
daran, daß die Aussage der Zeugin Pansegrau in diesem Punkt richtig ist,
obwohl sich praktisch kein anderer Zeuge an eine längere Abwesenheit des
Angeklagten Pansegrau vom Lager Jaworzno erinnert hat.
Auf die Frage, wie
lange der Angeklagte Pansegrau nicht in Jaworzno war, wird bei der Prüfung
der dem Angeklagten zur Last liegenden Einzelfälle näher eingegangen werden.
In der Zeit, als
der Angeklagte Pansegrau nicht in Jaworzno war, kam für ihn der SS.Mann
Bräutigam als Blockführer nach Jaworzno. Dies sieht die Kammer aufgrund der
Einlassung des Angeklagten Pansegrau in Verbindung mit der Aussage des
Zeugen Zejer als erwiesen an. Der Zeuge Zejer hat insoweit glaubhaft
bekundet, in Jaworzno habe es einen Rottenführer Bräutigam als Blockführer
gegeben.
Die Kammer geht
auch davon aus, daß es in Jaworzno einen jungen, blonden SS.Mann gegeben
hat, der vom Aussehen her eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Angeklagten
Pansegrau hatte. Von einem solchen SS.Mann haben die Zeugen Weltfreid,
Mosche Jachimowicz und Lerer in ihren Aussagen berichtet. Möglicherweise
handelt es sich bei diesem um den SS.Mann Bräutigam,
- 113 -
da ihn der
Angeklagte Pansegrau als Jungen, blonden Mann beschrieben hat.
Die Feststellungen
der Kammer über die SS.Leute Alfred Fischer und Hoffmann beruhen in erster
Linie auf den Aussagen des Zeugen Zewski, der selbst die meiste Zeit über in
der Häftlingsküche beschäftigt war und der diese Namen im Rahmen seiner
Aussage angegeben hat. Auch der Angeklagte Pansegrau hat im Rahmen seiner
Einlassung ausgesagt, für die Häftlingsküche sei der SS.Mann Alfred Fischer
verantwortlich gewesen, mit dem er privat sehr gut bekannt gewesen sei. Der
Zeuge Smigielski hat glaubhaft bekundet, für die Bekleidungskammer seien die
SS.Leute Lechner und Kaufmann zuständig gewesen.
Daß der Leiter der
politischen Abteilung des Lagers Jaworzno Felix Witowski geheißen hat,
ergibt sowohl aus den Einlassungen der Angeklagten als auch aus mehreren
Zeugenaussagen. Im Rahmen dieser Ausführungen sei hier nur auf die Aussage
des Zeuge Sicinski verwiesen. Dieser hat ausgesagt, er habe gelegentlich für
den Leiter der politischen Abteilung namens Witowski als Schreiber fungiert.
Soweit Dr. Novy in
seinem Buch davon spricht, ein SS.Mann namens Willers sei ebenfalls
zumindest zeitweise Angehöriger der politischen Abteilung des Lagers
Jaworzno gewesen, sieht die Kammer diese Angabe als richtig an. Denn
aufgrund eines Schreibens der Kommandantur des Konzentrationslagers
Auschwitz vom 15.11.1944, das der Kammer vorn Bundesarchiv in Koblenz zur
Verfügung gestellt und das in der Hauptverhandlung teilweise verlesen wurde,
steht fest, daß der SS.Unterscharführer Willers in Jaworzno für die
Behandlung von Fluchtsachen zuständig war. Die Behandlung solcher
Angelegenheiten war aber, wie der Angeklagte Olejak glaubhaft versichert
hat, in erster Linie Sache der politischen Abteilung des Lagers.
Die Feststellungen
der Kammer zur Funktion des SDG und zu den Personen, die diese Stellung im
Laufe des Bestehens des
- 114 -
Lagers Jaworzno
inne hatten, beruhen in erster Linie auf den Ausführungen des Zeugen Dr.
Novy in seinem Buch „Rückkehr unerwünscht“ und auf der in der
Hauptverhandlung verlesenen Aussage des Zeugen Dr. Paul Heller vor dem
Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Chicago.
Dr. Novy hat in
seinem Buch ausgeführt, der Jeweilige SDG. des Lagers Jaworzno habe nicht
dem Lagerführer des Lagers Jaworzno, sondern direkt dem Standortarzt den
Hauptlagers Auschwitz unterstanden. Dies ist von dem Zeugen Dr. Heller, der
selbst der verantwortliche Häftlingsarzt in Jaworzno war, bestätigt worden.
Auch der Angeklagte Olejak hat dies im Rahmen seiner Einlassung ausgesagt.
Als SDG des Lagers
Jaworzno hat Dr. Novy in dieser zeitlichen Reihenfolge den SS.Rottenführer
Kalfuß, den SS.Unterscharführer Arno Frank und den SS.Unterscharführer Emil
Hantl genannt. Der Zeuge Emil Hantl hat, wie bereits erwähnt, selbst
ausgesagt, er sei im Rang eines Unterscharführers der letzte SDG den Lagers
Jaworzno gewesen.
Der Zeuge Dr.
Heller hat sich bei seiner Vernehmung zunächst namentlich nur an den Zeugen
Hantl als SDG des Lagers Jaworzno erinnert. Nach Vorhalt der Namen Kalfuß
und Frank aus dem Buch des Zeugen Dr. Novy erklärte Dr. Heller dann, daß
diese Namen richtig seien und er sich jetzt an die SS.Leute Kalfuß und Frank
als SDG des Lagers Jaworzno erinnere. Der Zeuge Dr. Heller hat auch
bestätigt, daß der SDG Kalfuß, wie Dr. Novy schreibt, oft betrunken gewesen
sei.
5. Die
Selbstverwaltung des Lagers Jaworzno durch die Häftlinge (zu B III 5):
Sowohl die beiden
Angeklagten im Rahmen ihrer Einlassungen als auch praktisch alle Zeugen
haben bestätigt, daß es im Lager Jaworzno eine Häftlingsselbstverwaltung
gegeben hat,
- 115 -
die den inneren
Ablauf des Lagerlebens im wesentlichen selbst bestimmt hat.
Hierzu konnten in
erster Linie die Zeugen nähere Angaben machen, die im Rahmen dieser
Häftlingsverwaltung selbst eine mehr oder weniger bedeutende Funktion inne
hatten. Dazu zählten die Zeugen Zejer, Smigielski, Zewski, Dr. Novy, Dr.
Heller, Bulaty und Wiktor Pasikowski.
Die Zeugen Zejer,
Smigielski, Pasikowski und Sicinski haben übereinstimmend bekundet, daß an
der Spitze der Häftlingsverwaltung der jeweilige Lagerälteste gestanden habe
und daß diese Funktion zunächst von dem Häftling Bruno Brodniewicz, der die
Häftlingsnummer 1 gehabt habe, und dann von Kurt Pennowitz eingenommen
worden sei. Auch die Zeugen Dr. Heller und Bulaty haben ausgesagt, daß es in
Jaworzno 2 Lagerälteste nacheinander gegeben habe, wobei sich Dr. Heller
noch an den Namen Bruno Brodniewicz als den des 1. Lagerältesten erinnert
hat.
Auch Dr. Novy hat
sich in seinem schon wiederholt erwähnten Buch ausführlich mit der Person
und der Funktion des jeweiligen Lagerältesten im Lager Jaworzno befaßt. Als
1. Lagerältester habe der Berufsverbrecher Bruno Brodniewicz mit der
Häftlingsnummer 1 fungiert, der aus Posen gestammt habe. Dieser habe dann
ganze Lager terrorisiert und oft Häftlinge auf das schlimmste geschlagen.
Bruno Brodniewicz
sei im April 1944 von dem aus Leipzig stammenden reichsdeutschen Häftling
Kurt Pennowitz abgelöst worden. Dieser sei öfters von dem mit ihm
befreundeten SS. Unterscharführer Paul Kraus aus dem Lager mitgenommen
worden und habe nachts auch bei Frauen außerhalb des Lagere in der Stadt
Jaworzno geschlafen. In der Nacht des 23. Dezember 1944 habe er bei einem
Bummel durch Jaworzno seinen Begleiter Kraus verlassen und sei spurlos
verschwunden. Für Kraus habe diese Flucht des Lagerältesten die
Strafversetzung in ein anderes Lager zur Folge gehabt.
- 116 -
Daß der 2.
Lagerälteste des Lagers Jaworzno geflohen ist, haben auch mehrere andere
Zeugen bekundet.
Der Zeuge Wolf
Swift, dessen Aussage vor dem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland
in Sydney in der Hauptverhandlung verlesen wurde, hat ausgesagt, neben
seiner Arbeit in der Grube habe er auch für die beiden Lagerältesten des
Lagers gearbeitet. Der 1. Lagerälteste habe die Nummer 1 gehabt und mit
Vornamen Bruno geheißen. Der 2. habe mit Vornamen Kurt geheißen. Er sei mit
einem SS.Mann namens Kraus besonders befreundet gewesen. Diesem hätten an
einer Hand 2 Finger gefehlt, weshalb er von den Häftlingen den Spitznamen
Ronschka oder Lapka erhalten habe. Durch seine eigene Tätigkeit bei dem
Lagerältesten Kurt habe er diesen SS.Mann besonders kennengelernt.
Der SS.Mann Kraus
habe den Lagerältesten Kurt öfters mit aus dem Lager genommen und bei Frauen
in Jaworzno gelassen. Eines Tages sei der Lagerälteste Kurt nicht zur
gewohnten Zeit zurückgekommen. Er selbst sei von dem Lagerführer gefragt
worden, ob er wisse, wo der Lagerälteste Kurt sei. Dabei sei er auch
geschlagen worden.
Der Zeuge Josef
Weis hat ausgesagt, er sei im Jahre 1944 als Oberscharführer zur
Wachmannschaft des Lagers Jaworzno gekommen, wo er nach dem Lager- und
Kompanieführer Pfütze ranghöchste SS.Mann gewesen sei. Von den SS.Leuten
habe er unter anderem den Unterscharführer Kraus gekannt, der Blockführer im
Lager gewesen sei.
Kurz vor
Weihnachten 1944 sei von den SS.Leuten im Speiseraum der Unterkunft am
gemütlicher Abend abgehalten worden. Während dieser Feier habe der
Unterscharführer Kraus aus der Stadt Jaworzno angerufen und mit dem
Kompaniechef gesprochen. Dabei habe sich ergeben, daß Kraus den
Lagerältesten mit nach Jaworzno genommen habe. Diese Gelegenheit habe der
Lagerälteste zur Flucht genutzt. Pfütze habe ihn selbst noch gefragt, ob er
dem SS.Mann Kraus die Erlaubnis erteilt
- 117 -
habe, den
Lagerältesten aus dem Lager mitzunehmen. Kraus habe dies nicht ohne
Erlaubnis eines Vorgesetzten tun dürfen.
Ein Vergleich der
Aussagen dieser beiden Zeugen, die durch die Flucht des Lagerältesten Kurt
Pennowitz unmittelbar betroffen wurden, ergibt, daß die Ausführungen von Dr.
Novy über den Zeitpunkt und die Umstände der Flucht des 2. Lagerältesten in
vollem Umfang als richtig anzusehen sind.
Die Verwaltung
eines Blocks durch den Blockältesten, Stubenältesten und Blockschreiber
haben praktisch alle Zeugen , die sich noch an das Lager erinnern konnten,
sowie auch die beiden Angeklagten bestätigt. Von den im Rahmen der
Hauptverhandlung vernommenen Zeugen hatten nach ihren eigenen Angaben die
Zeugen Zewski und Bulaty zeitweilig die Funktion eines Blockältesten inne.
Die Zeugen Zejer,
Smigielski und Sicinski haben übereinstimmend bekundet, daß die Funktion des
Arbeitsdienstschreibers der polnische Häftling Theo Piskon inne gehabt habe.
seine Aufgabe sei es gewesen, die Häftling zu den einzelnen Arbeitskommandos
zuzuteilen. Der Zeuge Zejer hat weiter ausgesagt, ein Häftling namens
Gruenhut sei Gehilfe des Arbeitsdienstschreibers Piskon gewesen.
Soweit die Kammer
in diesem Teil ihrer Feststellungen die Tätigkeiten des Zeugen Zejer als
Rapportschreiber, des Zeugen Sicinski als Rapportschreiber, Gehilfe des
Rapportschreibers und Verwalter der Häftlingskantine, des Zeugen Smigielski
als Chef der Häftlingsbekleidungskammer und des Zeugen Zewski als des
zeitweilig Verantwortlichen für die Häftlingsküche erwähnt hat, beruhen
diese Feststellungen auf den Aussagen dieser Zeugen. Dies gilt auch für die
Art der Tätigkeit des Zeugen Pasikowski.
- 118 -
Die Feststellungen
der Kammer hinsichtlich der Häftlingsselbstverwaltung im HKB beruhen in
erster Linie auf den Ausführungen des Zeugen Dr. Novy in seinem Buch sowie
der Aussage des Zeugen Dr. Heller.
Dr. Novy hat
hierzu ausgeführt, an der Spitze des Krankenbaus habe auf der Häftlingsseite
der politische österreichische Häftling Sepp Luger gestanden. Nach der
Versetzung von Luger sei der Häftlingsarzt Pawel neuer Lagerältester des HKB
geworden.
Diese Ausführungen
sind in vollem Umfang von Dr. Heller bestätigt worden. insbesondere hat Dr.
Heller ausgesagt, er selbst sei nach der Versetzung von Luger Lagerältester
des HKB geworden.
Auch der Zeuge
Schwarzbart, der nach seiner Aussage wegen eines Unfalls am 1.10.1944 in den
HKB eingeliefert worden ist, hat ausgesagt, auf seiten der Häftlinge sei
zunächst der Häftling Sepp Luger der verantwortliche Mann gewesen. dieser
sei im Dezember 1944 aus dem Lager Jaworzno versetzt worden.
6. Die Bewachung
der Häftlinge (zu B III 6):
Insoweit beruhen
die Feststellungen der Kammer in erster Linie auf den Einlassungen des
Angeklagten Olejak und der Aussagen der Zeugen, die selbst zur
Bewachungsmannschaft des Lagers gehört haben. Dies sind die Zeugen Albert
Zitzmann, Josef Weis, Anton Oder und Philipp Desch.
Der Angeklagte
Olejak hat sich dahingehend eingelassen, Führer der Wachkompanie sei
zunächst der SS.Obersturmführer Brossmann gewesen, der mit ihm zusammen im
Frühjahr 1944 nach Blechhammer versetzt worden sei. Daß Brossmann zunächst
Chef der Wachkompanie war, wurde auch von den Zeugen Zitzmann, Oder und
Desch bestätigt.
- 119 -
Der Zeuge Zitzmann
hat weiter ausgesagt, er sei bin zu seiner Auseinandersetzung mit dem
Angeklagten Pansegrau, die um Ostern 1944 gewesen sei, Spieß der
Wachkompanie gewesen. Sein Nachfolger sei ein SS.Mann namens Fritz Lorenz
geworden.
Letzteres ergibt
sich auch aus dem teilweise in der Hauptverhandlung verlesenen
Kommandantursonderbefehl des K.L. Auschwitz III vom 22.5.1944, in dem als
Stabsscharführer in der für die Bewachung den Lagers Jaworzno zuständigen
Kompanie der SS. Oberscharführer Lorenz erwähnt ist.
Möglicherweise
übte dieser SS.Mann Lorenz daneben noch eine weitere Funktion im Rahmen der
Verwaltung oder Bewachung des Lagers Jaworzno aus. Dafür sprechen die
Aussagen der Zeugen Charlupski, Kafka, Kowalczyk und Glück, die ausgesagt
haben, ein SS.Mann namens Lorenz sei zeitweilig als Kommandoführer oder
Postenführer bei Außenkommandos tätig gewesen. Auch der Zeuge Herstik hat
bekundet, ein SS.Mann namens Lorenz, der Kommandant der Wache gewesen sei,
sei zeitweilig am Kraftwerk tätig gewesen.
Aus dem oben
erwähnten Sonderbefehl ergibt sich weiter, daß Pfütze ab diesem Zeitpunkt
neben seiner Funktion als Lagerführer auch die Führung der Wachkompanie
übernommen hat. Der bereits erwähnte Zeuge Josef Weis hat hierzu ausgesagt,
bei seiner Ankunft in Jaworzno sei Pfütze bereits Lager und Kompanieführer
gewesen.
Hinsichtlich der
Art der Bewachung des Lagers und der außerhalb des Lagers eingesetzten
Häftlingskommandos folgt die Kammer in vollem Umfang der Einlassung des
Angeklagten Olejak, die auch von dem Zeugen Zitzmann bestätigt wurde, soweit
sie seinen eigenen Aufgabenbereich betraf.
Der Angeklagte
Olejak hat insoweit bekundet, zur Bewachung den Lagers habe es eine große
und kleine Postenkette gegeben. Es sei Aufgabe des Rapportführers gewesen,
die Blockführer als Kommandoführer einzuteilen und der Schreibstube der
Wachkompanie
- 120 -
mitzuteilen,
wieviele Häftlingskommandos zu bewachen seien. die Einteilung der
Wachmannschaften sei dann Aufgabe dieser Schreibstube gewesen. Letzteres hat
der Zeuge Zitzmann auch bestätigt.
Die Zeugen
Zitzmann und Weiss haben auch ausgesagt, daß es den Angehörigen der
Wachmannschaft grundsätzlich nicht erlaubt gewesen sei, das Lager zu
betreten.
Daß es den
Angehörigen der Wachmannschaft und der Lagerkommandantur verboten war,
Häftlinge außerhalb von Fluchtversuchen zu erschießen oder auch nur zu
mißhandeln, ergibt sich ebenfalls aus der Aussage des Zeugen Zitzmann.
dieser hat bekundet, es habe zu seinem Aufgabenbereich gehört, die
Angehörigen der Wachkompanie entsprechend zu belehren.
Auch beide
Angeklagten haben in ihrer Einlassung vorgebracht, daß das Mißhandeln oder
gar Töten von Häftlingen für die Angehörigen der SS. verboten gewesen sei.
7. Die Behandlung
der Häftlinge im Lager Jaworzno (zu B III 7):
Daß im Lager
Jaworzno bei der Behandlung von Häftlingen zwischen den jüdischen
Häftlingen, die den weitaus überwiegenden Teil stellten und den
nichtjüdischen Häftlingen ein Unterschied gemacht wurde, ergibt sich schon
daraus, daß, wie ausgeführt, die wichtigen Häftlingsfunktionen mit ganz
wenigen Ausnahmen in den Händen von nichtjüdischen Häftlingen waren.
Mehrere Zeugen,
die aufgrund ihrer Stellung im Lager die Behandlung der Häftlinge beobachten
konnten, haben auch eine wesentlich schlechtere Behandlung der jüdischen
Häftlinge bestätigt.
So hat der Zeuge
Dr. Heller ausgesagt, die Juden seien die letzten Proletarier im Lager
gewesen.
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Der Zeuge Antoni
Sicinski, selbst ein polnischer politischer Häftling, hat dazu erklärt, die
jüdischen Häftlinge seien zum Beispiel bei einem Verstoß gegen die
Lagerordnung wesentlich härter und schwerer bestraft worden als ein
nichtjüdischer Häftling. Ein weiterer erheblicher Vorteil für diese
Häftlinge sei es gewesen, daß es den nichtjüdischen Häftlingen erlaubt
gewesen sei, Lebensmittelpakete von ihren Angehörigen zu empfangen.
Der Zeuge Kafka,
selbst ein jüdischer Häftling und einer der wenigen Juden, der als Schreiber
des Kraftwerkkommandos einen Posten hatte, bei dem er nicht körperlich
arbeiten mußte, hat ausgesagt, die Juden seien strenger behandelt worden,
als zum Beispiel die polnischen Häftlinge. Letztere seien von den SS. Leuten
nicht geschlagen worden.
Im gleichen Sinn
hat sich auch der Zeuge Glapinski, ein polnischer nichtjüdischer Häftling,
geäußert. Den Juden sei es am schlimmsten ergangen im Lager, die Polen seien
wesentlich besser behandelt worden. Der Zeuge Glapinski hat auch bestätigt
daß ihm seine Freunde im Lager einen Posten als Stubendienst verschaffen
konnten, als er krank geworden sei.
Auch der Zeuge
Zewski, selbst ein polnischer politischer Häftling, hat ausgesagt, den
polnischen Häftlingen sei es im Lager wesentlich besser ergangen als den
jüdischen Häftlingen.
In diesem
Zusammenhang ist auch die Aussage des Zeugen Karel Bulaty, eines
tschechischen politischen Häftlings, zu erwähnen. Dieser war nach seiner in
der Hauptverhandlung gemachten Aussage Blockältester in dem Block, aus dem
im Jahre 1943 ein Ausbruchsversuch unternommen wurde. Mit Hilfe seines
Mithäftlings und Landsmannes Dr. Novy gelang en ihm, sich der Verhaftung zu
entziehen und einen Posten als Schreiber in einem Block zu erhalten.
Daß das schlagen
von jüdischen Häftlingen in Jaworzno durch Kapos, Vorarbeiter und andere
Funktionshäftlinge und auch durch
- 122 -
Angehörige der
SS.Lagerkommandantur an der Tagesordnung war, haben praktisch alle im Rahmen
dieses Verfahrens vernommenen Zeugen, die als Häftlinge in Jaworzno waren,
ausgesagt. Da auf diese Frage im Rahmen der Beweiswürdigung zu den den
beiden Angeklagten zur Last liegenden Einzeltaten eingegangen wird, sei hier
nur auf die Aussage des Zeuge Dr. Paul Heller und den Bericht des Zeugen Dr.
Novy verwiesen.
Der Zeuge Dr.
Heller, der als Arzt im HKB des Lagers Jaworzno tätig war, hat ausgesagt, in
dem Krankenbau seien zahlreiche Häftlinge eingeliefert worden, die Spuren
von Schlägen aufgewiesen hatten. diese Häftlinge hatten Blutergüsse, offene
Wunden, Kiefernbrüche sowie geschwollene Ohren, Augen und Genitalien gehabt.
Aus den Erzählungen dieser Häftlinge habe er erfahren, daß für diese
Verletzungen sowohl Kapos als auch SS. Leute verantwortlich gewesen seien.
Einer der viele
Häftlinge geschlagen habe, sei der SS.Mann Kraus gewesen. Das habe er selbst
öfters gesehen.
Besonders
geschlagen worden seien solche Häftlinge, die schon körperlich schwach
gewesen und deshalb aufgefallen seien. Viele dieser Häftlinge seien an den
durch die Schläge erlittenen Verletzungen gestorben.
Auch Dr. Novy
schildert, oft unter Namensangabe der Täter, meistens Kapos, daß zahlreiche
Häftlinge in Jaworzno so geprügelt und geschlagen worden seien, daß sie an
diesen Verletzungen gestorben seien.
Die Feststellungen
der Kammer zur Behandlung der Häftlinge im HKB des Lagers Jaworzno beruhen
ebenfalls in erster Linie auf der Aussage des Zeugen Dr. Heller und dem
Bericht des Zeugen Dr. Novy.
Dr. Novy hat den
Krankenbau des Lagers Jaworzno in seinem Buch ausführlich beschrieben und
dargelegt, daß dieser, besonders nach seiner endgültigen Fertigstellung und
nachdem der SDG.
- 123 -
Hantl im Amt
gewesen sei, für viele kranke und verletzen Häftlinge eine Zufluchstätte
gewesen sei. Diese Ausführungen von Dr. Novy sind von dem Zeugen Dr. Heller
voll inhaltlich bestätigt worden, nachdem sie ihm im Rahmen seiner eigenen
Vernehmung vorgehalten wurden.
Die
Hauptverhandlung hat auch den Beweis dafür erbracht, daß es im Lager
Jaworzno zu Selektionen von Häftlingen gekommen ist.
Hierzu hat der
Zeuge Dr. Heller ausgesagt, diese seien von SS. Leuten, die zu diesem Zwecks
eigens aus dem Lager Auschwitz angereist seien, durchgeführt worden. Er
schätze, daß im Rahmen dieser Maßnahmen etwa 2.000 bis 3.000 Häftlinge aus
dem Lager Jaworzno weggebracht worden seien.
Daß sich die im
HKB verantwortlichen SS.Leute und Häftlingsärzte teilweise bemüht haben,
kranke Häftlinge vor solchen Selektionen zu retten, haben die Zeugen Chensky
und Puszyk ausgesagt. Beide haben übereinstimmend erklärt, ein Teil der
kranken Häftlinge sei, bevor die SS.Kommission aus dem Hauptlager gekommen
sei, aus dem HKB entlassen worden und anschließend wieder dorthin
zurückgekehrt.
- 124 -
8. Was die
Feststellungen der Kammer zu dem geplanten Fluchtversuch von etwa 50
Häftlingen und zu der einige Wochen später erfolgten Hängung eines Teils
dieser Häftlinge im Lager Jaworzno betrifft, so hat das übrige Ergebnis der
Hauptverhandlung den Beweis dafür erbracht, daß der Bericht der Zeugen Dr.
Novy, der sich in dem bereits mehrfach erwähnten Buch aus dem Jahre 1949
ausführlich mit diesen Vorgängen befaßt hat, in vollem Umfang richtig ist.
Dr. Novy hat
hierzu, kurz zusammengefaßt, folgendes ausgeführt:
In wochenlanger
mühsamer Arbeit sei vom Block Nr. 2 aus von Häftlingen ein Schacht gegraben
worden, der bis hinter den Stacheldraht an der Außenseite des Lagers geführt
habe. Dieser Schacht habe etwas mehr als einen halben Meter im Durchmesser
gehabt. Die Durchführung der Flucht sei für die Nacht zum 19. Oktober 1943
geplant worden.
Am Nachmittag des
18. Oktober 1943 sei die Arbeit an sämtlichen Baustellen unterbrochen, alle
Häftlinge in das Lager zurückgebracht und dort ein Appell durchgeführt
worden, Nach längeren Verhören, die von SS.Leuten aus dem Lager Jaworzno mit
dem Letter der politischen Abteilung Witowski an der Spitze und von
SS.Leuten aus dem Hauptlager Auschwitz durchgeführt und bei denen die
Häftlinge schlimm geschlagen worden seien, seien insgesamt 50 polnische und
tschechische Häftlinge festgenommen, mit Draht gefesselt und mit Lastwagen
nach Auschwitz gebracht worden.
Am 6.12.1943 sei
von dem Lagerkommando der Zimmerer und Schreiner aus Pfählen und Balken ein
Galgen gebaut worden. Am Nachmittag dieses Tages hätten sich alle
Lagerinsassen um diesen Galgen versammeln müssen. Mit LKW's seien 26
Häftlinge, die Hände mit Draht am Rücken gefesselt, in das Lager gebracht
worden.
In Anwesenheit des
Auschwitzer SS.Hauptsturmführers Schwarz und aller SS.Leute aus dem Lager
Jaworzno habe der Lagerführer Pfütze an die Häftlinge eine Rede gehalten.
Wahrend dieser
- 125 -
Rede seien von
einem Teil der zum Tode verurteilten Häftlinge Parolen gerufen worden,
worauf der Lagerführer Pfütze den Befehl zum Erhängen gegeben habe.
Die Hinrichtung
der Häftlinge sei von Kapos und Blockältesten vollzogen worden. Einer der
dazu bestimmten, der deutsche Häftling Karl Mattner habe es abgelehnt, sich
an der Hinrichtung zu beteiligen. Da es sich um einen deutschen Häftling
gehandelt habe, habe diese Weigerung für ihn außer Ohrfeigen durch SS.Leute
keine weiteren Folgen gehabt. Jeder der Häftlinge, die die Hängung
durchgeführt hätten, habe zur Belohnung einen Laib Brot, einen halben
Kilowürfel Margarine und ein großes Stück Salami erhalten.
Nach Durchführung
der Exekution hätten die Häftlinge des Blockes Nr. 8 zwei Stunden in der
Hocke bleiben müssen zur Strafe dafür, daß aus der Reihe der zuschauenden
Häftlinge Parolen gerufen worden seien.
Dieser Bericht des
Zeugen Dr. Novy ist praktisch in allen Einzelheiten durch das übrige
Ergebnis der Hauptverhandlung bestätigt worden.
Der Zeuge Karel
Bulaty hat ausgesagt, er sei im Herbst 1943 Blockältester in dem
Häftlingsblock Nr. 2 gewesen. Ein polnischer Häftling, der im Lager selbst
zur Arbeit eingesetzt gewesen sei, habe ihm vorgeschlagen, von diesem Block
aus einen Tunnel unter dem Lagerzaun hindurch zu graben und so aus dem Lager
zu fliehen. Er selbst habe es abgelehnt, sich an dem Fluchtversuch zu
beteiligen. Er habe aber keinen Versuch gemacht, den Bau des Fluchttunnels
zu verhindern. Von den an der Vorbereitung des Fluchtversuchs beteiligten
Häftlingen sei in der Folgenzeit in mühseliger Arbeit ein Tunnel mit einem
Durchmesser von ca. 0,75 m vom Block 2 aus unter der Erde bis unter den
Lagerzaun hindurch gegraben worden. Am 18.10.1943 sei der Tunnel soweit
fertig gewesen, daß die Flucht in der folgenden Nacht hätte durchgeführt
werden sollen.
- 126 -
An diesem Tag sei
das ganze Unternehmen von einem Mithäftling an die SS. verraten worden.
Sämtliche Häftlinge aus Block 2, auch er selber, seien daraufhin von der SS.
verhaftet und im Block 9 vernommen worden. Während dieser Vernehmung sei er
so schwer geschlagen worden, daß er bewußtlos geworden sei. Wer ihn selbst
geschlagen habe, wisse. er heute nicht mehr.
Hierzu hat der
Angeklagte Olejak eingeräumt, ihm sei als Rapportführer von dem
Lagerältesten Bruno Brodniewicz das Fluchtvorhaben gemeldet worden und er
habe seinerseits befehlsgemäß Meldung an den Lagerführer Pfütze und an die
politische Abteilung des Lagers Jaworzno erstattet. Er habe dann selbst den
Fluchttunnel untersucht und sich auch an den Vernehmungen beteiligt. Zu
diesen Vernehmungen seien auch Leute von der politischen Abteilung des
Hauptlagers nach Jaworzno gekommen, die anschließend die festgenommenen
Häftlinge mitgenommen hätten.
Nachdem er
zunächst bestritten hatte, sich am Schlagen der verhafteten Häftlinge
beteiligt zu haben, hat er dies nach der Aussage des Zeugen Antoni Sicinski
eingeräumt. Dieser Zeuge hat ausgesagt, er habe selbst gesehen, daß neben
dem Leiter der politischen Abteilung in Jaworzno Witowski auch der
Angeklagte Olejak sich am Schlagen der Häftlinge beteiligt habe.
Der Zeuge Sicinski
hat weiter bekundet, daß die verhafteten Häftlinge zunächst in das
Hauptlager in Auschwitz gebracht worden seien.
Zu der von allen
Häftlingen so genannten „Hänge-Aktion" hat die Beweisaufnahme ergeben, das
etwa 26 der ursprünglich verhafteten Häftlinge am 6.12.1943 mit LKW nach
Jaworzno zurückgebracht wurden.
Die Zeugen
Pasikowski und Glapinski haben in der Hauptverhandlung ausgesagt, sie selbst
seien an diesem Tag beim Aufbau eines Galgens vor Block 8 eingesetzt worden.
Es seien
- 127 -
mehrere Pfosten in
die Erde gegraben und darüber eine längere Schiene befestigt worden. An
dieser Schiene seien dann die Schlingen aufgehängt und unter die Schlingen
seien Tische gestellt worden. Der Aufbau dieses Galgens sei von dem
Lagerältesten Bruno Bordnewics geleitet worden.
Praktisch alle
Häftlinge, die nach ihrer Aussage die Durchführung der Erhängung gesehen
haben, haben diese so geschildert, daß sich die in das Lager
zurückgebrachten Häftlinge auf die Tische unter den Schlingen stellen mußten
und daß ihnen dann die Schlingen um den Hals gelegt wurden. Hinter die
Tische, auf denen die Häftlinge standen, mußten sich Funktionshäftlinge aus
dem Lager Jaworzno stellen, die dazu ausgesucht worden waren. Nach der
Verlesung eines Urteils und einer Rede stießen die an den Tischen stehenden
Funktionshäftlinge auf einen Befehl hin die Tische um und führten so das
eigentliche Erhängen durch.
Während, wie
erwähnt, dieser äußere Geschehensablauf praktisch von allen Zeugen in etwa
der gleichen Weiss geschildert wurde, haben die Zeugen zu den Einzelfragen,
nämlich wer den Häftlingen die Schlingen umgelegt, wer eine Rede gehalten
oder das Urteil verlesen hat, wer die Tische umgestoßen hat und was die
beiden Angeklagten während der Hänge-Aktion gemacht haben, sehr
unterschiedliche Angaben gemacht.
Der Angeklagte
Olejak hat sich dazu eingelassen, seine Aufgabe bei der Erhängung sei es
lediglich gewesen, das Lager antreten zu lassen. Die eigentliche Hängung sei
von Blockältesten, die dazu von dem Lagerführer Pfütze bestimmt worden
seien, durchgeführt worden. wieviele Häftlinge damals erhängt worden seien,
wisse er nicht mehr.
Der Angeklagte
Pansegrau hat sich im Rahmen seiner Einlassung dahin geäußert, es seien nur
5 - 6 Häftlinge erhängt worden. Er selbst habe mit der eigentlichen Hängung
nichts zu tun gehabt, er habe lediglich mit den anderen SS.Leuten daran
teilnehmen müssen.
- 128 -
Während zum
Beispiel die Zeugen Sicinski, Usielski, Dr. Braun, Kafka, Herstik,
Smigielski, Pachlin und Gutmacher ausgesagt haben, das gesamte Erhängen sei
von Häftlingen auf Befehl der SS. durchgeführt worden, haben die Zeugen
Dinur, Ben David, Ojzerowicz und Pasikowski ausgesagt, der Angeklagte Olejak
habe einigen der Häftlinge selbst die Schlinge um den Hals gelegt. Die
Zeugen Lerer und Ojzerowicz haben sogar gemeint, der Angeklagte habe selbst
Tische, auf denen die Häftlinge mit der Schlinge um den Hals gestanden
haben, umgestoßen.
Zur Person des
Angeklagten Pansegrau hat der Zeuge Mieczyslaw Baran ausgesagt, dieser sei
bei der Hängung sehr aktiv gewesen, er sei zwischen den Leuten herumgelaufen
und auch an den Tischen mit den Opfern gewesen. Demgegenüber hat der Zeuge
Usielski bekundet, er könne sich noch erinnern, daß er den Angeklagten
Pansegrau neben einem Maschinengewehr auf dem Dach einer Baracke gesehen
habe.
Diese
unterschiedlichen Aussagen über ein Ereignis, das sicherlich auf alle
Beteiligten und Zuschauer einen tiefen Eindruck gemacht hat, beweisen, wie
schwierig es für einen Menschen ist, sich nach so langer Zeit an die bei
bestimmten Vorgängen beteiligten Personen zu erinnern. Was das Datum der
Erhängung betrifft, hat der weitaus größte Teil der Zeugen, so zum Beispiel
die Zeugen Dr. Heller, Bulaty, Sicinski, Herstik, Smigielski, Glapinski,
Mieczyslaw Baran und Korn ausgesagt, diese sei Ende 1943 gewesen. Die Zeugen
Bulaty, Sicinski, Glapinski, Smigielski und Pasikowski konnten sich noch an
den 6.12.1943 als den genauen Tag erinnern. Auch die beiden Angeklagten
haben als Datum dieser Aktion Ende 1943 angegeben.
Demgegenüber haben
die Zeugen Usielski, Zewski, Zejer und Kalischmann gemeint, die Erhängung
sei Ende 1944 erfolgt. Insbesondere der Zeuge Zejer blieb trotz
verschiedener Vorhalte dabei, daß die Hängeaktion am 6.12.1944 stattgefunden
habe.
- 129 -
Hierauf wird in
anderem Zusammenhang noch näher einzugehen sein.
Daß die Erhängung
der Häftlinge tatsächlich Ende 1943 und nicht Ende 1944 war, ergibt sich im
übrigen auch daraus, daß fast alle Zeugen, die im Sommer oder Herbst 1944
nach Jaworzno gekommen sind, von dieser Angelegenheit nur vom Hörensagen und
nicht aus eigener Anschauung berichtet haben.
Die von Dr. Novy
im Rahmen der Schilderung über die Erhängung der Häftlinge angegebenen
Einzelheiten sind ebenfalls durch das Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigt
worden.
So hat der Zeuge
Pasikowski ausgesagt, die zum Tode verurteilten Häftlinge hätten kurz vor
ihrer Hinrichtung Freiheitsparolen gerufen. Der Zeuge Pasikowski hat ebenso
wie der Zeuge Smigielski auch bestätigt, daß aus dem Hauptlager der
Lagerführer Schwarz an der Hinrichtung teilgenommen hat.
Der Zeuge Sicinski
hat im Rahmen seiner Aussago in der Hauptverhandlung erwähnt, daß die
polnischen Häftlinge nach der Hinrichtung etwa 3 Stunden in Hocke bleiben
mußten und daß die Funktionshäftlinge, die die Hinrichtung vollzogen haben,
dafür Brot und Wurst als Belohnung erhalten haben.
Der Zeugs Bulaty
schließlich hat bestätigt, daß sich der deutsche Häftlinge Karl Matzner
geweigert habe, an der Hinrichtung mitzuwirken.
Soweit Dr. Novy in
seinem Bericht schreibt, der Lagerführer Pfütze habe eine Rede an die
Häftlinge gehalten, so liegt es nach Meinung der Kammer nahe, daß es bei
einem solchen Ereignis tatsächlich Sache und Aufgabe des Lagerführers war,
zu den um den Galgen versammelten Häftlingen zu sprechen. Die Kammer ist
deshalb überzeugt, daß die Schilderung, die Dr. Novy in seinem Buch
unmittelbar nach dem Krieg gegeben hat und die im übrigen auch mit seiner
Aussage aus dem Jahr 1975 vor dem Stadtgericht in Prag übereinstimmt, in
vollem Umfang richtig ist.
- 130 -
V.
Die Evakuierung den Lagers Jaworzno (zu B IV):
Über Zeitpunkt, Dauer und Verlauf der Evakuierung der Häftlinge des Lagers
Jaworzno haben die im Rahmen dieses Verfahrens vernommenen Zeugen sehr
unterschiedliche Angaben gemacht.
Die Kammer ist der Meinung, daß diese unterschiedlichen Angaben in erster
Linie auf den langen Zeitraum zurückzuführen sind der zwischen der
Evakuierung und den einzelnen Zeugenaussagen liegt. Die Kammer stützt
deshalb ihre allgemeinen Feststellungen über Dauer und Verlauf des
Evakuierungsmarsches in erster Linie auf die Aussagen der Zeugen Dr. Milos
Novy und Dr. Paul Heller.
Wie bereits ausgeführt, hat der Zeuge Dr. Milos Novy bereits im Jahre 1949
über seinen Aufenthalt im Lager Jaworzno und die Evakuierung dieses Lagers
ein Buch veröffentlicht.
Der Zeuge Dr. Paul Heller, der als Häftlingsarzt und zum Schluß der
Lagerzeit als Blockältester im HKB des Lagers Jaworzno war, wurde vom
Generalkonsul des Generalkonsulates den Bundesrepublik Deutschland in
Chicago am 6. und 7.7.1978 vernommen, da er es aus gesundheitlichen Gründen
abgelehnt hatte, zur Hauptverhandlung zu kommen. Dabei erklärte der Zeuge,
er habe aufgrund von Notizzetteln schon ihm Jahre 1945 einen Bericht über
die Evakuierung des Lagers Jaworzno angefertigt, dessen Inhalt seiner
damaligen Erinnerung, also der des Jahre 1945, entsprochen habe. Der Zeuge
machte diesen Bericht, soweit er den Evakuierungsmarsch vom Lager Jaworzno
bis zum Lager Blechhammer betrifft und der ihm insoweit im Rahmen seiner
Vernehmung vorgelesen wurde, zum Gegenstand seiner Vernehmung vor dem
Generalkonsul. Sowohl die Niederschrift über die Vernehmung des Zeugen Dr.
Keller als auch der von dem Zeugen im Jahre 1945 angefertigte Bericht wurde
mit Zustimmung aller Verfahrensbeteiligter in der Hauptverhandlung verlesen.
Aus der Aussage des Zeugen Dr. Heller ergibt sich,
- 131 -
daß beide Zeugen ihre Erinnerungen unabhängig von einander zu Papier
gebracht haben. Denn Dr. Heller hat ausgesagt, er habe sein für eine
Veröffentlichung in einer Zeitschrift bestimmtes Manuskript allein und ohne
die Hilfe von anderen Häftlingen niedergeschrieben und er habe es auch
keiner anderen Person zur Verfügung gestellt.
Der Zeuge Dr. Novy hat die Zeit unmittelbar vor der Evakuierung des Lagers
Jaworzno und mit Ablauf des Evakuierungsmarsches von Jaworzno nach
Blechhammer, der allein Gegenstand des Verfahrens ist, wie folgt
beschrieben:
Am Abend des 16. 1. 1945 sei das in der Mitte des Lagers stehende gemauerte
Wirtschaftsgebäude von einer Bombe getroffen und schwer beschädigt worden.
Von den 20 Häftlingen, die in dem Gebäude geschlafen hätten, seien 9
getötet, 8 schwer und 3 leicht ver1etzt worden. Auch an den
Unterkunftsbaracken der Häftlinge seien Schäden entstanden, insbesondere
seien viele Fensterscheiben zertrümmert worden.
Trotz der Zerstörungen im Lager, deren Ausmaß man erst am nächsten Morgen
gesehen habe, seien die Kommandos der Frühschicht in die Kohlengruben und
das Arbeitskommando "Kraftwerk Wilhelm" zur Arbeit aus dem Lager geführt
worden. Nach dem Mittagessen seien auch die Kommandos der Mittagsschicht für
die Kohlengruben ans dem Lager ausgerückt. Diese seien jedoch schon bald mit
den Häftlingen aus der Frühschicht in das Lager zurückgebracht worden. Die
Häftlinge der Mittagsschicht seien zwar in die Grube eingefahren, hätten
aber nicht mehr mit der Arbeit begonnen Um 16.30 Uhr sei das
Kraftwerkkommando in das Lager zurückgebracht worden und dann sei der.
übliche Abendappell durchgeführt worden.
Gegen 21.00 Uhr sei ein neuer Appell durchgeführt worden, bei dem die
Häftlinge sich vor ihren jeweiligen Blocks hätten aufstellen müssen. Während
des Appells sei der Rapportführer des Lagers von Block zu Block gegangen und
habe gesagt, daß die Häftlinge auf Anordnung des Lagerkommandanten binnen
einer Stunde das Lager verlassen müßten. Weiter sei dabei
- 132 -
gesagt worden, daß der Fußmarsch nur bis zum Ort Myslowitz führen würde, von
wo die Evakuierung mit dem Zug fortgesetzt werde.
In der folgenden Stunde seien die im Lager vorhandenen Lebensmittel auf die
Häftlinge verteilt worden, wobei sehr viel wegen der dabei herrschenden
Unordnung. zerstört worden sei.
Gegen 22.30 Uhr sei dann der Abmarsch der Häftlinge aus dem Lager erfolgt,
nur etwa gut 400 kranke Häftlinge seien im Krankenbau zurückgeblieben. Die
Häftlinge seien in Fünferreihen marschiert, links und rechts von den etwa
250 SS.Leuten bewacht, die in einem Abstand von 5 Meter gelaufen seien.
Noch in der unmittelbaren Nähe des Lagers habe ein junger polnischer
Häftling einen Fluchtversuch unternommen, wobei von den in der Nähe
laufenden SS.Leuten auf ihn geschossen worden sei.
Um die 7. Morgenstunde des nächsten Tages seien die Häftlinge nach Myslowitz
gekommen, wo allerdings keine Verladung der Häftlinge auf Züge erfolgt sei.
Am 18.1.1945 gegen 15.00 Uhr seien dann die Häftlinge nach Laurahütte
gekommen, wo sie in einen großen, von Draht und hohen Mauern umgebenen
Fabrikhof getrieben worden seien. Nach einer Rast von kaum einer Stunde sei
kurz vor 16.00 Uhr der Weitermarsch erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt hätten
bereits mindestens 200 Häftlinge gefehlt, die unterwegs erschossen worden
seien, da sie dem scharfen Marschtempo nicht hätten folgen können.
Von Laurahütte aus hätten die Häftlinge bis gegen 3.00 Uhr morgens des
nächsten Tages durchmarschieren müssen.
In den Vormittagsstunden des 19.1.1943, eines Freitags, seien die Häftlinge
durch Gleiwitz und am Nachmittag gegen 16.00 Uhr durch den Ort Peiskretscham
marschiert. Auf einem Berg hinter diesem Ort habe eine riesige Scheune
gestanden, in die die Häftlinge gejagt worden seien. In dieser Scheune,
- 133 -
die für die große Zahl der Häftlinge viel zu klein gewesen sei, hätten die
Häftlinge bis zum späten Vormittag des nächsten Tages bleiben müssen. In
dieser Scheune sei es besonders schlimm gewesen und es sei zwischen
Häftlingen auch zu Tötungen gekommen. Insbesondere seien einige Kapos von
Mithäftlingen umgebracht worden.
Auf einer großen Wiese in der Nähe des Güterbahnhofes in Peiskretscham seien
die Häftlinge am nächsten Tag neu formiert worden. Dabei sei es im Luftraum
über den Häftlingen zu einem Luftkampf gekommen. Obwohl sich die Häftlinge
sofort mit dem Gesicht nach unten auf den Boden geworfen hätten, seien viele
Häftlinge von herabfallenden Geschoßsplittern getötet oder verletzt worden.
Beim Abmarsch seien die verwundeten Häftlinge, die sich nicht mehr hätten
bewegen können, von den SS.Leuten erschossen worden. Während der Nacht in
der Scheune und an diesem Tag hätten mindestens 100 Häftlinge den Tod
gefunden. Für die Leichen dieser Toten seien von Mithäftlingen ein großes
Grab geschaufelt worden in das die Leichen geworfen worden seien.
Am Nachmittag dieses Tages sei der Weitermarsch angetreten worden. Die
Häftlinge seien zunächst nach Peiskretscham zurückgekehrt und dann auf der
Hauptstraße, die in Richtung Breslau geführt habe, weitermarschiert.
Zwischen Peiskretscham und Groß-Strelitz sei gegen 22.00 Uhr die Spitze der
Häftlingskolonne auf russische Wachposten gestoßen. Was sich dann abgespielt
habe, sei nur schwer zu beschreiben. Die SS.Leute hätten die Häftlinge von
der Hauptstraße auf die Felder getrieben und seien mit ihnen in einem großen
Bogen nach Peiskretscham zurückgekehrt. Von dort sei die Flucht
weitergegangen, und zwar über Feldwege und zum Teil durch einen halben Meter
hohen Schnee. Wer von den Häftlingen sich nur etwas verspätet oder einen
Augenblick angehalten habe, um sich auszuruhen, sei von den SS.Leuten
erschossen worden. Allein in dieser Nacht seien auf diese Weise 2.000
Häftlinge ums Leben gekommen.
- 134 -
Am nächsten Morgen, am Sonntag, den 21.1.1945 gegen 8.00 Uhr seien nur noch
nicht ganz 1.000 Häftlinge lebend in dem Konzentrationslager Blechhammer
angekommen. Zu dieser Zeit seien gerade die in diesem Lager inhaftierten
Häftlinge abtransportiert worden, ebenfalls zu Fuß.
Sofort nach der Ankunft habe der Lagerführer Pfütze den Häftlingen
mitgeteilt, daß er ihnen nur eine Rast von 1 Stunde bewillige.
Der Lagerführer und die übrigen SS.Leute aus Jaworzno seien dann auch
tatsächlich kurz nach 9.00 Uhr mit einem Teil der Häftlinge aus Blechhammer
aufgebrochen. Mehr als die Hälfte der Häftlinge sei jedoch im Lager
Blechhammer zurückgeblieben, darunter auch er selbst.
Die Mehrzahl dieser in Blechhammer zurückgebliebenen Häftlinge sei einige
Tag später von Wehrmachtsangehörigen, die in das Konzentrationslager
Blechhammer gekommen seien, übernommen und zu Fuß in das Konzentrationslager
Groß-Rosen gebracht worden.
Der Zeuge Dr. Paul Heller hat in dem 1945 geschriebenen Bericht den Ablauf
der letzten Tage in Jaworzno und den Evakuierungsmarsch wie folgt
beschrieben:
In der Nacht zum 17.1.1945 gegen 22.00 Uhr sei die Lagerküche von einer
Bombe getroffen worden. Dabei seien 7 polnische Häftlinge getötet und
mehrere andere schwer verletzt worden. Er habe die ganze Nacht dann nicht
mehr geschlafen, da er die verletzten Häftlinge habe versorgen müssen.
Am Nachmittag dieses Tages seien alle Häftlinge, die in den Kohlengruben
gearbeitet hätten, in das Lager zurückgebracht worden.
Gegen Abend habe der Lagerführer Pfütze den Befehl gegeben, das ganze Lager
mit Ausnahme der 400 kranken Häftlinge habe mit Decken und den zuvor an die
Häftlinge ausgeteilten. Proviant anzutreten. Er selbst habe zunächst
geplant, bei den
- 135 -
kranken Häftlingen im Krankenbau zurückzubleiben. Auf ausdrücklichen Befehl
des Lagerführers Pfütze sei er jedoch dann doch mit aus dem Lager gegangen.
Abends gegen 23.00 Uhr hätten ca. 3.200 Häftlinge, bewacht von 300 SS.Leuten,
deren Gepäcks von Häftlingen habe geschleppt werden müssen, das Lager
Jaworzno in Richtung Kattowitz verlassen.
Gegen 2.00 Uhr in dieser Nacht seien die ersten Schüsse gefallen. Am
nächsten Morgen sei die Häftlingskolonne, um 80 Häftlinge dezimiert, in
Laurahütte angekommen. Dort seien die Häftlinge in den Fabrikhof des
Eisenwerkes und Konzentrationslagers Laurahütte bei einer Temperatur von
minus 15 Grad Celsius gepfercht worden. Nach 8 Stunden, in der 70 Häftlinge
ums Leben gekommen seien, sei der Befehl zum Weitermarschieren gekommen.
Einzelne Gruppen von Häftlingen seien zum Ziehen der Wagen, zum Tragen der
Rucksäcke und zum Schieben von Fahrrädern kommandiert worden.
In der folgenden Nacht sei in Beuthen im Freien eine Pause von nur einer
Stunde eingelegt worden.
Am späten Vormittag dieses Tages habe er nicht mehr weiterlaufen können und
sei von Kameraden auf einen Wagen geladen und so weiter transportiert
worden.
Die folgende Nacht hätten die Häftlinge in einem Lagerhaus für
landwirtschaftliche Maschinen in der Nähe von Peiskretscham verbracht, wo er
selbst 12 Stunden geschlafen habe.
Während dieser Nacht seien viele Häftlinge von anderen Mithäftlingen
umgebracht worden. Am Morgen seien 120 Tote und über 100 zum Teil
schwerverletzte Häftlinge gezählt worden. Letztere, darunter 2 Ärzte aus dem
Krankenbau des Lagers Jaworzno, seien von den SS.Leuten erschossen worden.
- 136 -.
Vor der Scheune sei eine Wassersuppe gekocht und an die Häftlinge ausgeteilt
worden. Mitten in der Essensausgabe habe es Fliegeralarm gegeben und die
Häftlinge seien Zeugen eines Luftkampfes geworden, wobei 5 Häftlinge durch
die Bordwaffen der Flugzeuge zu Tode gekommen seien. Alle toten Häftlinge
seien von Mithäftlingen begraben worden.
Am Nachmittag dieses Tages sei der Weitermarsch auf der Hauptstraße erfolgt.
Nach einiger Zeit habe die Kolonne angehalten und sie hätten erfahren, daß
ein Weitermarsch wegen russischer Panzertruppen nicht mehr erfolgen könne.
Nach einer Stunde Wartezeit habe der Transportführer erfahren, daß die
Gegend südlich den vorgesehenen Weges noch frei von russischen Verbänden
sei. Deshalb sei der Marsch dann über Felder und durch hohen Schnee in
Richtung Süden fortgesetzt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe die Kolonne noch
etwa aus 2.500 Häftlingen und 300 SS.Leuten bestanden. In dieser Nacht seien
die Häftlinge von den SS.Leuten im Laufschritt weitergetrieben worden. Wer
gefallen sei, sei erschossen worden.
Am 21.1.1945 sei das Lager Blechhammer erreicht worden. Dort sei eine
Zählung der Häftlinge vorgenommen worden. Diese habe ergeben, daß etwa 1.000
Häftlinge aus dem Lager Jaworzno das Lager Blechhammer nicht erreicht
hätten. Bei Ankunft der Häftlinge aus Jaworzno seien gerade die im Lager
Blechhammer inhaftierten Häftlinge evakuiert worden. Nach einer kurzen Pause
seien die SS.Leute mit wenigen der aus dem Lager Jaworzno gekommenen
Häftlinge weitermarschiert. Er selbst sei in Blechhammer zurückgeblieben und
später von anderen SS. Leuten in Richtung Westen geführt worden.
Ergänzend dazu hat Dr. Heller im Rahmen seiner Vernehmung noch ausgesagt, er
sei sich sicher, daß er den Lagerführer Pfütze während des
Evakuierungsmarsches hoch zu Pferd gesehen habe. Die bei der Evakuierung
mitgeführten Wagen seien von Häftlingen gezogen und geschoben worden. Ihm
sei damals schon besonders aufgefallen, daß dafür keine Zugpferde vorhanden
gewesen seien.
- 137 -
Er habe mit eigenen Augen gesehen, daß seitlich der Kolonne Häftlinge
erschossen worden seien. Er habe aber auch gesehen, daß von SS.Leuten in die
Luft geschossen worden sei.
Nicht gesehen habe er, daß in die marschierende Häftlingskolonne
hineingeschossen worden sei.
Da beide Zeugen ihre Berichte unmittelbar nach dem Kriege und, wie erwähnt,
unabhängig voneinander niedergeschrieben haben, und sie in ihrem
wesentlichen Inhalt übereinstimmen, ist die Kammer davon überzeugt, daß der
Evakuierungsmarsch so abgelaufen ist, wie ihn Dr. Novy und Dr. Heller
unabhängig voneinander geschildert haben. Im übrigen hat eine Vielzahl von
anderen Zeugen den Ablauf des Evakuierungsmarsches in gleicher oder
ähnlicher Weise geschildert. Was den Zeitpunkt der Ankunft in Laurahütte und
die Dauer dar Pausen betrifft, so hat die Hauptverhandlung keine endgültige
Klärung darüber gebracht, ob die Version von Dr. Heller oder die von Dr.
Novy richtig ist.
Die Mehrzahl der vernommenen Zeugen hat, im Gegensatz zu der Einlassung des
Angeklagten Pansegrau, bestätigt, daß der Abmarsch der Häftlinge aus dem
Lager Jaworzno während der Nacht zum 18.1.1945 erfolgte und nicht am Morgen
dieses oder des nächsten Tages. In dieser Weise haben unter anderem die
Zeugen Mosche Jachimowicz, Krawicki, Schwarz, Charlupski, Ojzerowicz, Ben
David, Grol, Sicinski, Pruszanowski und Orenbach ausgesagt.
Allerdings haben auch mehrere Zeugen bekundet, ihrer Erinnerung nach sei der
Abmarsch am Morgen oder während des Tages erfolgt, wie dies von dem
Angeklagten Pansegrau behauptet worden ist.
So hat der Zeuge Josef Weis, nach dem Lagerführer Pfütze der ranghöchste
SS.Mann in Jaworzno, ausgesagt, der Abmarsch sei am Tag erfolgt. Der Zeuge
Desch, Mitglied der Wachmannschaft des Lagers Jaworzno, hat gemeint, es sei
am Nachmittag und hell gewesen.
- 138 -
Die Zeugen Tokarski, Zewski, Hirschkorn und Chensky schließlich haben
ausgesagt, der Abmarsch sei am Morgen erfolgt. In diesem Sinne hat sich auch
die Ehefrau des Angeklagten Pansegrau bei ihrer Aussage als Zeugin in der
Hauptverhandlung geäußert.
Insbesondere aufgrund der Berichte der Zeugen Dr. Novy und Dr. Heller aus
der unmittelbaren Nachkriegszeit ist die Kammer jedoch der Überzeugung, daß
die Häftlingskolonne das Lager Jaworzno am 17.1.1945 zwischen 22.30 Uhr und
23.00 Uhr verlassen hat.
Wann die Häftlingskolonne das Lager Laurahütte erreicht hat und wie lange
die Pause in diesem Lager gedauert hat, konnte, wie erwähnt, nicht eindeutig
geklärt werden.
Zwar haben die Zeugen Sicinski und Schwarz ausgesagt, daß bereits am ersten
Marschtag eine größere Pause eingelegt worden sei.
Der Zeuge Sicinski hat bekundet, den Häftlingen sei an diesen Tag im Lager
Laurahütte eine Pause von ca. 8 Stunden bewilligt worden. Der Abmarsch aus
diesem Lager sei am Abend erfolgt.
Der Zeuge Schwarz hat ausgesagt, am Morgen des ersten Tages sei in Myslowitz
eine längere Rast eingelegt worden und der Weitermarsch sei gegen 13.00 Uhr
oder 14.00 Uhr erfolgt.
Die Mehrzahl der übrigen Zeugen hat sich, mit Ausnahme der Rastpause in der
Scheune, an einen längeren Aufenthalt an einem Ort nicht erinnert. Aufgrund
der insoweit übereinstimmenden Angaben der Zeugen Dr. Novy und Dr. Heller
geht die Kammer jedoch davon aus, daß der Weitermarsch am Nachmittag dieses
Tages gegen 16.00 Uhr erfolgt ist.
Dieser Zeitpunkt, der von Dr. Novy direkt genannt worden ist, ergibt sich in
etwa auch aus dem Bericht von Dr. Heller, der von der Ankunft am Morgen und
einem Aufenthalt von 8 Stunden spricht.
Daß es während der zweiten Nacht in den Straßen von Beuthen eine Pause
gegeben hat, haben die Zeugen Schwarz, Orenbach, Zejer und Weis bestätigt.
- 139 -
Der Zeuge Schwarz hat hierzu ausgesagt, es sei bereits dunkel gewesen, als
die Häftlingskolonne in Beuthen angekommen sei. Es sei in den Straßen dieser
Stadt eine Pause gemacht worden. SS.Leute, darunter Lausmann und
wahrscheinlich auch der mit dem Spitznamen Lapka hätten gesagt, wer von den
Häftlingen nicht mehr laufen könne, solle heraus gehen. Zusammen mit etwa 50
anderen Häftlingen habe er dies getan. Sie seien dann von der
Häftlingskolonne abgesondert und in ein Zivillager gebracht worden. Dort
habe Lausmann einen Teil der Häftlinge erschossen. Mit den Häftlingen aus
Jaworzno sei er und die anderen Häftlingen nicht mehr zusammengekommen.
Der Zeuge Orenbach, dessen Aussage vor dem israelischen Richter in Tel Aviv
in der Hauptverhandlung verlesen wurde, hat ausgesagt, bei einer Rast in
Beuthen sei gesagt worden, daß die Häftlinge, die zu schwach zum Weitergehen
seien, sich etwas abseits aufstellen sollten. Sie würden dann mit der Bahn
weitertransportiert werden. Auf diesen Aufruf hin hätten sich ca. 500
Häftlinge gemeldet. Diese seien beim Weitermarsch dann zurückgeblieben.
Weitere 10 Häftlinge, darunter auch er selbst, seien ebenfalls nicht
weitermarschiert. Sie seien dazu bestimmt worden, die Leichen von 5
Häftlingen, die bei der Rast erschossen worden seien, wegzubringen.
Der Zeuge Raimund Zejer, auf dessen Aussage schon mehrmals hingewiesen
worden ist, hat ausgesagt, bei einer Pause in Beuthen seien 210 kranke
Häftlinge aus dar Kolonne ausgesondert worden. Dabei sei auch der SS.Mann
Lausmann beteiligt gewesen.
Der Zeuge Weis, selbst ein SS.Mann in Jaworzno, schließlich hat bekundet, er
sei mit der Häftlingskolonne bis Beuthen mitgegangen, das nachts erreicht
worden sei. Dort seien ihm und einigen anderen SS.Leuten 20 erschöpfte
Häftlinge übergeben worden mit dem Befehl, diese bei einer Polizeiwache
abzuliefern. Dies habe er auch getan, zu der Häftlingskolonne aus Jaworzno
sei er nicht mehr zurückgekehrt.
- 140 -
An die Übernachtung in einer Scheune bei Peiskretscham haben sich praktisch
alle Zeugen, die bei dem Evakuierungsmarsch zu diesem Zeitpunkt noch dabei
waren, erinnert. Ebenso daran, daß die Scheune total mit Häftlingen
überfüllt war und es schon deswegen für alle Häftlinge eine schlimme Nacht
gewesen ist. Daß es zu Auseinandersetzungen zwischen Häftlingen gekommen
ist, haben ebenfalls zahlreiche Zeugen glaubhaft bekundet. So hat zum
Beispiel der Zeuge Lerer ausgesagt, er habe selbst in dieser Nacht einen
Messerstich abbekommen.
Auch die von Dr. Novy und Dr. Heller übereinstimmend geschilderten Vorgänge
am nächsten Morgen mit einem Luftkampf über der Häftlingskolonne, mit der
Ausgabe von Suppe an die Häftlinge und dem Begraben von Häftlingen in einer
Grube haben zahlreiche andere Zeugen glaubhaft bestätigt.
So hat der bereits mehrfach erwähnte Zeuge Antoni Sicinski ausgesagt, nach
der Übernachtung in der Scheune bei Peiskretscham habe es über den
Häftlingen einen Luftkampf zwischen feindlichen Flugzeugen gegeben und an
die Häftlinge sei eine Suppe ausgegeben worden. Der Abmarsch aus
Peiskretscham sei gegen 16.00 Uhr erfolgt. Die Ausgabe einer Suppe haben
unter anderem auch die Zeugen Bulaty, Grol, Kafka, Friedmann, Charlupski,
Fried und Lopaczewski bestätigt.
Schließlich haben zahlreiche Zeugen auch die übereinstimmenden Angaben von
Dr. Heller und Dr. Novy über das Abweichen vom ursprünglichen, Marschweg in
der letzten Nacht vor Erreichen des Lagers Blechhammer und die von beiden
geschilderte Tatsache bestätigt, daß diese Nacht für die Häftlinge besonders
schlimm gewesen sei. Hierzu sei in erster Linie auf die Aussagen der Zeugen
Dr. Braun und Herstik verwiesen.
Der Zeuge Maselli, der selbst als SS.Mann im Lager Blechhammer stationiert
war, hat ausgesagt, die Häftlinge des Lagers Blechhammer seien an dem Morgen
evakuiert worden, an dem die Häftlingskolonne aus Jaworzno das Lager
Blechhammer erreicht habe. Er könne sich noch daran erinnern, daß er den
Lagerführer
- 141 -
des Lagers Jaworzno hoch zu Roß gesehen habe.
Soweit Dr. Heller und Dr. Novy übereinstimmend berichten, daß die SS.Leute
mit einem kleinen Teil der Häftlinge des Lagers Jaworzno nach nur einer
kurzen Pause weitermarschiert seien, ist dies ebenfalls durch die übrige
Beweisaufnahme bestätigt worden. Ebenso die Tatsache, daß ein Teil der im
Lager Blechhammer zurückgebliebenen Häftlinge einige Tage später von
Wehrmachtsangehörigen zu Fuß aus dem Lager Blechhammer weggebracht wurde.
So haben die Zeugen Neuhaus, Zewski, Hirschkorn und Pachlin ausgesagt, sie
hätten mit den SS.Leuten aus Jaworzno nach einer nur kurzen Pause das Lager
Blechhammer wieder verlassen und seien in Richtung Westen weitermarschiert.
Die Zeugen Rosenkranz, Diamond, Glazer, Gage, Korn, Poller, Kalischmann,
Gutmacher, Natal und Swift haben ausgesagt, sie seien zunächst einige Tage
im Lager Blechhammer geblieben und dann von Angehörigen der Wehrmacht
übernommen worden.
Im übrigen hat die Hauptverhandlung ergeben, daß es einem Teil der Häftlinge
aus Jaworzno gelungen ist, sich auch diesem 2. Transport aus dem Lager
Blechhammer zu entziehen. So haben die Zeugen Weltfreid, Dinur, Krawicki,
Ben David, Gerschon und Meir Sommer bekundet, sie seien aus dem Lager
Blechhammer geflohen. Die Zeugen Charlupski und Kestenbaum haben ausgesagt,
sie seien in Blechhammer geblieben und dort von russischen Truppen befreit
worden.
Die Feststellungen der Kammer über die Temperaturen und Wetterverhältnisse
während des Evakuierungsmarsches, beruhen außer den Aussagen fast aller
Zeugen, die an dem Evakuierungsmarsch teilgenommen haben, auf einem in der
Hauptverhandlung mit Zustimmung aller Prozeßbeteiligten verlesenen
Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes Zentralamt Offenbach vom 18.11.1977.
- 142 -
Dieses Gutachten, das für ein anderes Verfahren erstattet wurde, betrifft
die Wetterverhältnisse in Schlesien und im Nordteil der Tschechoslowakei,
insbesondere in den Orten Golleschau, Seibersdorf Oderberg und Loslau in der
Zeit vom 18. bis 21.1.1945.
Diese Orte wurden zwar von dem Evakuierungsmarsch des Lagers Jaworzno nicht
direkt berührt, sie liegen jedoch von der Evakuierungsstrecke nicht
allzuweit entfernt. Im übrigen enthält das Gutachten auch Angaben über die
Witterungsverhältnisse im gesamten schlesischen Gebiet und zum Beispiel auch
in der Stadt Gleiwitz, die, wie angeführt, von der Evakuierungskolonne aus
Jaworzno berührt wurde.
Nach diesem Gutachten haben in der Zeit vom 17.1. bis 22.1. 1945 in dem
gesamten Raum winterliche Verhältnisse mit Frost und Schnee bestanden ohne
daß es zu nennenswerten neuen Niederschlägen gekommen ist. In Gleiwitz zum
Beispiel, das von den Häftlingen am 19.1.1945 erreicht wurde, wurden an
diesem Tage Temperaturen bis zu minus 8 Grad Celsius gemessen.
Diese Angaben im Gutachten stimmen auch, wie erwähnt, mit dem übrigen
Ergebnis der Beweisaufnahme überein. So haben praktisch alle Zeugen, die am
Evakuierungsmarsch teilgenommen haben, ausgesagt, es sei sehr kalt gewesen.
Der Zeuge Dr. Heller spricht in seinen Bericht aus dem Jahre 1945 von einer
Temperatur von minus 5 Grad Celsius während des Aufenthaltes im Lager
Laurahütte und auch davon, daß die Häftlinge beim Marschieren durch den
bereits liegenden Schnee stark behindert worden seien.
Die Feststellungen der Kammer über die Mondphasen während des
Evakuierungsmarsches beruhen auf einer ebenfalls in der Hauptverhandlung
verlesenen Mitteilung des astronomischen Instituts der Johann – Wolfgang –
Goethe - Universität in Frankfurt vom 20.3.1979. Danach lagen die Mondphasen
in dem fraglichen Zeitraum des Januar 1945 so, daß am 17.1.1945
- 143 -
Neumond war, der Mond am 20.1.1945 das erster Viertel erreicht hatte und am
28.1.1945 Vollmond herrschte.
Die Feststellungen der Kammer, daß auf dem Weg zwischen Jaworzno und
Blechhammer zahlreiche Häftlinge von den begleitenden SS.Mannschaften
erschossen wurden, beruhen auf praktisch allen Aussagen der Häftlingszeugen,
die diesen Evakuierungsmarsch mitgemacht haben. Allerdings sind in den
Zeugenaussagen zu der Frage, wann mit den Häftlingserschießungen begonnen
wurde, unter welchen Umständen auf Häftlinge geschossen wurde und wieviele
insgesamt erschossen wurden, erhebliche Unterschiede festzustellen.
Dabei liegt es nahe und ist durch Zeugenaussagen auch bewiesen worden, daß
besonders solche Häftlinge getötet wurden, die das Marschtempo nicht mehr
mithalten konnten und deshalb ans Ende der Marschkolonne zurückgefallen
sind.
Unter diesen Umständen ist es auch verständlich, daß die noch kräftigen
Häftlinge, die die ganze Zeit über an der Spitze der Kolonne marschiert
sind, selbst keine oder nur wenige Erschießungen gesehen haben. So hat zum
Beispiel der Zeuge Zewski ausgesagt, er sei immer an der Spitze der
Häftlingskolonne marschiert und habe selbst keinen Fall einer
Häftlingserschießung gesehen, er habe allerdings von solchen Erschießungen
gehört. In gleicher Weise haben sich die Zeugen Bulaty und Sicinski in der
Hauptverhandlung geäußert.
Die Mehrzahl der übrigen Zeugen hat jedoch in Übereinstimmung mit dem
Bericht und den Aussagen der Zeugen Dr. Novy und Dr. Heller ausgesagt,
besonders am Ende der Häftlingskolonne und hier wiederum besonders in der
letzten Nacht vor Erreichen des Lagers Blechhammer seien viele Häftlinge
erschossen worden. Auf die einzelnen Aussagen wird im Rahmen der
Beweiswürdigung zu den den beiden Angeklagten zur Last liegenden Einzelfälle
näher eingegangen werden.
- 144 -
Die genaue Zahl der auf dem Weg zwischen Jaworzno und Blechhammer getöteten
Häftlinge konnte nicht festgestellt werden. Die Kammer geht Jedoch davon
aus, daß es mindestens mehrere Hundert waren. Es liegt auf der Hand, daß es
für keinen Zeugen möglich war, während den Evakuierungsmarsches hierzu
selbst genaue Festste11ungen zu treffen. Denn jeder Häftling konnte nur den
Teil der Kolonne in seiner unmittelbaren Nähe beobachten. Desweiteren wurden
die Beobachtungen dadurch erschwert, daß große Strecken des Weges nachts
zurückgelegt wurden.
Dr. Novy hat zu dieser Frage in seiner Aussage vor dem Stadtgericht in Prag
bekundet, von den 4.000 bis 5.000 Häftlingen, die Jaworzno verlassen hätten,
seien nur noch etwa 1.000 in Blechhammer angekommen.
In seinem Buch hat er davon gesprochen, daß allein in der letzten Nacht vor
Erreichen den Lagers Blechhammer 2.000 Häftlinge ums Leben gekommen seien
und insgesamt nur 1.000 Häftlinge das Lager Blechhammer erreicht hätten.
der Zeuge Dr. Heller hat in seinem erwähnten Bericht aus dem Jahre 1945
ausgeführt, in Jaworzno seien 3.200 Häftlinge abmarschiert. Bei der Ankunft
im Lager Blechhammer sei von den SS.Leuten eine Zählung der Häftlinge
vorgenommen worden. Diese habe ergeben, daß zu diesem Zeitpunkt an die 1.000
Häftlinge gefehlt hätten.
Der Zeuge Grol hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung ausgesagt,
er habe in Blechhammer anläßlich einer Zählung gehört, es seien 1.700
Häftlinge nach Blechhammer gekommen.
Allein diese Differenzen in den Berichten der beiden im übrigen gut
informierten Zeugen Dr. Heller und Dr. Novy aus der unmittelbaren
Nachkriegszeit beweisen die Schwierigkeit, Feststellungen darüber zu
treffen, wieviele Häftlinge Blechhammer erreicht haben.
- 145 -
Dazu kommt, daß, wie bereits ausgeführt wurde, in Beuthen eine Anzahl von
Häftlinge abgesondert wurde, deren Zahl ebenfalls nicht genau festgestellt
werden konnte, da die betreffenden Zeugen hierzu unterschiedliche Angaben
gemacht haben.
Die Hauptverhandlung hat auch ergeben, daß .eine nicht mehr genau
feststellbare Zahl von Häftlingen, darunter zum Beispiel der Zeuge
Mieczyslaw Baran, auf dem Weg nach Blechhammer die Flucht gelungen ist.
Es kann aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme auch nicht sicher davon
ausgegangen werden, daß alle Häftlinge auf die bei dem Evakuierungsmarsch
nach Blechhammer geschossen worden ist, verstorben sind. So hat der Zeuge
Hofmann glaubhaft bekundet, auf ihn selbst habe, als er schon am Boden
gelegen habe, ein SS.Mann aus nur wenigen Metern Entfernung geschossen. Er
sei aber nur an der Hand getroffen worden und habe dadurch mehrere Finger
verloren.
In diesem Zusammenhang ist auch die Aussage des Zeugen Grol zu erwähnen.
Dieser hat ausgesagt, er habe den ihm damals schon bekannten Zeugen Hofmann
im Schnee liegen sehen und sei sicher gewesen, daß dieser tot gewesen sei.
Er sei deshalb sehr überrascht gewesen, als er Hofmann eines Tages in Tel
Aviv wieder getroffen habe.
Bei Abwägung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme ist die Kammer
jedoch der Überzeugung, daß auf dem Evakuierungsmarsch mehrere Hundert
Häftlinge von der Begleitmannschaft erschossen worden sind.
Hinsichtlich der etwa 4oo Häftlinge, die aus Krankheitsgründen im Krankenbau
des Lagers Jaworzno zurückgeblieben sind, hat die Beweisaufnahme ergeben,
daß von ihnen niemand mehr getötet worden ist. Dies haben die Zeugen Chaim
Schuler, Abraham Kowalski, Moritz Salz und Ahron Schwarzbart glaubhaft
bekundet, die selbst unter diesen Häftlingen waren.
- 146 -
Ob der Evakuierungsmarsch so durchgeführt wurde, wie er ursprünglich geplant
war, und welche Befehle im einzelnen an den Lagerführer und von diesem an
die SS.Leute zu der Behandlung insbesondere der Häftlinge, die das
Marschtempo nicht mehr mithalten konnten, ausgegeben wurden, konnte nicht
geklärt werden. Sichere Aussage dazu hätten nur Angehörige der
SS.Lagermannschaft machen können.
Der Zeuge Weis, der, wie erwähnt, nach dem Lagerführer der ranghöchste
SS.Mann in Jaworzno war, hat dazu ausgesagt, der Lagerführer Pfütze habe
vor Beginn des Evakuierungsmarsches zu den angetretenen SS.Leuten gesagt,
daß unterwegs kein Häftling erschossen werden dürfe. Die Kammer hat
angesichts den tatsächlichen Verlaufes des Evakuierungsmarsches und des
Verhaltens der SS.Begleitmannschaft allerdings erhebliche Zweifel an der
Richtigkeit und Vollständigkeit dieses Teils der Aussage den Zeugen Weis.
- 147 -
D)
Beweiswürdigung zum Aufenthalt des Angeklagten Olejak im Konzentrationslager
Blechhammer (zu B VI):
Die Kammer sieht aufgrund des gesamten Ergebnisses der Hauptverhandlung die
Einlassung des Angeklagten Olejak über die Dauer seines Einsatzes im
Konzentrationslager Blechhammer am erwiesen an.
Der Angeklagte hat sich, wie bereits ausgeführt, von Anfang an dahingehend
eingelassen, er sei etwa im Frühjahr 1944 bis zum Zeitraum zwischen dem 10.
und 15.11 1944 als Rapportführer im Lager Blechhammer gewesen. Er sei
zusammen mit dem damaligen Chef der Wachkompanie des Lagers Jaworzno, dem
Obersturmführer Brossmann nach Blechhammer versetzt worden und habe dort,
wie im Lager Jaworzno1 die Funktion eines Rapportführers ausgeübt. Brossmann
sei Lagerführer in Blechhammer geworden. Brossmann sei am gleichen Tag wie
er wieder aus Blechhammer weggekommen, und zwar in das Hauptlager nach
Monowitz wo er die Führung des Wachbataillons übernommen habe. Er selbst sei
in Blechhammer von einem Oberscharführer und Brossmann von einem
Obersturmführer abgelöst worden, an deren Namen er sich nicht mehr erinnere.
I
Daß der Angeklagte Olejak im Frühjahr 1944 von Jaworzno nach Blechhammer
versetzt worden ist, bedarf keiner weiteren Ausführungen, da auch die
Staatsanwaltschaft die Einlassung des Angeklagten Olejak in diesem Punkt für
glaubhaft hält.
Im übrigen sprechen die Aussagen der Zeugen Karl Maselli und Peter Quirrin
für die Richtigkeit diesen Teils der Einlassung des Angeklagten Olejak.
Der Zeuge Karl Maselli hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung
ausgesagt, er sei als Kommandoführer im Februar
- 148 -
1944 in das Lager Blechhammer versetzt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der
Angeklagte Olejak schon in Blechhammer gewesen und das Lager Blechhammer,
das zuvor von der Polizei verwaltet worden sei, sei schon von der SS.
übernommen gewesen. Lagerführer sei bei seiner Ankunft ein SS.Mann namens
Brossmann gewesen. Bezüglich des Datums seiner eigenen Ankunft in
Blechhammer mit Februar 1944 irre er sich nicht, es sei noch sehr kalt
gewesen.
Der Zeuge Peter Quirin wurde durch beauftragte Richter der Kammer vernommen,
da er unter Vorlage eines ärztlichen Attestes der Ladung zur
Hauptverhandlung keine Folge geleistet hatte. Die Niederschrift über diese
Vernehmung wurde in der Hauptverhandlung verlesen.
Der Zeuge Quirin hat zunächst ausgesagt, er sei als Sanitätsdienstgrad im
Oktober/November 1943 in das Lager Blechhammer versetzt worden. Lagerführer
sei bei seiner Ankunft ein Hauptsturmführer Großmann oder so ähnlich
gewesen. Der Angeklagte Olejak sei ebenfalls schon im Lager gewesen.
Nach einer längeren Pause in der Vernehmung und nach Vorhalt seiner früheren
Vernehmung als Zeuge erklärte der Zeuge Quirin dann, er erinnere sich jetzt,
daß er erst im April 1944 nach Blechhammer gekommen sei und dort bis
November 1944 geblieben sei. Er bleibe aber dabei, daß Olejak bei seiner
Ankunft in Blechhammer schon dort gewesen sei.
Der Inhalt dieser Aussagen der beiden Zeugen, auf die in anderem
Zusammenhang noch näher einzugeben sein wird, sprechen für die Richtigkeit
der Einlassung des Angeklagten Olejak.
II.
Für die Monate Mai bis August 1944 sind zahlreiche in der Hauptverhandlung
verlesene Dokumente vorhanden, aus denen sich ergibt, daß in diesem Zeitraum
das Arbeitslager Blechhammer
- 149 -
der Dienstort des Angeklagten Olejak war. Im einzelnen handelt es sich
hierbei um folgende Unterlagen, wobei sich die Angaben der Seiten jeweils
auf den Sonderband Dokumente I beziehen:
1. Auf
Seite 140 befindet sich ein Maschinengeschriebener Text, der die Vorführung
eines Häftlings aus dem Lager Blechhammer vor dem Feldgericht Breslau am
31.5.1944 betrifft. Unter dem maschinengeschriebenen Text befindet sich der
handschriftliche. Vermerk:
Durchgegeben
27.5.1944 11.45 Uhr
Empfangen: SS. Uscha. Olejak
2. Auf Seite 64 befindet sich eine Fotokopie eines an den Reichsführer-SS.
Rasse- und Siedlungshauptamt gerichteten Antrages um Übersendung der
Vordrucke zu einem Verlobungs- und Heiratsgesuch des Angeklagten Olejak vom
27.6.1944. Als Wohnort ist "Arbeitslager Blechhammer (Bahnhoflager)"
angegeben.
3. Auf Seite 127 befindet sich eine Fotokopie des gleichen Antragsformulares
für den SS.Mann Felix Witowski, das vom 28. Juli 1944 datiert ist.
Unter der Rubrik "Name und genaue Postanschrift für zwei Bürgen für die
zukünftige Ehefrau" ist folgender Eintrag enthalten:
"SS.UScha. Hans Olejak, SS-Kdo. Blechhammer b.
Heydebreck 0/S."
4. Auf Seite 88 befindet sich Fotokopie eins Verlobungs- und Heiratsgesuchs
vom 2.8.1944, das unter der Überschrift „Absender“ folgende Eintragung
enthält:
Hans Olejak Blechhammer, den 2. August 1944
(Vor- und Zuname) (Wohnort) (Datum)
Arbeitslager/Bahnhofslager
(Straße und Hausnummer)
- 150 -
5. Auf Seite 93
befindet sich eine Fotokopie eines von dem Angeklagten Hans Olejak
unterschriebenen Schreibens mit der Unterschrift "Vermögens- und
Schuldenstand", in dem neben der Unterschrift sich der Vermerk befindet:
"Blechhammer, den 2.
August 1944".
6. Auf Seiten 100 -
103 befindet sich ein ärztlicher Untersuchungsbogen für den Angeklagten
Olejak vom 2.8.1944. Bei den Personalien des Angeklagten Olejak ist als
Wohnort Blechhammer, als Straße und Hausnummer Arbeitslager angegeben.
7. Auf Seiten 109 -
112 befindet sich Fotokopie eines ärztlichen Untersuchungsbogens für die
spätere Ehefrau des Angeklagten Else Kaesmarker, Unter der Überschrift "1.
Aussagegenehmigung“; befindet sich eine Unterschrift der Frau Kaesmarker,
über der als Datum der 5.8.1944 angegeben ist.
Im Rahmen der
Angaben der Personalien der Frau Else Kaesmarker befindet sich neben dem
Vermerk „Dienstgrad und SS.Nr. des zukünftigen Ehemanns" die
handschriftliche Eintragung:
„Hans Olejak, z.Zt.,
Arbeitslager Blechhammer“
8. Auf Seiten 131
'und 132 befindet sich ein Fragebogen, der die zukünftige Ehefrau des
SS.Mannes Felix Witowski, Martha Lewko betrifft. Dieser Fragebogen ist von
dem Angeklagten Hans Olejak unterschrieben, wobei sich über der Unterschrift
folgende Eintragung befindet:
"Blechhammer 12.
August 1944"
(Wohnort)
(Datum)
9. Auf Seite 57
befindet sich ein von dem Angeklagten Olejak unterschriebener
handschriftlicher Lebenslauf, der mit dem Satz endet:
- 151 -
Jetzt bin ich
Kommandanturangehöriger vom K.L. Auschwitz III und versehe meinen Dienst im
Arbeitslager Blechhammer".
Dieser Lebenslauf
enthält keine Datumsangabe. Es ist jedoch davon auszugehen, daß dieser
Lebenslauf zu einem „R.u.S.-Fragebogen" für den Angeklagten Olejak gehört,
von dem sich eine Fotokopie auf Seite 56 befindet.
Dieser Fragebogen
enthält bei der Angabe der Personalien des Angeklagten unter anderem
folgende Eintragungen:
Jetziger Wohnsitz:
Blechhammer
Wohnung:
Arbeitslager/Bahnhofslager“
Der Fragebogen
enthält ebenfalls keine Angaben, wann er ausgefüllt worden ist. Auf ihm
befindet sich jedoch ein Eingangsstempel des Rasse- und
Siedlungs-HauptamtesSS. vom 16.8.1944.
III
Die Richtigkeit der
Angabe des Angeklagten Olejak, der Obersturmführer Brossmann sei nach seiner
Versetzung aus Jaworzno Lagerführer im Lager Blechhammer geworden, ergibt
sich auch aus den Aussagen der Zeugen Maselli und Quirin auch aus dem in der
Hauptverhandlung verlesenen und bereits zitierten Kommandantursonderbefehl
der Kommandantur K.L. Auschwitz III in Monowitz vom 22.5.1944. Darin heißt
es unter anderem:
Kommandantursonderbefehl
Gemäß Verfügung des
Wirtschaftsverwaltunghauptamtes Amtsgruppe D werden die der Kommandantur
K.L.Auschwitz III unterstellten Wachmannschaften mit Wirkung vom 1.5.1944 im
SS.Totenkopfsturmbann K.L.Auschwitz III
zusammengefaßt und
in folgenden Kompanien aufgeteilt:
5.)7. Kompanie:
Blechhammer
Als Kompanieführer
und Stabsscharführer werden eingesetzt:
- 152 -
7. Kompanie:
SS.Hauptsturmführer Brossmann - Kompanieführer
SS.Oscha Klingberg - Stabsscharführer
Die Einsetzung des
SS.Hauptsturmführers Brossmann und des SS.Hauptsturmführers Pfütze als
Lagerführer bleibt bestehen.
IV.
Ihre Feststellungen
über die Dauer der Tätigkeit des Angeklagten Olejak in Blechhammer stützt
die Kammer in erster Linie auf den Inhalt des bereits erwähnten und in der
Hauptverhandlung verlesenen Kommandanturbefehls Nr. 11/44 vom 11.11.1944 der
Kommandantur des K.L.Auschwitz III und die Aussagen der Zeugen Czapla,
Maselli und Quirin.
Eine Fotokopie der
ersten beiden seiten des erwähnten Befehls befinden sich in Band 5 Seite
1101, 1102 der Ermittlungsakten über das Lager Blechhammer, die von der
Kammer nach Beginn der Hauptverhandlung von der Zentralen Stelle der
Landesjustizverwaltung in Ludwigsburg und später auch von der
Staatsanwaltschaft Würzburg angefordert wurden.
Ziffer 2) und 3)
dieses Befehles haben folgenden Wortlaut:
Ziffer 2)
"Führung des
SS-T-Wachbataillon K.L.Auschwitz III.
Lt. Verfg. des
SS-WVH, Amtsgruppe D, wurde der bisherige
Führer den
SS-T-Wachbataillons K.L.Auschwitz ITT,
SS.Obersturmführer d.R. Josef Kollmer
zum SS.-FHA
versetzt.
Mit Wirkung vom
10.11.1944 habe ich den
SS-Hauptsturmführer Otto Brossmann
mit der Führung des
Wachbataillons beauftragt.
Ziffer 3)
Führung des A.L.
Blechhammer und der 7. Komp. K.L.Auschwitz III.
Mit Wirkung vom
9.11.44 hat
SS-Untersturmführer d.R. Kurt Klipp
die Führung des
Arbeitslagers Blechhammer und der 7. Komp.
K.L. Au III
übernommen.
- 153 -
Nach dem Inhalt
dieses Befehls ist davon auszugehen, daß Brossmann am 9.11.1944 als
Lagerführer den Lagers Blechhammer abgelöst wurde.
Aufgrund der
Aussagen der genannten Zeugen Czapla, Maselli und Quirin geht die Kammer
auch unter Berücksichtigung des gesamten anderen Ergebnisses der
Beweisaufnahme davon aus, daß sich auch der Angeklagte Olejak entsprechend
seiner eigenen Einlassung, er sei zusammen mit Brossmann aus Blechhammer
versetzt worden, bis zu diesem Tag im Lager Blechhammer aufgehalten hat.
1. Der Zeuge Kurt
Czapla ist laut Sterbeurkunde des Standesamtes Wolfenbüttel vom 25.9.1978,
die in der Hauptverhandlung verlesen wurde, am 23.12.1976 in Wolfenbüttel
verstorben. Die von dem Zeugen Czapla vorliegenden Aussagen wurden deshalb
in der Hauptverhandlung verlesen. Im einzelnen handelt es sich hierbei um
folgende Vernehmungen:
a)
Beschuldigtenvernehmung vom 7.10.1976 durch die Staatsanwaltschaft Würzburg.
Die Niederschrift über diese Vernehmung wurde von den Sitzungsvertretern der
Staatsanwaltschaft Würzburg in der Hauptverhandlung vorn 17.7.1978 übergeben
und später in der Hauptverhandlung verlesen (43, 2378, 2387 - 2396).
Am gleichen Tag
wurde von der Staatsanwaltschaft Würzburg auch eine Fotokopie einer
Übersetzung einer Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beim Oberen Gericht
zu Rastatt vom 24. 2. 1948 (43, 2397, 2398), eine Entscheidung des Tribunal
General de Rastatt in französischer Sprache von 25.6.1948 gegen Karl Czapla
(43, 2399) und ein Entlassungsausweis für Czapla von 8.8.1948 der Bastion
XII Rastatt (43, 2400) übergeben.
Diese Unterlagen
hatte die Staatsanwaltschaft Würzburg von Czapla im Rahmen seiner
Beschuldigtenvernehmung vom 7.10.1976 erhalten (43, 2388). In dieser
Vernehmung gab Czapla auch an, daß gegen ihn unter dem Aktenzeichen 1 Ja
449/65 (10 AR 12/74) bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig
- 154 -
ein
Ermittlungsverfahren durchgeführt und er mit Beschluß v. 14.8.1974 außer
Verfolgung gesetzt worden sei.
b) Vernehmung vom
27.10.1960 durch Beamte einer Sonderkommission der Staatsanwaltschaft
Frankfurt (45, 2950 - 2961). Eine Kopie der Niederschrift über diese
Vernehmung wurde von der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung vom
2.10. 1978 übergeben.
c) Vernehmungen des
Karl Czapla vom
26.3.1947 (50, 43
hinter 4047);
8.1.1947 (50, 57
hinter 4047);
28.5.1948 (50, 67
hinter 4047);
20.2.1948 (50, 69 -
71 hinter 4047).
Zu diesen vier
letztgenannten Vernehmungsniederschriften ist noch folgendes auszuführen:
Da sich die Kammer
wie erwähnt, von Anfang an der schwierigen Beweisführung bewußt war, wurden
aufgrund der Angaben des Zeugen Czapla in seiner Vernehmung vom 7.10.1976
von amtswegen die Ermittlungsakten 1 Ja 449/65 der Staatsanwaltschaft
Braunschweig angefordert, die auch mit Schreiben vom 30.3.1979 übersandt
wurden. In diesen Akten befanden sich Auszüge mit Übersetzungen der Akten
des Verfahrens, das im Jahre 1947 und 1948 gegen Karl Czapla beim Oberen
Gericht zu Rastatt durchgeführt worden ist.
Zu den im Rahmen des
vorliegenden Verfahrens wichtigen Punkten, näm1ich wann er selbst als
Rapportführer in das Lager Blechhammer versetzt worden ist, hat der Zeuge
Czapla in den einzelnen Vernehmungen folgendes ausgesagt:
Vernehmung vom
7.10.1976:
Am 1.4.1944 sei er
zum Oberscharführer befördert und im August 1944 vom Arbeitslager Debica in
das K.L. Auschwitz versetzt worden. Von dort aus sei er für etwa 14 Tage zur
Wachmannschaft des Lagers Blechhammer abkommandiert
- 155 -
und dann als
Rapportführer in das Lager Birkenau gekommen. Mitte Oktober 1944 sei er dann
als Rapportführer nach Blechhammer zurückgekehrt, wo er bis zu Evakuierung
dieses Lagers verblieben sei. Er habe auch an der Evakuierung der Häftlinge
des Lagers Blechhammer im Januar 1945 teilgenommen
Als er im August
1944 für zwei Wochen in der Wachmannschaft des Lagers Blechhammer Dienst
getan habe, sei Brossmann Chef der Wachkompanie und gleichzeitig Lagerführer
gewesen. Als er im Oktober 1944 als Rapportführer nach Blechhammer gekommen
sei, sei Klipp Lagerleiter gewesen (43, 2392). Denjenigen SS.Mann, der vor
ihm als Rapportführer in Blechhammer gewesen sei, habe er bei seiner Ankunft
im Oktober 1944 noch in Blechhammer angetroffen. Den Namen seines Vorgängers
könne er nicht nennen. Nach Vorhalt verschiedener Namen, darunter auch der
des Angeklagten Olejak, erklärte Czapla dann, nach längerem Nachdenken falle
ihm ein, daß sein Vorgänger als Rapportführer in Blechhammer der
Rapportführer Olejak gewesen sei. An dessen Name erinnere er sich jetzt ganz
sicher.
Vernehmung vom
27.10.1960:
Auch bei dieser
Vernehmung hat Czapla ausgesagt, er selbst sei etwa Mitte Oktober 1944 als
Rapportführer nach Blechhammer gekommen und Klipp habe im Oktober 1944
Brossmann als Lagerführer des Lagers Blechhammer abgelöst.
Vernehmungen in
den Jahren 1947 und 1948:
In der Vernehmung
vom 26.3.1947 hat Karl Czapla ausgesagt, er sei im September 1944 als
Zugführer in das Lager Blechhammer versetzt worden, von wo aus er nach etwa
eineinhalb Monaten als Rapportführer in das Lager Birkenau versetzt worden
sei. Im November 1944 sei er als Rapportführer in das Lager Blechhammer
zurückgekehrt.
- 156 -
In der Vernehmung
vom 8.1.1947 hat Czapla ausgesagt, nach einem kurzen Aufenthalt in
Blechhammer als Chef der Wachposten und seiner Zurückverlegung nach Birkenau
sei er im November 1944 als Rapportführer in das Lager Blechhammer
zurückgekehrt. Sein ehemaliger Chef aus dem Heidelager habe ihn angefordert.
2. Der bereits
erwähnte Zeuge Karl Maselli, der als Blockführer im Lager Blechhammer
eingesetzt war, hat ausgesagt, im August/September 1944 seien Brossmann und
Olejak abgelöst worden. Neuer Lagerführer sei ein Untersturmführer mit einer
Verletzung am rechten Arm, neuer Rapportführer sei Czapla geworden, der
Olejak als Rapportführer abgelöst habe. Brossmann und Olejak seien gegangen
und die anderen beiden seien gekommen. Mit Olejak sei er selbst in
Blechhammer 4 bis 6 Monate zusammen gewesen. Zum Zeitpunkt der Ablösung von
Brossmann und Olejak sei schönes Wetter gewesen.
3. Der ebenfalls
bereits erwähnte Zeuge Peter Quirin, der als Sanitätsdienstgrad zeitweilig
im Lager Blechhammer eingesetzt war, hat dazu zunächst ausgesagt, er selbst
sei bis Mai 1944 in Blechhammer gewesen. Bei seiner eigenen Ablösung habe
Olejak dort noch Dienst gemacht.
Nach Vorhalt einer
früheren Vernehmung sagte der Zeuge Quirin dann aus, er meine jetzt, er
selbst sei bis November 1944 in Blechhammer gewesen. Bei seiner eigenen
Versetzung aus Blechhammer hat Olejak dort noch Dienst getan.
Der Lagerführer
Großmann oder so ähnlich, der von Beruf Lehrer gewesen sei, sei etwa drei
Wochen vor seiner eigenen Ablösung von einem jüngeren Obersturmführer
abgelöst worden. Olejak sei auch noch nach dieser Ablösung in Blechhammer
gewesen. In diesem Punkt sei er sich jedoch nicht ganz sicher. Wenn Olejak
entgegen seiner eigenen Erinnerung schon vor ihm selbst aus Blechhammer
versetzt worden sei,
- 157 -
so halte er es für
ausgeschlossen, daß dies, schon im September/Oktober 1944 gewesen sei. Zu
diesem Zeitpunkt sei Olejak noch in Blechhammer gewesen.
Die Würdigung der
zeitlich sehr weit auseinanderliegenden Aussagen des Zeugen Czapla (1947 bzw
1948, 1960 und 1976) und der Aussagen der Zeugen Maselli und Quirin, die
jeweils in Verbindung mit dem Inhalt des Kommandanturbefehls Nr.11/44 vom
11.11.1944 gesehen werden müssen, ergibt nach Meinung der Kammer, daß sich
der Angeklagte Olejak entsprechend seiner eigenen Einlassung genau so lange
wie der Obersturmführer Brossmann, nämlich bin zum 9.11.1944 im Lager
Blechhammer aufgehalten hat.
Der Zeuge Czapla hat
bei seinen Vernehmungen in den Jahren 1960 und 1976 einerseits und bei den
Vernehmungen in den Jahren 1947 und 1948 andererseits zu dem Zeitpunkt, zu
dem er selbst als Rapportführer in das Lager Blechhammer gekommen ist,
unterschiedliche Angaben gemacht. Wahrend er 1947 noch den Monat November
1944 nannte, sprach er sowohl 1960 als auch 1976 von Oktober 1944. Immer,
wenn der Zeuge davon sprach, nämlich bei den Vernehmung in den Jahren 1960
und 1976, hat er jedoch den Beginn seiner eigenen Tätigkeit als
Rapportführer in Blechhammer mit dem Wechsel in der Person des Lagerführers
in Blechhammer in einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang gebracht. Bei
seiner Vernehmung vom 7.10.1976 hat Czapla dazu ausdrücklich. gesagt, Klipp
sei bei seiner eigenen Ankunft als Rapportführer in Blechhammer schon
Lagerführer und sein Vorgänger als Rapportführer, näm1ioh Olejak, sei noch
in Blechhammer gewesen. Dies bedeutet in Verbindung mit dem Inhalt des
Kommandanturbefehls Nr. 11/44 vom 11.11.1944, daß Czapla Olejak nicht vor
dem 9.11.1944 als Rapportführer in Blechhammer abgelöst haben kann,
- 158 -
da Klipp erst an
diesem Tag die Führung des Lagers Blechhammer übernommen hat und daß Olejak
bis zu diesem Zeitpunkt in Blechhammer gewesen ist.
Mit dieser Wertung
der Aussage des Zeugen Czapla stimmen auch seine eigenen Angaben über den
Beginn seiner Tätigkeit als Rapportführer in Blechhammer aus dem Jahre 1947
überein. Sowohl bei seiner Vernehmung am 8.1.1947 als auch bei der am
26.3.1947 durchgeführten Vernehmung hat Czapla ausgesagt, er sei im November
1944 als Rapportführer nach Blechhammer zurückgekehrt. Nach der allgemeinen
Lebenserfahrung ist davon auszugehen, daß Czapla im Januar 1947, also nur
etwas mehr als 2 Jahre nach den entsprechenden Vorgängen, von der Erinnerung
her noch besser in der Lage war, zu bestimmten Zeitpunkten Angaben zu machen
als es in den Jahren 1960 oder gar 1976 der Fall war.
Auch die Aussage des
Zeugen Maselli spricht dafür, daß sich der Angeklagte Olejak bis 9.11.1944
als Rapportführer im Lager Blechhammer aufgehalten hat. Auch dieser Zeuge
bringt die Ablösung von Olejak aus Blechhammer in unmittelbaren zeitlichen
Zusammenhang mit der Ablösung von Brossmann als Lagerführer. Hierzu hat
Maselli ausgesagt, Brossmann und Olejak seien gegangen und die neuen seien
gekommen.
Soweit er allerdings
als Zeitpunkt für diese Ablösung die Monate August/September 1944 nennt,
ergibt sich aus dem Inhalt des bereits erwähnten Kommandanturbefehls vom
1l.ll.l944, daß sich der Zeuge Maselli insoweit täuscht.
Schließlich spricht
auch die Aussage den Zeugen Quirin dafür, daß sich der Angeklagte Olejak im
Monat November 1944 noch im Lager Blechhammer aufgehalten hat.
Bei Würdigung dieser
Aussage des Zeugen Quirin ist zu berücksichtigen, daß er bei der Vernehmung
vom 16.2.1978 Schwierigkeiten hatte, den Beginn und das Ende seines eigenen
Aufenthaltes im Lager Blechhammer richtig zeitlich
- 159 -
einzuordnen. Denn zu
Beginn seiner Vernehmung gab er hierzu Oktober/November 1943 und Mai 1944
und im weiteren Verlauf dann April 1944 und November 1944 an.
Zum Ende der
Tätigkeit des Zeugen Quirin in Blechhammer ist zu bemerken, daß er
mindestens bin zum 9.11.1944 in Blechhammer gewesen sein muß, da er sich
noch an die Ablösung des Lagerführers Brossmann, den er fälschlicherweise
als Großmann, aber richtig mit dem Zivilberuf Lehrer beschreibt, erinnert.
Da der Zeuge Quirin, ohne allerdings sicher zu sei, meint, Olejak sei bei
seiner eigenen Ablösung noch in Blechhammer gewesen, spricht die Aussage
dieses Zeugen für die Richtigkeit der Einlassung den Angeklagten Olejak, er
sei ebensolange wie Brossmann in Blechhammer gewesen.
Für die Richtigkeit
dieser Aussage spricht auch die Tatsache, daß der Angeklagte Olejak bei
einer Vernehmung als Zeuge am 18.6.1971 in dem wegen Vorgängen im Lager
Blechhammer durchgeführten Ermittlungsverfahren, deren Niederschrift ihm
vorgehalten wurde, ausgesagt hat, er sei in diesem Lager von März oder April
1944 bis November 1944 gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt war dem Angeklagten
nicht bekannt, daß gegen ihn wegen seiner Tätigkeit im Lager Jaworzno ein
Ermittlungsverfahren durchgeführt wird. Es ist deshalb kein vernünftiger
Grund ersichtlich, warum der Angeklagte Olejak unter diesen Umständen als
Zeuge eine falsche Aussage machen sollte.
V.
Gegenfiber diesem
Beweisergebnis erscheinen die Aussagen eines Teils der im Lager Jaworzno als
Häftlinge inhaftierten Zeugen, die den Angeklagten Olejak während des
gesamten Jahres 1944, im Sommer 1944 oder im September 1944 im Lager
Jaworzno gesehen haben wollen, nicht glaubhaft. Auf diese Aussagen wird im
einzelnen bei der Frage, ob der Angeklagte. Olejak nach seinem Einsatz im
Lager Blechhammer
- 160 -
nach Jaworzno
zurückgekehrt ist und wer Ende 1944 Rapportführer im Lager Jaworzno war,
eingegangen werden.
Die Kammer ist
deshalb bei Würdigung des gesamten Ergebnisses der Hauptverhandlung der
Überzeugung, daß sich der Angeklagte Olejak von Frühjahr 1944 bis zum
9.11.1944 als Rapportführer im Konzentrationslager Blechhammer aufgehalten
hat.
VI.
Zu dieser von der
Kammer getroffenen Feststellung steht die Aussage des Zeugen Otto Kaesmarker
nicht im Widerspruch.
1. Der Angeklagte
Olejak hatte sich von Beginn des Ermittlungsverfahrens an bis zur
Hauptverhandlung vom 30.7.1979 dahingehend eingelassen, nach seiner am
23.9.1944 in Schakowa, dem Wohnort seiner Ehefrau, erfolgten Hochzeit und
dem damit verbundenen zehntägigen Urlaub in Schakowa sei er in nur noch
einmal in diesem Ort gewesen. Dies sei anläßlich der Hochzeit des SS.Mannes
Felix Witowski erfolgt, der zusammen mit ihm in Jaworzno gewesen und dessen
Ehefrau eine Freundin seiner eigenen Frau gewesen sei.
Zu dieser Hochzeit
sei er aus Blechhammer angereist. Dies sei ihm deswegen möglich gewesen,
weil ihm der Lagerführer Brossmann eine Dienstreise nach Auschwitz genehmigt
habe. Er könne sich noch erinnern, daß er von Krenau aus zusammen mit einem
Bruder des Bräutigams Witowski im Zug nach Schakowa gefahren sei. Dieser
Bruder habe in Krenau eine Drogerie betrieben. Die Reise von Blechhammer aus
nach Schakowa sei kurz vor seiner eigenen Versetzung aus Blechhammer
erfolgt.
Nachdem in der
Hauptverhandlung vom 30.7.1979 mit Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten
eine Fotokopie eines
- 161 -
Schreibens des
Standesamtes Schakowa von 16.12.1944 an den Reichsführer SS.Rasse- und
Siedlungsamt Berlin (6, 106) verlesen wurde., aus dem sich ergibt, daß die
Hochzeit des SS.Mannes Witowski am 16.12.1944 stattgefunden hat, erklärte
der Angeklagte Olejak in der nächsten Hauptverhandlung am 2.8.1979
folgendes:
Nach Kenntnisnahme
von dem vorerwähnten Schreiben des Standesamtes Schakowa habe er weiter
nachgedacht und in der letzten Nacht sei ihm eingefallen, daß er sich
insoweit getäuscht habe. Die ihm von Brossmann genehmigte Reise aus
Blechhammer nach Schakowa sei nicht anläßlich der Hochzeit Witowski erfolgt,
sondern habe einem Treffen mit seinem Schwager Otto Kaesmarker gedient.
Dieser habe sich zu einem kurzen Heimaturlaub von dem Fronteinsatz in
Schakowa aufgehalten. Er bleibe jedoch dabei, daß die Reise kurz vor seiner
Versetzung aus Blechhammer erfolgt sei Er sei nur über das Wochenende in
Schakowa gewesen und dann nach Blechhammer zurückgefahren. Bei dem Treffen
mit seinem Schwager Otto Kaesmarker seien seine inzwischen verstorbene Frau,
seine Schwiegereltern und seine Schwägerin, die Zeugin Hassel dabei gewesen.
Seinen Schwager Otto Kaesmarker habe er erstmals bei diesem Treffen, das
Ende Oktober/Anfang November 1944 stattgefunden habe, kennengelernt
Anläßlich der
Hochzeit Witowski sei er ein zweites Mal nach seiner eigenen Hochzeit in
Schakowa gewesen, da sei er jedoch von Czechowitz aus über Krenau angereist.
Bei dieser Hochzeit sei nach seiner Erinnerung die Eltern des Witowski, 2
Brüder von ihm und die Zeugin Wasserthal, eine Schwester der Frau des
Witowski anwesend gewesen. Diese Hochzeit habe an einem Samstag
stattgefunden. Am Nachmittag sei er von Czechowitz aus über Krenau nach
Schakowa gefahren und am Sonntag um 6.00 Uhr mit dem ersten Zug nach
Czechowitz zurückgekehrt. Richtig sei jedoch, daß er auf der Hinfahrt nach
Schakowa einen Bruder des Bräutigams Witowski im Zug kennengelernt habe.
- 162 -
2. Aufgrund dieser
geänderten Einlassung des Angeklagten Olejak wurde in der Hauptverhandlung
von 6.8.1979 der Zeuge Otto Kaesmarker, ein Bruder der verstorbenen Ehefrau
des Angeklagten Olejak vernommen. Dieser hat folgendes ausgesagt:
Anfang November 1944
habe er seinen ersten Urlaub während seines Fronteinsatzes bekommen und sei
von Westfalen aus nach Schakowa gefahren. Dort habe er sich seiner
Erinnerung nach vom 5. bin 7.11.1944 aufgehalten. Er könne sich noch daran
erinnern, daß er nur an Werktagen, nicht am Wochenende zu Hause gewesen sei.
Seine Angehörigen habe er von diesem Urlaub vorher nicht unterrichtet.
Seine Schwester, die
Frau den Angeklagten Olejak, habe ihm am Abend des ersten Tages seines
Aufenthaltes in Schakowa gesagt, sie werde ihm am nächsten Tag ihrem Ehemann
vorstellen, der nicht weit von Schakowa entfernt stationiert sei.
Am nächsten Tag sei
seine Schwester morgens zur Arbeit weggegangen und am Abend zwischen 16.00
und 17.00 Uhr mit dem Angeklagten Olejak nach Hause gekommen. Noch vor
Mitternacht des gleichen Abends sei der Angeklagte wieder weggefahren. Wie
und wann seine Schwester den Angeklagten Olejak verständigt habe, könne er
nicht sagen.
In welchem Lager der
Angeklagte damals Dienst gemacht habe, habe er bei diesem Treffen nicht
erfahren. Er habe nur gehört, Olejak sei in einem in der Nähe von Schakowa
gelegenen Lager stationiert. Weiter habe er gehört, daß seine Schwester
öfter dorthin gefahren und dabei auch den Angeklagten kennengelernt habe.
Daß der Angeklagte Olejak einmal versetzt worden sei, habe er erst nach dem
Krieg erfahren. Unter „nicht weit von Schakowa entfernt“ verstehe er nicht
über Kattowitz hinaus Seine Schwester Else und der Angeklagte Olejak hätten
in ihrem Elternhaus ein gemeinsames Zimmer gehabt und er habe auch gehört,
daß Olejak öfter nach Schakowa gekommen sei und seine Schwester ihn auch
öfter an seinem Dienstort besucht habe.
- 163 -
3. Zu dieser Aussage
des Zeugen Otto Kaesmarker, der gemäß § 61 Ziffer 2 StPO unvereidigt
geblieben ist, ist folgendes zu bemerken:
Der Zeuge konnte zu
der Frage, in weichem Lager der Angeklagte Olejak zum Zeitpunkt des
Zusammentreffens, den der Zeuge als einen Wochentag zwischen dem 5. und
7.11.1944 in Erinnerung hat, stationiert war, keine genauen Angaben machen,
Insbesondere konnte er den Namen des Lagers nicht nennen. Zu der Äußerung
der Ehefrau des Angeklagten „morgen stelle ich dir den Hans vor, der ist
nicht weit von hier“ und der von dem Zeugen hierzu gegebenen Erklärung,
unter nicht weit verstehe er nicht über Kattowitz hinaus, ist zu bemerken,
daß der Zeuge hierbei nicht zum Ausdruck gebracht hat, was seine Schwester
unter „nicht weit“ verstand, sondern was er selbst unter diesem Begriff
versteht. Aus der von dem Zeugen wiedergegebenen Äußerung der Ehefrau des
Angeklagten Olejak, der Hans ist nicht weit weg von hier, kann daher nicht
geschlossen werden, daß sich der Angeklagte damals nicht im Lager
Blechhammer aufgehalten hat.
Auch zu der Frage,
wohin bzw. in weiche Richtung der Angeklagte am Abend dieses
Zusammentreffens Schakowa verlassen hat, konnte der Zeuge keine genauen
Angaben machen. So hat er lediglich erklärt, er nehme an, der Angeklagte
Olejak sei mit der Bahn in Richtung Jaworzno gefahren. Mehr konnte der Zeuge
hierzu nicht sagen.
In diesem
Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß Schakowa und das Lager Jaworzno nur
etwa 3,6 km Luftlinie von einander entfernt waren (vergleiche die mehrmals
zum Gegenstand der Verhandlung gemachte Karte von Oberschlesien im Maßstab 1
: 300 000, auf der die Entfernung zwischen Jaworzno und Schakowa 1,2 cm =
3,6 km beträgt). Schakowa und Blechhammer lagen nach dieser Karte 24 cm
voneinander entfernt, was einer Entfernung von 72 km Luftlinie entspricht
- 164 -
Bei der geringen
Entfernung zwischen Schakowa und Jaworzno wäre es nach Meinung der Kammer
für den damals jungverheirateten Angeklagten, wenn er tatsächlich in
Jaworzno stationiert gewesen wäre, ohne weitere möglich gewesen, bis zum
frühen Morgen kurz vor Dienstantritt bei seiner Ehefrau zu bleiben und erst
dann den Weg von Schakowa nach Jaworzno zu Fuß oder mit einem Fahrrad
zurückzulegen. Daß der Angeklagte nach der Aussage des Zeugen Kaesmarker
noch vor Mitternacht Schakowa verlassen hat, spricht deshalb dafür, daß er
zum damaligen Zeitpunkt nicht in Jaworzno, sondern weiter entfernt von
Schakowa stationiert war.
Auch soweit der
Zeuge Kaesmarker ausgesagt hat, er habe damals gehört, daß sich der
Angeklagte Olejak und seine Ehefrau öfter träfen, kann nicht geschlossen
werden, der Angeklagte Olejak habe sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im
Lager Blechhammer aufgehalten. Zum einen hat der Angeklagte selbst
unwiderlegt gesagt, seine Ehefrau habe ihn nach seiner Versetzung aus
Jaworzno nach Blechhammer öfter besucht, und zwar sowohl vor als auch nach
seiner Eheschließung. Zum anderen hat der Zeuge bei diesem Treffen aber nach
seiner Aussage auch davon erfahren, daß sich der Angeklagte Olejak und seine
spätere Ehefrau kennengelernt hätten, weil der Angeklagte in der Nähe von
Schakowa in einem Lager Dienst getan habe. Dies war aber vor der Versetzung
des Angeklagten von Jaworzno nach Blechhammer
Eine eindeutige
zeitliche Trennung über die Zeit vor der Hochzeit im September 1944 und nach
diesem Termin hat der Zeuge Kaesmarker nicht vorgenommen und konnte dies
auch nicht tun.
Schließlich ist noch
darauf hinzuweisen, daß es sich bei dem 9.11.1944, dem Tag also, den die
Kammer als Versetzungstermin für den Angeklagten Olejak aus Blechhammer
annimmt, um einen Donnerstag gehandelt hat (vergleiche immerwährender
Kalender, 50, 4036). Die Angaben des Zeugen Kaesmarker, das Treffen mit dem
Angeklagten Olejak habe an einem Werktag zwischen dem
- 165 -
5. und 7.11.1944
stattgefunden und die Einlassung den Angeklagten Olejak, seine Reise zu
diesem Treffen mit dem Zeugen sei nur kurz vor seiner Versetzung aus
Blechhammer gewesen, stehen deshalb zueinander nicht in Widerspruch.
Das Treffen zwischen
dem Angeklagten Olejak und dem Zeugen Kaesmarker wurde im übrigen auch von
der Zeugin Rudolfine Hassel, einer Schwester der verstorbenen Ehefrau des
Angeklagten Olejak, bei ihrer nochmaligen Vernehmung in der Hauptverhandlung
am 5.11.1979 bestätigt. Sie hat dazu ausgesagt, ihrer Erinnerung nach habe
dieses Treffen Anfang November 1944 stattgefunden.
Was die Einlassung
den Angeklagten Olejak zu seiner Teilnahme an der Hochzelt des SS.Mannes
Witowski betrifft, so ist zu bemerken, daß der 16.12.1944 tatsächlich, wie
der Angeklagte meinte, ein Samstag war (vergleiche immerwährenden Kalender).
Weiterhin sieht es die Kammer durch die Ansage der Zeugin Hassel als
erwiesen an, daß der Angeklagte Olejak tatsächlich an der Hochzeit des
SS.Mannes Witowski teilgenommen hat.
Die Kammer hat
deshalb einen Beweisantrag der Verteidigung des Angeklagten Olejak auf
Vernehmung eines Bruders und der damaligen Ehefrau des SS.Mannes Witowski,
durch den die Teilnahme Olejaks an der Hochzeit bewiesen werden solle,
abgelehnt.
- 166 -
E)
(Beweiswürdigung zur
Person des letzten Rapportführers im
Lager Jaworzno)
I.
Allgemeine
Ausführungen:
Im Verfahren gegen
den Angeklagten Olejak kam insbesondere der Frage entscheidende Bedeutung
zu, wohin er am 9.11.1944 aus Blechhammer versetzt worden Ist, da, wie schon
erwähnt, von den 32 angeklagten Verbrechen des Mordes 31 In diesen Zeitraum
fallen. Der Angeklagte Olejak hat sich hierzu eingelassen, er sei von
Blechhammer aus als Lagerführer in das Konzentrationslager Czechowitz
versetzt worden und nicht mehr nach Jaworzno zurückgekehrt. Er habe auch an
der Evakuierung des Lagers Jaworzno nicht teilgenommen. Schon deshalb könne
er als Täter für diese 31 angeklagten Verbrechen nicht in Betracht kommen.
Obwohl sich die Kammer im Laufe des Verfahrens intensiv bemüht hat, zu
dieser Frage irgendwelche Unterlagen wie Kommandanturbefehle, Stellenpläne
oder Versetzungsbefehle aus der damaligen Zeit zu finden, ist dies nicht
gelungen.
Die Kammer war
deshalb bei ihrer Entscheidung praktisch nur auf die Einlassung der beiden
Angeklagten und die Aussagen von Zeugen angewiesen, die in den Lagern
Jaworzno und Czechowitz als SS.Leute tätig oder als Häftlinge inhaftiert
waren oder die den Angeklagten Olejak damals gekannt haben.
Dabei erwies sich
die Klärung der Frage der Anwesenheit des Angeklagten ab November 1944 im
Lager Jaworzno oder im Lager Czechowitz schon deswegen als besonders
schwierig, weil hier die Anwesenheit eines SS.Mannes in einer bestimmten
Funktion für einen relativ kurzen Zeitraum von nur etwa mehr als zwei
Monaten in einem Lager zu überprüfen war. Darüber hinaus kommt noch hinzu,
daß dieser Zeitraum nicht in die Aufbauphase der
- 167 -
beiden Lager fiel.
In dieser Zeit war der Kontakt zwischen den im Lager tätigen SS.Leuten und
den beim Lagerbau eingesetzten Häftlinge zwangsläufig intensiver und
persönlicher als in der Zeit, in der die Mehrzahl der Häftlinge außerhalb
des eigentlichen Lagerbereiche zur Arbeit eingesetzt war. Zu persönlichen
Begegnungen mit den Angehörigen der Lagerkommandantur, jedenfalls was die
Person des Rapportführers oder Lagerführers betrifft, konnte es für die
außerhalb des Lagers eingesetzten Häftlinge regelmäßig nur bei den Morgen-
oder Abendappellen im Lager oder bei Kontrollen am Lagertor kommen. Diese
fanden aber in den Monaten November, Dezember und Januar meistens zu solchen
Zeiten statt, in denen die Beobachtungsmöglichkeiten wegen der
Lichtverhältnisse, nämlich noch oder schon herrschende Dämmerung oder
Dunkelheit, ohnehin eingeschränkt waren.
Bei der Bewertung
der Aussagen von Zeugen, die als Häftlinge im Lager Jaworzno inhaftiert
waren, sind aufgrund der Tatsache, daß es die Kammer als erwiesen ansieht,
daß der Angeklagte von Frühjahr 1944 bis zum 9.11.1944 als Rapportführer im
Lager Blechhammer eingesetzt war, 3 Gruppen von Zeugen zu unterscheiden. Die
Zugehörigkeit eines Zeugen zu einer dieser Gruppen wird dadurch bestimmt, zu
welchem Zeitpunkt der Zeuge in das Lager Jaworzno gekommen ist.
Bei der ersten
Gruppe handelt es sich um die Häftlinge, die sich von Anfang an, also ab
etwa Sommer 1943 im Lager Jaworzno aufgehalten haben oder zumindest noch vor
April 1944 in das Lager Jaworzno verlegt wurden. Diese Zeugen können den
Angeklagten Olejak sowohl von der Person als auch vom Namen her noch von
seiner Tätigkeit als Rapportführer in Jaworzno in der Zeit von Juni 1943 bis
einschließlich März/April 1944 kennen.
Auch wenn der
Angeklagte Olejak im November 1944 als Rapportführer in das Lager Jaworzno
zurückgekehrt sein sollte, müßten sich diese Zeugen normalerweise an die
Anwesenheit des Angeklagten Olejak, die in diesem Fall immerhin etwa 7
Monate gedauert
- 168 -
hätte, erinnern.
Weiter müßten sich diese Zeugen, soweit sie zu der Person des Rapportführers
überhaupt Angaben machen können, normalerweise auch daran erinnern können,
daß außer dem Angeklagten Olejak im Lager Jaworzno noch ein oder mehrere
andere SS.Angehörige diese Funktion ausgeübt haben.
Bei der zweiten
Gruppe handelt es sich um solche Häftlinge, die im Rahmen der Ungarn
Transporte im Juni 1944 nach Jaworzno gekommen sind.
Die dritte Gruppe
schließlich umfaßt die Zeugen, die bei Auflösung des Lagers Lagischa nach
Jaworzno gekommen sind. Die Ankunft dieser Häftlinge im Lager Jaworzno
erfolgte, wie bereits dargelegt wurde, in der 2. Septemberhälfte 1944.
Die Zeugen, die den
beiden letzten Gruppen angehörten, können den Angeklagten Olejak in' Lager
Jaworzno als Rapportführer oder Angehörigen der Lagerkommandantur nur dann
kennengelernt haben, wenn der Angeklagte Olejak entgegen seiner eigenen
Einlassung nach seinem Aufenthalt im Lager Blechhammer nach Jaworzno
zurückversetzt worden ist. Da die Kammer, was noch dar gelegt werden wird,
davon ausgeht, daß der Angeklagte Olejak nicht gleichzeitig als
Rapportführer in Jaworzno und Blechhammer eingesetzt war, können diese
Zeugen den Angeklagten frühestens ab 9. bzw. 10.11.1944 im Lager Jaworzno
gesehen und kennengelernt haben. Dies bedeutet für diese beiden Gruppen von
Zeugen, daß der Angeklagte Olejak bei ihrer eigenen Ankunft im Lager
Jaworzno nicht dort war. Es bedeutet weiter, daß während des weitaus größten
Teils des Aufenthaltes der Ungarn-Häftlinge im Lager Jaworzno, nämlich von
Anfang Juni bis fast Mitte November 1944, also etwa 5 Monate lang, ein
anderer SS.Mann die Funktion des Rapportführers ausgeübt hat.
Für die Häftlinge
aus dem Lager Lagischa bedeutet es, daß sie während der ersten eineinhalb
Monate ihres Aufenthaltes im Lager Jaworzno einen anderen SS.Mann als den
Angeklagten Olejak als Rapportführer erlebt haben müssen.
- 169 -
Beide Gruppen von
Zeugen müßten sich unter diesen Umständen, soweit sie sich überhaupt an den
Rapportführer den Lagers Jaworzno erinnern, normalerweise daran erinnern,
daß mehrere SS.Leute in Jaworzno nacheinander als Rapportführer tätig waren.
ganz besonders gilt dies für die Ungarn-Häftlinge, da für diese der
Angeklagte Olejak allenfalls nur für etwas mehr am 2 Monate als
Rapportführer tätig gewesen sein kann, während über einen Zeitraum von etwa
5 Monaten andere SS.Leute die Funktion des Rapportführers ausgeübt haben.
Schließlich kommt es
bei der Frage, welches Gewicht der Aussage eines Zeugen in dieser Frage
beigemessen werden kann oder muß, auch darauf an, in welcher .Funktion
dieser Zeuge während seines Aufenthaltes im Lager Jaworzno eingesetzt war.
Hierauf wurde im Rahmen der Beweiswürdigung bereits mehrfach hingewiesen.
Soweit Zeugen in der
Hauptverhandlung vernommen wurden, geschah dies in der Weise, daß die beiden
Angeklagten zu Beginn der Vernehmung der Zeugen nicht auf der Anklagebank,
sondern im Zuhörerraum Platz genommen hatten. Um die Erinnerungfähigkeit der
Zeuge zu überprüfen, bemühte sich die Kammer, daß neben den beiden
Angeklagten jeweils möglichst viele Vergleichspersonen, meistens männliche
Justizangehörige im gleichen Alter wie die Angeklagten, im Zuhörerraum
saßen. Nach seiner Vernehmung zur Person wurde der jeweilige Zeuge dann
aufgefordert, sich im Zuhörerraum umzusehen und zu erklären, ob er ans der
Lagerzeit bekannte Personen erkennen könne. Lediglich bei einigen Zeugen,
die vor. ihrer Vernehmung schon als Zuhörer an der Hauptverhandlung
teilgenommen und die Angeklagten daher gesehen hatten, wurde von dieser
Personenerkennung Abstand genommen
Desweiteren wurde
den Zeugen, die in der Hauptverhandlung oder aufgrund von Beschlüssen der
Kammer außerhalb der Hauptverhandlung vernommen wurden, bei ihren
Vernehmungen verschiedene
- 170 -
Lichtbilder der
beiden Angeklagten und von anderen SS.Leuten vorgelegt, die jeweils nur mit
einer Nummer und nicht mit einem Namen versehen waren. Dabei kamen 3
verschiedene Ausfertigungen von Lichtbildern zur Anwendung, die zur
Unterscheidung in den jeweiligen Niederschriften als Bildband, Bildtafel
oder lose Bilder bezeichnet wurden.
Der Bildband umfaßt
insgesamt 49 Lichtbilder, die mit den Nummern 1 - 46 und 79 - 81 bezeichnet
sind.
Dabei stellen die
Bilder 17, 18 und 19 den Angeklagten Olejak und die Bilder. 27 und 28 den
Angeklagten Pansegrau dar. Bild 17 und Bild 18 sind Brustbilder des
Angeklagten Olejak, wobei Bild 17 von der Seite und Bild 18 von vorne
aufgenommen wurde. Bei Bild 19 handelt es sich um eine von vorne
aufgenommene Ganzaufnahme. Auf allen drei Bildern trägt der Angeklagte
Olejak eine Uniform, aber keine Mütze. Diese Bilder wurden, wie der
Angeklagte Olejak glaubhaft versichert hat, im Jahre 1944 anläßlich des
Genehmigungsverfahrens für seine Hochzeit aufgenommen.
Bei den Bildern 27
und 28 handelt es sich um Brustaufnahmen des Angeklagten Pansegrau wobei
Bild 27 von vorne und Bild 28 von der Seite aufgenommen wurden. Auch der
Angeklagte Pansegrau ist auf diesen Bildern in Uniform, aber ohne Mütze zu
sehen. Wie bei dem Angeklagten Olejak sind diese Lichtbilder im Rahmen des
Genehmigungsverfahrens zur Hochzeit des Angeklagten Pansegrau, allerdings im
Jahr 1943, aufgenommen worden.
Die Lichtbilder 11
und 12 stellen den Lagerführer Bruno Pfütze, das Lichtbild Nr. 20 den
SS.Mann Felix Witowski, den Leiter der politischen Abteilung in Jaworzno,
und das Lichtbild Nr. 29 den SS.Mann Paul Kraus dar. Während Pfütze und
Witowski in Uniform, aber ohne Mütze abgebildet sind, trägt Kraus auf dem
Lichtbild Nr. 29 einen Zivilanzug, an dem ein Parteiabzeichen zu erkennen
ist.
Bei Bild Nr. 33
handelt es sich um einen Streifen mit 3 Aufnahmen des SS.Mannes Emil Hantl,
die von der Kriminalpolizei
- 171 -
In Frankfurt einige
Jahre nach Ende des Krieges, aufgenommen wurden.
Bei den Bildern Nr.
79 und 80 handelt es sich um 2 Aufnahmen des SS.Mannes Otto Hablesreiter,
die ihn in vorgerücktem Alter und in Zivil zeigen.
Der Bildband wurde
auch bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bei der Vernehmung von
Zeugen verwendet.
Bei den Bildtafeln
sind die Lichtbilder auf einem roten Blatt aus. Pappe aufgeklebt, wobei sich
die Nummer des Bildes auf der Rückseite. des Blattes befindet. Die einzelnen
Blätter mit den Lichtbildern sind nicht zusammengeheftet.
Die Bildtafeln
umfaßten bei Beginn der Hauptverhandlung zu nächst 20 Lichtbilder, die sich
größtenteils auch bereits im Bildband befanden, allerdings mit anderen
Nummern.
Hinsichtlich des
Angeklagten Olejak entspricht Bild 16 dem Bild Nr. 17 des Bildbandes, Bild
14 dem Bild Nr. 18 des Bildbandes und Bild 15 dem Bild Nr. 19 des
Bildbandes. Zusätzlich zum Bildband ist bei den Bildtafeln unter der Nr. 17
ein weiteres Lichtbild des Angeklagten Olejak vorhanden, das ihn von vorne
und in Uniform mit einer Schirmmütze zeigt. Dieses Bild ist Teil eines
Fotos, das anläßlich der Hochzeit des Angeklagten Olejak im September 1944
aufgenommen wurde und den Angeklagten Olejak zusammen mit seiner Frau zeigt.
Das vollständige Bild befindet sich in einem Umschlag am Ende des Bildbandes
und wurde ebenfalls wiederholt in Augenschein genommen.
Was den Angeklagten
Pansegrau betrifft, so ist Bild 6 der Bildtafeln mit Bild 27 des Bildbandes
und Bild 7 mit Bild 28 des Bildbandes identisch. Zusätzlich zum Bildband
stellt auch Bild 5 der Bildtafeln den Angeklagten Pansegrau dar, und zwar in
einer etwas von vorne aufgenommenen Ganzaufnahme. Auch dieses Bild, das den
Angeklagten Pansegrau in Uniform, aber
- 172 -
ohne Mütze zeigt,
wurde im Jahre 1945 anläßlich des Genehmigungsverfahrens für die Hochzeit
aufgenommen. Das Lichtbild Nr. 3 zeigt den SS.Mann Witowski und ist mit Bild
20 des Bildbandes identisch.
Die Bilder Nr. 8 und
9 stellen den Lagerführer Bruno Pfütze dar und sind mit den Bildern Nr. 11
und 12 des Bildbandes identisch.
Bei Bild 15 handelt
es sich um eine Vergrößerung eines der 3 Lichtbilder des Zeugen Emil Hantl
aus dem Bildstreifen unter Nr. 53 des Bildbandes.
Das Bild Nr. 12
stellt den SS.Mann Paul Kraus dar und ist mit Bild Nr. 29 ans dem Bildband
identisch.
Die Bilder 18 und 19
schließlich, die Otto Hablesreiter dar stellen, entsprechen den Bildern Nr.
79 und 80 des Bildbandes.
Die Lichtbilder Nr.
10 und 11 der Bildtafeln zeigen den SS. Oberscharführer Ferdinand Knoblich,
der der erste Lagerführer des Lagers Czechowitz war.
Die Lichtbilder Nr.
21,22 und 23 stellen den SS.Unterscharführer Erich Grauel dar, den
verstorbenen Ehemann der Zeugin Maria Wilk, und zwar in Uniform ohne Mütze.
Diese Lichtbilder wurden erstmals bei der Kommissarischen Vernehmung. von
Zeugen im März 1978 vor dem Amtsgericht in Tel Aviv verwendet, da sie erst
zu diesem Zeitpunkt von der Staatsanwaltschaft zu den Akten gegeben wurden.
Das Lichtbild Nr. 24
der Bildtafeln zeigt den ehemaligen SS. Mann Kurt Czapla, der, wie
ausgeführt, Nachfolger des Angeklagten Olejak als Rapportführer im Lager
Blechhammer geworden ist.
Bei den Lichtbildern
Nr. 25 und 26 handelt es sich schließlich um Aufnahmen des Zeugen Friedrich
Repke. Die Lichtbilder Nr. 24, 25 und 26 wurden nicht allen Zeugen
vorgelegt, da sie erst gegen Ende der Hauptverhandlung von der
Staatsanwaltschaft zu den Akten gegeben wurden.
- 173 -
Bei den in den
Niederschriften als lose Bilder bezeichneten Lichtbildern handelt es sich um
die gleichen 23 Bilder, die bei den Bildtafeln mit den Nummern 1 - 23
versehen sind, allerdings in einer anderen Nummerierung. Diese Bilder wurden
erst gegen Ende der Hauptverhandlung und bei kommissarischen Vernehmungen
von Zeugen verwendet. Auf die Nummerierung dieser Bilder wird, soweit
erforderlich, bei der Beweiswürdigung zu einzelnen Zeugenaussagen
eingegangen werden.
II.
Die Kammer stützt
ihre Feststellungen, daß ab November 1944 der SS.Unterscharführer Erich
Grauel und nicht der Angeklagte Olejak Rapportführer im Lager Jaworzno war,
in erster Linie auf den Inhalt des bereits mehrfach erwähnten Buches von Dr.
Milos Novy aus dem Jahre 1949 in Verbindung mit der Aussage der Zeugin Maria
Wilk sowie auf das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Person des 2.
Lagerführers im Konzentrationslager Czechowitz. Letzteres wird in einem
gesonderten Punkt erörtert werden.
1. Die Zeugin Maria
Wilk wurde am 6.11.1978 in der Hauptverhandlung und am 12.2.1979 durch das
Amtsgericht Wolfsburg im Wege der Rechtshilfe vernommen. Die Niederschrift
über diese Vernehmung wurde in der Hauptverhandlung verlesen.
Die Zeugin Wilk hat
hierbei ausgesagt, sie habe am 28.11.1942 ihren 1. Ehemann Erich Grauel
geheiratet. Dieser sei damals in Auschwitz stationiert gewesen. Er habe ihr
erzählt, er mache Dienst in der Abteilung Landwirtschaft dieses Lagers. Im
Sommer 1943 oder 1944 sei er vom Rottenführer zum Unterscharführer befördert
worden. Was er genau gemacht habe, wisse sie nicht, da er sehr schweigsam
gewesen sei und ihr wenig von seinem Dienst und dem Lager erzählt habe. Es
könne sein, daß er nach seinem Einsatz in der Landwirtschaft
Arbeitsdienstführer gewesen sei, da er erzählt habe, er teile Häftlinge zur
Arbeit ein.
- 174 -
Anfang November 1944
sei ihr Mann dann nach Jaworzno versetzt worden. Er habe am 14.11.
Geburtstag gehabt und um diese Zeit herum sei die Versetzung erfolgt. Was er
im Lager Jaworzno gemacht habe, wisse sie nicht.
Vom Samstag, den
12.1.1945 bis Montag, den 14.1.1945 habe sie ihren Mann in Jaworzno besucht.
Sie sei mit ihm auch bei dem Lager, wo er Dienst gemacht habe, gewesen.
Damals sei sie hochschwanger gewesen. Sie wisse noch genau, daß sie über ein
Wochenende bei ihm gewesen und am Montagmorgen wieder aus Jaworzno
weggefahren sei. Dies sei das letzte Mal gewesen, wo sie ihren Mann gesehen
habe.
Sie selbst sei am
folgenden Freitag, den 18.1.1945 geflüchtet. 2 Tage vorher, also am
Mittwoch, den 16.1.1945, gegen 16.00 Uhr habe sie ihren Mann aus Jaworzno
angerufen. Dabei habe er mitgeteilt, daß er an die Front müsse. Sie selbst
solle mit ihren Eltern zu seinen Eltern nach Sandersleben fahren. Bei ihrem
Besuch einige Tage vorher in Jaworzno habe er von einer bevorstehenden
Versetzung noch nichts erwähnt. Mit einem Schreiben vom 19.3.1945 sei ihr
dann mitgeteilt worden, daß Erich Grauel am 18.2.1945 bei Goldschmieden
nordwestlich von Breslau gefallen sei.
Die Kammer hat an
der Richtigkeit der Aussage der Zeugin Wilk, die am Ausgang dieses
Verfahrens kein erkennbares Interesse hat, keinen Zweifel. Allerdings
täuscht sich die Zeugin insoweit, daß sie meint, der Montag sei der 14., der
Mittwoch der 16. und der Freitag der 18.1.1945 gewesen. Tatsächlich war, wie
sich aus dem schon erwähnten immerwährenden Kalender ergibt, der fragliche
Montag bereits der 15.1.1945, sodaß sich auch das Datum für die folgenden
Tage jeweils um eine Zahl nach oben verschiebt. Die Zeugin war sich jedoch
sicher, daß sie bis Montagmorgen bei ihrem Mann in Jaworzno war, daß das
Telefongespräch am Mittwochnachmittag und ihre eigene Flucht am Freitag war.
- 175 -
Die Kammer geht
deshalb aufgrund der Aussage der Zeugin Wilk davon aus, daß der
Unterscharführer Erich Grauel von etwa Mitte November 1944 bis zum Mittwoch,
den 17.1.1945. im Konzentrationslager Jaworzno stationiert war. In welcher
Eigenschaft dies erfolgte, konnte die Zeugin nicht mitteilen.
2. Die Kammer hat im
Rahmen der bisherigen Beweiswürdigung wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß
sie das von dem Zeugen Dr. Milos Novy im Jahr 1949 veröffentlichte Buch als
ein für das vorliegende Verfahren äußerst wichtiges Beweismittel ansieht
(vgl. Bl. 92 - 95).
Zur Person des
Autors Dr. Novy und dem Inhalt dieses Buches ist, soweit er das Lager
Jaworzno und die Evakuierung dieses Lagers betrifft, noch folgendes
auszuführen.
Der Zeuge war
während seines gesamten Aufenthaltes im Lager Jaworzno, der vom 21.6.1943
bis zum 17.1.1945 dauerte, in der Häftlingsschreibstube des Lagers Jaworzno
beschäftigt. Dieser Schreibstube oblag, wie bereits ausgeführt, die gesamte
innere Verwaltung des Lager, soweit sie den Häftlingen übertragen war. Durch
diese Stellung im Lager war der Zeuge Dr. Novy in der Lage, den gesamten
Ablauf des Lagerlebens im Lager Jaworzno kennenzulernen. In dieser Funktion
kam er auch mit den im Lager selbst tätigen SS.Leuten, also den Angehörigen
der Lagerkommandantur persönlich in Kontakt. Dies ergibt sich aus den
Einlassungen der beiden Angeklagten, die bestätigt haben, daß sie mit den in
der Häftlingsschreibstube eingesetzten Funktionshäftlingen
zusammenarbeiteten. Auch der Zeuge Zejer hat ausgesagt, in seiner Funktion
als Rapportschreiber sei er praktisch täglich mit den im Lager tätigen
SS.Leuten zusammengekommen.
Daß sich Dr. Novy
während seines Aufenthaltes im Lager Jaworzno für alles, was im Lager selbst
oder im Zusammenhang mit dem Lager geschah, interessierte, beweist der
Inhalt seines Berichtes über das Lager aus dem Jahre 1949. Das
- 176 -
haben im übrigen
auch die Zeugen Bulaty, Herstik und Dr. Braun bestätigt, die Dr. Novy damals
schon gut gekannt haben und öfters mit ihm zusammen gewesen sind. Diese
haben weiter bestätigt, daß Dr. Novy über ein außerordentlich gutes
Gedächtnis verfügt habe.
Dr. Novy beschreibt
in seinem Buch die Verhältnisse im Lager Jaworzno von der Gründung des
Lagers am 15.6.1943 bis zu seiner Evakuierung am Abend des 17.1.1945 und die
Evakuierung selbst. Insbesondere schildert er sehr ausführlich die Lebens-
und Arbeitsbedingungen der Häftlinge. Im Rahmen dieser Schilderungen erwähnt
er zahlreiche einzelne Begebenheiten, die sich im Laufe des Bestehens im
Lager Jaworzno ereignet haben. Dabei nennt er sowohl auf Häftlingsseite als
auch auf Seiten der SS.Leute zahlreiche Namen. Die Angaben dieser Namen
erfolgt dabei in keinem Fall abstrakt etwa in Form eines Stellen- oder
Organisationsplanes, sondern immer nur im Zusammenhang mit bestimmten, genau
geschilderten Ereignissen des Lagerlebens.
Die Kammer hat sich,
wie bereits erwähnt, im Laufe der Hauptverhandlung bemüht, diese Angaben von
Dr. Novy soweit als möglich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Dabei
konnten praktisch keine Fehler festgestellt werden, wobei die Frage, wer am
Ende der Lagerzeit Rapportführer war, zunächst einmal außer Betracht bleiben
sollte. Lediglich hinsichtlich des Ankunftsdatums der Häftlinge aus dem
Lager Lagischa geht die Kammer davon aus, daß diese Häftlinge in der 2.
Septemberhälfte 1944 nach Jaworzno gekommen sind, während Dr. Novy meint,
die Ankunft sei im Oktober 1944 erfolgt.
Bei der Schilderung
des Schicksals der Häftlinge zu Beginn der Lagerzeit schreibt Dr. Novy. für
das Schlagen der Häftlinge sei neben den SS.Leuten, Vorarbeitern und Kapos
hauptsächlich der damalige Lagerälteste Bruno Brodnewicz mit der
Häftlingsnummer 1 verantwortlich gewesen. Daß Brodnewicz 1. Lagerältester
war, die Nummer 1 hatte und zahlreiche
- 177 -
Häftlinge schwer
mißhandelt hat, wurde von zahlreichen Zeugen bestätigt.
Als einen weiteren
für das Terrorisieren der Häftlinge verantwortlichen Mithäftling nennt Dr.
Novy den Oberkapo des Kraftwerkkommandos namens Sigmund Kittel. Daß der
Oberkapo Sigmund hieß, hat zum Beispiel der Zeuge Sicinski bestätigt.
Sehr ausführlich
schildert Dr. Novy die Flucht des 2. Lagerältesten Kurt Pennowitz aus dem
Lager Jaworzno, als deren Datum er den 23. Dezember 1944 angibt.
Dabei schreibt Novy
unter anderem, Pennowitz sei nach Abgang des Lagerältesten Brodnewicz im
April des Jahres 1944 der 2. Lagerälteste des Lagers Jaworzno geworden.
Wörtlich heißt es dann weiter:
„...Der neue
Lagerälteste lebte im Wohlstand. Tag für Tag ging er in Bekleidung seines
befreundeten Unterscharführers Paul Krause zum Bau des Elektrizitätswerkes
und nachts schlief er, öfters als in seiner Lagerunterkunft, bei Weibern in
Jaworzno.......
Gerade deshalb
überraschte seine Flucht in der Nacht des 23. Dezember 1944, als er irgendwo
beim Bummel durch Jaworzno seinen korrupten und offensichtlich betrunkenen
Begleiter Krause verließ und spurlos verschwand,...
Die Flucht von
Pennowitz hatte für Krause die Strafversetzung in ein anderes Lager zur
Folge. Der Lagerkommandant Pfütze tobte, es ging schließlich um einen
Häftling, der sämtliche Massenhinrichtungen mitgemacht hatte, beginnend
mit....“
Im Anschluß daran
beschreibt Dr. Novy den Lagerführer Bruno Pfütze, wobei er auch seine
Herkunft, Ausbildung, Rang sowie seine persönlichen Verhältnisse schildert.
Daß diese
- 178 -
Angaben zur Person
des Lagerführers Pfütze richtig sind, wurde bereits dargelegt.
Bei der Beschreibung
des Lagerführers Pfütze erwähnt Dr. Novy, daß dieser einen persönlichen
Diener, Kalfaktor genannt, gehabt habe. Bei diesem habe es sich um einen
kleinen, etwa dreißigjährigen Polen namens Wiktor Pasikowski mit der
Häftlingsnummer 745 gehandelt. Dieser sei dem Lagerführer nicht treu gewesen
und am 29.11.1944 aus dem Lager geflohen.
Hierzu ist zu
bemerken, daß diese Angaben von Dr. Novy über die Person und die Flucht des
Kalfaktors des Lagerführers in vollem Umfang durch die Aussagen der Zeugen
Wiktor Pasikowski und Wlodzislaw Smigielski bestätigt worden sind. Der Zeuge
Pasikowski hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung glaubhaft
bestätigt, daß er dem Lagerführer Pfütze zur persönlichen Dienstleistung
zugeteilt gewesen sei, daß man ihn Kalfaktor gerufen und daß er die
Häftlingsnummer. 745 gehabt habe. Weiter hat der Zeuge Pasikowski ausgesagt,
er sei am 29.11.1944 aus dem Lager Jaworzno geflohen. Allerdings vermochte
der Zeuge dieses für ihn so wichtige Datum aus der eigenen Erinnerung nicht
mehr richtig anzugeben. Er meinte zunächst, seine Flucht sei am 19. oder
29.10.1944 gewesen. Erst nach einem entsprechenden Vorhalt erklärte der
Zeuge dann, seine Flucht sei am 19. oder 29.11.1944 erfolgt. Daß die Angaben
des Fluchtdatums durch Dr. Novy richtig ist, ergibt sich auch aus der
Aussage des Zeugen Smigielski. Dieser hat glaubhaft bekundet, er sei
zusammen mit Pasikowski am 29.11.1944 aus dem Lager geflohen. Hinsichtlich
dieses Datums sei er sich ganz sicher, da er diesen Tag als 2. Geburtstag
begehe.
Schließlich sind
auch die Angaben von Dr. Novy richtig, Pasikowski sei klein und etwa 30
Jahre alt gewesen. Bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung am
5.12.1977
- 179 -
hat der Zeuge
Pasikowski dazu ausgesagt, er sei 1,54 m groß und 64 Jahre alt. Bei seiner
Flucht aus dem Lager Jaworzno war er damals deshalb gerade 31 Jahre alt.
Daß Dr. Novy den
gesamten Vorgang der Vorbereitung einer Massenflucht mit der Verhaftung von
etwa 50 Häftlingen am 18.10.1943 und der Erhängung von 26 Häftlingen am
6.12.1943 richtig beschrieben hat, wurde bereits ausgeführt.
Bei der Schilderung
des Verhaltens von Blockältesten und Kapos gegenüber Häftlingen nennt Dr.
Novy die Namen Alfred Vogel und Gustav Klotzer, genannt Gustek. An diese
beiden Häftlingsfunktionäre haben sich zahlreiche Zeugen in der
Hauptverhandlung noch erinnert. Soweit Dr. Novy dabei schreibt, es sei im
Lager auch Fußball gespielt worden, hat dies der Zeuge Seidmann bestätigt.
Er hat ausgesagt, er habe dabei selbst mitgespielt. Neben dem Lagerführer
Bruno Pfütze hat Dr. Novy jeweils in' Rahmen der Schilderung von besonderen
Ereignissen noch die SS. Leute Willers, Witowski und Paul Kraus erwähnt.
Soweit Dr. Novy dabei schreibt, Witowski sei der Chef der politischen
Abteilung in Jaworzno und Willers sei ebenfalls bei dieser Abteilung
gewesen, wurde bereits ausgeführt, daß diese Angaben richtig sind.
Den Namen Paul Kraus
nennt Dr. Novy bei der Schilderung der Flucht des 2. Lagerältesten Kurt
Pennowitz. Soweit Dr. Novy hierbei erwähnt, die Flucht des Pennowitz habe
für Kraus die Strafversetzung in am anderes Lagen zur Folge gehabt, sieht
die Kammer diese Angaben aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung nicht
als falsch an.
Zwar wollen mehrere
Zeugen den SS.Mann Paul Kraus, der wie erwähnt von den Häftlingen wegen
einer Verletzung an seiner Hand, den Spitznamen Lapka hatte, auf dem
Evakuierungsmarsch in' Januar 1945 gesehen haben, darunter die Zeugen
Shimoni, Grol, Weltfreid Mosche Jachimowicz, Krawicki, Zewski, Gerschon
Sieradzki, Orenbach und Ojzerowicz. Ojzerowicz will sogar von Kraus einen
Rucksack zum Tragen bekommen haben.
- 180 -
Demgegenüber hat die
Beweisaufnahme erhebliche Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der
SS.Unterscharführer Kraus nach der Flucht des Lagerältesten Pennowitz aus
Jaworzno abgelöst worden ist.
Hierzu hat der
bereits mehrfach erwähnte Zeuge Josef Weis ausgesagt, von den im Lager
Jaworzno eingesetzten SS.Leuten erinnere er sich an den Unterscharführer
Kraus. Dieser sei Blockführer im Lager gewesen. Kurz vor Weihnachten 1944
habe dieser eine Sache mit dem Lagerältesten gehabt. Von den SS.Leuten sei
im Speiseraum der Unterkunft anläßlich des bevorstehenden Weihnachtsfestes
ein gemütlicher Abend abgehalten worden. In dieser Nacht habe Kraus von
Jaworzno aus den Kompaniechef angerufen. Dabei habe sich ergeben, daß Kraus
den Lagerältesten mit nach Jaworzno zu Frauen genommen habe. Diese
Gelegenheit habe der Lagerälteste zur Flucht genutzt. Der Lagerführer Pfütze
sei darüber sehr ungehalten gewesen und habe ihn, den Zeugen gefragt, ob er
Krans hierzu die Erlaubnis gegeben habe. Dies habe er verneint. Kraus habe
ohne Erlaubnis nicht das Recht gehabt, den Lagerältesten mit aus dem Lager
Zn nehmen. Durch diesen Vorfall sei der gemütliche Abend unterbrochen
worden. Am folgenden Tag sei der Hauptsturmführer Schwarz, dem alle
Nebenlager unterstanden hätten, gekommen und habe Kraus mitgenommen. Er sei
sich sicher, daß Kraus danach nicht mehr in Jaworzno aufgetaucht sei.
Der Zeuge Wolf Swift
hat bei seiner Vernehmung vor dem Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in
Sydney am 15. Juli 1980 ausgesagt, er selbst sei neben seiner eigentlichen
Arbeit auch für den 2 Lagerältesten Kurt tätig gewesen. Kurt sei mit einem
SS.Mann namens Kraus befreundet gewesen. Dieser SS.Mann habe den Spitznamen
Rounschka oder Lapka gehabt, weil ihm an einer Hand 2 Finger gefehlt hätten.
Kraus habe den
Lagerältesten Kurt mit aus dem Lager genommen, wenn er die Nachtschicht zur
Kohlengrube gebracht habe. Er habe den Lagerältesten Kurt bei einer Frau
gelassen und ihn
- 181 -
dann auf dem Rückweg
mit den Häftlingen der Mittagsschicht wieder mit in das Lager genommen.
Normalerweise sei der Lagerälteste Kurt dann zwischen 22.00 Uhr und 22.30
Uhr wieder in das Lager zurückgekommen. Er habe auf die Rückkehr jeweils
gewartet, weil er seine Stiefel habe putzen müssen. Eines Tages sei der
Lagerälteste Kurt auch bis 23.30 Uhr nicht zurückgekommen. Ebenso sei Kraus
nicht ins Lager gekommen. Stattdessen sei der Lagerführer mit 3 oder 4
anderen SS.Leuten zu ihm, dem Zeugen gekommen und habe gefragt, wo der Kurt
sei. Als er dem Lagerführer erklärt habe, Kraus habe den Kurt mitgenommen,
habe dieser Einzelheiten wissen wollen. Darauf sei er auch selbst von dem
Lagerführer geschlagen worden. Kraus sei nach diesem Vorfall arrestiert
worden und aus dem Lager verschwunden. Er sei nie wieder nach Jaworzno
zurückgekehrt und habe auch am Evakuierungsmarsch nicht teilgenommen.
Der Zeuge Dr. Paul
Heller hat erklärt, seiner Erinnerung nach sei Kraus nicht bis zum Schluß im
Lager Jaworzno gewesen. Im gleichen Sinn hat sich auch der Zeuge Wigdor
geäußert.
Aus den Aussagen der
Zeugen Weis und Swift ergibt sich im übrigen, daß Dr. Novy auch die Umstände
der Flucht und den Zeltpunkt, nämlich kurz vor Weihnachten, richtig
wiedergegeben hat.
Besondere Bedeutung
kommt nach Meinung der Kammer in diesem Zusammenhang den Aussagen der Zeugen
Weis und Swift zu. Denn diese beiden wurden als einzige der vernommenen
Zeugen durch die Flucht des Lagerältesten Kurt Pennowitz persönlich
betroffen, so daß davon ausgegangen werden kann, daß ihre Erinnerung an
diesen Vorfall auch besonders gut und sicher ist. Im übrigen hält es die
Kammer für sehr unwahrscheinlich, daß die Flucht eines so wichtigen
Häftlings wie es der Lagerälteste war für den SS.Mann, der diese Flucht
durch befehlswidriges Verhalten ermöglicht hat, ohne ernsthaften Folgen
geblieben ist.
Die Kammer geht
deshalb davon aus, daß es durch das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht als
erwiesen anzusehen ist, daß die
- 182 -
Angaben von Dr. Novy
in diesem Punkt falsch sind.
Was die sehr
ausführliche Schilderung von Dr. Novy über die Einrichtung und den Betrieb
des Häftlingskrankenbaus im Lager Jaworzno betrifft, so wurde schon darauf
hingewiesen, daß die Angaben von Dr. Novy von dem im Krankenbau eingesetzten
Zeugen Dr. Heller in vollem Umfang bestätigt worden sind. Hier ist nochmals
darauf hinzuweisen, daß Dr. Novy sowohl die Namen der dort eingesetzten
SS.Leute als auch die Funktionen der Häftlinge Sepp Luger und des Zeugen Dr.
Heller richtig wiedergegeben hat.
Schließlich hat Dr.
Novy auch die Arbeitsverhältnisse der Häftlinge in den einzelnen von ihm
namentlich bezeichneten Kohlengruben zutreffend geschildert, wenn er
schreibt, in der Dachsgrube habe ein regelmäßiger Schichtwechsel
stattgefunden, während die Häftlinge in der Rudolfsgrube praktisch immer in
der gleichen Schicht hätten arbeiten müssen. Hierauf wird noch näher
eingegangen werden.
Daß Dr. Novy den
Ablauf und die Umstände des Evakuierungsmarsches richtig beschrieben hat,
wurde bereits ausführlich erörtert. Ergänzend ist hier noch darauf
hinzuweisen, daß auch einzelne Begebenheiten auf dem Marsch von Dr. Novy
richtig wiedergegeben wurden. So erwähnt Dr. Novy, am Abend des 2. Tages
habe sein Kamerad, der Jugoslawe Boris, zu phantasieren begonnen und habe
Fieber bekommen. Er selbst habe ihn zusammen mit dem Genossen Buli geführt.
Hierzu hat der Zeuge
Dr. Boris Braun, der aus Jugoslawien stammt und zu der Gruppe um Dr. Novy
und dem Zeugen Bulaty (bei dem es sich nach der Aussage des Zeugen Herstik
um den Genossen Buli handelt) gehört, ausgesagt, während des
Evakuierungsmarsches sei er in einen solch körperlich schlechten Zustand
geraten, daß er von nichts mehr wisse außer daß er von seinen Freunden,
darunter Bulaty, weitergeführt worden sei.
- 183 -
Die Kammer hält
diese umfangreichen Ausführungen zu der Person des Dr. Novy und zu dem
Inhalt seines Buches deshalb für erforderlich, weil Dr. Novy darin auch zu
einer für dieses Verfahren wesentlichen Frage, nämlich wer zum Zeitpunkt der
Evakuierung des Lagers Jaworzno dort Rapportführer war, Angaben gemacht hat.
Anläßlich der
Schilderung der Verhältnisse im Lager am Morgen des 17.1.1945, die durch die
in der Nacht zuvor erfolgte Bombardierung des Wirtschaftgebäudes bestimmt
wurden, schreibt Dr. Novy:
„...Dem
Lagerkommandanten Pfütze und dem Rapportführer Graul gelang es endlich
ungefähr 100 SS.Posten zusammenzutreiben und mit ihnen sind dann die
Kommandos zur Arbeit aufgebrochen. ...“
Bei der Schilderung
des Abends des 17.1.1945 schreibt Dr. Novy:
„...Diesmal wurden
wir von neuem aufmerksam gezählt und es wurde angeordnet, vor den Blocks in
Habacht-Stellung stehenzubleiben. Jeder Block wurde von 2 Blockführern und
einigen Posten bewacht. Alle waren in Paradeuniform für den Weg vorbereitet
und bis an die Zähne bewaffnet. Dann kam zu unserem Block der Rapportführer
Franz Graul. Der Reibe nach von einem Block zum anderen verkündete er, daß
wir auf Anordnung des Lagerkommandanten binnen 60 Minuten Jaworzno
verlassen. Er erlaubte uns auf den Weg mitzunehmen, was wir tragen könnten,
d.h. jedwede Menge Proviant und Decken. Spätostens in einer Stunde werde ein
neuer Appell sein, wer sich versteckt oder allenfalls einen Fluchtversuch
unternimmt, wird erschossen. Dann wurde angetreten.“...
Den Abmarsch der
Häftlinge aus dem Lager Jaworzno beschreibt Dr. Novy unter anderem wie
folgt:
- 184 -
„...Vor dem Tor, am
Ausgang des Lagers, stand der Vorgänger Grauls, ehemaliger Rapportführer
Otto Hablesreiter, zur Zeit letzter Kommandoführer am Kraftwerk, weicher
jetzt sogar Zigaretten an Häftlinge verschenkte. ...“
Schließlich erwähnt
Dr. Novy bei der Schilderung der Vorgänge unmittelbar nach der Ankunft im
Lager Blechhammer nochmals den Graul indem er schreibt: „...Die übrigen sind
tatsächlich nach 9.00 Uhr morgens mit Pfütze, Graul und den übrigen
SS.Männern aufgebrochen...“
Zur Person des von
Dr. Novy erwähnten SS.Mannes Otto Hablesreiter hat die Beweisaufnahme
ergeben, daß dieser tatsächlich nach der Versetzung des Angeklagten Olejak
im Frühjahr 1944 zumindest eine Zeitlang die Funktion des Rapportführers im
Lager Jaworzno innegehabt hat. Hier ist insbesondere auf die Aussagen der
Zeugen Raimund Zejer und Norbert Hirschkorn zu verweisen.
Der Zeuge Zejer,
der, wie erwähnt, ab Juli 1943 Rapportschreiber des Lagers Jaworzno war und
in dieser Funktion praktisch täglich mit dem Rapportführer zu tun hatte, hat
ausgesagt, nach der Ablösung des Angeklagten Olejak als Rapportführer sei
Otto Hablesreiter neuer Rapportführer in Jaworzno geworden.
Der Zeuge Hirschkorn
hat ausgesagt, Rapportführer im Lager Jaworzno sei ein großer, schwerer Mann
gewesen, der schon weit über 30 Jahre alt gewesen sei. Zu Bild 18 der
Bildtafeln, das Otto Hablesreiter zeigt, erklärte der Zeuge Hirschkorn dann
weiter, dies sei der Rapportführer, den er gemeint habe. An den Namen dieses
Mannes konnte sich der Zeuge auch nach Vorhalt des Namens Hablesreiter,
nicht mehr erinnern
- 185 -
Im weiteren Verlauf
seiner Vernehmung sagte der Zeuge Hirschkorn dann noch aus, dieser SS.Mann,
den er meine, sei auch zeitweilig Kommandoführer des Kraftwerkskommandos,
dem er selbst angehört habe, gewesen.
Der Zeuge Frantizek
Herstik erklärte zu Beginn seiner Vernehmung, er erinnere sich, daß der
SS.Mann Otto Hablesreiter nach dem Angeklagten Olejak Rapportführer in
Jaworzno geworden sei. Gegen Ende 1944 sei dann ein dritter SS.Mann als
Rapportführer eingesetzt geworden. Hablesreiter sei dann Kommandoführer am
Kraftwerk geworden. Diesem Kommando habe er auch selbst angehört. Zur Person
des Hablesreiter hat der Zeuge Herstik ausgesagt, dieser sei ein großer, ca.
35 Jahre alter Mann gewesen, der mit langsamen Schritten gegangen sei. Bei
Vorlage der Lichtbildtafeln hat der Zeuge Herstik Hablesreiter auf den
Bildern 18 und 19 wiedererkannt.
Die Kammer ist der
Überzeugung, daß der Zeuge Dr. Novy während seines Aufenthaltes im Lager
Jaworzno die Namen der im Lager selbst eingesetzten SS.Leute gekannt hat und
daß er sich auch bei Abfassung seines Buches unmittelbar nach dem Kriege an
diese Namen erinnert hat. Die Kammer kann keinen vernünftigen Grund dafür
erkennen, daß Dr. Novy ausgerechnet bei der Nennung des Namens den
Rapportführers ein Irrtum unterlaufen sei oder er gar absichtlich in diesem
Punkt etwas Falsches niedergeschrieben haben soll. Dabei ist zu
berücksichtigen, daß Dr. Novy den Namen Graul nicht nur einmal erwähnt,
sondern daß er bestimmte Tätigkeiten dieses SS.Mannes beschrieben und dabei
mehrmals den Namen zusammen mit der Funktionsbezeichnung genannt hat. Weiter
ist zu berücksichtigen, daß Dr. Novy diesen Bericht nicht im Rahmen eines
Strafverfahrens gegen bestimmte Täter oder für ein solches Verfahren
geschrieben hat. Sein Bericht beinhaltet vielmehr eine Schilderung seines
eigenen Schicksals und das seiner Leidensgenossen als Häftlinge in
verschiedenen Konzentrationslagern.
- 186 -
Dazu kommt noch als
entscheidender Faktor, daß es die Kammer aufgrund der Aussage der Zeugin
Maria Wilk als erwiesen ansieht, daß es ab etwa Mitte November 1944 im Lager
Jaworzno tatsächlich einen SS.Mann namens Grauel gegeben bat Daß Novy von
dem Rapportführer Franz Graul spricht, während der gefallene Ehemann der
Zeugin Wilk mit Vornamen Erich geheißen hat, bedeutet nach Überzeugung der
Kammer nicht, daß der gesamte Bericht von Dr. Novy in diesem Punkt falsch
ist. Aus der Angabe eines anderen Vornamens und einer geringfügig anderen
Schreibweise, nämlich Graul statt Grauel, kann nicht geschlossen werden, Dr.
Novy könne hier nicht den SS. Mann Erich Grauel gemeint haben, wenn er von
dem Rapportführer Graul spricht.
In diesem
Zusammenhang ist auch ein Dokument aus dem Jahr 1944 zu erwähnen, das von
dem Vorsitzenden und dem Berichterstatter anläßlich einer persönlichen
Nachforschung im Bundesarchiv in Koblenz aufgefunden und in der
Hauptverhandlung verlesen wurde.
Hierbei bandelt es
sich um die Vorschlagsliste Nr. 10 für die Verleihung des
Kriegsverdienstkreuzes 2. Klasse mit (ohne) Schwertern, die am 29.2.1944 in
Auschwitz erstellt worden ist. Unter den zur Verleihung dieser Auszeichnung
vorgeschlagenen SS.Leuten aus der Kommandantur des K.L. Auschwitz II
(Birkenau) befindet sich auch unter der laufenden Nummer 2 der SS.Mann Erich
Grauel. Im Rahmen der Begründung für diesen Vorschlag ist unter anderem
ausgeführt:
...und fand aufgrund
seiner besonderen Fähigkeiten als Arbeitsdienstführer Verwendung. In dieser
Dienststellung ist er maßgeblich für den zweckmäßigen Einsatz der Häftlinge
mitverantwortlich und bedeutet dieses auch für ihn eine erhebliche
Mehrbelastung an Arbeit. ...
- 187 -
Aufgrund der
Einlassungen der beiden Angeklagten und der Aussage des Zeugen Josef Weis
sieht es die Kammer als erwiesen an, daß es bei der Kommandantur des Lagers
Jaworzno keinen eigenen Arbeitsdienstführer gegeben hat, sondern daß diese
Aufgabe von dem jeweiligen Rapportführer miterledigt wurde. Dies ist auch
von den Häftlingszeugen bestätigt worden, die über die Gliederung der
Lagerkommandantur informiert waren. Aus der Tatsache, daß Erich Grauel vor
seinem Einsatz in Jaworzno als Arbeitsdienstführer eingesetzt war, ergibt
sich zwar nicht, daß er auch in Jaworzno in dieser Funktion und damit auch
als Rapportführer tätig gewesen sein muß. Der Inhalt dieser Vorschlagsliste
beweist jedoch, daß Grauel tatsächlich in der Lage war, die Funktion eines
Rapport- und Arbeitsdienstführers in Jaworzno wahrzunehmen. Dies war
angesichts der Tatsache, daß Grauel im Zivilberuf Schäfer gewesen ist, von
der Staatsanwaltschaft bezweifelt worden.
Die Kammer geht auch
nicht davon aus, daß die Angaben von Dr. Novy, der Rapportführer Grauel habe
am Evakuierungsmarsch teilgenommen, falsch ist.
Ein Grund für eine
solche Annahme könnte möglicherweise in der Aussage der Zeugin Wilk über den
Inhalt des Telefongesprächs gesehen werden, das sie am Nachmittag des
17.1.1945 mit ihrem damaligen Ehemann Grauel geführt hat. Dabei hat Grauel,.
wie erwähnt, gegen 16.00 Uhr seine Ehefrau angerufen und gesagt, er komme an
die Front. Sie selbst solle mit ihren Eltern zu seinen eigenen Eltern nach
Sandersleben fahren.
Aus dieser Äußerung
muß, selbst wenn sie wörtlich so gemacht worden ist, nach Meinung der Kammer
jedoch nicht geschlossen werden, daß Grauel noch im Laufe dieses Tages aus
Jaworzno weg an die Front versetzt worden ist und deshalb den
Evakuierungsmarsch nicht mitgemacht hat.
Aufgrund der
Einlassungen der beiden Angeklagten und der anderen als Zeugen vernommenen
SS.Leute wie der Zeugen Weis und Oder ergibt sich, daß die in den
Konzentrationslagern
- 188 -
eingesetzten
SS.Leute nach Abschluß der Evakuierung ihrer Lager, das heißt nach
Ablieferung der Häftlinge in einem weiter westlich gelegenen Lager, zu
Kampfverbänden abkommandiert wurden. Die Mitteilung des Erich Grauel an
seine Ehefrau im Rahmen des Telefongesprächs beweist nur, daß Grauel zu
diesem Zeitpunkt von einer bevorstehenden Versetzung an die Front Kenntnis
hatte. Die Kammer hält es für durchaus möglich und sogar wahrscheinlich, daß
Grand die Tatsache, daß zuerst die Häftlinge in ein anderes Lager gebracht
wer den sollten, gegenüber seiner Ehefrau für nicht erwähnenswert gehalten
hat. Denn wie sich aus dem übrigen Inhalt des Telefongesprächs ergibt, kam
es Grauel vor allem darauf an, seine Frau und seine Schwiegereltern über die
Notwendigkeit einer Flucht zu informieren und ihnen hierfür ein Ziel,
nämlich den Wohnort seiner eigenen Eltern, zu nennen. Weiter wollte Grauel
mit der Mitteilung, er komme an die Front, sicherlich zum Ausdruck bringen,
daß er selbst seiner Frau bei der Vorbereitung und der Durchführung dieser
Flucht nicht behilflich sein könne. Das war aber auch dann der Fall, wenn er
sich vor seiner Versetzung an die Front noch um die Evakuierung der
Häftlinge kümmern mußte.
Im übrigen haben
sowohl der Angeklagte Pansegrau als auch der Zeuge Weis bestätigt, daß es
unmittelbar vor Beginn des Evakuierungsmarsches keine Versetzungen von
einzelnen SS.Leuten aus Jaworzno gegeben hat. Die Kammer hält es auch für
höchst unwahrscheinlich, daß der nach dem Lagerführer wichtigste Mann,
nämlich der Rapportführer, mitten in den Vorbereitungen für die am gleichen
Tag noch geplante Evakuierung der Häftlinge aus dem Lager versetzt worden
ist.
Auch aus der Aussage
des Zeugen Dr. Novy vor dem Stadtgericht in Prag kann nicht geschlossen
werden, daß es Ende 1944 In Jaworzno keinen Rapportführer namens Grauel
gegeben hat.
- 189 -
Bei dieser
Vernehmung hat der Zeuge Dr. Novy ausgesagt, er sei am 21.6.1943 von
Auschwitz nach Jaworzno gebracht worden. Er erinnere sich an die Namen
Olejak und Pansegrau. Letzterer sei ein Volksdeutscher aus Polen, der mit
Vornamen Ewald geheißen habe. Er sei Kommandoführer an der Bauabteilung
gewesen. Er würde sich weiter an den SS.Mann Witowski erinnern, der Chef der
politischen Abteilung gewesen sei.
Zum
Häftlingskrankenbau sagte Dr. Novy, an den Namen Emil Hantl erinnere er sich
nicht, auch nicht an den Namen des tschechischen Häftlingsarztes.
Zum
Evakuierungsmarsch sagte der Zeuge Dr. Novy dabei aus, er erinnere sich, daß
an dem Marsch der Lagerkommandant Bruno Pfütze und der Rapportführer Otto
Hablesreiter teilgenommen hätten, welche die Marschkolonne geführt hätten.
Ein Vergleich dieser
Aussage des Zeugen Dr. Novy mit dem Inhalt seines Buches beweist, daß selbst
sichere Erinnerungen eines Menschen allein schon durch einen längeren
Zeitablauf verändert werden oder ganz entfallen können. So erinnerte sich
Dr. Novy 1975 nicht mehr an den Namen Emil Hantl, obwohl er ihn als 3. SDG
des Lagers Jaworzno in seinem Buch ausführlich beschrieben hat. Das gleiche
gilt für den Namen des Zeugen Dr. Heller, den er in seinen Buch jedenfalls
mit dem Vornamen Pavel richtig erwähnt hat.
Soweit Dr. Novy
ausgesagt hat, er erinnere sich, daß an dem Evakuierungsmarsch der
Rapportführer Otto Hablesreiter teilgenommen habe, so stellt sich hier die
Frage, ob der Zeuge mit dieser Formulierung zum Ausdruck bringen wollte, daß
Hablesreiter zum Zeitpunkt des Beginns des Evakuierungsmarsches
Rapportführer oder ob er überhaupt einmal Rapportführer in Jaworzno gewesen
ist. Eine endgültige und sichere Klärung war in diesem Punkt nicht möglich,
da der Zeuge nicht danach gefragt werden konnte.
- 190 -
Die Kammer ist,
ebenso wie bei dem Zeugen Czapla, der Meinung, daß bei Widersprüchen
zwischen Äußerungen, die unmittelbar nach Kriegsende gemacht wurden und
solchen, die 20 oder 30 Jahre später gemacht wurden, in der Regal davon
ausgegangen werden kann, daß die Erinnerungen eines Menschen in der ersten
Zeit nach den betreffenden Ereignissen frischer, sicherer und präziser sind
als zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt.
Im Übrigen beweist
der Inhalt dieser Vernehmung, daß Dr. Novy in seinem Bericht über das Lager
Jaworzno nicht alle ihm bekannten Angehörigen der SS.Lagerkommandantur
erwähnt hat. So erinnerte sich der Zeuge an den Angeklagten Pansegrau und
konnte noch 1975 den Vornamen, das ungefähre Alter und seine Herkunft
nennen.
Zur Person des
Angeklagten Olejak, den er in seinem Buch aus dem Jahre 1949 nicht erwähnt
hat, hat Dr. Novy nach dem Inhalt der Niederschrift aus dem Jahr 1975
lediglich erklärt, dieser Name sei ihm bekannt. Offenbar ist der Zeuge nicht
gefragt worden, woher ihm der Name bekannt ist. Eine weitere Klärung dieser
Frage war nicht möglich, weil der Zeuge mit Rücksicht auf seinen
Gesundheitszustand weder in der Hauptverhandlung, noch im Wege der
Rechtshilfe vernommen werden konnte. Auch der Versuch, eine schriftliche
Äußerung des Zeugen zu dieser Frage zu erlangen scheiterte aus dem gleichen
Grund.
Die Kammer kann
deshalb in diesem Punkt nur auf die Aussage des bereits erwähnten Zeugen
Frantizek Herstik zurückgreifen. Dieser Zeuge, der ebenso wie Dr. Novy in
Prag wohnt, erklärte bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung, er habe
noch kurze Zeit vorher mit Dr. Novy gesprochen. Dabei habe ihm Dr. Novy
erklärt, Olejak sei der erste Rapportführer des Lagers Jaworzno gewesen.
Diese Aussage des Zeugen Dr. Novy gegenüber dem Zeugen Herstik deckt sich
genau mit den Feststellungen der Kammer.
Die Kammer sieht
deshalb in der Angabe des Zeugen Dr. Novy in seinem Buch aus dem Jahre 1949
in Verbindung mit der Aussage der Zeugin Maria Wilk den wichtigsten
Anhaltspunkt für ihre Feststellung, daß von November 1944 bis zum Ende der
Lagerzeit der SS.Unterscharführer Erich Grauel Rapportführer des Lagers
Jaworzno war.
- 191 -
In diesem
Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, daß nach dem gesamten Ergebnis der
Hauptverhandlung davon ausgegangen werden muß , daß es im Lager Jaworzno
immer nur einen Rapportführer gegeben hat. Dies haben neben den beiden
Angeklagten praktisch alle Zeugen, die sich an die Person des oder der
Rapportführer erinnern konnten, bestätigt. Hier sei nur auf die Aussagen der
Funktionshäftlinge Zejer, Pasikowski, Smigielski, Sicinski und Dr. Heller
hingewiesen.
3. Im übrigen hat
die Beweisaufnahme zum Lager Jaworzno noch weitere Anhaltspunkte dafür
ergeben, daß der Angeklagte Olejak nach seiner Versetzung aus Jaworzno im
Frühjahr 1944 nicht mehr dorthin zurückgekehrt ist.
Der Zeuge Moritz
Salz, der in Viernheim wohnt, hat in der Hauptverhandlung ausgesagt, er sei
von Oktober 1943 bis zur Evakuierung des Lagers Jaworzno als Häftling in
diesem Lager Inhaftiert gewesen. Den Evakuierungsmarsch habe er nicht
mitgemacht, da er von Oktober oder November 1944 an im Krankenbau stationär
behandelt worden sei. Er erinnere sich daran, daß der Angeklagte Olejak
Rapportführer des Lagers Jaworzno gewesen sei. Er sei von ihm einmal selbst
geschlagen worden. Ab etwa Mitte des Jahres 1944 an habe er Olejak in
Jaworzno nicht mehr gesehen. Bei der Würdigung der Aussage dieses Zeugen ist
allerdings zu berücksichtigen, daß er sich ab Oktober/November 1944 im
Häftlingskrankenbau befunden hat und den Angeklagten Olejak, wenn dieser
tatsächlich im November 1944 nach Jaworzno zurückgekehrt wäre, nicht
unbedingt hätte sehen müssen.
Der Zeuge Karl
Fried, ein tschechischer Häftling, der jetzt in Frankfurt wohnhaft ist, hat
bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung ausgesagt, er sei am 21.6.1943
als Häftling nach Jaworzno gekommen und habe auch den Evakuierungsmarsch
mitgemacht.
- 192 -
Der Angeklagte
Olejak sei am Anfang des Bestehens des Lagers als Angehöriger der
Lagerkommandantur in Jaworzno gewesen. Aus der Tatsache, daß Olejak im Lager
die Rapporte abgenommen habe, schließe er, daß Olejak Rapportführer gewesen
sei. In Jaworzno habe es jeweils nur einen Rapportführer gegeben.
Olejak sei nur kurze
Zeit Rapportführer gewesen, dann sei diese Funktion von anderen SS.Leuten
ausgeübt worden. Seiner Erinnerung nach sei Olejak nicht bis zum Schluß in
Jaworzno gewesen. Mit Sicherheit könne er jedoch nicht ausschließen, daß
Olejak wieder nach Jaworzno zurückgekehrt sei. Bei diesem Zeugen ist zu
berücksichtigen, daß er schon im Lager Jaworzno zu den Freunden des
Lagerschreibers Dr. Novy gehört und auch dessen Buch über Jaworzno gelesen
hat. Allerdings können seine Angaben über den Angeklagten Olejak nicht aus
diesem Buch stammen, da Olejak darin nicht erwähnt ist.
Der bereits erwähnte
Zeuge Frantizek Herstik, ein tschechischer Häftling, der derzeit in Prag
wohnhaft ist, hat ausgesagt, er sei vom 7.9.1943 an in Jaworzno gewesen und
habe auch die Evakuierung mitgemacht.
Der Zeuge Herstik
hat zu Beginn seiner Vernehmung die beiden Angeklagten, die zu diesem
Zeitpunkt mit allerdings nur zwei Justizangehörigen als Vergleichspersonen
im Zuhörerraum des Sitzungssaales saßen, richtig wiedererkannt.
Weiter hat der Zeuge
bekundet, in Jaworzno habe es nacheinander 3 Rapportführer gegeben, nämlich
Olejak, Hablesreiter und Graul. Daran, daß es 3 Rapportführer gegeben habe,
erinnere er sich selbst. Lediglich an die Namen habe er sich nicht mehr von
sich aus erinnert, diese habe er vielmehr aus dem Buch von Dr. Novy
entnommen, das er kurze Zeit vor seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung
nochmals gelesen
- 193 -
habe. Er treffe auch
öfters mit Dr. Novy in Prag zusammen, wobei ihm dieser gesagt habe, Olejak
sei der erste Rapportführer des Lagers Jaworzno gewesen. Weiter hat der
Zeuge ausgesagt: Neben dem Rapportführer habe es im Lager noch die Block und
Kommandoführer gegeben. Von ihnen erinnere er sich an Lauschmann, Markewitz,
Kraus, der eine verkrüppelte Hand gehabt habe, und den Angeklagten Pansegrau.
Lauschmann habe als besonderes Kennzeichen goldene Zähne gehabt.
Hablesreiter sei kurz vor der Evakuierung des Lagers von seinem Posten als
Rapportführer abgelöst und Kommandoführer am Kraftwerk geworden. Der
Nachfolger von Hablesreiter auf dem Posten des Rapportführers habe eine
Figur wie der Angeklagte Olejak gehabt und sei etwa 25 - 30 Jahre alt
gewesen. Seiner Erinnerung nach sei Olejak am Schluß nicht mehr in Jaworzno
gewesen, er habe ihn auch nicht bei der Evakuierung des Lagers gesehen.
Zn diesem Zeugen ist
zu bemerken, daß er an die im Lager Jaworzno eingesetzten SS.Leute eine gute
Erinnerung hat. So hat er den SS.Mann Otto Hablesreiter richtig als
zeitweiligen Rapportführer und zeitweiligen Kommandoführer des
Kraftwerkkommandos beschrieben und sich auch daran erinnert, daß Lauschmann,
womit er offensichtlich den SS.Mann Lausmann meint, goldene Zähne gehabt
habe. Allerdings besteht bei dem Zeugen Herstik auch die Möglichkeit, daß
seine eigene Erinnerung durch die Gespräche mit Mithäftlingen, insbesondere
dem Zeugen Dr. Novy, und die Lektüre des Buches von Dr. Novy geprägt und
überlagert worden ist, ohne daß sich der Zeuge dessen bewußt ist.
Der Zeuge Pesach
Nitenberg, der im Wege der Rechtshilfe vor dem Amtsgericht in Tel Aviv
vernommen und dessen Aussage in der Hauptverhandlung verlesen wurde, hat
ausgesagt, er sei im Herbst 1943 nach Jaworzno gekommen und habe auch den
Evakuierungsmarsch mitgemacht. während des größten Teiles
- 194 -
seines Aufenthaltes
in Jaworzno sei er im Lager selbst als Friseur für die Häftlinge eingesetzt
gewesen. Er erinnere sich an die SS.Leute Olejak und Pansegrau, wobei er
letzteren als Panzergrau im Gedächtnis habe. Seiner Erinnerung nach seien
diese beiden SS.Leute am Schluß nicht mehr in Jaworzno gewesen. Besonderer
Bedeutung hat die Kammer der Aussage dieses Zeugen allerdings nicht
beigemessen, da die Erinnerung des Zeugen an die im Lager eingesetzten
SS.Leute nicht besonders sicher und in vielen Punkten auch falsch war. So
hat er zu dem SS.Mann Pansegrau gemeint, er habe auch den Spitznamen Lapka
gehabt. Diesen Namen hatten die Häftlinge aber, wie bereits dargelegt, dem
Block- und Kommandoführer Paul Kraus gegeben.
Mehr Gewicht mißt
die Kammer in dieser Frage der Aussage der Ehefrau des Angeklagten Pansegrau,
der Zeugin Irmgard Pansegrau bei. Diese hat im Rahmen ihrer Vernehmung in
der Hauptverhandlung ausgesagt, sie habe den Angeklagten Olejak als
Arbeitskollegen ihres Mannes gut gekannt und sie habe ihn im Jahre 1943 und
Anfang 1944 öfters in Jaworzno getroffen. Anfang Sommer 1944 habe sie von
dem SS.Mann Fischer gehört, Olejak sei aus Jaworzno versetzt worden. Sie
habe ihn dann nicht mehr gesehen, auch nicht während der Evakuierung dieses
Lagers. Auch Kraus sei am Schluß nicht mehr in Jaworzno gewesen.
4. Schließlich
werden die Feststellungen der Kammer zu dieser Frage auch durch die
Einlassung des .Angeklagten Pansegrau bestätigt.
Im Rahmen seiner
Einlassung in der Hauptverhandlung am 4.10. 1977 hat der Angeklagte
Pansegrau erklärt, an Ostern 1944 sei er nach der Auseinandersetzung mit dem
Spieß der Wachkompanie in Jaworzno verhaftet worden. Bei seiner Rückkehr ans
der Haft in Auschwitz sei Olejak nicht mehr da gewesen.
- 195 -
Wohin er versetzt
worden sei, könne er nicht sagen. Anstelle von Olejak sei ein neuer
Rapportführer dagewesen, der Graul geheißen habe. Dieser habe ungefähr die
Größe und die Haarfarbe von Olejak gehabt, in den Schultern sei er
allerdings kräftiger gewesen. Den Vornamen, die Herkunft und den Beruf
dieses Graul wisse er nicht, nur daß er Unterscharführer gewesen sei.
Seiner Erinnerung
nach sei Olejak beim Evakuierungsmarsch nicht dabeigewesen, das habe er auch
schon früher so gesagt. Ob Graul bis zum Schluß in Jaworzno gewesen sei,
wisse er nicht sicher.
In der
Hauptverhandlung vom 3.3.1978 erklärte der Angeklagte Pansegrau dann weiter,
ihm sei jetzt wieder eingefallen, daß Graul von Beruf Schäfer gewesen sei
und er ihn in der Abteilung Landwirtschaft des Hauptlagers in Auschwitz
kennen gelernt habe. Graul müsse nach Jaworzno gekommen sei als er selbst in
Haft gewesen sei.
Bei der Würdigung
dieser Einlassung des Angeklagten Pansegrau ist, ebenso wie bei den Aussagen
der Zeugen in der Hauptverhandlung, zu Berücksichtigen, daß die betreffenden
Ereignisse mehr als 30 Jahre zurückliegen. Es ist deshalb durchaus möglich,
daß sich ein Mensch im Laufe der Zeit, in der er sich zwangsläufig mit der
Vergangenheit beschäftigt, an Dinge und Personen richtig erinnert, an die er
sich zunächst überhaupt nicht erinnert hat. Deshalb macht die Tatsache, daß
der Angeklagte Pansegrau bei seiner 1. Vernehmung zur Sache am 4.8.1976, die
ihm wiederholt vorgehalten worden ist, erklärt hat, einen
Kommandanturangehörigen namens Graul habe es in Jaworzno nicht gegeben, ihn
nicht von vorneherein unglaubwürdig. Denn aufgrund der glaubwürdigen Aussage
des Zeugen Wilk sieht es die Kammer als erwiesen an, daß es gegen Ende 1944
tatsächlich einen SS.Mann Graul in Jaworzno gegeben hat. Dabei ist darauf
- 196 -
hinzuweisen, daß zu
dem Zeitpunkt, als der Angeklagte Pansegrau diese Angaben machte, weder dem
Gericht noch den Angeklagten oder ihren Verteidigern bekannt war, daß die
Witwe des SS.Mannes Erich Graul, nämlich die Zeugin Wilk, von der
Staatsanwaltschaft ermittelt war und als Zeugin in der Hauptverhandlung
vernommen werden konnte Eine entsprechende Erklärung gab die
Staatsanwaltschaft erst in der Hauptverhandlung vom 17.7.1978 ab. Der
Angeklagte Pansegrau konnte deshalb bei seiner Einlassung zur Person des
SS.Mannes Graul nicht davon ausgehen, daß diese von der Zeugin Wilk
bestätigt werden würde.
Im übrigen ist auch
die Einlassung des Angeklagten Pansegrau, er sei zusammen mit Graul bei der
Abteilung Landwirtschaft im Konzentrationslager Auschwitz gewesen, durch das
Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigt worden. Hierzu wurde in der
Hauptverhandlung auszugsweise ein Plan über die Stellenbesetzungen der
Kommandantur des Konzentrationslagers Auschwitz nach dem Stand vorn 1.2.1941
verlesen. In diesem Plan sind der Angeklagte Pansegrau und der damalige
SS.Sturmmann Erich Grauel als Mitglieder der Abteilung Landwirtschaft
ausdrücklich aufgeführt.
Das Argument der
Staatsanwaltschaft, der Angeklagte Pansegrau sei in diesem Punkt deswegen
nicht Glaubhaft, da er von einer Versetzung des Angeklagten Olejak aus
Jaworzno erst gesprochen habe, nachdem ihm das Verteidigungskonzept des
Angeklagten Olejak bekannt geworden sei, ist nicht richtig. In der bereite
erwähnten Vernehmung vom 4.8.1976 hat der Angeklagte Pansegrau zur Person
des damaligen Mitbeschuldigten Olejak folgendes gesagt:
...Der Rapportführer
hieß Hans Olejak. Er war die ganze Zeit mit mir in Jaworzno bis zur
Evakuierung. Er hat auch den Evakuierungsmarsch mitgemacht. Ich kann nicht
sagen, wie weit er ihn mitgemacht hat. Am Anfang war er jedenfalls da.
- 197 -
Er stammt aus
Oberschlesien und wir kannten uns. Befreundet waren wir nicht. Er war bei
meiner Hochzeit. Trauzeugen bei meiner Hochzeit war der Lagerführer Pfütze
und der Hauptmann von der Wachkompanie. Ich glaube er ist später
weggekommen. Ich kann es haute aber nicht mehr sagen. Ich habe nicht in
Erinnerung, ob Olejak einmal längere Zeit von Jaworzno weg war. Mir kommt
jetzt in Erinnerung, daß einmal ein älterer Mann als Rapportführer da war.
Mir kommt auch jetzt in Erinnerung, daß Olejak weggekommen ist. Ich bin hier
mißverstanden worden. Es ist möglich, daß Olejak später weggekommen ist, ich
kann es aber nicht sagen. Auf nochmaliges Befragen gebe ich an, daß ich
meine, daß Olejak bei der Evakuierung da war. Eine konkrete Erinnerung an
ihn habe ich im Zusammenhang mit dem Evakuierungsmarsch nicht. ...
Unter
Berücksichtigung des gesamten Inhalts dieser Vernehmung ergibt sich, daß
sich der Angeklagte Pansegrau zum damaligen Zeitpunkt über die Dauer des
Aufenthaltes des Angeklagten Olejak in Jaworzno und über die Frage, ob
Olejak am Evakuierungsmarsch teilgenommen hat, nicht sicher war und es
damals für möglich hielt, daß Olejak aus dem Lager Jaworzno versetzt und
nicht mehr dorthin zurückgekehrt ist.
Die Kammer sieht
deshalb die Einlassung des Angeklagten Pansegrau in Verbindung mit der
Aussage der Zeugin Maria Wilk als wichtigen Anhaltspunkt dafür an, daß Ende
1944 der SS.Mann Erich Graul und nicht der Angeklagte Olejak Rapportführer
in Jaworzno war. Daß die Angaben des Angeklagten Pansegrau über den
Zeitpunkt des Beginns der Tätigkeit des SS.Mannes Graul im Lager Jaworzno
mit der Aussage der Zeugin Wilk nicht genau übereinstimmen, macht den
Angeklagten Pansegrau angesichts des Zeitablaufs von mehr als 30 Jahren
nicht insgesamt unglaubwürdig, soweit er in diesem Punkt Angaben gemacht
hat.
- 198 -
F)
Die Kammer ist davon
überzeugt, daß die Einlassung des Angeklagten Olejak, er sei im November
1944 von Blechhammer aus als Lagerführer in das Lager Czechowitz versetzt
worden und sei nicht mehr nach Jaworzno zurückgekehrt, richtig ist.
Das Gericht hat in
der Hauptverhandlung neun ehemalige Häftlinge des Lagers Czechowitz als
Zeugen vernommen. Dabei handelt es sich um die Zeugen Ernst Kraschewski, Zwi
Gutmann, Josef Goldberg, Pesach Stark, Gedaliau Unikowski, Fritz Hirsch,
Erwin Habal, Mosche Silberstein und Werner Waag.
Die Zeugen Unikowski
und Goldberg sind zusätzlich noch einmal im Wege der Rechtshilfe durch den
zuständigen Richter des Amtsgerichts Tel Aviv in Anwesenheit der gesamten
Kammer vernommen worden, da sie einer weiteren Vorladung zur
Hauptverhandlung keine Folge geleistet hatten.
Von zwei weiteren
ehemaligen Häftlingen des Lagers Czechowitz wurden polizeiliche Aussagen
verlesen, da diese Zeugen zwischenzeitlich verstorben bzw. aus
Gesundheitsgründen nicht mehr vernehmungsfähig sind. Hierbei handelt es sich
um die Zeugen Schlomo Gruenfeld und Walter Rubinstein.
Schließlich wurden
in der Hauptverhandlung mehrere Briefe ehemaliger Häftlinge des Lagers
Czechowitz verlesen, da die Verfasser entweder verstorben oder unbekannten
Aufenthaltes sind. Dabei handelt es sich um die ehemaligen Häftlinge Dr.
Josef Weil und Czidbor Erban bzw. Czidbor Erdely. Zu den letzteren ist zu
bemerken, daß nach einem Schreiben der Hauptkommission in Prag vom 8.8.1979
die Herren Erban und Erdely identisch sind.
Weiter wurden in der
Hauptverhandlung drei ehemalige Angehörige der Lagerkommandantur bzw. der
Wachmannschaft des Lagers Czechowitz vernommen. Dabei handelt es sich um die
Zeugen Erich
- 199 -
Ligon, Friedrich
Repke und Theo Streicher. Ein weiteres Mitglied der Wachmannschaft, der
zeuge Florian Walloschek, wurde im Wege der Rechtshilfe durch die zuständige
polnische Richterin vernommen
I.
Als wichtigsten
Anhaltspunkt ihrer Feststellung, daß der Angeklagte Olejak ab November 1944
Lagerführer im Lager Czechowitz war, sieht die Kammer neben dem unter E)
erörterten Ergebnis der Beweisaufnahme zur Person des letzten Rapportführers
des Lagers Jaworzno die Tatsache an, daß die Beschreibung, die der
Angeklagte Olejak von dem Lager Czechowitz, der Umgebung des Lagers, dem
Arbeitseinsatz der Häftlinge, den dort eingesetzten SS.Leuten und ihrer
Unterbringung und von der Evakuierung dieses Lagers gegeben hat, durch das
Ergebnis der Beweisaufnahme im wesentlichen bestätigt worden ist.
1. Aufgrund der
Aussagen der Zeugen Hirsch, Goldberg, Gutmann, Stark und Unikowski geht die
Kammer davon aus, daß das Konzentrationslager Czechowitz im September 1944
errichtet worden ist. Die genannten Zeugen haben bei ihren Vernehmungen
übereinstimmend bekundet, sie seien zu dieser Zeit nach Czechowitz gekommen.
Vor ihrer Ankunft seien noch keine Häftlinge dort gewesen. Der Zeuge Hirsch
hat weiter glaubhaft berichtet, bei der Ankunft der ersten Häftlinge sei für
das Lager noch nichts vorbereitet gewesen.
Auch der Zeuge
Streicher hat ausgesagt, er sei als Mitglied der Wachmannschaft mit den
ersten Häftlingen im Herbst 1944 nach Czechowitz gekommen. Der Zeuge Ligon,
der mach seiner Aussage in der Hauptverhandlung zeitweise Angehöriger der
Lagerkommandantur des Lagers Czechowitz war, hat bekundet,
- 200 -
das Lager sei im
September 1944 errichtet worden. Als Unterkunft für die Häftlinge wurde ein
Stallgebäude eingerichtet. Dies haben alle Zeugen, die im Lager Czechowitz
als Häftlinge oder SS.Leute gewesen sind, übereinstimmend bestätigt. Dieses
Gebäude ist, wie bei dem am 19.9. 1977 in Czechowitz durchgeführten
Augenschein festgestellt wurde, mit geringfügigen Änderungen heute noch
erhalten und dient als Schweinestall. Dieses Gebäude ist ca. 66 m lang und
fast 9 m breit und hatte 1944 an der Vorderseite 3 Eingänge. Letzteres
ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen Habal, Silbertstein und Unikowski.
Im Inneren war das
Stallgebäude unterteilt, wobei sich rechts ein kleinerer Raum für die
Funktionshäftlinge befand. Dies haben die Zeugen Kraschewski, Habal und
Unikowski bestätigt. Im Inneren des Gebäudes führte eine Treppe in das
Dachgeschoß, wo sich mehrere Werkstätten, darunter eine Schneiderwerkstatt
befanden. Dies ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen Hirsch, Habal, Stark
und Unikowski. Der Zeuge Habal hat hierzu ausgesagt, er habe selbst in dem
Raum geschlafen, aus dem die Treppe nach oben geführt habe. Der Zeuge Stark
hat erklärt, er habe diese Treppe im Inneren des Gebäudes täglich benutzt,
da er in der im Dachboden gelegenen Schneiderwerkstatt gearbeitet habe.
Demgegenüber hält die Kammer die Aussagen der Zeugen Silberstein und Ligon,
die als einzige der vernommenen Zeugen meinten, die Treppe auf den Dachboden
habe an der Außenseite des Gebäudes nach oben geführt, in diesem Punkt nicht
für glaubhaft.
Das Stallgebäude
wurde mittels elektrischer Ventilatoren geheizt, was der Zeuge Habal
glaubhaft bekundet hat.
Links an dem Gebäude
befand sich ein Anbau mit einer Duschmöglichkeit für die Häftlinge. Dies
haben die Zeugen Unikowski und Silbertstein im Rahmen ihrer Vernehmung in
der
- 201 -
Hauptverhandlung
ausgesagt.
Hinsichtlich der
Frage, wo die kranken Häftlinge in Czechowitz untergebracht waren, hat die
Hauptverhandlung kein eindeutiges Ergebnis erbracht. Der Zeuge Kraschewski
hat hierzu ausgesagt, es haben keinen eigenen Krankenbau oder eine eigene
Krankenabteilung gegeben. Die Kranken seien vielmehr rechts im Stallgebäude
im Raum des Häftlingsarztes untergebracht worden. In dieser Weise hat sich
auch der Zeuge Goldberg geäußert.
Der Zeuge Habal hat
ausgesagt, in der Mitte des Stalles im Erdgeschoß sei ein eigener Raum für
die kranken Häftlinge eingerichtet gewesen. Demgegenüber hat der Zeuge Stark
bekundet, kranke. Häftlinge hätten auf Stroh im Dachgeschoß. des
Stallgebäudes gelegen.
Welche dieser
Aussagen richtig ist oder ob die kranken Häftlinge vielleicht zunächst im
Erdgeschoß und zu einem späteren Zeitpunkt im Dachgeschoß oder gleichzeitig
in beiden Etagen des Stallgebäudes untergebracht wurden, konnte nicht sicher
geklärt werden.
Hinsichtlich der
Zahl der im Lager Czechowitz inhaftierten Häftlinge geht die Kammer davon
aus, daß nach Czechowitz 2 größere und mehrere kleine Häftlingstransporte
gekommen sind. Von den in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen haben die
Zeugen Goldberg. Gutmann, Stark, Unikowski und Silberstein bekundet, sie
seien mit dem ersten größeren Transport nach Czechowitz gekommen.
Hinsichtlich der Stärke dieses Transportes sprach der Zeuge Goldberg von 300
Häftlingen, der Zeuge Gutmann von 100 - 200 Häftlingen, der Zeuge Stark von
300 - 400 Häftlingen, der Zeuge Unikowski von 300 Häftlingen und der Zeuge
Silberstein ebenfalls von 300 Häftlingen. Die Kammer ist deshalb der
Meinung, daß diesem Transport ca. 300 Häftlinge angehört haben.
- 202 -
Die Zahl ergibt sich
im übrigen auch aus den Aussagen der Zeugen Streicher und Habal sowie aus
einem Brief des ehemaligen Häftlings Dr. Josef Weil vom 15.2.1945. Der Zeuge
Streicher hat hierzu ausgesagt, er sei als Mitglied der Wachmannschaft mit
dem ersten Transport von Häftlingen nach Czechowitz gekommen, diesem
Transport hätten 200 - 300 Häftlinge angehört. Der Zeuge Habal hat bekundet,
bei seiner Ankunft in Czechowitz seien bereits 300 Häftlinge dort gewesen.
Dr. Josef Weil hat
in dem erwähnten Brief ausgeführt, er selbst sei im Oktober 1944 als
Häftling nach Czechowitz gebracht worden. Etwa 4 Wochen vorher seien bereits
an die 300 Häftlinge dorthin gekommen. Aus diesem Brief des Zeugen Dr. Weil
und den Aussagen der Zeugen Streicher und Habal ergibt sich weiter, daß im
Oktober 1944 weitere 300 Häftlinge nach Czechowitz gekommen sind.
Dr. Weil hat hierzu
geschrieben, er selbst sei im Oktober 1944 mit 300 Juden, meist
tschechischer und Holländer Nationalität, die aus Theresienstadt gekommen
seien, nach Czechowitz gebracht worden. Die gleichen Angaben hat der Zeuge
Habal in der Hauptverhandlung gemacht. Der Zeuge Streicher schließlich hat
ausgesagt, etwa 1 Monat nach dem ersten Transport sei ein weiterer Transport
von Häftlingen nach Czechowitz gebracht worden.
Die Kammer geht
deshalb davon aus, daß sich ab Oktober 1944 bis zur Evakuierung dieses
Lagers ca. 600 Häftlinge in Czechowitz aufgehalten haben. Daß ein größerer
Transport von Häftlingen aus dem Lager Czechowitz weggebracht wurde, hat
keiner der Zeugen bestätigt.
Die Kammer ist
deshalb auch davon überzeugt, daß die in Band 32 Bl. 8 - 17 d.A. befindliche
Liste mit 596 Häftlingsnummern, die die Überschrift
- 203 -
Arbeitslager
Czechowitz
Reihenuntersuchungen, durchgeführt am 9.11.1944 trägt, echt ist und den
tatsächlichen Häftlingsstand am 9.11.1944 wiedergibt.
Nach Ankunft der
ersten Häftlinge in Czechowitz wurde um das Stallgebäude ein
Stacheldrahtzaun mit einigen Wachtürmen aus Holz errichtet. Dies ergibt sich
aus der Aussage des Zeugen Streicher. In den Lagerbereich führten 2 Tore,
und zwar ein mehr rechtsgelegenes größeres für Kraftfahrzeuge und ein weiter
links gelegenes für die Häftlinge. Dies hat der Zeuge Silberstein glaubhaft
bekundet.
Innerhalb des Zaunes
wurde in der Nähe des letztgenannten Tores ein kleines, aus vorgefertigten
Teilen errichtetes Holzhaus, ein sogenanntes "Finnenzelt" aufgestellt, in
dem die Schreibstube des Lagers untergebracht wurde. Dies ergibt sich aus
den Aussagen der Zeugen Hirsch, Streicher, Gutmann, Habal und insbesondere
aus der Aussage des Zeugen Kraschewski, der als Lagerschreiber selbst in
diesem Häuschen seinen Arbeitsplatz hatte.
Ein weiteres
Finnenzelt wurde außerhalb dieses Tores als Aufenthaltsraum für die am Tor
diensttuenden Wachleute aufgestellt. Dies hat der Zeuge Repke glaubhaft
bekundet.
Mit Ausnahme des
Zeugen Silberstein haben alle anderen Zeugen die als Häftlinge in Czechowitz
waren, ausgesagt, das Essen für die Häftlinge sei nicht in' Lager selbst
gekocht, sondern in mehreren Kübeln von außerhalb in das Lager gebracht
worden. Die Kammer ist deshalb der Meinung, daß sich der Zeuge Silberstein,
ebenso wie bei der Treppe, in diesem Punkt irrt.
Aufgrund der
Aussagen der Zeugen Hirsch, Goldberg, Gutmann, Unikowski und Silbertstein
geht die Kammer davon aus, daß
- 204 -
in unmittelbarer
Nähe des Zaunes, und zwar rechts vom Lager, ein kleines Haus stand, in dem
Zivilisten, darunter eine ältere polnische Frau, gewohnt haben. Diese ältere
Frau hat öfters zum Fenster hinausgeschaut und sich auch mit den Häftlingen
unterhalten. Die genannten 5 Zeugen haben dies im Rahmen ihrer Aussagen in
der Hauptverhandlung unabhängig voneinander bestätigt.
Aus der Aussage des
Zeugen Habal ergibt sich, daß vor dem eigentlichen Lagerbereich parallel zum
Lagerzaun eine Scheune stand, die jedoch nicht zum Lager gehörte. Dies hat
auch der Zeuge Streicher in seiner Aussage bestätigt.
2. Ihre
Feststellungen hinsichtlich der weiteren Umgebung des Lagers, insbesondere
der Unterkunftsbaracken für die Wachmannschaften und Angehörigen der
Lagerkommandantur, stützt die Kammer auf die Aussagen der Zeugen Repke und
Streicher. Von den Häftlingszeugen konnte hierzu keiner genaue und sichere
Angaben machen.
Der Zeuge Repke hat
ausgesagt, er sei im Spätherbst 1944, etwa 8 Wochen vor Weihnachten, nach
Czechowitz versetzt worden. Damals habe er den Rang eines
SS.Oberscharführers innegehabt, Bei seiner Ankunft in Czechowitz sei das
Lager schon fertig errichtet gewesen. Mit der Verwaltung des Lagers selbst
habe er nichts zu tun gehabt, er sei deshalb auch nicht im eigentlichen
Lagerbereich gewesen. Die Verwaltung des Lagers habe in den Händen von 2
SS.Leuten gelegen. Insoweit wird auf die Aussage des Zeugen Repke in anderem
Zusammenhang noch näher eingegangen werden. Seine Aufgabe in Czechowitz sei
die Führung und Ausbildung der Wachmannschaft gewesen.
Außerhalb des
Lagerzaunes seien in einer Entfernung von ca. 100 m mehrere Gebäude
gestanden, die seiner Erinnerung nach in massiver Bauweise errichtet gewesen
seien. In einem
- 205 -
der Gebäude sei die
Wachmannschaft, in einem anderen Italienische Arbeiter, im dritten Lehrlinge
und im vierten die Wirtschafträume untergebracht gewesen. Die Lehrlinge
seien jedoch nicht bis zum Schluß dort gewesen, sondern an die Front verlegt
worden.
Bei seiner Ankunft
in Czechowitz habe er ein Zimmer in der in der Nähe gelegenen Raffinerie als
Unterkunft erhalten. Etwa vier Wochen vor Weihnachten sei ein neuer
Lagerführer gekommen. Dieser habe erreicht, daß cm Teil des Gebäudes, in
dein die italienischen Arbeiter untergebracht gewesen seien, abgeteilt und
als Unterkunft für die drei in Czechowitz stationierten SS.Leute, nämlich
den Lagerführer, seinen Gehilfen und ihn selbst, eingerichtet worden seien.
Der Eingang für
diese Räume habe sich in der Mitte einer Stirnseite der Baracke befunden.
Daran habe sich ein kleiner Flur angeschlossen. Links von diesem Flur sei
der Raum des dritten SS.Mannes und dahinter sein eigener gewesen, rechts von
diesem Flur hätten der oder die Raume des neuen Lagerführers gelegen.
Der Zeuge Streicher,
der nach seiner Aussage nur kurze Zeit als Angehöriger der Wachmannschaft in
Czechowitz stationiert war, hat ebenfalls bekundet, daß es außerhalb des
umzäunten Lagerbereichs mehrere Gebäude oder Baracken gegeben habe, von
denen eine als Unterkunft für die Wachen gedient habe. Der Zeuge Streicher
hat weiter ausgesagt, in Czechowitz habe es italienische Arbeiter gegeben.
Wo diese untergebracht waren, konnte er allerdings nicht mehr sagen.
Die Kammer hat keine
Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser beiden Zeugen. Auf die Person des
Zeugen Repke wird noch näher eingegangen werden.
- 206 -
3. Sämtliche Zeugen
haben bestätigt, daß - mit Ausnahme der im Lager selbst tätigen und der
kranken Häftlinge - die im Lager Czechowitz inhaftierten Häftlinge in einer
in der Nähe gelegenen Raffinerie zu Aufräumungsarbeiten eingesetzt wurden.
Die Zeugen Hirsch, Ligon und Streicher haben insoweit bekundet, daß diese
Raffinerie im August 1944 bombardiert und schwer beschädigt worden war.
Außer zu Aufräumungsarbeiten wurden die Häftlinge auch, was der Zeuge Habal
glaubhaft bekundet hat, zum Bau von Schutzmauern um Öltanks eingesetzt
Aufgrund der Aussage
des Zeugen Streicher geht die Kammer davon aus, daß zu Beginn der Lagerzeit
die auf dem Gelände der Raffinerie eingesetzten verschiedenen
Häftlingskommandos einzeln bewacht wurden. Dies hat der Zeuge Streicher, der
selbst Mitglied der Wachmannschaft war, glaubhaft bekundet. Der Zeuge hat
weiter bekundet, er habe einige Zeit nach seiner Versetzung aus Czechowitz
erfahren, daß die Bewachung der Häftlinge während der Arbeit geändert und
dann in Form einer Postenkette um das gesamte Arbeitsgelände erfolgt sei.
Wie ihm dies bekannt wurde, konnte der Zeuge Streicher nicht mehr angegeben.
Dagegen hat der
Zeuge Repke, der nach seiner Versetzung nach Czechowitz als Chef der
Wachmannschaft fungierte, ausgesagt, während seiner Zeit in Czechowitz sei
keine Änderung in der Art der Bewachung der Häftlinge bei der Arbeit
vorgenommen worden und die Häftlinge seien immer durch eine Postenkette
bewacht worden. Die Aussagen der Zeugen Streicher und Repke stehen insofern
zu einander in Widerspruch, als der Zeuge Streicher ausgesagt hat, der neue
Oberscharführer, der für die Wachmannschaft zuständig gewesen sei, also der
Zeuge Repke, sei etwa drei Wochen vor seiner eigenen Versetzung aus
Czechowitz dort hin gekommen. Aufgrund dieser beiden Aussagen sieht es die
Kammer als erwiesen an, daß
- 207 -
die Bewachung der
Häftlinge zunächst durch einzelne Wachkommandos und dann durch eine
Postenkette um das ganze Gelände erfolgt ist.
4. Aufgrund des
Ergebnisses der Beweisaufnahme zum Lager Czechowitz geht die Kammer davon
aus, daß der eigentlichen Lagerkommandantur in Czechowitz jeweils zwei
SS.Leute angehört haben, nämlich der Lagerführer und sein Stellvertreter.
Dies ergibt sich aus
den Aussagen der Zeuge Ligon,. Streicher, Repke, Kraschewski, Hirsch,
Goldberg, Unikowski und Silberstein.
Der Zeuge Ligon, der
mehrfach in der Hauptverhandlung vernommen wurde, hat ausgesagt, er sei bei
der Errichtung des Lagers nach Czechowitz gekommen. Lagerführer sei der
SS.Oberscharführer Knobloch geworden. Er selbst habe im Range eines
Unterscharführers sowohl im Lager als auch auf dem Gelände der Raffinerie
Dienst gemacht. Außer ihnen beiden sei im Lager kein SS.Mann tätig gewesen.
Er selbst sei Ende des Jahres 1944 aus Czechowitz versetzt worden. Grund
hierfür sei gewesen, daß er für Häftlinge Briefe aus dem Lager geschmuggelt
habe, was bekannt geworden sei. Zum Zeitpunkt seiner Versetzung sei der
Knobloch noch Lagerführer gewesen. Er selbst habe an seiner Uniform in
Czechowitz als einziger ein Reiterabzeichen getragen.
Der Zeuge Streicher
hat hierzu ausgesagt, im Lager selbst seien der Lagerführer und ein zweiter
SS.Mann als Arbeitsdienstführer eingesetzt gewesen. Lagerführer sei ein
großer, starker Mann mit Namen Knoblich gewesen. Der Arbeitsdienstführer sei
Unterscharführer gewesen und habe einen dunklen Teint und eine Hakennase
gehabt. Hierzu ist zu bemerken, daß diese Beschreibung auf den Zeugen Ligon
zutrifft, da dieser, wie bei seiner Vernehmung festgestellt wurde, eine
dunkle Hautfarbe und auch eine stark ausgeprägte Hakennase hat
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Der Zeuge Streicher
hat weiter bekundet, bei seiner eigenen Versetzung aus Czechowitz, die Ende
Oktober Anfang November 1944 erfolgt sei, seien sowohl der Lagerführer
Knoblich als auch der Arbeitsdienstführer mit der Hakennase noch in
Czechowitz gewesen.
Er habe dann im
Lager Monowitz, wohin er von Czechowitz aus gekommen sei, erfahren, daß etwa
14 Tage nach ihm auch der Lagerführer und der Arbeitsdienstführer aus
Czechowitz versetzt worden seien. Ob diese Versetzung gleichzeitig erfolgt
sei, könne er nicht sagen.
Der Zeuge Repke hat
bekundet, bei seiner Ankunft in Czechowitz, die etwa 8 Wochen vor
Weihnachten im Oktober 1944 erfolgt sei, sei ein Oberscharführer als
Lagerführer in Czechowitz gewesen. Dieser sei von der Figur her groß und
stark gewesen, an seinen Namen könne er sich nicht mehr erinnern. Dieser
habe im Lager noch einen Helfer von der SS. gehabt. Zur Person dieses Mannes
könne er keine näheren Angaben mehr machen. Etwa 4 Wochen vor Weihnachten
1944 sei der Oberscharführer von einem Unterscharführer als Lagerführer
abgelöst worden. Letzterer sei dann bis zum Schluß Lagerführer geblieben.
Auf die weiteren Angaben, die der Zeuge Repke zu diesem Unterscharführer
gemacht hat, wird in anderem Zusammenhang noch näher eingegangen werden.
Der zeuge
Kraschewski, der in der Hauptverhandlung mehrmals als Zeuge vernommen wurde,
hat ausgesagt, er sei als Lagerschreiber im Lager Czechowitz eingesetzt
gewesen. Im Lager selbst seien von der SS. immer nur zwei Leute gewesen,
nämlich der Lagerführer und sein Stellvertreter. Lagerführer sei der
SS.Oberscharführer Knoblich gewesen. Seiner Erinnerung nach sei Knoblich
während der gesamten Zeit des Bestehens des Lagers Czechowitz als
Lagerführer tätig gewesen. Es könne jedoch auch möglich sein, daß in der
Lagerführung
- 209 -
ein Wechsel
eingetreten sei. Er habe an diese Dinge keine genauen Erinnerungen mehr.
Neben Knoblich sei
noch ein weiterer SS.Mann im Lager tätig gewesen, der als besonderes
Kennzeichen ein Reiterabzeichen getragen habe und wahrscheinlich Ligon
geheißen habe. Bei einer Gegenüberstellung mit dem Zeugen Ligon hat der
Zeuge Kraschewski diesen als den Mann wiedererkannt, den er mit dem
Reiterabzeichen beschrieben hatte.
Weiter hat der Zeuge
Kraschewski ausgesagt, dieser SS.Mann Ligon sei wahrscheinlich nicht bis zum
Schluß in Czechowitz gewesen. Da er Briefe von Häftlingen, auch von ihm
selbst aus dem Lager geschmuggelt habe, sei er aus Czechowitz versetzt
worden. Über seinen Nachfolger könne er nichts sagen.
Der Zeuge Hirsch hat
ausgesagt, er sei mit den ersten jüdischen Häftlingen im Herbst 1944 nach
Czechowitz gekommen, wo er als Kapo eingesetzt worden sei. Lagerführer sei
ein SS.Mann namens Knoblich geworden. Neben diesem sei von der SS. noch ein
Unterscharführer da gewesen. An den Namen dieses SS.Mannes hat sich der
Zeuge Hirsch zunächst nicht erinnert. Nach Vorhalt des Namens Ligon erklärte
er dann, so habe dieser Unterscharführer geheißen. Er selbst sei nur kurze
Zeit im Lager gewesen. Wegen einer Frauengeschichte sei er von Ligon
angezeigt und deshalb in das Hauptlager zurückversetzt worden. Dies könne im
Oktober oder November 1944 gewesen sein. Er sei sich ganz sicher, daß
Knoblich zu diesem Zeitpunkt noch als Lagerführer beschäftigt gewesen sei.
Der Zeuge Goldberg
hat ausgesagt, im Lager selbst seien immer nur zwei SS.Leute gewesen.
Daß es in der
Lagerführung einen Wechsel gegeben hat, haben auch die Zeugen Unikowski,
Silberstein, Rubinstein und Waag bekundet.
- 210 -
Unter Zugrundelegung
dieses Ergebnisses der Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, daß
der erste Lagerführer des Lagers Czechowitz ein SS.Oberscharführer namens
Knoblich gewesen ist. Dies haben die Zeugen Ligon, Streicher, Repke,
Kraschewski und Hirsch übereinstimmend bekundet. An der Zuverlässigkeit der
Aussagen dieser Zeugen hat die Kammer keinen Zweifel, da sie als Mitglieder
der Kommandantur (Zeuge Ligon) der Wachmannschaft (Zeugen Streicher und
Repke) und als Funktionshäftlinge im Lager Czechowitz (Zeugen Kraschewski
und Hirsch) mit dem Lagerführer selbst in ständigem Kontakt gewesen sind.
Zur Person dieses
SS.Oberscharführers Knoblich ist noch zu bemerken, daß es sich dabei um den
am 14.10.1916 in Kleinmorau im Ostsudetenland geborenen Ferdinand Knoblich
gehandelt hat. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen Ligon, der bei
Vorlage der Lichtbildtafeln zu den Bildern Nr. 10 und 11, die diesen SS.Mann
darstellen, erklärt hat, die auf diesen Bildern abgebildete Person sei der
Lagerführer Knobloch. Daß der Zeuge Ligon von Knobloch und nicht von
Knoblich spricht, scheint der Kammer dabei ohne Bedeutung, da er jedenfalls
den ersten Lagerführer des Lagers Czechowitz meint. An der Zuverlässigkeit
der Aussage des Zeugen Ligon hat die Kammer keinen Zweifel, da er, wie
erwähnt, als Vertreter dieses Lagerführers sehr eng mit ihm
zusammengearbeitet hat. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, daß der
genannte SS.Mann Knoblich Ende 1944 tatsächlich den Rang eines
Oberscharführers inne hatte. Dies ergibt sich aus einer in der
Hauptverhandlung teilweise. verlesenen Gebührniskarte, wonach Knoblich am
1.4.1943 zum Oberscharführer befördert worden ist.
Aufgrund der
Aussagen der genannten Zeugen hat die Kammer weiter keinen Zweifel daran,
daß der SS.Oberscharführer Knoblich zu einem von dem Zeugen nicht genau zu
bestimmenden Zeitpunkt im Oktober oder November 1944 abgelöst wurde.
- 211 -
Was die Person des
neuen Lagerführers betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Zeugen
Ligon, Streicher und Hirsch dazu keine Angaben machen konnten. Denn zu dem
Zeitpunkt, als sie aus Czechowitz versetzt bzw. verlegt wurden, war, wie sie
glaubhaft bekundet haben, Knoblich noch Lagerführer.
Ihre Feststellung,
daß der Oberscharführer Knoblich von einem körperlich relativ kleinen
Unterscharführer abgelöst wurde, stützt die Kammer in erster Linie auf die
Aussage des Zeugen Friedrich Repke. Gegenüber dieser Aussage scheinen die
Bekundungen der Zeugen Waag und Silberstein, die in diesem Zusammenhang von
einem relativ großen Oberscharführer sprechen, nicht glaubwürdig.
Dabei ist zu
bedenken, daß der Zeuge Repke von dem in der Hauptverhandlung und im Wege
der Rechtshilfe vernommenen Zeugen, die im Lager Czechowitz stationiert oder
inhaftiert waren, neben dem Zeugen Kraschewski als Lagerschreiber der
einzige ist, der mit dem 2. Lagerführer selbst persönlichen und dienstlichen
Kontakt hatte. Insoweit wird auf die Aussage des Zeugen Repke und seine
Glaubwürdigkeit gerade in diesem Fall seiner Aussage noch näher eingegangen
werden.
Daß die
Wachmannschaft des Lagers Czechowitz von Angehörigen der Organisation Todt
und ehemaligen Wehrmachtsangehörigen gebildet wurde, ergibt sich aus den
Aussagen der Zeugen Repke, Streicher, Walloschek, Hirsch und Kraschewski.
Der Zeuge Repke hat
hierzu ausgesagt, er sei zur Ausbildung der Wachmannschaft nach Czechowitz
versetzt worden. Diese habe in erster Linie aus Wehrmachtsangehörigen
bestanden. Daneben seien auch noch Angehörige der Organisation Todt zum
Wachdienst eingesetzt worden. Insgesamt seien es etwa 15 Leute gewesen.
Der Zeuge Streicher
hat bekundet, er sei Angehöriger der Wehrmacht gewesen. Infolge einer
Erkrankung sei er zu den
- 212 -
Landesschützen
versetzt und dann nach Auschwitz abkommandiert worden. Nach etwa einem Monat
sei er dann nach Czechowitz verlegt worden. Mit ihm seien noch 5 – 6 andere
Wehrmachtsangehörige nach Czechowitz gekommen. Außer ihnen seien noch 2
SS.Leute von der Lagerkommandantur und einige OT-Leute dort eingesetzt
worden.
Der Zeuge Florian
Walloschek hat ausgesagt, er sei Angehöriger der Wehrmacht gewesen und als
solcher nach einer Verwundung nach Auschwitz und von dort nach Czechowitz
versetzt worden. Außer einigen anderen Wehrmachtsangehörigen seien noch
Angehörige der Organisation Todt in Czechowitz tätig gewesen. Er erinnere
sich noch an den SS.Mann Repke. Dieser sei nur für die Wachmannschaft
zuständig gewesen, mit dem Lager selbst habe. er nichts zu tun gehabt.
Insoweit bestätigt der Zeuge Walloschek die Aussage des Zeugen Repke.
Der Zeuge Hirsch,
der wie erwähnt nur kurze Zeit als Kapo im Lager Czechowitz tätig war, hat
ausgesagt, die Häftlinge seien von Wehrmachtsangehörigen, darunter den
Zeugen Streicher und von OT-Leuten bewacht worden.
Der Zeuge
Kraschewski schließlich hat ausgesagt, die Organisation Todt sei der Träger
des Lagers Czechowitz gewesen. Er könne sich allerdings insoweit an keine
Namen von Angehörigen der Organisation mehr erinnern.
Daß es bei der
Organisation Todt einen Mann namens Dotzauer gegeben hat, haben die Zeugen
Hirsch und Streicher jeweils nach Vorhalt dieses Namens bestätigt. Der Zeuge
Streicher hat sich nach einem entsprechenden Vorhalt auch daran erinnert,
daß es in Czechowitz einen Mann namens Weiß gegeben bat, von dem er
allerdings nur sagen konnte, daß er den Rang eines Sturmmannes innegehabt
habe.
- 213 -
5. Hinsichtlich der
Evakuierung des Lagers hat die Beweisaufnahme ergeben, daß diese am Abend
des 18.1.1945, also einen Tag nach der Evakuierung des Lagers Jaworzno,
begonnen hat.
Dieses Datum
18.1.1945 für den Beginn der Evakuierung haben die Zeugen Gruenfeld,
Rubinstein, Stark und Habal in ihren Aussagen genannt. Zur Aussage des
Zeugen Habal ist zusätzlich noch zu bemerken, daß er dieses Datum schon im
Jahr 1946 gegenüber einem Herrn Pawel Nettel gemacht bat. Dies ergibt sich
aus einem in der Hauptverhandlung verlesenen Brief eines zwischenzeitlich
verstorbenen Herrn Nettel aus dem Jahre 1946. Auch der Zeuge Dr. Josef Weil
hat in dem bereits erwähnten Brief vom 13.2.1945 geschrieben, die
Evakuierung habe am 18.1.1945 begonnen.
Daß der Abmarsch der
Häftlinge aus dem Lager in den Abendstunden erfolgte, haben die Zeugen Habal,
Silberstein, Gruenfeld, Waag, Stark und Repke ausgesagt. Dr. Weil schreibt
hierzu in dem erwähnten Brief, der Abmarsch der Häftlinge sei um 7.00 Uhr
abends erfolgt. Von den im Lager inhaftierten knapp 600 Häftlingen blieben
120 - 130 im Lager zurück, darunter die Zeugen Habal und Dr. Weil. Die
übrigen Häftlinge wurden zu Fuß evakuiert. Die Anzahl der im Lager
zurückgebliebenen Häftlinge ergibt sich aus den Aussagen des Zeugen Habal
und dem erwähnten Brief des Zeugen Dr. Weil. Der Zeuge Habal hat hierzu
glaubhaft ausgesagt, er habe sich schon am nächsten Tag, also am 19.1.1945
die Namen und teilweise auch die Nummern der im Lager zurückgebliebenen
Häftlinge notiert. Deshalb wisse er noch genau, daß auf der Krankenabteilung
des Lagers 24 Häftlinge und aus dem übrigen Lager 89 Häftlinge, also
insgesamt 123 Häftlinge im Lager zurückgeblieben seien. Der Zeuge Dr. Weil
hat in dem Brief vom 15.2.1945, also nur etwa 4 Wochen nach der Evakuierung,
die Zahl der zurückgebliebenen Häftlinge mit 131 beziffert. Die Kammer gebt
deshalb
- 214 -
davon aus, daß am
Evakuierungsmarsch etwa 450 Häftlinge teilgenommen haben.
Hinsichtlich des
Verlaufs und der Dauer der Evakuierung sieht es die Kammer aufgrund des
Ergebnisses der Beweisaufnahme als erwiesen an, daß die Häftlinge nach einem
längeren Fußmarsch und einer Pause auf einem Bauernhof in offene
Güterwaggons verladen wurden. Nach einer mehrtägigen Bahnfahrt, die über das
KZ Groß-Rosen führte, erreichte dieser Transport am 23.1.1945 das
Konzentrationslager Buchenwald. Das Datum 23.1.1945 als Ankunftstag im
Konzentrationslager Buchenwald ergibt sich aus der Aussage des Zeugen
Gruenfeld. Daß der Bahntransport über das Konzentrationslager Groß Rosen
führte, wo die Häftlinge jedoch nicht aufgenommen wurden, hat der Zeuge
Stark bestätigt.
Zu der Frage, wie
lange der Fußmarsch dauerte und wann die erwähnte Pause auf dem Bauernhof
eingelegt wurde, hat die Beweisaufnahme kein klares und eindeutiges Ergebnis
gebracht
Der Zeuge Repke hat
hierzu ausgesagt, der Fußmarsch habe zunächst nur bis Mitternacht gedauert.
Bis zum nächsten Morgen sei dann eine Pause in der Scheune eines Bauernhofes
eingelegt worden. Nach einem weiteren, kurzen Fußmarsch sei die Verladung
der Häftlinge in offene Güterwaggons erfolgt.
Die Zeugen Unikowski,
Stark und Gruenfeld erinnerten sich daran, daß einmal während der Nacht eine
Pause in einer Scheune eingelegt wurde.
Demgegenüber haben
die Zeugen Goldberg, Silberstein, Rubinstein und Waag bekundet, die erste
Nacht nach Verlassen des Lagers sei bis zum Morgen des nächsten Tages
durchmarschiert und dann Tagsüber auf einem Bauernhof in einer Scheune
gerastet worden. Der Zeuge Rubinstein hat weiter ausgesagt, nach dieser
Pause in der Scheune sei die folgende Nacht wieder durchmarschiert worden
und am folgenden Morgen die
- 215 -
Verladung in die
Waggons erfolgt. Der Zeuge Waag hat bekundet, die Verladung der Häftlinge
sei nur kurze Zeit nach dem Abmarsch aus der Scheune erfolgt.
Der Zeuge Stark
schließlich hat ausgesagt, der Fußmarsch habe etwa eine Woche gedauert.
Alle Zeugen die die
Evakuierung mitgemacht haben, haben übereinstimmend bekundet, daß der
Bahntransport mehrere Tage gedauert hat.
Bei diesem Ergebnis
der Beweisaufnahme sieht es die Kammer
als erwiesen an, daß
während des Fußmarsches eine längere Ruhepause in der Scheune eines
Bauernhofes eingelegt wurde. Nicht sicher geklärt werden konnte dagegen, ob
es sich hier bei um eine Übernachtung oder um eine Pause während des Tages
gehandelt hat. Aufgrund der Aussage des Zeugen Waag sieht es die Kammer als
erwiesen an, daß während dieser Pause Getränke an die Häftlinge ausgeteilt
wurden. Dies hat der Zeuge Waag bestätigt.
Aufgrund der Aussage
des Zeugen Repke sieht es die Kammer weiter als erwiesen an, daß die
Scheune, in der sich die Häftlinge während der Pause aufhielten, zu einem
Bauernhof gehört hat, der damals bewohnt war. Der Zeuge Repke hat hierzu
ausgesagt, zu den Bewohnern dieses Bauernhofes hätten auch zwei oder drei
Mädchen in jugendlichem Alter gehört.
Aufgrund der Aussage
der Zeugen Repke und Kraschewski geht die Kammer auch davon aus, daß von den
Häftlingen während des Fußmarsches ein Schlitten mitgezogen bzw. geschoben
wurde. Der Zeuge Repke hat weiter glaubhaft bekundet, daß die OT-Leute,
nicht mit dem Zug nach Buchenwald gefahren, sondern auf dem Bahnhof
zurückgeblieben seien.
Schließlich ist die
Kammer aufgrund der Aussage dieses Zeugen auch davon überzeugt, daß kurze
Zeit nach dem Verlassen des Lagers der Evakuierungskolonne eine Gruppe von
Häftlingsfrauen angeschlossen wurde. Hierzu ist folgendes zu bemerken:
- 216 -
Da der Angeklagte
Olejak im Rahmen seiner Einlassung und auch schon in einem Schriftsatz
seines Verteidigers vor Beginn der Hauptverhandlung davon gesprochen hatte,
daß ihm kurze Zeit nach Verlassen des Lagers von einem am Wege stehenden
Parteigenossen 14 weibliche Häftlinge übergeben worden seien, die er auf dem
Evakuierungsmarsch mitgenommen habe, wurden alle Zeugen, die an der
Evakuierung des Lagers Czechowitz teilgenommen haben, nach etwaigen
Beobachtungen in dieser Richtung betragt. Bei seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung am 12. 1.1978 erklärte der Zeuge Repke auf die Frage des
Vorsitzenden, ob während des Marsches Frauen dazu gekommen seien, das könne
möglich sein.
Der Zeuge Repke
wurde am. 29.11.1979 nochmals in der Hauptverhandlung vernommen.
Zu dieser Aussage
ist folgendes zu bemerken:
Gegen den Zeugen
Repke wurde bei der Staatsanwaltschaft Lübeck unter dem Aktenzeichen 2 Js
201/79 ein Ermittlungsverfahren durchgeführt, in dem er am 17.7.1979
ausführlich von einem Staatsanwalt über das Lager Czechowitz und die
Evakuierung dieses Lagers vernommen worden ist. Bei der Schilderung des
Evakuierungsmarsches hat der Zeuge Repke unter anderem ausgesagt, auf dem
Weg zwischen dem Lager und einem Bauernhof, wo eine Rastpause eingelegt
worden sei, sei eine Gruppe von 20 oder mehr Frauen in den Zug eingereiht
worden. Diese Frauen seien zusammen mit einem oder zwei Polizeioffizieren am
Wegesrand gestanden. Der Unterscharführer, der das Lager und auch den
Evakuierungsmarsch geleitet habe, habe sich zu dem Polizeioffizier begeben
und dort einen Schein unterschrieben. Auf sein des Zeugen, Frage an den
Unterscharführer, was denn diese Frauen mit der Evakuierung zu tun hätten,
habe dieser geantwortet, die Frauen gehörten dazu, sie müßten mitgenommen
werden.
Eine Abschrift der
Vernehmungsniederschrift vom 17.7.1979 wurde von der Staatsanwaltschaft
Lübeck an die Staatsanwaltschaft
- 217 -
Würzburg übersandt,
wo sie am 26.7.1979 eingegangen ist.
Der Kammer war
zunächst weder die Tatsache bekannt, daß gegen Repke ein
Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Lübeck durchgeführt wird
noch wurde ihr der Inhalt der Vernehmung vom 19.7.1979 von der
Staatsanwaltschaft Würzburg mitgeteilt.
Erst nachdem die
Staatsanwaltschaft Würzburg aufgrund eines Beschlusses der Kammer vom
29.10.1979 ihre Ermittlungsakten 1 Ja 75/73, die andere Beschuldigte aus dem
Lager Jaworzno betreffen, dem Gericht Anfang November 1979 übergeben hatte,
wurde dem Gericht bekannt, daß gegen Repke bei der Staatsanwaltschaft Lübeck
ein Ermittlungsverfahren durchgeführt wird und daß er in diesem Verfahren am
17.7.1979 als Beschuldigter vernommen worden ist
Den beiden
Angeklagten und ihren Verteidigern wurde dieser Sachverhalt in der
Hauptverhandlung vom 13.11.1979 bekanntgegeben und daraufhin die nochmalige
Vernehmung des Zeugen Repke in der Hauptverhandlung angeordnet.
In dieser am
29.11.1979 durchgeführten Vernehmung hat der Zeuge Repke ausgesagt, kurz
nach Verlassen des Lagers Czechowitz habe ein Offizier mit einer Gruppe von
Frauen am Weg gestanden. Dieser habe dem Lagerführer die Frauen übergeben.
Was zwischen dem Offizier und dem Lagerführer gesprochen worden sei , wisse
er nicht. Er wisse auch nicht, ob der Lagerführer ein Dokument
unterschrieben habe. Der Lagerführer habe ihm dann selbst gesagt, diese
Frauen gehörten nun zu ihrer Gruppe. Die Übergabe der Frauen sei kurz nach
dem Verlassen des Lagers und noch vor der Übernachtung in der Scheune
erfolgt.
Die Kammer hat an
der Glaubwürdigkeit des Zeugen Friedrich Repke hinsichtlich seiner gesamten
in der Hauptverhandlung am 9.1.1978, 12.11.1978 und 29.11.1979 gemachten
Aussage keinen Zweifel. Der Zeuge hat bei seinen Aussagen klar und deutlich
unterschieden zwischen Personen und Ereignissen an die er sich noch sicher
- 218 -
erinnert bat und
solchen Begebenheiten, an die er sich wegen des langen Zeitablaufs nicht
mehr erinnern konnte. Soweit sich der Zeuge erinnern konnte, hat er seine
Aussage ohne gravierende Widersprüche gemacht. Dies gilt insbesondere
hinsichtlich seiner Schilderung der neuen Wohnräume, die der 2. Lagerführer
des Lagers Czechowitz für die drei in Czechowitz eingesetzten SS.Leute
errichten lies.
Was die Teilnahme
von weiblichen Häftlingen am Evakuierungsmarsch betrifft, hat sich der
Zeugen Repke, als er zum ersten Mal in der Hauptverhandlung danach gefragt
wurde, nicht konkret daran erinnern können. Er hat dies allerdings damals
schon für möglich gehalten und nicht etwa verneint. Daß er sich bei seiner
Vernehmung als Beschuldigter bei der Staatsanwaltschaft Lübeck am 17.7.1979,
also etwa eineinhalb Jahre später an die Teilnahme von Frauen am
Evakuierungsmarsch und sogar noch an die näheren Einzelheiten der Übergabe
erinnern konnte, hat der Zeuge damit erklärt, daß er zwischen diesen
Vernehmungen viel nach gedacht und ihm diese Sache dabei wieder eingefallen
sei. Diese Erklärung des Zeugen Repke erscheint durchaus glaubhaft. Denn der
Sachverständige Prof. Dr. Undeutsch, dem sich das Gericht insoweit nach
eigener Überzeugungsbildung anschließt, hat hierzu erklärt, daß es keine
Aussage eines Menschen gebe, die seine ganze und vollständige Erinnerung
wiedergebe. Zwischen verschiedenen Vernehmungen könnten durchaus inhaltliche
Unterschiede bestehen. Allerdings könne kein Mensch von einem bestimmten
Vorfall oder einer bestimmten Person verschiedene Erinnerungsbilder haben.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist in den Vernehmungen des Zeugen
Repke im Januar 1978 und Juli 1979 bzw. November 1979 kein ernsthafter
Widerspruch zu erkennen. Der Zeuge Repke hat vielmehr lediglich eine
Erinnerung, die er schon bei der ersten Vernehmung hatte, in den weiteren
Vernehmungen näher konkretisiert.
Die Beweisaufnahme
hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der Zeuge Repke zu seiner
Aussage vor der Staatsanwaltschaft Lübeck am 17.7.1979 oder in der
Hauptverhandlung
- 219 -
am 29.11.1979 von
dritter Seite in irgendeiner Form beeinflußt worden ist. Zum einen hat der
Zeuge Repke dies ausdrücklich verneint. Zum anderen war es dem Gericht bis
zur Aushändigung der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft nicht bekannt
und wurde vor dem 13.11.1979 zu keinem Zeitpunkt in der Hauptverhandlung
erörtert oder erwähnt, daß gegen den Zeugen Repke bei der Staatsanwaltschaft
Lübeck ein Ermittlungsverfahren geführt wird. Erst nach Aushändigung der
erwähnten Ermittlungsakten aufgrund des Beschlusses vom 29.10.1979 wurde dem
Gericht bekannt, daß der Zeuge Repke am 17.7.1979 von der Staatsanwaltschaft
Lübeck vernommen worden ist. Der wesentliche Inhalt dieser Vernehmung wurde
erst in der Hauptverhandlung vom 13.11.1979 bekanntgegeben. Es sind deshalb
keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der Zeuge Repke etwa von dem
Angeklagten Olejak oder von dritter Seite in irgendeiner Form beeinflußt
worden ist, zugunsten des Angeklagten Olejak bei der Staatsanwaltschaft
Lübeck eine bewußt falsche Aussage zu machen, in dem er ein Detail aus der
Einlassung des Angeklagten Olejak zum Evakuierungsmarsch bestätigt hat.
- 220 -
Desweiteren spricht für die Glaubwürdigkeit des Zeugen Repke insbesondere
der Teil seiner Aussage, die er zu der Person des Angeklagten Olejak gemacht
hat.
Zu Beginn seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung, als die beiden
Angeklagten Olejak und Pansegrau noch zwischen mehreren Vergleichspersonen
im Zuhörerraum des Sitzungssaales saßen, erklärte der Zeuge Repke, er könne
im Sitzungssaal niemand erkennen, der ihm aus der Kriegszeit bekannt
vorkomme. Im weiteren Verlauf der Vernehmung erklärte der Zeuge auf die
Frage, ob ihm der Angeklagte Olejak bekannt vorkomme, er kenne diesen Mann
nicht. Der Unterscharführer der als 2. Lagerführer nach Czechowitz gekommen
sei, habe figürlich ganz anders ausgesehen als der Angeklagte Olejak. Weder
dessen Gesichtszüge noch dessen Stimme erweckten in ihm irgend eine
Erinnerung.
Auch im Rahmen der Vernehmung am 29.11.1979 erklärte Repke dann wiederum, er
könne sich an den Angeklagten Olejak aus der Kriegszeit nicht erinnern. Die
Kammer ist der Überzeugung, daß der Zeuge Repke , wenn er durch eine
wahrheitswidrige Aussage dem Angeklagten Olejak ein Alibi hätte verschaffen
wollen, andere Angaben zu dessen Person gemacht hätte als dies tatsächlich
der Fall war. Die Tatsache, daß der Zeuge Repke immer erklärt hat, er kenne
den Angeklagten Olejak nicht und könne sich an ihn nicht erinnern, spricht
deshalb nach Meinung der Kammer dafür, daß der Zeuge Repke in vollem Umfang
die Wahrheit sagt.
6. Ein Vergleich des von der Kammer aufgrund des Ergebnisses der
Beweisaufnahme über das Lager Czechowitz und die Evakuierung des Lagers
festgestellten Sachverhalts mit der Einlassung des Angeklagten Olejak
ergibt, daß dieser Sachverhalt im wesentlichen mit der Einlassung des
Angeklagten Olejak übereinstimmt.
- 221 -
So hat der Angeklagte Olejak die Unterkunft der Häftlinge als Stallgebäude
mit drei Eingängen an der Vorderseite beschrieben, das im Inneren unterteilt
gewesen sei, wobei sich die Räume für die Funktionshäftlinge auf der rechten
Seite befunden hätten. Weiter hat der Angeklagte die im Inneren auf dem
Dachboden führende Treppe und den an der linken Seite des Stallgebäude
befindlichen Anbau mit einer Duschmöglichkeit erwähnt. Den Lagerzaun mit
zwei Toren und Wachtürmen und die in unmittelbarer Nähe stehenden Gebäude
wie Scheune, Finnenhütte für die Torwache und ein Wohnhaus für Zivilisten
hat der Angeklagte so geschildert wie sie aufgrund des Ergebnisses der
Beweisaufnahme tatsächlich vorhanden waren. Der Angeklagte Olejak hat sogar
erwähnt, daß in dem Wohnhaus eine ältere Frau gewohnt hat, die öfters zum
Fenster herausschaute.
Besonderes Gewicht mißt die Kammer der Einlassung des Angeklagten Olejak zu
den Änderungen der Unterkunftsmöglichkeiten für die 3 im Lager Czechowitz
eingesetzten SS.Leute bei. Denn diese Einlassung stimmt in vollem Umfang mit
der, wie ausgeführt, glaubhaften Aussage des Zeugen Repke überein. Auch
weitere Einzelheiten der Einlassung des Angeklagten Olejak wie zum Beispiel
über die Verpflegung der Häftlinge und über den Arbeitseinsatz der Häftlinge
beim Bau von Schutzmauern um Öltanks stimmen mit dem Ergebnis der
Beweisaufnahme überein.
Dies gilt auch für die Angaben von Olejak zur Verwaltung und Bewachung des
Lagers und den von ihm genannten Namen. So ist durch die Beweisaufnahme
bestätigt worden, daß Träger des Lagers die Organisation Todt war, daß es
bei dieser einen Herrn Dotzauer gegeben hat, daß der Lagerkommandantur 2
SS.Leute angehört haben, daß der 1. Lagerführer ein Oberscharführer war, daß
es in Czechowitz einen Sturmmann Weis gegeben hat, daß die
Bewachungsmannschaft aus OT-Leuten und Wehrmachtsangehörigen bestanden hat
und daß der Chef dieser
- 222 -
Wachmannschaft ein Oberscharführer namens Repke war.
Was die Schilderung des Evakuierungsmarsches betrifft, so zeigt der
Vergleich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme, daß die Angaben von Olejak
richtig sind oder zumindest richtig sein können.
Als durch das Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigt sieht die Kammer an, daß
der Fußmarsch an einem Abend begonnen hat, daß eine längere Rastpause in der
Scheune eines Bauernhofs eingelegt worden ist, daß dort Mädchen gewohnt
haben, daß dabei Getränke an Häftlinge ausgegeben worden sind, daß nach
einem weiteren kurzen Fußmarsch die Verladung der Häftlinge erfolgt und daß
die Bahnfahrt über Groß-Rosen nach Buchenwald geführt hat. Insbesondere
sieht die Kammer die Einlassung des Angeklagten Olejak über die Teilnahme
von weiblichen Häftlingen am Evakuierungsmarsch durch das Ergebnis der
Beweisaufnahme als bestätigt an.
Was die Schilderung des Ablaufes des Fußmarsches durch den Angeklagten
Olejak betrifft, so zeigt ein Vergleich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme,
daß diese Schilderungen richtig sein können. So haben, wie ausgeführt,
mehrere Zeugen bestätigt, daß die Rastpause auf dem Bauernhof während der
Nacht war. Zu der von dem Angeklagten angegeben Dauer des Fußmarsches ist zu
bemerken, daß danach die Verladung der Häftlinge in die Waggons am Morgen
des 20.1.1945 erfolgt ist. Da feststeht, daß der Zugtransport mehrere Tage
dauerte und die Ankunft im Konzentrationslager Buchenwald am 23.1.1945
erfolgte, kann die Schilderung des Angeklagten über die Dauer des
Fußmarsches durchaus richtig sein.
Die Kammer verkennt nicht, daß die Einlassung des Angeklagten Olejak
teilweise auch in Widerspruch zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht. Dies
gilt insbesondere für die Angaben des Angeklagten Olejak, im Lager
Czechowitz seien nur ca.
- 223 -
120 Häftlinge inhaftiert gewesen und am Evakuierungsmarsch hätten nur ca. 90
Häftlinge teilgenommen.
Hierzu ist auszuführen, daß die Ereignisse, um die es in diesem Verfahren
geht, nicht nur für die Zeugen , sondern auch für die beiden Angeklagten
viele Jahre zurücklagen, als sie erstmals wieder damit befaßt wurden. Es ist
schon darauf hingewiesen worden, daß allein schon durch diesen langen
Zeitablauf Veränderungen in der Erinnerung eines Menschen auftreten können.
Hinsichtlich der Einlassung des Angeklagten Olejak fällt dabei auf, daß er
sich zum Beispiel an das Aussehen des Lagers Jaworzno gut erinnert hat, daß
aber seine Angaben über die Häftlingszahl in diesem Lager zum Zeitpunkt
seiner Versetzung mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme ebenfalls nicht
übereinstimmt. Diese Zahl hat der Angeklagte für das Frühjahr 1944 mit 1.000
bis 1.200 Häftlingen angegeben. Da das Lager Jaworzno zu diesem Zeitpunkt
hinsichtlich der Unterkunftsbaracken für die Häftlinge schon voll ausgebaut
war, ist davon auszugehen, daß sich wesentlich mehr Häftlinge in Jaworzno
befunden haben, nämlich mindestens 2.000 bis 3.000 Häftlinge. Auch die
Angaben des Angeklagten Olejak zu der Häftlingszahl des Lagers Blechhammer,
nämlich 1.000 Häftlinge, liegen wesentlich unter dem tatsächlichen Stand,
den zum Beispiel der Zeuge Masselli mit 2.000 Häftlingen angegeben hat.
Bei der Würdigung dieses Widerspruchs in der Einlassung des Angeklagten
Olejak ist auch zu berücksichtigen, daß es sich bei dem Lager Czechowitz mit
ca. 600 Häftlingen im Vergleich zu den Lagern Auschwitz, Jaworzno und
Blechhammer, in denen der Angeklagte sonst stationiert war, um das mit
Abstand kleinste Lager gehandelt hat. Es erscheint deshalb durchaus möglich,
daß der Angeklagte Olejak dieses Lager Czechowitz nach so langer Zeit als
noch kleiner in Erinnerung hat als es tatsächlich war.
- 224 -
Dies gilt im Übrigen nicht nur für den Angeklagten Olejak. Auch mehrere
Zeugen haben die Zahl der im Lager Czechowitz inhaftierten Häftlinge als
geringer in Erinnerung, als sie tatsächlich war.
So hat der Zeuge Ligon, der als der für den Arbeitseinsatz der Häftlinge
verantwortliche SS.Mann die Zahl der Häftlinge sicherlich genau gekannt hat,
von 60 80 Häftlingen in Czechowitz gesprochen. Der Zeuge Repke hat die Zahl
der Häftlinge, die am Evakuierungsmarsch teilgenommen haben, mit 150 - 200
angegeben. Der Zeuge Kraschewski, dem als Lagerschreiber die genaue
Häftlingszahl ebenfalls bekannt war, hat zwar bei seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung von 400 - 500 Häftlingen gesprochen. Bei seiner ersten
Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft am 14.9.1977, die ihm in der
Hauptverhandlung wiederholt vorgehalten wurde, nannte der Zeuge ans der
eigenen Erinnerung eine Zahl von 200 Häftlingen im Lager Czechowitz. Erst
nach Vorhalt der Zahl von 500 - 600 Häftlingen meinte der Zeuge dann, diese
Zahl könne richtig sein. Schließlich hat der Zeuge Walloschek, der, wie
erwähnt, Mitglied der Wachmannschaft des Lagers Czechowitz war, ausgesagt,
in Czechowitz seien ca. 200 Häftlinge inhaftiert gewesen.
Die Kammer sieht deshalb die objektiv falsche Angabe der Zahl der im Lager
Czechowitz inhaftierten Häftlinge durch den Angeklagten Olejak angesichts
des übrigen Ergebnisses der Beweisaufnahme als nicht geeignet an, die
gesamte Einlassung des Angeklagten Olejak zum Lager Czechowitz als bloße
Schutzbehauptung erscheinen zu lassen.
Dies gilt auch für die anderen, allerdings weit weniger gravierenden
Differenzen in der Einlassung des Angeklagten Olejak im Vergleich mit dem
Ergebnis der Beweisaufnahme, so zum Beispiel für die Tatsache, daß sich der
Angeklagte nicht mehr an eine innerhalb des Lagerzauns stehende Finnenhütte
als Schreibstube erinnert hat.
- 225 -
Was die Einlassung des Angeklagten Olejak betrifft, ihm sei damals, obwohl
er der Lagerführer gewesen sei, nicht bekannt gewesen, daß im Lager
Czechowitz von Häftlingen Schnaps gebrannt worden sei, sieht die Kammer
diese Einlassung durch das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht als widerlegt
an.
Zwar geht die Kammer aufgrund der Aussagen der Zeugen Unikowski und
Kraschewski davon aus, daß im Lager Czechowitz tatsächlich zeitweise Schnaps
gebrannt worden ist. Die Kammer sieht es jedoch nicht als erwiesen an, daß
dies dem neuen Lagerführer bekannt war. Hierzu hat der Zeuge Kraschewski
ausgesagt, das Schnapsbrennen sei von einem Häftling und dem Lagerältesten
durchgeführt und von dem Vertreter des Lagerführers veranlaßt und überwacht
worden. Der Lagerführer Knoblich sei gelegentlich auch zum Schnapstrinken in
das Lager gekommen. Der Schnaps sei nur nachts gebrannt und die hierfür
erforderliche Anlage, die der Lagerälteste gebaut habe, sei wiederholt
abgebaut und versteckt worden.
Aus dieser Aussage des Zeugen Kraschewski ergibt sich nicht, daß auch der 2.
Lagerführer , an den sich der Zeuge Kraschewski, wie ausgeführt, überhaupt
nicht erinnert hat, vom Schnapsbrennen Kenntnis hatte. Der Zeuge Silberstein
hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung ausgesagt, der Lagerführer
habe von dem Schnapsbrennen nichts gewußt. Wenn er davon erfahren hätte,
wäre dies für die Häftlinge nicht gut gewesen. Er selbst habe einmal Arger
mit dem Lagerältesten gehabt, weil dieser befürchtet habe, er werde dem
Lagerführer davon erzählen. Die Aussage des Zeugen Unikowski bei seiner
Vernehmung vor dem Amtsgerichts Tel Aviv, auch der neue Lagerführer habe
wiederholt die Anlage besichtigt, hält die Kammer nicht für glaubwürdig.
Insoweit wird auf die Person und die Aussage dieses Zeugen noch in anderem
Zusammenhang näher eingegangen werden.
7 Die Hauptverhandlung hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß sich der
Angeklagte Olejak die Kenntnisse über das Lager Czechowitz und die
Evakuierung dieses Lagers auf
- 226 -
andere Weise als durch den von ihm geschilderten Einsatz als Lagerführer und
die Teilnahme am Evakuierungsmarsch verschafft hat.
Dabei ist zu bedenken, daß der Angeklagte Olejak vor der am 8.7.1976
erfolgten Festnahme nicht gewußt hat, daß gegen ihn wegen seiner Tätigkeit
im Lager Jaworzno ein Ermittlungsverfahren durchgeführt wird, da er vor
seiner Festnahme nicht vernommen worden ist.
Lediglich in den wegen der Vorgänge im Lager Blechhammer durchgeführten
Ermittlungsverfahren ist der Angeklagte Olejak am 18.6.1971 durch die für
seinen Wohnsitz zuständige Polizei als Zeuge zu seinem Einsatz in diesem
Lager vernommen worden. Schon bei dieser Vernehmung hat der Angeklagte
Olejak im übrigen, wie auch in der Hauptverhandlung, erklärt, er sei von
März 1944 bis November 1944 in Blechhammer gewesen.
Im Rahmen dieser Vernehmung, die dem Angeklagten wiederholt vorgehalten
wurde, machte er auch Angaben über seinen weiteren persönlichen Werdegang.
Dabei gab er an, er sei von etwa Oktober 1943 bis zu seinem Einsatz in
Blechhammer in der Verwaltung des Arbeitslagers Jaworzno tätig gewesen. Von
Blechhammer aus sei er dann an die Front versetzt worden.
Es ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum sich der Angeklagte Olejak
aufgrund dieser Zeugenvernehmung, die seinen Einsatz im Lager Blechhammer
betraf, hätte veranlaßt sehen können, sich für die Zeit von November 1944
bis Januar 1945 ein Alibi zurechtzulegen, indem er sich Detailkenntnisse
über ein Lager, in dem er nicht gewesen ist und Vorgänge bei einem
Evakuierungsmarsch, an dem er nicht teilgenommen hat, verschafft hat. Im
übrigen stellt sich für diesen Fall die Frage, woher er sich solche
Kenntnisse, zum Beispiel über die Änderung der Unterbringung der
- 227 -
drei SS.Leute im Lager Czechowitz oder die Teilnahme von weiblichen
Häftlingen am Evakuierungsmarsch hätte verschaffen sollen. Dafür, daß der
Angeklagte Olejak etwa bereits vor seiner. Festnahme mit dem Zeugen Repke
Kontakte hatte, haben sich keine Anhaltspunkte ergeben. Die Kammer ist
vielmehr vom Gegenteil überzeugt. Denn sonst hätte der Angeklagte Olejak
sicherlich nach seiner Verhaftung die Vernehmung des Zeugen Repke als
Entlastungszeuge beantragt und der Zeuge Repke hätte in diesem Fall nicht
erklärt, er kenne den Angeklagten Olejak nicht.
Im übrigen kann nach Meinung der Kammer aus der Tatsache, daß der Angeklagte
Olejak bei der erwähnten Zeugenvernehmung im Jahre 1971 erklärt hat, er sei
von Blechhammer aus direkt an die Front versetzt worden, keine Folgerungen
dafür hergeleitet werden, ob er zwischen diesem Einsatz in Blechhammer und
der Versetzung an die Front in Jaworzno oder in Czechowitz stationiert war.
Dies gilt sowohl für den Fall, daß er, wie er im Rahmen seiner Einlassung
vorgebracht hat, an den relativ kurzen Einsatz im Lager Czechowitz bei
dieser Vernehmung nicht gedacht hat und auch für den Fall, daß er dabei
bewußt den Eindruck erwecken wollte, zum Zeitpunkt der Evakuierung der im
Raum Oberschlesien gelegenen Konzentrationslager sei er schon an der Front
gewesen. Die Hauptverhandlung hat auch keine ernsthaften Anhaltspunkte dafür
ergeben, daß sich der Angeklagte Olejak schon 1944 oder 1945 die von ihm
wiedergegebenen Kenntnisse über das Lager Czechowitz und die Evakuierung
dieses Lagers verschafft hat oder hätte verschaffen können ohne dort
stationiert gewesen zu sein. Zwar liegt, wie aus der Landkarte von
Oberschlesien festgestellt wurde, der Geburtsort des Angeklagten nur ca. 3,9
km Luftlinie östlich von Bielitz-Biala und dieses wiederum nur ca. 7,2 km
Luftlinie von Czechowitz entfernt
- 228 -
Aus dieser Tatsache kann jedoch nicht geschlossen werden, daß der Angeklagte
Olejak aus diesem Grund das Lager Czechowitz gekannt hat. Zum einen hat der
Angeklagte Olejak ausdrücklich erklärt, ihm sei das Stallgebäude und dessen
Umgebung vor seiner Versetzung nach Czechowitz nicht bekannt gewesen. Selbst
wenn dies jedoch der Fall gewesen wäre, so lassen sich damit nicht die
Kenntnisse des Angeklagten Olejak vom Lager Czechowitz und von der
Evakuierung dieses Lagers erklären. Denn das Lager ist erst im September
1944 errichtet worden, zu einer Zeit also, in der der Angeklagte in
Blechhammer stationiert war.
Dafür, daß etwa zwischen dem Lager Blechhammer und dem Lager Czechowitz
irgendwelche dienstlichen Beziehungen bestanden haben in der Form, daß
SS.Leute, die der Kommandantur in Blechhammer angehört haben, auch in
Czechowitz zum Einsatz kamen, hat die Hauptverhandlung keine Anhaltspunkte
ergeben. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß Blechhammer von Czechowitz schon
in der Luftlinie ca. 75 km entfernt ist. Desweiteren haben beide Angeklagte
und zum Beispiel auch die über die Zusammenhänge gut informierten Zeugen
Pasikowski und Smigielski übereinstimmend bestätigt, daß die Auschwitzer
Nebenlager ab Herbst 1943 dem Konzentrationslager Auschwitz III, also
Monowitz, unterstellt waren. Von einem direkten Kontakt zwischen einzelnen
Nebenlagern, jedenfalls was die Lagerkommandantur betrifft, hat keiner der
Angeklagten oder der vernommenen Zeugen berichtet. Lediglich der Angeklagte
Olejak hat im Rahmen seiner Einlassung erklärt, das Lager Czechowitz habe,
da es so klein gewesen sei, keinen eigenen Sanitätsdienstgrad (SDG) gehabt.
Dieser sei vielmehr gelegentlich aus dem Nebenlager Jawischowitz nach
Czechowitz gekommen.
Desweiteren hat der Zeuge Repke ausdrücklich bekundet, ins Lager Czechowitz
seien zwar zwei- oder dreimal Kommissionen aus dem für die Nebenlager
zuständigen Hauptlager in Monowitz
- 229 -
zu Inspektionen gekommen. Andere SS. Leute seien im Lager jedoch nicht
erschienen. Auch für irgendwelche dienstlichen Berührungspunkte zwischen den
Lagern Czechowitz und Jaworzno hat die Hauptverhandlung keine Anhaltspunkte
ergeben.
Schließlich geht die Kammer auch davon aus, daß der Angeklagte Olejak nach
seiner Verhaftung am 8.7.1976 nicht mehr in der Lage war, sich bis zu seiner
Vernehmung zur Sache irgendwelche Informationen über das Lager Czechowitz zu
verschaffen.
Insgesamt sieht die Kammer deshalb die Tatsache, daß die Einlassung des
Angeklagten Olejak zum Lager Czechowitz und zur Evakuierung dieses Lagers
durch das Ergebnis der Beweisaufnahme im wesentlichen bestätigt worden ist,
als wichtigsten Anhaltspunkt dafür an, daß der Angeklagte Olejak Ende 1944
nicht in Jaworzno, sondern in Czechowitz stationiert war und auch an der
Evakuierung dieses Lagers teilgenommen hat.
- 230 -
II.
Desweiteren hat auch die Beweisaufnahme zur Person des 2. Lagerführers in
Czechowitz nicht unerhebliche Anhaltspunkte dafür ergeben, daß dies der
Angeklagte Olejak war.
1. Der Zeuge Repke hat den 2. Lagerführer wie folgt beschrieben: Dieser neue
Lagerführer im Range eines SS.Unterscharführers sei ein kleines,
schmächtiges Jüngelchen mit dunklen Haaren gewesen. Wenn er von schmächtig
und schlank rede, so meine er damit das Aussehen dieses Unterscharführers in
Bezug auf seine eigene Person. Er selbst sei 1.76 m groß und habe damals ein
Gewicht von 82 - 83 kg gehabt. Heute wiege er 87 - 88 kg. Der 2. Lagerführer
sei etwa einen ganzen oder einen halben Kopf kleiner als er selbst und viel
schmäler gewesen. Der Unterscharführer habe während des Aufenthaltes in
Czechowitz mehrmals Besuch von einer Frau bekommen, von der er ihm gesagt
habe, es sei seine Ehefrau. Es könne auch sein, daß diese Frau den neuen
Lagerführer am Abend vor Beginn des Evakuierungsmarsches besucht habe. Genau
könne er sich daran nicht mehr erinnern. Er sei ihm damals bekannt
vorgekommen, er wisse aber nicht mehr woher. Wahrscheinlich sei er
Volksdeutscher gewesen. Nach Czechowitz sei dieser Mann gekommen, als es
schon kalt gewesen sei, wahrscheinlich im November oder Dezember 1944. Diese
Beschreibung, die der Zeuge Repke von dem 2. Lagerführer gegeben hat, paßt
in vollem Umfang auf den Angeklagten Olejak. Dieser hatte damals den Rang
eines Unterscharführers inne und ist mit einer Körpergröße von 1,68 m auch
wesentlich kleiner als der Zeuge Repke bei einer Größe von 1,76 m. Die
Schilderung des weiteren Aussehens, nämlich daß es ein schmaler junger Mann
gewesen sei, trifft zwar etwa nicht auf den Angeklagten Olejak, aber in etwa
auf den SS.Unterscharführer Olejak des Jahres 1944 zu. Der Angeklagte Olejak,
- 231 -
der heute ein Gewicht von ca. 85 kg hat, wog nach seiner eigenen Einlassung
im Jahre 1944 ca. 64 - 65 kg. Diese Angabe wird bestätigt durch einen in der
Hauptverhandlung teilweise verlesenen ärztlichen Untersuchungsbericht vom
2.8.1944, in dem das Gewicht mit 64 kg angegeben wird.
Nach Meinung der Kammer macht diese Gewichtszunahme von ca. 20 kg bei einer
Größe von nur 1,68 m auch die Äußerung des Zeugen Repke verständlich, der
Angeklagte Olejak könne gar nicht dieser Lagerführer gewesen sein, da dieser
figürlich ganz anders ausgesehen habe. Soweit der Zeuge Repke erwähnt hat,
der neue Lagerführer habe mehrmals Besuch von seiner Ehefrau bekommen, so
ist darauf hinzuweisen, daß der Angeklagte von Anfang an behauptet hat,
seine Frau habe ihn auch in Czechowitz mehrmals besucht.
Bei Vorlage der Lichtbilder erklärte der Zeuge Repke zu Bild Nr. 15 der
Bildtafeln und zu Bild Nr. 18 und 19 des Bildbandes, die jeweils den
Angeklagten Olejak darstellen, dieser Mann komme ihm irgendwie bekannt vor.
Wahrscheinlich kenne er ihn aus Jaworzno, in Czechowitz sei dieser Mann
wahrscheinlich nicht gewesen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen,
daß der Zeuge Repke nach seiner Aussage auch kurze Zeit bei der
Wachmannschaft des Lagers Jaworzno stationiert war und zwar zu Beginn der
Lagerzeit im Jahre 1943.
Bei Vorlage eines Bildes der Ehefrau des Angeklagten Olejak, das diese vor
einer Baracke zeigt und von dem der Angeklagte Olejak behauptet, es sei in
Czechowitz aufgenommen worden, erklärte der Zeuge Repke, dies sei kein Bild
der Ehefrau des 2. Lagerführers
Obwohl der Zeuge Repke die den Angeklagten Olejak darstellenden Bilder nicht
mit dem Lager Czechowitz in Verbindung brachte, sieht die Kammer in dieser
Aussage insgesamt eine
- 232 -
Bestätigung der Einlassung des Angeklagten, da die Beschreibung, die Repke
von der Person des 2. Lagerführers gegeben hat, in vollem Umfange auf den
Olejak des Jahres 1944 zutrifft. Was die Aussage des Zeugen Repke zu den
Lichtbildern betrifft, ist zu bemerken, daß ihm die Bilder des Angeklagten
Olejak immerhin bekannt vorkamen. Hinsichtlich der Aussage zu dem Bild der
Ehefrau des Angeklagten Olejak ist darauf hinzuweisen, daß die Zeugin
Franziska Wasserthal, eine Jugendfreundin der Frau Olejak, bei Vorlage
dieses Bildes erklärt hat, so ernst habe die Frau Olejak damals nicht
ausgesehen. Im übrigen habe sie sehr oft ihre Frisur und damit ihr Aussehen
verändert. Auf die Aussage der Zeugin Wasserthal wird in anderem
Zusammenhang noch näher eingegangen werden.
Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß der Zeuge Repke auch die Bilder
Nr. 10 und 11 der Bildtafeln, die den 1. Lagerführer Knoblich darstellen,
nicht wiedererkannt hat, obwohl Knoblich in Czechowitz gewesen ist.
2. Der Zeuge Kraschewski, der wie erwähnt, bis zur Evakuierung des Lagers
Czechowitz Lagerschreiber war und in dieser Funktion fast täglich mit dem
Lagerführer zu tun hatte, hat zu Beginn seiner Vernehmung zu den Bildern Nr.
8 und 9 der Bildtafeln (Bilder des Lagerführers von Jaworzno Pfütze)
erklärt, er glaube dies seien Bilder des Lagerführers Knoblich. Zu den
Bildern 14, 15, 16 und 17 der Bildtafeln, die den Angeklagten Olejak
darstellen, sagte der Zeuge Kraschewski, diesen Mann kenne er, er sei
Arbeitsdienstführer in Czechowitz gewesen und habe ein Reiterabzeichen
getragen.
Bei einer Gegenüberstellung mit dem Zeugen Ligon erklärte der Zeuge
Kraschewski dann, das sei der Mann mit dem Reiterabzeichen gewesen, den er
auf den Bildern gemeint habe.
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Bei einer Gegenüberstellung mit dem Angeklagten Olejak konnte der Zeuge
Kraschewski eine Anwesenheit des Angeklagten in Czechowitz weder bestätigen
noch ausschließen.
Zur Aussage dieses Zeugen ist zu bemerken, daß er mehrere den Angeklagten
Olejak darstellende Bilder als solche eines in Czechowitz eingesetzten
SS.Mannes bezeichnet hat. Zwar hat der Zeuge hierzu nach einer
Gegenüberstellung mit dem Zeugen Ligon erklärt, mit der auf den Bildern
abgebildeten Person meine er diesen Zeugen. Durch diese Erklärung des Zeugen
Kraschewski wird aber nicht die Tatsache beseitigt, daß ihm die Gesichtszüge
des Angeklagten Olejak auf den im Jahre 1944 aufgenommenen Lichtbildern
bekannt vorgekommen sind. Dafür, daß der Zeuge Kraschewski den Angeklagten
Olejak in einem anderen Lager als dem Lager Czechowitz hätte kennenlernen
können, hat die Hauptverhandlung keine Anhaltspunkte ergeben.
3. Der Zeuge Gutmann, der nach seiner Aussage mit dem 1. Häftlingstransport
nach Czechowitz gekommen ist, hat zu Bild Nr. 17 des Bildbandes, das den
Angeklagten Olejak darstellt, erklärt, er glaube, diesen Mann von den
Appellen im Lager Czechowitz her zu kennen. Er sei sich jedoch nicht
hundertprozentig sicher.
4. Der Zeuge Ervin Habal, der aus der Tschechoslowakei angereist ist, hat zu
Beginn seiner Vernehmung zu der Person des Angeklagten Olejak als dieser
unter mehreren Vergleichspersonen im Zuhörerraum des Sitzungssaales saß,
keine Angaben gemacht.
Bei der Vorlage der Bildtafeln sagte der Zeuge dann zu Bild Nr. 14 (Olejak),der
erinnere ihn an jemand aus Czechowitz. Ähnliche Angaben machte der Zeuge
auch zu den Bildern Nr. 10 und 11 der Bildtafeln (Bilder des
Oberscharführers Knoblich).
- 234 -
Am 2. Tag seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung deutete der Zeuge dann
auf den zu diesem Zeitpunkt auf der Anklagebank sitzenden Angeklagten Olejak
und erklärte, er meine sicher zu sein, daß dieser als SS.Mann in Czechowitz
gewesen sei. Bezüglich dieser Aussage habe niemand auf ihn irgend einen
Einfluß genommen.
Da die Staatsanwaltschaft der Meinung war, der Zeuge verwechsele den
Angeklagten möglicherweise mit dem Zeugen Ligon, fand eine Gegenüberstellung
dieser beiden Zeugen statt. Dabei erklärte der Zeuge Habal, an Ligon habe er
keine Erinnerung.
Auch bei einer weiteren Vernehmung am 8.5.1980 in der Hauptverhandlung
erklärte der Zeuge Habal, ihm habe niemand einen Hinwels etwa auf den
Angeklagten Olejak gegeben. Er sei sich auch weiterhin sicher, daß der
Angeklagte Olejak in Czechowitz gewesen sei. Wie lange er dort gewesen sei,
könne er nicht mehr sagen.
Der Aussage dieses Zeugen zu den Lichtbildern mißt die Kammer besonders
deswegen erhebliches Gewicht bei, da er von allen Bildern nur solche
herausgesucht hat, von denen feststeht, daß sie in Czechowitz waren (Knoblich)
oder dort gewesen sein können (Olejak). Insgesamt machte der Zeuge Habal bei
seinen Aussagen in der Hauptverhandlung einen sicheren und zuverlässigen
Eindruck.
5. Der Zeuge Goldberg, der am 29.12.1977 in der Hauptverhandlung vernommen
worden ist, hat zu Beginn seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung, als die
beiden Angeklagten mit mehreren Vergleichspersonen im Zuhörerraum des
Sitzungssaales saßen, auf einen relativ kleinen, schmalen Justizangestellten
gedeutet und erklärt, er glaube, dieser Mann sei in Czechowitz gewesen.
- 235 -
Bei Vorlage der Bildtafeln erklärte der Zeuge Goldberg dann, er meine, die
auf den Bildern 10 und 11 abgebildete Person (Knoblich) sei in Czechowitz
gewesen. Sicher sei er sich jedoch nicht. Bei Vorlage des Bildbandes sagte
der Goldberg dann zu Bild 18 (Olejak) er meine, er kenne auch diese Person
ans dem Lager Czechowitz. Er habe die Häftlinge bei der Arbeit bewacht und
die Appelle abgenommen. Wahrscheinlich sei diese Person der Lagerkommandant
in Czechowitz gewesen.
6. Der Zeuge Unikowski, der nach seiner Aussage in der Hauptverhandlung mit
dem 1. Häftlingstransport nach Czechowitz gekommen ist, hat zu Beginn seiner
Vernehmung am 16.1.1978, als die beiden Angeklagten mit mehreren
Vergleichspersonen im Zuhörerraum des Sitzungssaales saßen, niemand
wiedererkannt. Bei Vorlage der Bildtafeln erklärte der Zeuge dann zu den
Bildern 14 und 15 (Olejak), die Person erinnere ihn an einen SS.Mann aus dem
Lager Czechowitz. Er sei sich jedoch nicht ganz sicher. Zu Bild 15 erklärte
der Zeuge weiter, in Czechowitz habe es bei der SS. Ablösungen und Wechsel
gegeben. Es könne sein, daß diese Person im November oder Dezember 1944
abgelöst worden sei. Bei Vorlage des Bildbandes machte der Zeuge Unikowski
zu den entsprechenden Bildern des Angeklagten Olejak die gleichen Angaben.
Bis zu Beginn eine längeren Pause, die zur Einnahme einer Zwischenmahlzeit
durch den Angeklagten Pansegrau erfolgen mußte, machte der Zeuge Unikowski
dann Ausführungen zum Lager Czechowitz. Nach Wiederbeginn der Verhandlung
erläuterte der Zeuge dann aufgrund einer von ihm gefertigten Skizze die
Örtlichkeit des Lagers. Weiter sagte der Zeuge unter anderem ans, der
Lagerführer des Lagers Czechowitz sei im November oder Dezember 1944 durch
einen anderen SS. Mann abgelöst worden. Bei der Schilderung des
Evakuierungsmarsches erwähnte der Zeuge auch, daß neben ihm auf dem Marsch
ein Neffe erschossen worden sei. Einen Täter nannte er zu diesem Zeitpunkt
nicht.
- 236 -
Nachdem der Zeuge zu
Beginn der Mittagspause auf dem Flur vor dem Sitzungssaal einen
Schwächeanfall erlitten hatte und in das Krankenhaus eingeliefert worden
war, wurde die Vernehmung des Zeugen am 18.1.1978 fortgesetzt. Zu Beginn
seiner Vernehmung machte der Zeuge von sich aus zunächst Ausführungen zur
Heizung des Lagers und erklärte dann weiter, er sei sich jetzt sicher, daß
die Person, die er auf den Lichtbildern wieder zu erkennen glaube, etwa im
Dezember 1944 den Lagerführer des Lagers Czechowitz abgelöst habe. Er sei
sich insoweit fast sicher. Er habe sich im Krankenhaus unter einem gewissen
Druck befunden, den er auch schon im Flur des Gerichtsgebäudes empfunden
habe. Er habe da eine Person (er deutete dabei auf den Angeklagten Olejak)
gesehen und er glaube, daß sich dieser Druck auf seinen Gesundheitszustand
ausgewirkt habe. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob er den Angeklagten auch
von der Größe und Figur wiedererkenne, sagte der Zeuge, die Vergangenheit
habe sich mit der Zukunft wieder getroffen. Diese Person sei damals jedoch
nicht so voll und korpulent, sondern schlanker gewesen. Auf eine weitere
Frage des Vorsitzenden, ob der neue Lagerführer auch bei dem
Evakuierungsmarsch dabei gewesen sei, erklärte der Zeuge Unikowski, er
glaube, daß er dabei gewesen sei, er sei sich fast sicher. Denn er glaube,
daß dieser Mann derjenige gewesen sei, der auf seinen Neffen geschossen
habe.
7. Zu diesen Aussagen der Zeugen Goldberg und Unikowski in der
Hauptverhandlung ist folgendes zu bemerken:
Der Zeuge Adam Edelsberg, ein israelischer Polizeibeamter, der im Rahmen des
Ermittlungsverfahrens tätig gewesen und der im Juli 1978 mehrere Tags in der
Hauptverhandlung vernommen wurde , erklärte am 4.8. 1978 im Rahmen einer
Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft Würzburg, der Zeuge Unikowski habe
ihn nach der Rückkehr von der Vernehmung in Aschaffenburg eröffnet, er,
Unikowski, habe in der
- 237 -
Hauptverhandlung bewußt wahrheitswidrig geäußert, in einem der Angeklagten
den früheren Lagerführer des Lagers Czechowitz wiedererkannt zu haben.
Zu seinen Aufgaben als Untersuchungsreferent der Israel - Polizei habe
gehört, die zur Hauptverhandlung geladenen Zeugen vor Antritt ihrer Reise zu
beraten und sie über die notwendigen Förmlichkeiten aufzuklären. Zu diesem
Zweck habe er die Zeugen vor Antritt der Reise kurz in sein Büro geladen.
Dies sei auch bei dem Zeugen Unikowski der Fall gewesen, ebenso bei dem
Zeugen Goldberg.
Unikowski sei vor Antritt der Reise in die Bundesrepublik im Januar 1978 zu
ihm in das Büro gekommen, wo er die Formalitäten der Reise besprochen habe.
Bei dieser Gelegenheit habe er dem Zeugen die ihm von der Staatsanwaltschaft
zur Verfügung gestellten Bildmappe vorgelegt und ihn gefragt, ob er jemanden
darauf erkenne. Nachdem sich Unikowski längere Zeit mit den Bildern befaßt
habe, habe er dies verneint. Er habe Unikowski bei diesem Gespräch auch
gebeten, nach seiner Rückkehr aus Aschaffenburg noch einmal bei ihm
vorzusprechen und ihm über seine Erfahrungen zu berichten.
Wenige Tage nach seiner Rückkehr aus der Bundesrepublik sei Unikowski erneut
zu ihm gekommen. Auf die Frage, wie es gewesen sei, habe dieser geantwortet,
es sei schlecht gewesen. Auf eine entsprechende Frage habe Unikowski ihm
dann berichtet bei der vom Gericht angeordneten Identifizierung habe er
niemand erkannt. In einer Sitzungspause seien dann einige Personen auf ihn
zugegangen, hätten ihn mitgenommen und ihm irgendwo etwas zu trinken und zu
essen gegeben. Wohin er geführt worden sei, ob in eine Wohnung, ein
Restaurant oder einen Club habe Unikowski nicht angeben können. Dort habe
man ihm gesagt, er solle auf einen der Angeklagten als Lagerführer von
Czechowitz hinweisen. Diesen Mann habe man ihm genau beschrieben.
- 238 -
Im Anschluß an dieses Gespräch so er krank geworden und ins Krankenhaus
gekommen. Bei der Fortsetzung seiner Vernehmung nach seiner Entlassung aus
dem Krankenhaus habe er dann entsprechend den ihm gegebenen Anweisungen vor
Gericht erklärt, in einem der beiden Angeklagten den 2. Lagerführer von
Czechowitz zu erkennen. Er habe dies aber gegen seine Überzeugung und wider
besseres Wissen gemacht, weil er verschüchtert gewesen sei und Angst gehaßt
habe.
Als Unikowski zu ihm gekommen sei, sei er noch erschüttert und verängstigt
gewesen. Außerdem habe er erwähnt , mit dem Zeugen Goldberg müsse etwas
ähnliches geschehen sein. Auch bei diesem Gespräch habe er Unikowski
nochmals die Lichtbilder vorgelegt und er habe erneut bestätigt, daß er
niemanden von den dargestellten Personen erkenne.
Weiter bekundete der Zeuge Edelsberg danach, vor Gericht habe er von dieser
Sache nichts erwähnt, da danach nicht gefragt worden sei. Es habe sich auch
keine Gelegenheit ergeben, die Angelegenheit von sich aus anzusprechen. Die
Namen der Zeugen Unikowski und Goldberg seien ihm nicht vorgehalten worden.
Aufgrund dieser Aussage des Zeugen Edelsberg ließ die Staatsanwaltschaft
Würzburg die Zeugen Goldberg und Unikowski durch die Israel-Polizei
vernehmen. An diesen Vernehmungen, die im Oktober 1978 stattfanden, nahm
auch Staatsanwalt Renz teil.
Nachdem der Kammer und den übrigen Prozeßbeteiligten in der Hauptverhandlung
vom 19.10.1978 durch die Übergabe der Niederschriften über die Vernehmungen
der Zeugen Goldberg und Unikowski im Oktober 1978 und des Zeugen Edelsberg
am 4.8.1978 dieser Sachverhalt erstmals bekannt geworden war, ordnete die
Kammer die nochmalige Vernehmung der Zeugen Unikowski und Goldberg an. Da
die Zeugen der Vorladung zur Hauptverhandlung keine Folge leisteten, wurden
die Zeugen Unikowski und Goldberg schließlich im Wege der Rechtshilfe
- 239 -
durch den zuständigen Richter beim Amtsgericht Tel Aviv in Anwesenheit. der
gesamten Kammer vernehmen. Eine weitere Vernehmung des Zeugen Edelsberg in
der Hauptverhandlung oder im Wege der Rechtshilfe war nicht mehr möglich, da
Edelsberg zwischenzeitlich verstorben war.
Der Zeuge Goldberg erklärte bei seiner Vernehmung am 16.7. 1979 vor dem
Amtsgericht Tel Aviv, er habe zu keinem Zeitpunkt während seiner Vernehmung
in der Hauptverhandlung bewußt die Unwahrheit gesagt. Zu Beginn seiner
Vernehmung, als die Anklagebank noch leer gewesen sei und er auf einen im
Zuhörerraum des Sitzungssaales sitzenden Mann gedeutet habe, sei er sicher
gewesen, in diesem Mann jemanden aus Czechowitz wiedererkannt zu haben.
Bei seiner anschließenden Aussage zu den Lichtbildern habe er die volle
Wahrheit gesagt. Er sei überzeugt gewesen, auf einem Bild den Lagerführer
aus dem Lager Czechowitz wiedererkannt zu haben. Ob seine Aussage nach so
langer Zeit richtig sei, könne er nicht sagen. Er habe während seiner
Vernehmung in der Hauptverhandlung unter einer gewissen Beklemmung gelitten,
er sei jedoch zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Form bedroht oder zu einer
bestimmten Aussage veranlaßt worden. Er habe nach seiner Rückkehr ans
Deutschland mit dem Zeuge Unikowski telefoniert. Dabei habe ihm dieser
gesagt, er habe in Aschaffenburg einen Zusammenbruch erlitten und sei ins
Krankenhaus gekommen. Von irgendwelchen Bedrohungen habe Unikowski ihm
nichts gesagt. Er selbst habe gegenüber Unikowski auch nichts von Drohungen
oder gar Morddrohungen erwähnt, er sei ja auch gar nicht bedroht worden.
Der Zeuge Unikowski, der in Tel Aviv, zweimal vernommen wurde, nachdem die
1. Vernehmung wegen eines Schwächeanfalls des Zeugen abgebrochen werden
mußte, hat folgendes ausgesagt:
- 240 -
Alles, was er am 1. Tag seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung gesagt
habe, entspreche der Wahrheit, Am 2. Tag seiner Vernehmung habe er teilweise
bewußt die Unwahrheit gesagt. Dies gelte für den Teil seiner Aussage, in dem
er zu bestimmten Lichtbildern und zur Person des Angeklagten Olejak gesagt
habe, er erkenne den Mann auf den Lichtbildern und den Angeklagten Olejak
aus Czechowitz wieder. Richtig sei, daß er weder den Mann auf den Bildern
noch den Angeklagten Olejak aus Czechowitz kenne. Zu der wahrheitswidrigen
Aussage am 2. Tag seiner Vernehmung sei es folgendermaßen gekommen: In der
Pause des 1. Vernehmungstages habe ihn ein Mann, den er nicht gekannt habe
und der in Begleitung zweier anderer Männer gewesen sei, auf dem Flur des
Gerichtsgebäudes vor dem Sitzungssaal mit mörderischen Blicken angesehen.
Deshalb sei er zusammengebrochen und ins Krankenhaus eingeliefert worden.
Während er in einem Krankenzimmer gelegen habe und wegen der eingenommenen
Medikamente benebelt gewesen sei, seien zwei Männer in das Zimmer gekommen
und hätten ihn drohend angestarrt. Wer das gewesen sei, wisse er nicht. Aus
Angst vor weiteren Bedrohungen habe er auf eine möglichst rasche Entlassung
aus dem Krankenhaus gedrängt.
Am nächsten Tag sei in seinem Hotel in Frankfurt angerufen worden. Der
Anrufer, eine männliche Person, habe dabei zu ihm gesagt, wenn er den
älteren Mann, der sich auf dem Flur um ihn herumgedreht und ihn angestarrt
habe, nicht als den 2. Lagerführer des Lagers Czechowitz erkenne, werde es
ihm noch schlimmer als in Auschwitz ergehen.
Im Gerichtssaal sei es ihm dann leicht gewesen, den einen Angeklagten als
einen Mann aus Czechowitz zu identifizieren. Das Bild dieses Mannes habe er
am 2. Tag seiner Vernehmung so identifiziert, daß er sich die Bilder
angesehen und sich einfach bemüht habe, jemanden zu finden, der so
ausgesehen
- 241 -
habe wie dieser Mann, nur 30 Jahre jünger.
Nach seiner Rückkehr nach Israel habe er die ganze Angelegenheit von sich
aus dem Polizeibeamten Edelsberg erzählt. Dabei seien ihm von Edelsberg
keine Lichtbilder gezeigt worden. Dies sei auch nicht vor seiner Abreise zur
Hauptverhandlung der Fall gewesen. Es sei nicht richtig, daß er während
seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung von irgendwelchen Personen aus dem
Gerichtsgebäude mitgenommen worden sei, er habe so etwas auch nicht dem
Polizeibeamten Edelsberg erzählt.
Außer Edelsberg habe er von dieser Sache gegenüber niemandem irgendwelche
Andeutungen gemacht, auch nicht gegenüber seiner Ehefrau, dem Dolmetscher
oder dem Zeugen Goldberg. Mit Goldberg habe er zwar gesprochen, dieser habe
ihm dabei von Morddrohungen gegen sich selbst erzählt. Er selbst habe von
den gegen ihn gerichteten Drohungen aber nichts erwähnt.
Bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung sei er sich der entlastenden
Bedeutung seiner Aussage für den Angeklagten Olejak nicht bewußt gewesen.
Erst am 3.5.1978 habe er bei einer Gedenkfeier von ehemaligen Häftlingen des
Lagers Jaworzno von der möglichen Bedeutung seiner Aussage für den
Angeklagten Olejak erfahren. Diese Mithäftlinge hätten ihn der Lüge
beschuldigt und ihm Vorwürfe gemacht, mit seiner Aussage sei er daran
schuld, daß Olejak freigelassen worden sei und später auch freigesprochen
werde.
Er habe diesen Mithäftlingen gegenüber nichts davon gesagt, daß er zu seiner
für den Angeklagten Olejak günstigen Aussage durch Drohungen veranlaßt
worden sei. Diese Vorwürfe seien jedoch nicht der Grund für den Widerruf
seiner Aussage in der Hauptverhandlung gewesen. Er habe auch Edelsberg schon
vor dem 3.5.1978 von den ganzen Sachverhalten unterrichtet gehabt.
- 242 -
Zur Aussage des Zeugen Goldberg ist zu bemerken, daß aufgrund der Aussage
dieses Zeugen vor dem Amtsgericht in Tel Aviv davon auszugeben ist, daß er
seine Angaben in der Hauptverhandlung entsprechend seiner eigenen Erinnerung
nach bestem Wissen und Gewissen gemacht hat. Die Aussage dieses Zeugen
spricht insgesamt für die Einlassung des Angeklagten Olejak. Die Kammer hält
die Aussage des Zeugen Goldberg zu den Lichtbildern auch deshalb für
wichtig, weil er als einer der wenigen Zeugen auch die Lichtbilder, die den
Oberscharführer Knoblich darstellen, als die eines SS. Mannes aus dem Lager
Czechowitz wiedererkannt hat.
Hinsichtlich des Zeugen Unikowski hält die Kammer dessen Aussage vor dem
Amtsgericht in Tel Aviv, er habe zu Lichtbildern des Angeklagten Olejak und
dessen Person unter dem Eindruck von Drohungen bewußt die Unwahrheit gesagt,
nicht für glaubhaft. Die Kammer ist vielmehr der Überzeugung, daß der Zeuge
Unikowski bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung entsprechend seiner
Erinnerung und Überzeugung ausgesagt hat. Die Kammer ist weiter der
Überzeugung, daß der Zeuge Unikowski den Teil seiner Aussage zu den
Lichtbildern und zur Person des Angeklagten Olejak nur deswegen widerrufen
bat, weil er sich später durch die Vorwürfe von Mithäftlingen aus dem Lager
Jaworzno über deren entlastenden Bedeutung bewußt wurde.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Angaben, die der Zeuge zu den
Bildern des Angeklagten Olejak gemacht bat, nach der Ausdrücklichen Aussage
des Zeugen von dem Widerruf nicht betroffen werden. Denn insoweit hat
Unikowski erklärt, am 1. Tag seiner Vernehmung sei er nicht bedroht gewesen
und habe deshalb die Wahrheit gesagt. Die Angaben zu den Bildern hat der
Zeuge aber, wie ausgeführt, schon am 1. Tag seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung gemacht.
- 243 -
Gegen die Glaubwürdigkeit der Aussage des Zeugen vor dem Amtsgericht in Tel
Aviv spricht in 1. Linie die Tatsache, daß er erst am 2. Tag seiner
Vernehmung den Angeklagten Olejak ausdrücklich des Mordes an seinem Neffen
bezichtigt hat. Wenn der Zeuge Unikowski meint, er habe den 2. Lagerführer
schon am 1. Tag seiner Vernehmung mit dieser Tat belastet, so ist dies nicht
richtig. Am 1. Tag sprach der Zeuge nämlich nur davon, sein Neffe sei auf
dem Evakuierungsmarsch erschossen worden. Einen Täter hat er zu diesem
Zeitpunkt noch nicht genannt . Es ist kaum verständlich und zu erklären, daß
ein Zeuge, der von dritten Personen mittels Drohungen für sein eigenes Leben
zu einer für einen Angeklagten günstigen Aussage genötigt worden sein will,
dann diesen Angeklagten noch mit einem Mord belastet.
Ein erhebliches Indiz dafür, daß die Aussage des Zeugen Unikowski
hinsichtlich seines Widerrufs nachträglich konstruiert worden ist, ist auch
die Erklärung, die der Zeuge Unikowski auf die Frage, wie er denn die Bilder
des Angeklagten Olejak erkannt haben will, gegeben hat. Hierzu hat Unikowski
erklärt, er habe sich am 2. Tag seiner Vernehmung einfach den Mann, den er
Aufgrund der Drohungen als Lagerführer von Czechowitz habe identifizieren
sollen, 30 Jahre jünger vorgestellt und so die Lichtbilder des Angeklagten
Olejak herausgefunden. Richtig ist jedoch, wie bereits erwähnt, daß der
Zeuge Unikowski schon zu Beginn seiner Vernehmung am 1. Tag diese Angaben
gemacht hat, zu einem Zeitpunkt also, zu dem er nach seinen eigenen Angaben
weder bedroht noch auf den Angeklagten Olejak aufmerksam gemacht worden war.
Die von dem Zeugen Unikowski für das Erkennen der Bilder des Angeklagten
Olejak gegebene Erklärung ist deshalb aus zwei Gründen falsch. Weder hat er
die Angaben unter Drohungen gemacht, noch konnte er zu diesem Zeitpunkt von
der Person des Angeklagten Olejak auf die Bilder schließen. Denn der Zeuge
war, als er die Bilder vorgelegt bekam,
- 244 -
nach seiner eigenen Aussage auf den Angeklagten noch gar nicht aufmerksam
gemacht worden.
Weiter sprechen auch die erheblichen Widersprüche in den Aussagen der Zeugen
Unikowski und Edelsberg über die Art und Weise, wie der Zeuge Unikowski
angeblich bedroht worden ist, gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Unikowski
in diesem Punkt. Auch zur Aussage des Zeugen Goldberg steht die Aussage des
Zeugen Unikowski in Widerspruch. Während Unikowski erklärt hat, Goldberg
habe ihm von Morddrohungen gegen seine Person wahrend seines Aufenthalts in
Aschaffenburg erzählt, hat der Zeuge Goldberg dies, wie bereits ausgeführt,
ausdrücklich verneint.
Insgesamt ist die Kammer daher der Meinung, daß der Zeuge Unikowski bei
seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung sowohl am 1. als auch am 2. Tag
entsprechend seiner eigenen Erinnerung und nicht unter dem Einfluß von
irgendwelchen Drohungen ausgesagt hat. Da der Zeuge sowohl zu Lichtbildern,
die den Angeklagten Olejak darstellen, als auch zur Person den Angeklagten
Olejak ausgesagt bat, dieser Mann sei in Czechowitz gewesen, sieht die
Kammer die Aussage des Zeugen als weiteres Indiz für die Richtigkeit der
Einlassung des Angeklagten Olejak an.
Die Kammer sieht die Aussage des Zeugen Unikowski nicht als geeignet an, die
Einlassung des Angeklagten Olejak, ihm sei in Czechowitz nicht bekannt
gewesen, daß von Häftlingen Schnaps gebrannt worden sei, zu widerlegen.
Der Zeuge Unikowski hat hierzu bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung
ausgesagt, er sei zunächst wie die anderen Häftlinge auf dem Gelände der
Raffinerie zu Arbeiten eingesetzt worden. Zu einem späteren Zeitpunkt im
September 1944 sei er dann auf Veranlassung des Lagerältesten im Lager
geblieben und habe geholfen, Schnaps zu brennen. Die entsprechende Anlage
habe in dem abgeteilten Raum des Lagerältesten auf der rechten Seite des
Stallgebäudes gestanden. Seine
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Weisungen habe er immer nur von dem Lagerältesten bekommen, nicht von
SS.Leuten. Insgesamt seien 4 Häftlinge damit befaßt gewesen, Schnaps zu
brennen. Meistens sei nur nachts gearbeitet worden, warum wisse er nicht.
Der fertige Schnaps sei an die SS.Leute abgeliefert worden Er habe gehört,
daß diese auch damit gehandelt hätten.
Im November 1944 sei die Anlage demontiert und nach etwa 5 Tagen wieder
aufgebaut worden. Der Abbau der Anlage habe in Zusammenhang mit der Ablösung
des alten Lagerführers und der Ankunft des 2. Lagerführers gestanden. Im
Lager sei bis wenige Tage vor Beginn des Evakuierungsmarsches Schnaps
gebrannt worden.
Bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel Aviv hat der Zeuge
Unikowski ausgesagt, nicht nur der 1. Lagerführer, sondern auch der 2.
Lagerführer sei mehrmals in der Woche in den Raum gekommen, wo die Anlage
zum Schnapsbrennen gestanden habe. Bei der Ablösung sei ein Appell
durchgeführt worden und anschließend seien der alte und der neue Lagerführer
in die Brennerei gekommen. Da der Angeklagte Olejak behauptet, nichts von
dem Brennen des Schnapses im Lager Czechowitz gewußt zu haben, könne er
schon aus diesem Grund nicht der 2. Lagerführer in Czechowitz gewesen sein.
Die Kammer hält die Aussage des Zeugen Unikowski, daß auch der 2.
Lagerführer immer in die Schnapsbrennerei gekommen sei, nicht für
glaubwürdig. Zum einen ist die Aussage des Zeugen Unikowski schon in sich
widersprüchlich. So hat der Zeuge einmal ausgesagt, aus Anlaß des Wechsels
in der Lagerführung sei die Anlage demontiert worden. Später hat der Zeuge
dann bekundet, am Tage der Ablösung seien der alte und der neue Lagerführer
in die Brennerei gekommen. Zum anderen hat die Kammer an der Glaubwürdigkeit
der Aussage des Zeugen Unikowski vor dem Amtsgerichts Tel Aviv, was die
Person des neuen Lagerführers und die Person des Angeklagten Olejak
- 246 -
betrifft, aus den bereits dargelegten Gründen grundsätzliche
Zweifel. Schließlich steht die Aussage des zeugen Unikowski insoweit auch in
Widerspruch zur Aussage des Zeugen Kraschewski. Dieser hat ausgesagt, das
Schnapsbrennen sei nicht von dem Lagerführer, sondern nur von dem 2. SS.Mann
im Lager und von Häftlingen durchgeführt worden. Auf die Aussage des Zeugen
Silberstein, der Lagerführer habe davon nichts gewußt, wurde bereits
hingewiesen.
8. Zu den Aussagen der anderen Zeugen, die bei der Wachmannschaft des Lagers
Czechowitz oder als Häftlinge in diesem Lager waren, ist folgendes
auszuführen:
Der Zeuge Walloschek, Mitglied der Wachmannschaft des Lagers Czechowitz
kannte sich außer an Repke an keine weiteren SS. Leute in Czechowitz
erinnern.
Der Zeuge Mosche Silberstein hat ausgesagt, der 2. Lagerführer sei ein
großer, blonder, stattlicher Mann im Alter von 32 - 35 Jahren und im Range
eines Oberscharführers gewesen. Dieser SS. Mann sei kurz vor Weihnachten
1944 nach Czechowitz gekommen. Zur Person des 1. Lagerführers könne er keine
Angaben machen.
Weiter hat der Zeuge bekundet , er habe von der Israel-Polizei erfahren, daß
sich einer der Angeklagten gegen Verbrechen, die er in einem anderen Lager
begangen haben soll, damit verteidige, daß er zur Fraglichen Zeit als
Lagerführer im Lager Czechowitz gewesen sei.
Die Kammer hält die Beschreibung, die der Zeuge Silberstein von der Person
des 2. Lagerführers gegeben hat, unter Berücksichtigung der Aussage des
Zeugen Repke nicht für glaubhaft. Die Kammer ist der Überzeugung, daß sich
der Zeuge Repke an die Person des 2. Lagerführers, mit dem er Stube an Stube
gewohnt hat, besser erinnert hat, als der Zeuge Silberstein. Die Kammer geht
deshalb davon aus, daß der 2. Lagerführer in Czechowitz nicht ein großer,
blonder Oberscharführer, sondern ein kleiner dunkler Unterscharführer
gewesen ist. Möglicherweise meint der Zeuge Silberstein mit dem von ihm
beschriebenen Oberscharführer den 1. Lagerführer Knoblich, der ja, wie
erwähnt, Oberscharführer war.
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Der Zeuge Waag konnte nur aussagen, daß in der Führung des Lagers kurz vor
der Evakuierung ein Wechsel eingetreten ist. Nähere Angaben konnte er zu
keinem der beiden Lagerführer machen.
Der Zeuge Gruenfeld, dessen Aussage vom 29.11.1976 vor der Israel-Polizei in
der Hauptverhandlung verlesen wurde, da der Zeuge zwischenzeitlich
verstorben ist, hat dabei ausgesagt, die SS.Leute seien außerhalb des Lagers
untergebracht gewesen. An das Aussehen der SS.Leute würde er sich bei
Vorlage von Lichtbildern erinnern, da er ein sehr gutes Personengedächtnis
habe.
Nach Vorlage des Bildbandes erklärte der Zeuge Gruenfeld dann weiter, von
den darin abgebildeten Leuten sei keiner dabei, der in Czechowitz gewesen
sei. Dies vermöge er mit Sicherheit zu sagen. Dies gelte auch für die auf
den Lichtbildern 17, 18 und 19 (Angeklagter Olejak) abgebildete Person. Auch
das könne er mit Sicherheit sagen.
Hierzu ist zu bemerken, daß sich aus der Aussage des Zeugen nicht ergibt,
wie gut seine Erinnerung an die im Lager Czechowitz eingesetzten SS.Leute
zum Zeitpunkt der Vernehmung tatsächlich gewesen ist. So hat der Zeuge von
sich aus zur Person des Lagerführers und zu der Frage, ob in dieser Funktion
ein Wechsel eingetreten ist und zu der weiteren Frage , wieviele SS.Leute
überhaupt in Czechowitz waren, keinerlei Angaben gemacht. Nach dem Inhalt
der Niederschrift ist er danach auch nicht gefragt worden. Die Kammer kann
deshalb der Aussage dieses Zeugen keine besondere Bedeutung beimessen und
sieht sie nicht als geeignet an, die Einlassung des Angeklagten Olejak zu
widerlegen.
Der Zeuge Rubinstein, dessen Aussage vom 18.7.1977 vor der
Staatsanwaltschaft Würzburg verlesen wurde, da er zwischenzeitlich aus
Gesundheitsgründen nicht mehr vernehmungsfähig
- 248 -
ist, hat ausgesagt, er erinnere sich nur daran, daß es in Czechowitz
nacheinander 2 Lagerführer gegeben habe. Der 1. sei etwa 30 Jahre alt
gewesen und habe dunkle Haare gehabt. Der 2. Lagerführer sei etwa 25 - 30
Jahre alt und blond gewesen.
Bei Vorlage des Bildbandes erklärte der Zeuge zu Bild 12 (Bild des
Lagerführers von Jaworzno Bruno Pfütze), dieser könne der 2. Lagerführer in
Czechowitz gewesen sein, er habe so ähnlich ausgesehen. Sonst komme ihm
keine Person bekannt vor. Auch die ausdrückliche Frage des vernehmenden
Staatsanwaltes, ob der 2. Lagerführer so ausgesehen habe wie die auf Bild 18
(Angeklagter Olejak) abgebildete Person, meinte der Zeuge dann, diese Person
könne der 1. Lagerführer in Czechowitz gewesen sein. Der 2. Lagerführer habe
anders, nämlich wie der auf Bild 12 abgebildete Mann, ausgesehen.
Zn diesem Zeugen ist zu bemerken, daß er von den beiden Personen, die als
Lagerführer in Czechowitz waren, zum Zeitpunkt der Vernehmung keine sichere
Vorstellung mehr hatte. Dies ergibt sich daraus, daß er den 2. Lagerführer
mit einem Bild des SS.Mannes Pfütze, von dem feststeht, daß er niemals in
Czechowitz war, in Verbindung gebracht hat. Im übrigen hat der Zeuge
Rubinstein nicht verneint, daß die auf Bild 18 (Angeklagter Olejak)
abgebildete Person in Czechowitz war. Er meinte vielmehr, so könne der 1.
Lagerführer ausgesehen haben. Besonders Gewicht mißt die Kammer dieser
Aussage jedoch nicht bei.
- 249 -
III.
Weitere Anhaltspunkte dafür, daß die Einlassung des Angeklagten Olejak über
seinen Aufenthalt im Lager Czechowitz richtig ist, sieht die Kammer in den
Aussagen der Zeuginnen Rudolfine Hassel, Rosa Zdunek, Sabine Becks,
Franziska Wasserthal, Marianne Konjor und Gisela Konjor.
Die Zeugin Hassel, eine jüngere Schwester der verstorbenen Frau des
Angeklagten Olejak, hat bei ihren Vernehmungen in der Hauptverhandlung
bekundet, sie sei im Januar 1945 zusammen mit ihrem Vater und ihrer
Schwester Else, der Ehefrau des Angeklagten Olejak vor den herannahenden
russischen Truppen aus Schakowa geflüchtet. Ihre anderen Angehörigen hätten
Schakowa schon einige Tage vorher verlassen. Am Nachmittag des Tages der
Flucht sei ihre Schwester in das Geschäft gekommen, wo sie selbst gearbeitet
habe und habe sie abgeholt. Zu Hause hätten sie das Nötigste zusammengepackt
und seien dann mit einem LKW der Zementfabrik, in der ihre Schwester als
Telefonistin gearbeitet habe, nach Kattowitz gefahren. Mit dem Zug seien sie
dann weiter nach Czechowitz gefahren, wo sie ihre Schwester zu der
Unterkunft des Angeklagten Olejak geführt habe. In Czechowitz seien sie am
späten Abend angekommen. Sie hätten dann in den Unterkunftsräumen ihres
Schwagers übernachtet und seien am nächsten Morgen von Czechowitz aus nach
Saybusch weiter gefahren. Am Bahnhof in Saybusch hätten sie den ihnen
bekannten Leiter des Bahnhofs, einen Herrn Seidel getroffen, der ihnen noch
einen Platz in einem abfahrenden Zug verschafft habe. Herrn Seidel hätten
sie bei dieser Gelegenheit erzählt, daß sie Herrn Olejak in Czechowitz
besucht hätten.
Ihrer Erinnerung nach seien sie am Abend des 19.1.1945 in Czechowitz
gewesen. Sicher wisse sie noch, daß an ihrem Geburtstag am 25. Januar die
Flucht in den Westen noch nicht abgeschlossen gewesen sei.
- 250 -
Die Kammer ist der Meinung, daß allein aus der Tatsache, daß die Zeugin
meint, der Besuch bei dem Angeklagten Olejak in Czechowitz sei am 19.1.1945
gewesen, was nach den übrigen Feststellungen der Beweisaufnahme nicht
richtig sein kann, nicht geschlossen werden kann, daß die gesamte Aussage
der Zeugin Hassel falsch ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Zeugin
im Januar 1945 erst 16 Jahre alt war und daß bis zur 1. Aussage der Zeugin
in dieser Sache im August 1976 im Rahmen des Ermittlungsverfahrens mehr als
31 Jahre vergangen waren. Außerdem steht der Zeugin zur Stützung ihrer
Datumsangabe außer ihrer eigenen Erinnerung kein besonderer Anhaltspunkt,
wie etwa ein genau festlegbares anderes Ereignis, von dem aus sie rechnen
könnte, zur Verfügung. Soweit sie in diesem Zusammenhang ihren Geburtstag
erwähnt, kann hieraus auf das mögliche Datum des behaupteten Besuchs bei dem
Angeklagten Olejak keine Schlußfolgerung gezogen werden, da die Zeugin nicht
angeben kannte, wieviele Tage vor ihrem Geburtstag sie in Czechowitz gewesen
ist.
Im Rahmen der Würdigung der Aussage der Zeugin Hassel ist auch auf die
Aussage der Zeugin Sabine Becks hinzuweisen. Frau Becks, eine Tochter des
bereits erwähnten Leiters des Bahnhofs in Saybusch namens Seidel, hat
bekundet, sie habe von ihrem Vater gehört, die Angehörigen des Angeklagten
Olejak seien bei ihm auf dem Bahnhof in Saybusch gewesen. Durch diese
Aussage, an deren Richtigkeit die Kammer keinen Zweifel hat, wird bestätigt,
daß Frau Hassel mit ihren Angehörigen bei ihrer Flucht über Saybusch
gefahren ist. Aus der bei den Akten befindlichen Landkarte von Oberschlesien
wurde auch festgestellt, daß die Bahnstrecke von Kattowitz nach Saybusch
über Czechowitz führt.
Die Zeugin Hassel hat weiter ausgesagt, der Angeklagte Olejak sei im
Dezember 1944 nur einmal in Schakowa gewesen und zwar anläßlich der Hochzeit
einer Freundin ihrer Schwester
- 251 -
Else. Ihrer Erinnerung nach sei der Angeklagte an Weihnachten 1944 und auch
beim folgenden Jahreswechsel nicht in Schakowa gewesen, auch nicht am
Geburtstag Ihrer Mutter am 28. Dezember. Ihre Schwester Else sei an jedem
oder jedem zweiten Wochenende zu ihrem Mann, dem Angeklagten Olejak
gefahren. Sie sei Samstags weggefahren und Sonntags wieder nach Hause
gekommen. Auch unmittelbar vor ihrer Flucht im Januar 1945 sei der
Angeklagte Olejak nicht nach Schakowa gekommen und er habe auch zu diesem
Zeitpunkt keinen Kontakt mit seiner Ehefrau gehabt.
Die Kammer hat an der Richtigkeit der Aussage der Zeugin Hassel keinen
Zweifel, obwohl es sich bei dieser Zeugin um eine Schwägerin des Angeklagten
Olejak handelt. Die Zeugin hat ihre Aussage, soweit sie sich erinnern
konnte, sicher und bestimmt gemacht.
Die gesamte Aussage der Zeugin Hassel ist nach Meinung der Kammer ein
weiteres Indiz dafür, daß der Angeklagte Olejak Ende 1944 und im Januar 1945
nicht in Jaworzno, sondern in dem wesentlich weiter von Schakowa entfernt
liegenden Czechowitz stationiert war. Die Kammer hält es für höchst
unwahrscheinlich und lebensfremd, daß der Angeklagte Olejak seine Ehefrau,
die er erst im September 1944 geheiratet hat, über Weihnachten 1944 oder den
Jahreswechsel 1944/1945 nicht in Schakowa besucht hätte, wenn er in dem nur
3,6 km entfernten Jaworzno stationiert gewesen wäre. Dabei ist zu
berücksichtigen, daß es zu den Aufgaben des Angeklagten Olejak, wenn er
Rapportführer in Jaworzno gewesen wäre, gehört hätte, den Dienstplan für die
Angehörigen der Lagerkommandantur aufzustellen. Nach Meinung der Kammer wäre
es für den Angeklagten Olejak als Rapportführer ein leichtes gewesen, die
Dienstpläne so zu gestalten, daß er selbst hin und wieder Zeit für einen
Besuch bei seiner nur wenige Kilometer entfernt wohnenden Ehefrau und deren
Angehörigen gehabt hätte. Daß nicht er seine Ehefrau, sondern diese ihn
besucht hat
- 252 -
und daß sie dabei auch über Nacht geblieben ist, spricht deshalb dafür, daß
der Angeklagte Olejak nicht in den nahen Jaworzno, sondern in dem weiter
entfernt liegenden Czechowitz stationiert war.
Die Kammer ist auch der Überzeugung, daß der Angeklagte Olejak seine Ehefrau
und deren Angehörigen bei der Vorbereitung und Durchführung der Flucht in
den Westen geholfen hätte, wenn er zu dieser Zeit in Jaworzno stationiert
gewesen wäre. Dies hat zum Beispiel die Zeugin Wasserthal, auf deren weitere
Aussage noch näher eingegangen wird, von ihrem Schwager Witowski, dem Leiter
der politischen Abteilung des Lagers Jaworzno, berichtet. Daß Olejak nach
der Aussage der Zeugin Hassel keinerlei Hilfeleistung bei Antritt der Flucht
geleistet hat, spricht deshalb ebenfalls dafür, daß Olejak sich im Januar
1945 nicht in der unmittelbaren Nähe von Schakowa aufgehalten hat.
2. Auch die Aussage der Zeugin Rosa Zdunek spricht für die Richtigkeit der
Einlassung des Angeklagten Olejak. Die Zeugin, eine Schwester des
Angeklagten Olejak, bat ausgesagt, sie sei während des Krieges als
Schwesternhelferin in der Nähe von Posen und Ende 1944 in Breslau eingesetzt
gewesen. Mit ihrem Bruder habe sie während des Krieges in Briefverkehr
gestanden. Den letzten Brief von ihm habe sie etwa 14 Tage nach seiner
Hochzeit aus Blechhammer bekommen. Anfang Dezember 1944 habe sie von ihrer
Mutter einen Brief erhalten, in dem diese ihr mitgeteilt habe, ihr Bruder
sei nach Czechowitz versetzt worden. Diesen Brief habe sie erst 2 Jahre vor
ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung vernichtet.
Zu der Aussage der Zeugin ist zu bemerken, daß ihre Angabe, Olejak habe ihr
14 Tage nach seiner Hochzeit noch aus Blechhammer geschrieben, nachdem von
der Kammer über die
- 253 -
Dauer des Aufenthaltes des Angeklagten Olejak in Blechhammer gemachten
Feststellungen richtig sein kann.
3. Nicht unwesentliche Bedeutung kommt nach Meinung der Kammer der Aussage
der Zeugin Franziska Wasserthal zu.
Diese Zeugin war eine Jugendfreundin der Ehefrau des Angeklagten Olejak. Sie
hat ausgesagt, im Spätherbst 1944 habe sie Frau Olejak getroffen und
eingeladen. Frau Olejak habe ihr erklärt, sie habe keine Zeit, sie wolle an
dem betreffenden Wochenende ihren Mann besuchen, der irgendwo in die
Beskiden versetzt worden sei. Dabei wolle sie auch ihre Schwiegereltern
aufsuchen.
Den Namen des Ortes, wohin Frau Olejak fahren wollte, konnte die Zeugin
nicht nennen. Sie meinte aber, Frau Olejak habe gesagt, sie müsse bis
Bielitz fahren, der Standort ihres Mannes liege in der Nähe dieser Stadt.
Die Kammer hat keinen Zweifel daran, daß die Aussage der Zeugin Franziska
Wasserthal richtig ist. Unter Berücksichtigung der geographischen Lage der
drei möglichen Stationierungsorte des Angeklagten Olejak im fraglichen
Zeitraum, nämlich Jaworzno, Blechhammer und Czechowitz, kann nur geschlossen
werden, daß sich der Angeklagte Olejak in Czechowitz aufgehalten hat. Denn
von diesen 3 genannten Orten liegt nur Czechowitz in der Nähe von Bielitz
und den Beskiden. Auch konnte die Ehefrau des Angeklagten ihre in der Nähe
von Bielitz wohnenden Schwiegereltern gleichzeitig mit dem Angeklagten
Olejak nur dann besuchen, wenn sich Olejak in Czechowitz aufgehalten hat.
Die Aussage der Zeugin Wasserthal ist nicht von vorneherein als
unglaubwürdig anzusehen, weil der Angeklagte Olejak sich dahingehend
eingelassen hat, seine Ehefrau habe seine Eltern anläßlich ihrer Besuche in
Czechowitz nicht besucht.
- 254 -
Es erscheint durchaus möglich, daß Frau Olejak ihre ursprüngliche Absicht,
die Schwiegereltern zu besuchen, wahrend ihres Aufenthaltes in Czechowitz
aufgegeben hat.
4. Schließlich sind hier nach die Aussagen der Geschwister Marianne und
Gisela Konjor zu erwähnen, die diese bei ihrer Vernehmung durch den
zuständigen Richter in Polen gemacht haben.
Beide Schwestern habe übereinstimmend bekundet, ihr zwischenzeitlich
verstorbener Bruder Jan Konjor habe ihnen erzählt, Hans Olejak habe ihm in
der Raffinerie in Czechowitz aus einer mißlichen Lage geholfen, als er eines
Diebstahls bezichtigt worden sei.
Aus diesen Aussagen der Geschwister Konjor kann zwar nur geschlossen werden,
daß sich der Angeklagte Olejak an dem betreffenden Tag in der Raffinerie in
Czechowitz aufgehalten hat. Sie stellen jedoch ein Indiz dafür dar, daß der
Angeklagte Olejak bei den verantwortlichen Leuten der Raffinerie einen nicht
unerheblichen Einfluß gehabt haben muß.
Soweit die Zeuginnen als Datum für dieses von ihrem Bruder ihnen mitgeteilte
Ereignis den Herbst bzw. Spätherbst 1944 angegeben haben, muß auch hier
vermerkt werden, daß an solche Zeitangaben von Zeugen, die keine konkreten
Anknüpfungspunkte haben, nach über 30 Jahren keine allzu strengen
Anforderungen gestellt worden können.
Die Hauptverhandlung hat keine Anhaltspunkte dahin erbracht, daß die in
Polen lebenden Geschwister nur um dem in der Bundesrepublik wohnenden
Angeklagten Olejak einen Gefallen zu erweisen, eine bewußt wahrheitswidrige
Aussage gemacht haben.
- 255 -
G) Bei Abwägung mit dem unter D, E und F dargelegten Ergebnis der
Beweisaufnahme hält die Kammer die Aussagen der Zeugen, die als Häftlinge im
Lager Jaworzno inhaftiert waren und den Angeklagten Olejak im Sommer 1944,
im Herbst 1944, im Dezember 1944 und bei der Evakuierung im Januar 1945
gesehen haben wollen, nicht für zutreffend.
I. In diesem Abschnitt sind die Aussagen der Zeugen zusammengefaßt, die vor
Frühjahr 1944 in das Lager Jaworzno gekommen sind. Dieses Zeugen können, wie
bereits ausgeführt, den Angeklagten Olejak noch von dessen Aufenthalt von
Juli 1943 bis Frühjahr 1944 in Jaworzno her kennen.
1. Der Zeuge Zejer, der, wie bereits ausgeführt, von Juli 1943 bis zur
Auflösung des Lagers Jaworzno als Rapportschreiber eingesetzt war, hat bei
seiner Vernehmung durch den zuständigen polnischen Richter ausgesagt, er
habe den Angeklagten Olejak schon 1942 im Lager Birkenau kennengelernt. Als
er selbst im Juli 1943 nach Jaworzno gekommen sei, sei Olejak dort schon als
Rapportführer eingesetzt gewesen. In dieser Funktion sei Olejak bis Sommer
1944 tätig gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei er von dem Unterscharführer
Hablesreiter als Rapportführer abgelöst worden. Olejak sei weiter in
Jaworzno geblieben und sei in der Folgezeit als Blockführer tätig gewesen.
Seiner Erinnerung nach sei Hablesreiter bis Ende der Lagerzeit Rapportführer
geblieben.
Er habe Olejak auch nach dessen Ablösung im Lager noch gesehen, dienstlich
habe er mit ihm dann nichts mehr zu tun gehabt. Olejak sei bestimmt im
Dezember 1944 in Jaworzno gewesen. Dies wisse er deshalb genau, weil in
diesem Monat eine größere Zahl von Häftlingen nach einem gescheiterten
Fluchtversuch gehängt worden sei. Bei dieser Hängung sei Olejak
- 256 -
dabei gewesen. Seiner Erinnerung nach sei Olejak auch auf dem
Evakuierungsmarsch dabei gewesen.
2. Der Zeuge Wiktor Pasikowski, der sich von Juni 1943 bis zu seiner Flucht
aus Jaworzno am 29.11.1944 dort aufgehalten hat, gehörte zu den Häftlingen,
die aufgrund ihrer Funktion im Lager - er war dem Lagerführer und dem
Lagerältesten zur persönlichen Dienstleistung zugeteilt - persönlichen
Kontakt zu den Angehörigen der SS.Lagerkommandantur hatte.
Pasikowski hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung ausgesagt,
Olejak sei bis zu seiner Flucht am 29.11.1944 ununterbrochen in Jaworzno
gewesen.
Bei Beginn des Evakuierungsmarsches habe er, Pasikowski, sich als Mitglied
einer polnischen Widerstandsbewegung in der Nähe des Lagers Jaworzno
aufgehalten. Von da aus habe er den Angeklagten Olejak unter den SS.Leuten
gesehen, jedenfalls seine Stimme gehört.
3. Der Zeuge Smigielski, der von der Errichtung des Lagers im Juni 1943 an
bis zu seiner Flucht im November 1944 als Kapo in der Bekleidungskammer
tätig war, hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung ausgesagt,
Olejak sei immer im Lager Jaworzno gewesen, solange er selbst dort gewesen
sei. Allenfalls sei er für kürzere Zeit auf Urlaub von Jaworzno abwesend
gewesen. In dieser Zeit sei er von Hablesreiter vertreten worden. Nach
Vorhalt einer Vernehmung vom 7.5. 1972, in der es heißt, nach Olejak habe
der SS.Unterscharführer Hablesreiter die Funktion des Rapportführers
übernommen, erklärte der Zeuge Smigielski, früher habe er in diesem Punkt
keine Sicherheit gehabt. Im Mai 1978 habe er mit dem Rapportschreiber des
Lagers Jaworzno, dem Zeugen Zejer gesprochen. Dieser habe ihn von der
ständigen Anwesenheit des Angeklagten Olejak in Jaworzno überzeugt. Für
Zejer sei diese Frage nicht umstritten
- 257 -
gewesen. Dieser müsse es auch im besten wissen, da er in seiner Stellung
praktisch täglich mit dem Rapportführer zu tun gehabt habe. Er selbst sei
sich heute auch sicher, daß Olejak bis zu seiner eigenen Flucht ohne größere
Unterbrechungen immer im Lager gewesen sei. In seiner Erinnerung gehöre
Olejak zum Bild des Lagers Jaworzno. Da er diesbezüglich keine
Besonderheiten in Erinnerung habe, nehme er an, daß Olejak immer dagewesen
sei. Der Rapportführer sei nach dem Lagerführer der wichtigste Mann für die
Häftlinge im Lager gewesen. Wenn der Rapportführer Olejak aus Jaworzno
verschwunden wäre, hätte dies für die Häftlinge ein erhebliches Ereignis
dargestellt. Dies wäre ihm bestimmt im Gedächtnis geblieben.
Zu seiner Flucht am 29.11.1944 erklärte der Zeuge Smigielski, er sei
zusammen mit Pasikowski aus dem Lager geflohen. Die Flucht sei mit einer
Lokomotive erfolgt, die von dem dafür eingesetzten polnischen
Lokomotivführer gefahren worden sei. Mit Pasikowski, der keiner
Widerstandsbewegung angehört habe, sei er bis zum 19.1.1945 in einem Dorf
bei Krakau zusammengewesen. Bis zu dieser Zeit seien sie nicht mehr in die
Nähe des Lagers nach Jaworzno zurückgekehrt.
4. Der Zeuge Antoni Sicinski war, wie bereits ausgeführt, von Anfang an im
Lager Jaworzno und zunächst als Rapportschreiber, dann als Gehilfe des neuen
Rapportschreibers Zejer und ab April 1944 als Verwalter der Häftlingskantine
eingesetzt. Er hat ausgesagt, Olejak sei von Anfang an Rapportführer
gewesen. Manchmal sei er kurz weggefahren und dann von Hablesreiter auf
diesem Posten vortreten worden. Nach dem Kriege habe er gehört, daß Olejak
als Rapportführer nach Blechhammer versetzt worden sei. Er habe auch gehört,
Olejak sei kurz vor der Evakuierung wieder in das Lager zurückgekehrt. Er
selbst habe ihn jedoch nicht gesehen. Wahrscheinlich habe er das schon
damals gehört, genau könne er sich nach so langer Zeit an alle Einzelheiten
nicht mehr erinnern.
- 258 -
5. Der Zeuge Mieczyslaw Zewski, der mehrfach in der Hauptverhandlung
vernommen wurde, kam nach seiner Aussage mit dem 1. Häftlingstransport am
15.6.1943 nach Jaworzno. In der Folgezeit war er als Kapo in der
Häftlingsküche und zeitweise auch als Blockältester eingesetzt.
Er hat ausgesagt, seiner Erinnerung nach sei Olejak immer Rapportführer in
Jaworzno gewesen. Nur gelegentlich sei er von einem großen starken Mann, der
Hablesreiter geheißen haben könne, vertreten worden. Nach der Bombardierung
der Küche kurz vor Beginn des Evakuierungsmarsches habe Olejak als
Rapportführer die Aufräumungsarbeiten geleitet und die entsprechenden
Befehle erteilt. Auch beim Evakuierungsmarsch sei Olejak dabeigewesen.
6. Der Zeuge Dr. Paul Heller, der durch den zuständigen Konsul des
Konsulates der Bundesrepublik Deutschland in Chicago in Anwesenheit der
gesamten Kammer vernommen worden ist, kam nach seiner Aussage im Sommer 1943
nach Jaworzno und war bis zur Evakuierung als Häftlingsarzt im
Häftlingskrankenbau tätig. Gegen Ende der Lagerzeit war er, wie bereits
ausgeführt, gleichzeitig Lagerältester des HKB.
Dr. Heller hat ausgesagt, seiner Erinnerung nach sei Olejak immer
Rapportführer im Lager Jaworzno gewesen. Er sei sich aber nicht sicher, ob
er beim Evakuierungsmarsch dabei gewesen sei. Olejak gehöre für ihn zusammen
mit dem Lagerführer Pfütze und dem Lagerältesten Bruno Brodnewicz zum
Lagerbild, das er in Erinnerung habe. Deshalb meine er, daß Olejak auch am
Ende der Lagerzeit in Jaworzno gewesen sei. An ein konkretes Erlebnis mit
Olejak am Ende könne er sich aber nicht erinnern, auch nicht aus seiner Zeit
als Lagerältester des HKB
7. Der Zeuge Dr. Boris Braun schließlich hat ausgesagt, er sei mit dem 1.
Häftlingstransport im Sommer 1943 in das Lager Jaworzno gekommen. Die meiste
Zeit habe er die Funktion eines
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Lagerelektrikers inne gehabt und sei tagsüber im Lager eingesetzt gewesen.
Von da her habe er die im Lager tätigen SS.Leute gut gekannt. Olejak sei
nach dem Lagerführer Pfütze der wichtigste Mann im Lager gewesen. Seiner
Erinnerung nach sei er von Anfang bis Ende als Rapportführer tätig gewesen.
An ein konkretes Erlebnis mit Olejak könne er sich im Jahre 1944 jedoch
nicht erinnern. Lediglich 1943 habe es einen Vorfall mit Olejak gegeben, als
er die Zaunbeleuchtung nicht eingeschaltet gehabt habe. Olejak habe ihn
deswegen mit einem Stuhlbein bedroht, geschlagen habe er ihn jedoch nicht.
Die Kammer hat keinen Zweifel daran, daß die erwähnten 7 Zeugen infolge
ihrer hervorgehobenen Stellung im Lager, aufgrund deren sie praktisch
ständig mit den Angehörigen der Lagerkommandantur persönlichen Kontakt
hatten, während der Zeit des Bestehens des Lagers genau wußten, welche
SS.Leute jeweils der Lagerkommandantur angehört haben, insbesondere wer
jeweils Rapportführer gewesen ist. Die Tatsache, daß sich keiner dieser
Zeugen von sich aus an die aufgrund von Dokumenten nachgewiesene Versetzung
des Angeklagten Olejak aus dem Lager Jaworzno erinnert hat, beweist, wie
auch sichere und gefestigte Wahrnehmungen allein schon durch einen längeren
Zeitablauf getrübt und verändert werden können. Sie beweist auch, wie
schwierig es generell für einen Menschen ist, sich an bestimmte,
ursprünglich genau bekannte Einzelheiten mit Bestimmtheit zu erinnern, wenn
er erst nach vielen Jahren wieder damit befaßt wird. Müßte die Kammer ihrer
Entscheidung über die einzelnen Stationierungsorte des Angeklagten Olejak
allein die Aussagen dieser, von allen vernommenen Zeugen damals am besten
informierten Leuten, zugrunde legen, so hätte die durch zahlreiche Dokumente
belegte Einlassung des Angeklagten Olejak über seinen Aufenthalt im Lager
Blechhammer als bloße Schutzbehauptung angesehen werden müssen. Denn keiner
dieser Zeugen hat sich von sich aus an eine längere Abwesenheit des
Angeklagten Olejak erinnert.
- 260 -
Die Aussagen dieser Zeugen zeigen zugleich auf, welche Fehlerquellen bei den
Aussagen von Zeugen im vorliegenden Verfahren bestehen.
Der Zeuge Zejer zum Beispiel knüpft seine Behauptung, Olejak sei auch Ende
1944 in Jaworzno gewesen, in erster Linie daran, daß dieser bei der
Erhängung von Mithäftlingen nach einem gescheiterten Fluchtversuch
dabeigewesen sei. Trotz wiederholter Vorhalte, daß diese Erhängung im
Dezember 1943 und nicht, wie der Zeuge meinte, im Dezember 1944 erfolgt sei,
blieb der Zeuge bei seiner Meinung.
Der Zeuge Smigielski stützt seine Aussage über die ständige Anwesenheit des
Angeklagten Olejak in erster Linie auf ein im Mai 1978, also kurz vor seiner
Vernehmung in der Hauptverhandlung, geführtes Gespräch mit dem Zeugen Zejer.
Bis zu diesem Gespräch sei er sich in dieser Sache nicht sicher gewesen.
Zejer habe ihn davon überzeugt, daß Olejak immer im Lager gewesen sei.
Dieser müsse es als ehemaliger Rapportschreiber am besten wissen, da er
ständig mit dem jeweiligen Rapportführer zu tun gehabt habe.
Zu dem Zeugen
Pasikowski ist zu bemerken, daß dieser dadurch, daß er seine Rolle im Lager
und in der polnischen Widerstandsbewegung, sei es bewußt oder unbewußt in
den Vordergrund stellen wollte, in mehreren Punkten die Unwahrheit gesagt
hat. Im Zusammenhang mit dieser Rolle in der polnischen Widerstandsbewegung
hat der Zeuge auch seine angeblichen Kenntnisse von der Anwesenheit des
Angeklagten Olejak bei Beginn des Evakuierungsmarsch bekundet. Denn er will
sich als Mitglied einer Widerstandgruppe mit dem Auftrag, das Lager Jaworzno
zu befreien, in der Nähe aufgehalten haben. Hierzu hat der Zeuge Smigielski
ausgesagt, am 17.1.1945, also am Beginn des Evakuierungsmarsches, habe er
sich zusammen mit Pasikowski in einem Dorf bei Krakau und nicht in der Nähe
von Jaworzno aufgehalten. Aufgrund der Aussage des Zeugen Smigielski sieht
die Kammer auch die weitere
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Behauptung des Zeugen Pasikowski, er habe bei der Flucht aus dem Lager
Jaworzno selbst die Lokomotive geführt, als widerlegt an.
Die Kenntnisse des Zeugen Sicinski über die Versetzung des Angeklagten
Olejak nach Blechhammer und seiner Rückkehr nach Jaworzno vor der
Evakuierung, beruhen, wie der Zeuge selbst eingeräumt hat, im wesentlichen
auf Informationen, die er von dritter Seite nach Befreiung aus dem Lager
erhalten hat.
Der Zeuge Dr. Paul Heller hat ausgesagt, er erinnere sich an keinen anderen
Rapportführer in Jaworzno und gehe deshalb davon aus, daß Olejak immer als
Rapportführer in Jaworzno gewesen sei. Für ihn gehöre Olejak zusammen mit
Pfütze und dem Lagerältesten Bruno Brodnewicz zum Lagerbild, das er heute in
Erinnerung habe. Nur so ist auch die ursprüngliche Aussage des Zeugen Dr.
Heller zu erklären, Brodnewicz sei immer Lagerältester in Jaworzno gewesen.
Erst nach verschiedenen Vorhalten konnte sich Dr. Heller schließlich an
einen 2. Lagerältesten erinnern, der aus dem Lager geflohen sei.
Der Zeuge Zewski stützt seine von ihm behauptete Sicherheit hinsichtlich der
Anwesenheit des Angeklagten Olejak im Lager kurz vor der Evakuierung darauf,
daß es Olejak gewesen sei, der nach der Bombardierung der Küche die
Aufräumungsarbeiten geleitet habe. Hierzu hat der Zeuge Zejer erklärt, die
entsprechenden Befehle habe der SS.Unterscharführer Hablesreiter gegeben.
Der Zeuge Dr. Boris Braun schließlich hat ausgesagt, er habe nach dem Kriege
viel mit anderen Mithäftlingen über die Lagerzeit gesprochen. Er könne nicht
ausschließen, daß durch solche Gespräche seine Erinnerung verändert worden
sei. Zu diesem Zeugen, der aus Jugoslawien angereist war, ist noch zu
bemerken, daß er in Begleitung des bereits vorher in der Hauptverhandlung
vernommenen Zeugen Bulaty zu seiner Vernehmung erschienen ist. Nach der
allgemeinen Lebenserfahrung geht die
- 262 -
Kammer davon aus, daß Dr. Braun auch mit Bulaty über die Lagerzeit und das
hiesige Verfahren gesprochen hat.
Diese Ausführungen zu den Aussagen der Zeugen, auf die die Kammer für die
Entscheidung der Frage, ob der Angeklagte Olejak nach seiner Versetzung nach
Blechhammer wieder nach Jaworzno zurückgekehrt ist, die größte Hoffnung
gesetzt hatte, beweisen, wie schwierig solche Entscheidungen sind, wenn sie
nur auf Aussagen solcher Zeugen gestützt werden müssen, die erst viele Jahre
nach den betreffenden Ereignissen damit wieder befaßt werden.
Die Kammer sieht deshalb aus den ausgeführten Gründen die Aussagen dieser
Zeugen in Verbindung mit dem unter D, E und F dargelegten Ergebnis der
Beweisaufnahme nicht als geeignet an, die Einlassung des Angeklagten Olejak
über seinen Einsatz im Lager Czechowitz als Schutzbehauptung erscheinen zu
lassen.
8. Der Zeuge Tadeusz Usielski hat bei seiner Vernehmung durch den
zuständigen polnischen Richter ausgesagt, er sei im Juli oder August 1943
nach Jaworzno gekommen. Am Anfang sei er bei Rodungsarbeiten eingesetzt
worden, dann habe er in der Rudolfsgrube gearbeitet. Nach etwa einem halben
Jahr sei er erkrankt und in den Häftlingskrankenbau des Lagers Monowitz
verlegt worden. Nach einem Aufenthalt von 2 Monaten, in deren Verlauf er
wieder genesen sei, sei er nach Jaworzno zurück gekommen. In der Folgezeit
sei er zu Ordnungsarbeiten im Lager selbst eingesetzt worden.
Olejak sei von Anfang bis Ende Rapportschreiber in Jaworzno gewesen. Er habe
auch den Evakuierungsmarsch mitgemacht. Er erinnere sich noch daran, daß ihm
Olejak beim Weitermarsch aus dem Lager Blechhammer unter einem Bett
hervorgeholt habe, wo er sich versteckt gehabt habe.
Zu diesem Zeugen ist zu bemerken, daß er sich an einen anderen Rapportführer
in Jaworzno und an die Versetzung des Angeklagten
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Olejak aus dem Lager Jaworzno nicht erinnert hat. Soweit der Zeuge Usielski
ausgesagt hat, Olejak habe ihn in Blechhammer unter einem Bett hervorgeholt,
ist diese Aussage nicht glaubhaft. Denn alle anderen Zeugen, die den
Evakuierungsmarsch bis Blechhammer mitgemacht haben, haben übereinstimmend
bekundet, daß kein Häftling in Blechhammer gezwungen worden sei, mit den SS.
Leuten aus Jaworzno weiter zu marschieren und, wie bereits ausgeführt, ist
auch der größte Teil der Häftlinge in Blechhammer zurückgeblieben.
9 Der Zeuge Walerian Redyk hat in seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung
ausgesagt, er sei im August 1943 nach Jaworzno gekommen und bis zur
Auflösung des Lagers dort geblieben. Ein SS.Mann namens Olejak sei während
der gesamten Zeit, in der er selbst in Jaworzno gewesen sei, als Blockführer
dort gewesen. Rapportführer sei ein anderer SS.Mann gewesen. Dieser sei etwa
32 Jahre alt, korpulent, und mit ca. 1,75 m ziemlich groß gewesen.
Auf Vorhalt , warum er sich bei einer früheren Vernehmung nicht an den Namen
Olejak erinnert habe, erklärte der Zeuge, der Name sei ihm damals nicht
eingefallen. Nach dieser Vernehmung habe er einen ehemaligen Mithäftling
getroffen, mit dem er über die Lagerzeit gesprochen habe. Dieser habe ihm
gesagt, er habe in Jaworzno am meisten unter Olejak zu leiden gehabt. Da sei
ihm der Name Olejak auch wieder eingefallen. Diesen Olejak, den er meine,
habe er auch beim Evakuierungsmarsch beim Schießen auf Häftlinge beobachtet.
Da dieser Zeuge von einem Blockführer Olejak spricht und die Beschreibung,
die er von dem Rapportführer gibt, auf den damals 1,69 großen und nur 64 kg
schweren Angeklagten Olejak nicht paßt, sieht ihn die Kammer nicht als
geeigneten Zeugen bei der hier zu entscheidenden Frage an. Im Übrigen ist
seine Aussage zu Olejak stark durch ein Gespräch mit einem Mithäftling
geprägt worden, wie der Zeuge selbst eingeräumt hat.
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10. Der Zeuge Mieczyslaw Baran hat in seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung ausgesagt, er sei mit dem 1. Häftlingstransport im Sommer
1943 nach Jaworzno gekommen.
Zu Beginn seiner Vernehmung hat der Zeuge den Angeklagten Olejak im
Sitzungssaal nicht erkannt. Im weiteren Verlauf meinte er dann, daß der
Angeklagte Olejak „der Olejak“ sei, er sei sich jetzt sicher. Er habe ihn an
seiner Figur wiedererkannt. Olejak sei in Jaworzno Rapportführer gewesen,
den Namen habe er schon im Lager gewußt. Er sei immer in Jaworzno gewesen,
an eine längere Abwesenheit könne er sich nicht erinnern.
Am 2. Tag seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung erklärte der Zeuge dann
plötzlich, Olejak sei nicht Rapportführer gewesen; einen solchen habe es
zwar gegeben, dessen Namen wisse er jedoch nicht mehr.
Beim Evakuierungsmarsch sei Olejak dabei gewesen. Er habe ihm befohlen,
einen kleinen Wagen mit seinem Gepäck zu ziehen. Auch Pansegrau habe sein
Gepäck auf diesen Wagen geworfen. Während des Marsches habe er von Olejak
auch einmal Brot bekommen.
Auch dieser Zeuge erscheint nicht geeignet, die Einlassung des Angeklagten
Olejak zu widerlegen. Soweit der Zeuge meint, er habe Olejak an seiner Figur
wiedererkannt, ist dies kaum glaubhaft, da Olejak 1944 nur 64 kg gewogen
hat, heute aber 85 kg wiegt.
11. Der Zeuge Motek Weltfreid wurde als 1. Zeuge in diesem Verfahren
überhaupt in der Hauptverhandlung und, da seine Vernehmung nicht
abgeschlossen werden konnte und er einer neuen Vorladung keine Folge
leistete, zusätzlich im Wege der Rechtshilfe vor dem Amtsgericht in Tel Aviv
vernommen.
Dabei hat er ausgesagt, er sei im Sommer 1943 nach Jaworzno gekommen. Zu
Beginn seiner Vernehmung hat dieser Zeuge zunächst
- 265 -
den Ergänzungsschöffen Flörchinger als Rapportführer Olejak bezeichnet. Zur
Person des Angeklagten Olejak selbst sagte er, dieser könne in Jaworzno
gewesen sein.
Auf den vorgelegten Lichtbildern hat er den Angeklagten Olejak im
wesentlichen richtig erkannt. Zu Bildtafel Nr. 19 (Hablesreiter) sagte der
Zeuge, er glaube, daß dies der 1. Rapportführer des Lagers Jaworzno gewesen
sei.
Zur Person des Rapportführers meinte der Zeuge, als er selbst nach Jaworzno
gekommen sei, sei dort ein großer, dicker SS. Mann im Alter von 33 bis 35
Jahren Rapportführer gewesen. Dieser sei dann von dem Angeklagten Olejak in
dieser Funktion abgelöst worden. Olejak habe er dann immer in Jaworzno
gesehen, er habe auch den Evakuierungsmarsch mitgemacht. Dabei habe er ihn
auch beim Schießen auf Häftlinge beobachtet. Den von Olejak abgelösten
Rapportführer habe er dann nie wieder in Jaworzno gesehen.
Soweit der Zeuge den nach seiner Meinung 1. Rapportführer beschreibt, ist
wohl davon auszugehen, daß er den SS.Mann Otto Hablesreiter meint, den er
auch auf einem entsprechenden Bild als den 1. Rapportführer bezeichnet hat.
Da der Zeuge sich in der zeitlichen Reihenfolge Olejak - Hablesreiter irrt
und er auch meint, Olejak sei von Anfang 1944 an immer in Jaworzno gewesen,
während Hablesreiter von diesem Zeitpunkt an nicht mehr in Jaworzno gewesen
sei, erscheint die Aussage des Zeugen Weltfreid der Kammer nicht geeignet,
die Einlassung des Angeklagten Olejak zu widerlegen.
12. Der Zeuge Lipa Dinur ist zweimal in der Hauptverhandlung als Zeuge
vernommen worden.
Bei Beginn seiner ersten Vernehmung am 17.10.1977 erkannte der Zeuge, der
nach seiner Aussage im Juli oder August 1943
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nach Jaworzno gekommen ist, den Angeklagten Olejak wieder. Zur Funktion von
Olejak im Lager erklärte der Zeuge, Olejak habe immer an den Rapporten
teilgenommen und sei durch das Lager gegangen. Olejak sei im Sommer/Herbst
1944 einige Monate nicht im Lager gewesen. Zu dieser Zeit sei er von einem
ca. 35 bis 40 Jahre alten Mann, der neu in das Lager gekommen sei, vertreten
worden. Bei den täglichen Appellen habe er Ende 1944 gesehen, daß Olejak
wieder ins Lager zurückgekommen sei Bei der Evakuierung des Lagers habe er
Olejak nicht gesehen. Außerdem schilderte der Zeuge Dinur die Tötung eines
Häftlings im Lager durch den Angeklagten Olejak mit vielen Einzelheiten.
Außer an Olejak erinnerte sich der Zeuge Dinur bei dieser Vernehmung auch an
die Namen Lapka, Lausmann, Markewicz und Mietliczka. Hinsichtlich des
SS.Mannes Mietliczka schilderte der Zeuge auch die Erschießung eines
Häftlings auf dem Evakuierungsmarsch.
Im September 1979, also etwa 2 Jahre später wurde der Zeuge Lipa Dinur
nochmals in der Hauptverhandlung vernommen. Dabei sagte er aus, Olejak sei
meistens in Jaworzno als Kommandoführer tätig gewesen. Er habe auch die
Kommandos zu den Arbeitsstellen außerhalb des Lagers begleitet. Für ihn
bestehe zwischen Kommandoführer und Rapportführer kein Unterschied. Einige
Monate vor Ende der Lagerzeit , etwa im Februar oder März 1944 sei Olejak
einige Zeit nicht in Jaworzno gewesen. Er vermute und erinnere sich auch,
daß Olejak am Schluß der Lagerzeit wieder in Jaworzno gewesen sei. Olejak
sei auch auf dem Evakuierungsmarsch dabei gewesen, er habe ihn während des
Marsches selbst gesehen.
Zu dieser 2. Vernehmung des Zeuge Lipa Dinur kam es aus folgendem Grund: Der
Zeuge Dinur hieß früher mit Familienname Drogoczinsky. Unter diesem Namen
wurde der Zeuge als einer der ersten Zeugen überhaupt im
Ermittlungsverfahren am 3.1.1965 vernommen. Die Vernehmung fand in der
polnischen Sprache
- 267 -
statt. Bei der Übersetzung in die deutsche Sprache wurde von dem
Dolmetscher, der die Übersetzung angefertigt hat, versehentlich als Vorname
des Zeugen Chaim und nicht Lipa angegeben. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß
es sich bei dem Vornamen Chaim um den Vornamen des Vaters des Zeugen
handelt, der bei Vernehmungen bei israelischen Behörden jeweils angegeben
werden muß. Aus diesem Grund war die Vernehmung vom 3.1.1965 bei der ersten
Vernehmung in der Hauptverhandlung dem Gericht noch nicht bekannt.
In dieser Vernehmung im Jahre 1965, die ihm im Rahmen seiner 2. Vernehmung
in der Hauptverhandlung mehrfach vorgehalten wurde, hat der Zeuge Lipa Dinur
ausgesagt, an der Spitze des Lagers habe ein SS.-Kommandant gestanden,
dessen Namen er nicht mehr wisse . Außer diesem habe es im Lager noch viele
SS. Leute gegeben, von denen er sich namentlich nur noch an einen mit dem
Namen Losmann erinnere. Weiter erinnere er sich an einen damals etwa 30
Jahre alten Kommandoführer, dem an einer Hand mehrere Finger gefehlt hätten.
Auf die Frage des israelischen Vernehmungsbeamten Edelsberg, ob es im Lager
Jaworzno Mordtaten gegeben habe und, wenn ja, der Zeuge Augenzeuge gewesen
sei, erklärte der Zeuge Dinur, es seien Mordtaten vorgekommen. Er sei aber
nicht Augenzeuge gewesen. Von diesen Tötungen habe er nur nach der Rückkehr
von seinen Arbeitsstellen außerhalb des Lagers gehört.
Auf mehrfachen Vorhalt dieser Niederschrift im Rahmen seiner 2. Vernehmung
als Zeuge in der Hauptverhandlung erklärte der Zeuge Dinur, er könne sich
die Widersprüche in diesen Aussagen nicht erklären Wahrscheinlich seien ihm
die Namen, die er in der Hauptverhandlung genannt habe, damals nicht
eingefallen. Dies gelte auch für die Tatsache, daß er im Jahre 1965 erklärt
habe, keine Tötung eines Häftlings im Lager Jaworzno selbst gesehen zu
haben.
- 268 -
Die Kammer sieht diese Erklärung des Zeugen Dinur nicht als ausreichend und
deshalb die Aussage des Zeugen insgesamt nicht als glaubhaft an. Es wurde
schon darauf hingewiesen, daß es durchaus möglich ist, daß einem Menschen,
wenn er sich längere Zeit wieder mit dieser lang zurückliegenden Zeit befaßt,
neue Tatsachen und nähere Einzelheiten zu bestimmten Personen oder
Ereignissen einfallen können. Damit läßt sich aber die Aussage des Zeugen
Dinur im Jahre 1965, er sei nicht Augenzeuge von Tötungshandlungen in
Jaworzno gewesen mit der genauen Schilderung einer Häftlingstötung durch den
Angeklagten Olejak in der Hauptverhandlung nicht erklären.
Auf die Aussage dieses
Zeugen wird im übrigen im Rahmen der Ausführungen zu dem Anklagepunkt I 1
nochmals eingegangen werden.
13. Der Zeuge Mosche Jachimowicz hat bei seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung ausgesagt, er sei im September 1943 als Häftling nach
Jaworzno gekommen. Zu Beginn seiner Vernehmung erklärte er, den
Rapportführer des Lagers Jaworzno könne er im Sitzungssaal nicht sehen. Auf
eine weitere Frage des Vorsitzenden meinte er dann, der Angeklagte Olejak
könne der Rapportführer sein. Weiter erklärte der Zeuge, er erinnere sich
nur an einen Rapportführer, dieser sei seiner Erinnerung nach immer in
Jaworzno gewesen. Der Rapportführer, den er meine, sei mittelgroß und 28 -
30 Jahre alt gewesen und habe ein rundes Gesicht gehabt. Ob er beim
Evakuierungsmarsch dabei gewesen sei, könne er nicht sagen.
Bei Vorlage der Bildtafeln erklärte der Zeuge, der auf den Bildern Nr. 14
und 15 (Bilder des Angeklagten Olejak) abgebildete Mann sei der
Rapportführer, den er meine. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, daß der
Zeuge Mosche Jachimowicz den Angeklagten Olejak im Lager Jaworzno
kennengelernt hat. Da er bereits im September 1943 nach Jaworzno gekommen
ist, hatte er dazu auch ca. 7 Monate Gelegenheit.
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Für die Frage, ob Olejak am Ende 1944 wieder in Jaworzno war, kann jedoch
der Aussage dieses Zeugen keine Bedeutung zukommen. Zwar meint der Zeuge,
der Angeklagte Olejak sei immer, also auch Ende 1944 und Anfan 1945 als
Rapportführer in Jaworzno gewesen, eine sichere Bekundung konnte er hierzu
jedoch nicht machen. Weiter ist darauf hinzuweisen, daß die Aussage des
Zeugen, Olejak sei immer in Jaworzno gewesen, in dieser Form objektiv
unrichtig ist
14. Der Zeuge Hillel Charlupski hat bei seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung ausgesagt, er sei im Oktober/November 1943 als Häftling
nach Jaworzno gekommen. Er hat den Angeklagten Olejak sowohl im Sitzungssaal
als auch auf den Lichtbildern als den Rapportführer des Lagers Jaworzno
bezeichnet. Den Namen des Rapportführer konnte der Zeuge nicht nennen, den
Namen Olejak kannte er im Lager nicht.
Weiter hat der Zeuge ausgesagt, dieser Rapportführer sei im Jahre 1944
einige Monate nicht in Jaworzno gewesen. Als Sommer bezeichnete der Zeuge
die Monate April und Mai 1944. Kurz vor der Evakuierung des Lagers müsse er
jedoch nach Jaworzno zurück gekommen sein Bei Beginn des
Evakuierungsmarsches habe er ihn am Lagertor gesehen, im weiteren Verlauf
des Evakuierungsmarsches dann nicht mehr.
Die Kammer verkennt nicht, daß die Aussage dieses Zeugen, der in der
Hauptverhandlung einen guten Eindruck hinterlassen hat, ein gewisses Indiz
dafür darstellt, daß Olejak nach seinem Aufenthalt in Blechhammer nach
Jaworzno zurückgekehrt ist. Gegen die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen spricht
aber neben dem unter D, E und F erörterten Ergebnis der Beweisaufnahme die
Tatsache, daß er im Jahre 1975 gegenüber dem Polizeibeamten Edelsberg
erklärt hat, ihm seien die im Lager Jaworzno eingesetzten SS.Leute
namentlich nicht bekannt gewesen. Diese Erklärung des Zeugen ergibt sich aus
dem insoweit in der Hauptverhandlung verlesenen Zwischenbericht Nr. 22 des
Zeugen Edelsberg
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vom 16.6.1975 (16, 129). Die Verlesung dieses Zwischenberichtes erfolgte, da
der Verfasser, der Zeuge Edelsberg, zwischenzeitlich verstorben ist. Im
Gegensatz dazu hat sich der Zeuge Charlupski in der Hauptverhandlung an die
Namen Mietliczka, Markewicz, Lausmann und Lorenz erinnert. Auch hat sich der
Zeuge Charlupski bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 10.3.1976, die ihm
wiederholt vorgehalten worden ist, an die Abwesenheit des Rapportführers aus
dem Lager Jaworzno nicht erinnert.
15. Der Zeuge Jehoschua Krawicki ist nach seiner Aussage in der
Hauptverhandlung im September 1943 als Häftling nach Jaworzno gekommen. Er
hat den Angeklagten Olejak zu Beginn seiner Vernehmung, als dieser noch im
Zuhörerraum saß, nicht erkannt, sondern erst als er bereits auf der
Anklagebank Platz genommen hatte. Zu den Bildern des Angeklagten Olejak hat
er teils richtige und teils falsche Angaben gemacht.
Zu der Frage, wie lange der Angeklagte Olejak Rapportführer im Lager
Jaworzno gewesen sei, konnte der Zeuge keine sicheren Angaben machen. Er
meinte jedoch sicher zu sein, daß er auf dem Evakuierungsmarsch dabeigewesen
sei. Während dieses Marsches habe er ihn mit einer automatischen Waffe in
der Hand auf einem Pferd reiten sehen.
Bei der Aussage des Zeugen zur Person und zu den Bildern des Angeklagten
kann zwar davon ausgegangen werden, daß er den Angeklagten Olejak in
Jaworzno kennengelernt hat. Was seine Aussage zum Evakuierungsmarsch
betrifft, ist der Zeuge nicht glaubwürdig, da der Angeklagte Olejak, wenn er
überhaupt dabei war, nicht auf einem Pferd geritten ist. Mit diesem SS. Mann
auf einem Pferd meint der Zeuge offensichtlich den Lagerführer Pfütze, der
nach Aussago mehrerer Zeugen in Jaworzno ein oder mehrere Reitpferde hatte
und eines dieser Pferde auch beim Evakuierungsmarsch zum Reiten benutzte.
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16. Der Zeuge Ahron Ojzerowicz ist nach seinen Angaben in der
Hauptverhandlung Ende September 1943 als Häftling nach Jaworzno gekommen. Er
hat zu Beginn seiner Vernehmung den Angeklagten Olejak sowohl in Person als
auch auf den ihn darstellenden Lichtbildern als den Rapportführer des Lagers
bezeichnet. Weiter sagte der Zeuge, seiner Erinnerung nach habe dieser
SS.Mann in Jaworzno immer die Funktion des Rapportführers ausgeübt, an einen
anderen Rapportführer könne er sich nicht erinnern. Er habe ihn auch bei
Beginn des Evakuierungsmarsches im Lager gesehen, ebenso noch in
Blechhammer.
Auch bei diesem Zeugen hat die Kammer keinen Zweifel daran, daß er den
Angeklagten Olejak im Lager. Jaworzno kennengelernt hat. Da sich der Zeuge
jedoch nur an den Angeklagten Olejak als Rapportführer erinnert, obwohl
Olejak ca. 7 Monate nicht in Jaworzno war und während dieser Zeit ein oder
mehrere andere SS.Leute die Funktion des Rapportführers inne gehabt haben,
erscheint die Aussage des Zeugen Ojzerowicz nicht geeignet, die Einlassung
des Angeklagten Olejak zu widerlegen.
17. Der Zeuge Schmuel Ben-David wurde zweimal in der Hauptverhandlung
vernommen, da die erste Vernehmung aus Zeitgründen nicht abgeschlossen
werden konnte. Dabei hat der Zeuge bekundet, er sei im Juli 1943 nach
Jaworzno gekommen und habe während der ganzen Zeit in der Dachsgrube
gearbeitet.
Zur Person des Rapportführers sagte der Zeuge bei seiner 1. Vernehmung am
21.11.1977, dieser habe Olejak geheißen, mit diesem Namen sei er gerufen
worden. Dieser Olejak sei eine zeitlang nicht in Jaworzno gewesen. Direkt
vor Beginn der Evakuierung sei er in das Lager zurückgekehrt und habe auch
am Evakuierungsmarsch teilgenommen. Er habe ihn selbst beim Abmarsch am Tor
gesehen. Außerdem schilderte der Zeuge Ben-David einen Vorfall, in dessen
Verlauf der Rapportführer nach Rückkehr der Häftlinge des Kommandos
Dachsgrube Nachtschicht einen Häftling erschossen habe.
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Nach Vorhalt seiner polizeilichen Vernehmung bei der er in diesem Fall den
SS.Mann mit dem Spitznamen Mietliczka als Täter genannt hatte, erklärte der
Zeuge, er habe bei dieser Vernehmung nur die Namen der beiden SS. Leute ,
nicht aber die Täter verwechselt.
Bei seiner 2. Vernehmung am 20.11.1978, also etwa 1 Jahr später, erklärte
der Zeuge Ben-David zur Person des Rapportführers Olejak, er wisse nicht, ob
dieser immer in Jaworzno gewesen sei. Er habe ihn im Lager zwar gesehen,
wann er anwesend und wann er abwesend gewesen sei, könne er nicht sagen.
Insbesondere sei ihm nicht mehr erinnerlich, daß Olejak in einem bestimmten
Zeitraum abwesend gewesen sei Bei der Evakuierung sei Olejak dabei gewesen,
er könne jedoch nicht mehr sagen, in welchem Zusammenhang er sich daran
erinnere.
Zu dem Fall einer Häftlingstötung, die er bei seiner 1. Vernehmung in der
Hauptverhandlung dem Rapportführer Olejak und bei seiner polizeilichen
Vernehmung dem SS.Mann mit dem Spitznamen Mietliczka angelastet hatte,
erklärte der Zeuge Ben-David nunmehr, es habe 2 solcher Fälle gegeben. In
einem sei der Olejak und in einem anderen der SS.Mann mit dem Spitznamen
Mietliczka der Täter gewesen. Er sei nicht mehr in der Lage, zu diesen
beiden Taten irgendwelche Einzelheiten zu schildern.
Die Kammer hält diese Aussage des Zeugen, der in den wesentlichen Punkten,
nämlich der zeitlichen Anwesenheit des Rapportführers Olejak im Lager
Jaworzno und insbesondere bei der Angabe von Tätern bei der Tötung von
Häftlingen widersprüchliche Angaben gemacht hat, nicht für zuverlässig.
Desweiteren ist noch darauf hinzuweisen, daß sich der Zeuge bei seiner
polizeilichen Vernehmung nicht von sich aus an den Namen des Rapportführers
Olejak erinnert hat, sondern erst nach Vorhalt verschiedener Namen, darunter
Olejak. Auch von einer zeitweiligen Abwesenheit des Rapportführers Olejak
vom Lager oder von einem anderen Rapportführer hat der Zeuge bei dieser
Vernehmung
- 273 -
nicht gesprochen.
18. Der Zeuge David Lerer hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung
ausgesagt, er sei Mitte September 1943 nach Jaworzno gekommen.
Zu Beginn seiner Vernehmung, als die beiden Angeklagten mit 7 etwa
gleichaltrigen Vergleichspersonen, darunter die beiden Ergänzungsschöffen
Flörchinger und Zang, im Zuhörerraum des Sitzungssaales saßen, deutete der
Zeuge auf den Angeklagten Pansegrau und erklärte, diese Person sei, wie er
glaube, der Mietliczka. Außerdem deutete er auf den Ergänzungsschöffen
Flörchinger und meinte, dieser sei Rapportführer in Jaworzno gewesen. Den
Angeklagten Olejak erkannte der Zeuge Lerer zu diesem Zeitpunkt nicht
wieder. Auch bei Vorlage der Lichtbilder erkannte der Zeuge den Angeklagten
Olejak nicht.
Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung, als die Angeklagten dann auf der
Anklagebank Platz genommen hatten, erklärte der Zeuge, der Angeklagte Olejak
sei ohne Zweifel Rapportführer in Jaworzno gewesen, er habe sich nicht viel
geändert. Er sei sich ganz sicher, daß er diesen Rapportführer bei Beginn
des Evakuierungsmarsches in Jaworzno gesehen habe. Er habe ihn auch während
des Marsches und beim Weitermarsch eines Teil der Häftlinge in Blechhammer
gesehen. Ihm sei nicht bekannt, daß der Rapportführer einige Zeit nicht in
Jaworzno gewesen sei An eine Ablösung und an einen anderen Rapportführer
könne er sich nicht erinnern.
19. Der Zeuge Arroyo ist nach seinen Angaben in der Hauptverhandlung im
Sommer 1943 nach Jaworzno gekommen.
Er hat den Angeklagten Olejak weder in der Person noch auf Bildern als den
Rapportführer des Lagers Jaworzno erkannt. Er hat lediglich zu den Bildern
14 und 15 der Bildtafeln und Bild 18 des Bildbandes erklärt dieser Mann sei
in Jaworzno gewesen. Er sei sich jedoch nicht ganz sicher. Nachdem er
zunächst noch gemeint hatte, er sei sich auch nicht sicher, ob dieser Mann
beim Evakuierungsmarsch dabeigewesen
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sei, hat er dann erklärt, er sei sich zwar sicher, daß er dabei gewesen sei.
Nicht sicher sei er sich jedoch, ob er auch geschossen habe. Dieser Mann,
den er meine, hat die Häftlinge wiederholt zu ihrer Arbeitsstelle begleitet.
Einen Rapportführer habe es in Jaworzno zwar gegeben, wer es gewesen sei,
wisse er aber nicht.
Der Aussage dieses Zeugen kann bei diesen Angaben kein besonderes Gewicht
zukommen.
20. Der Zeuge Wigdor Siwek ist nach seinen Bekundungen in der Haupthandlung
im Winter 1943 nach Jaworzno gekommen.
Zu Beginn seiner Vernehmung deutete er auf den im Zuhörerraum sitzenden
Angeklagten Olejak und erklärte, er glaube, dies sei der Rapportführer des
Lagers Jaworzno gewesen. Das gleiche erklärte der Zeuge zu den Bildern, die
den Angeklagten Olejak darstellen.
Der Zeuge hat weiter ausgesagt, dieser Rapportführer sei seiner Erinnerung
nach immer in Jaworzno gewesen. Erst nach Vorhalt, daß dies nicht richtig
sein könne, räumte der Zeuge ein, daß Olejak eine bestimmte Zeit nicht
dagewesen sein könne. Beim Evakuierungsmarsch sei dieser Rapportführer
jedenfalls dabei gewesen, er habe ihm noch seine Stiefel zum Tragen gegeben.
Er habe auch zufällig gesehen, daß der Rapportführer beim Evakuierungsmarsch
2 oder 3 Häftlinge erschossen habe. Er habe ihn dabei an seinem Gesicht und
seiner Gangart, die eine besondere gewesen sei, erkannt. An dieser Gangart
habe er ihn auch auf dem Flur des Gerichtsgebäudes wiedererkannt.
Die Kammer verkennt nicht, daß auch die Aussage dieses Zeugen, ebenso wie
die des Zeugen Charlupski, ein gewisses Indiz für die Teilnahme des
Angeklagten Olejak am Evakuierungsmarsch des Lagers Jaworzno darstellt.
Gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Siwek spricht neben dem unter D, E und
F erläuterten Ergebnis der Beweisaufnahme auch die Tatsache, daß er sich
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nur an einen Rapportführer im Lager Jaworzno erinnert.
21. Der Zeuge Jakob Wigdor kam nach seinen Bekundungen in der
Hauptverhandlung im Oktober 1943 als Häftling nach Jaworzno.
Zu Beginn seiner Vernehmung zeigte der Zeuge auf den im Zuhörerraum des.
Sitzungssaales sitzenden Angeklagten Olejak und erklärte, er glaube, dies
sei der Rapportführer des Lagers Jaworzno. Sicher sei er sich aber nicht.
Zu Lichtbild Nr. 14 der Bildtafeln sagte der Zeuge, die Person sei ihm aus
Jaworzno bekannt. Wen das Bild darstelle, wisse er nicht. Zu Bild Nr. 18 des
Bildbandes, das mit dem vorgenannten Bild identisch ist, erklärte der Zeuge
dann, er glaube, das sei der Rapportführer. Den Namen dieses Rapportführers
habe er niemals gewußt.
Er sei einmal selbst von diesem Rapportführer geschlagen worden. Das sei im
Oktober oder November 1944 gewesen. Er habe den Rapportführer schon etwa
einen Monat vorher im Lager gesehen. Außer an den Angeklagten erinnere er
sich an keinen anderen Rapportführer. Ob dieser Rapportführer beim
Evakuierungsmarsch dabei gewesen sei, wisse er nicht.
Die Aussage dieses
Zeugen stellt ebenfalls ein Indiz für eine Anwesenheit des Angeklagten
Olejak Ende 1944 in Jaworzno dar. Allerdings ist auch diese Aussage mit
einem Fragezeichen zu versehen. Wenn sich der Vorfall mit dem Rapportführer
tatsächlich im Oktober oder November 1944 abgespielt hat, kann der Zeuge den
Rapportführer nicht etwa einen Monat vorher erstmals im Lager Jaworzno
gesehen haben, wenn Täter der Angeklagte Olejak war. Normalerweise müßte
sich auch dieser Zeuge an einen anderen SS.Mann als Rapportführer in
Jaworzno erinnern.
22. Der Zeuge Hersch Nowak ist nach seiner Aussage in der Hauptverhandlung
im August oder September 1943 nach Jaworzno gekommen.
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Zu Beginn seiner Vernehmung hat er auf den Angeklagten Olejak gedeutet und
erklärt, er glaube, das sei der Olejak. Weiter hat der Zeuge ausgesagt, er
habe Olejak erstmals im Sommer 1944 in Jaworzno gesehen. Olejak sei auch auf
dem Evakuierungsmarsch dabei gewesen. Er habe ihn während des
Evakuierungsmarsches auf dem Kutschbock eines Pferdewagens gesehen.
Gegen die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen spricht, daß er Olejak erstmals im
Sommer 1944 in Jaworzno gesehen haben will. Zu diesem Zeitpunkt war dieser,
wie ausgeführt, nicht im Lager Jaworzno. Gegen die Glaubwürdigkeit des
Zeugen spricht weiter, daß er ihn auf dem Kutschbock eines Pferdewagens
gesehen haben will. Eine Aussage in diesem Sinn hat kein anderer Zeuge hier
in diesem Verfahren gemacht.
23. Der Zeuge Gerschon Sieradzki kam im November 1943 nach Jaworzno. Bei der
Personenerkennung zu Beginn seiner Vernehmung hat der Zeuge den Angeklagten
Olejak nicht erkannt, sondern auf einen etwa 1,78 m großen Zuhörer gedeutet
und erklärt, das sei der Olejak.
Bei Vorlage der Bildtafeln erkannte der Zeuge die Bilder 14 bis 17 nicht als
solche des Angeklagten Olejak. Bei Vorlage des Bildbandes erklärte der Zeuge
dann zu den den Angeklagten Olejak darstellenden Bildern, dies seien Bilder
des Angeklagten Olejak. Weiter hat der Zeuge erklärt, der Rapportführer, den
er meine, sei von kräftiger Statur und so groß gewesen wie der Mann, auf den
er gedeutet habe. Er erinnere sich nur an ihn als Rapportführer. In der
Position des Rapportführers habe es in Jaworzno keinen Wechsel gegeben, wohl
aber in der Position des Lagerführers.
Der Rapportführer sei auf dem Evakuierungsmarsch dabei gewesen. Er habe
genau gesehen, wie er einen ihm selbst bekannten Häftling erschossen habe.
Gegen die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen spricht, daß die Beschreibung, die
er von dem Rapportführer gegeben hat, nicht auf den Angeklagten Olejak,
sondern
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auf den SS.Mann Otto Hablesreiter zutrifft. Auch dieser war, wie erwähnt,
eine zeitlang Rapportführer in Jaworzno.
Bei der Bilderkennung besteht bei dem Zeugen der Verdacht, daß er sich nicht
so sehr nach den Bildern selbst, sondern nach den Nummern des Bildbandes
gerichtet hat. Andernfalls hätte er die den Angeklagten Olejak darstellenden
Bilder der Bildtafeln , die mit denen des Bildbandes identisch sind,
ebenfalls erkennen müssen. Schließlich spricht der Zeuge als einziger aller
Zeugen von einem Wechsel in der Person des Lagerführers und meint, der
Rapportführer habe nicht gewechselt. Tatsächlich ist nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme jedoch davon auszugehen, daß nur in der Person des
Rapportführers - nämlich von Olejak zu Hablesreiter - ein Wechsel
eingetreten ist, nicht aber in der Person des Lagerführers. Dieser war
vielmehr von Anfang bis zum Schluß der SS.Mann Bruno Pfütze.
24. Der Zeuge Meir Sommer hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung
ausgesagt, er sei im Sommer 1943 nach Jaworzno gekommen. Zu Beginn seiner
Vernehmung, als die beiden Angeklagten noch im Zuhörerraum saßen, erkannte
der Zeuge niemanden. Auch zu den vorgelegten Lichtbildern konnte er keine
Angaben machen. Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung, als die beiden
Angeklagten auf der Anklagebank Platz genommen hatten, meinte der Zeuge
dann, der Angeklagte Olejak komme ihm aus Jaworzno bekannt vor. Er glaube,
dieser SS.Mann sei immer in Jaworzno gewesen. Ob er am Evakuierungsmarsch
teilgenommen habe, könne er nicht sagen.
Einen Rapportführer habe es in Jaworzno gegeben. Wer dies gewesen sei, könne
er nicht sagen
25. Der Zeuge Benjamin Jachimowicz, ein Bruder des Zeugen Mosche Jachimowicz,
wurde, da er einer Vorladung zur Hauptverhandlung keine Folge leistete, im
Wege der Rechtshilfe durch den zuständigen Richter beim Amtsgericht in Tel
Aviv vernommen.
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Dabei hat der Zeuge ausgesagt, er sei im August 1943 nach Jaworzno gekommen.
In Jaworzno habe es insgesamt 6 Rapportführer gegeben, von denen immer
jeweils 2 gleichzeitig diese Funktion ausgeübt hätten. Von diesen 6
Rapportführern könne er sich nur noch an einen namens Olejak erinnern. Dies
sei deswegen der Fall, weil Olejak zunächst einige Monate als Blockführer in
Jaworzno gewesen sei, bevor er Rapportführer geworden sei. Olejak sei jedoch
nicht immer im Lager gewesen. Von Zeit zu Zelt sei er nicht dagewesen,
wahrscheinlich dann, wenn er Urlaub gehabt habe. Er sei jedoch nicht längere
Zeit auf einmal ans dem Lager verschwunden, immer nur tageweise. Daran, ob
Olejak beim Evakuierungsmarsch dabeigewesen sei, könne er sich nicht
erinnern.
Bei diesem Inhalt sieht die Kammer die Aussage des Zeugen Benjamin
Jachimowicz nicht als geeignet an, die Einlassung des Angeklagten Olejak zu
widerlegen.
26. Auch der Zeuge Aron Pernat wurde im Wege der Rechtshilfe vor dem
Amtsgericht in Tel Aviv vernommen. Dabei hat er ausgesagt, er sei mit dem
ersten Häftlingstransport im Sommer 1943 in das Lager Jaworzno vorlegt
worden.
In Jaworzno habe es immer einen Rapportführer gegeben. Dieser sei manchmal
für wenige Tage nicht im Lager gewesen. In diesen Fällen sei er von einem
älteren SS.Mann, der aber immer im Lager und etwas älter gewesen sei,
vertreten worden.
Der Rapportführer sei ca. 1,65 m - 1,68 m groß und damals 35 - 38 Jahre alt
gewesen. Sein gelegentlicher Vertreter sei kleiner und ca. 60 Jahre alt
gewesen. Der Rapportführer sei oft mit einem Hund in das Lager gekommen, Er
sei auch auf dem Evakuierungsmarsch dabei gewesen. Er habe selbst gesehen,
wie dieser Rapportführer während des Marsches mit einem Schuß aus seiner
Pistole 3 hintereinander laufende Häftlinge niedergeschossen habe.
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Demgegenüber hatte der Zeuge Pernat bei seiner polizeilichen Vernehmung
durch den Zeugen Edelsberg am 2.5.1976, die ihm wiederholt vorgehalten
worden ist, erklärt, der Rapportführer sei im Sommer 1944 einige Monate
nicht in Jaworzno gewesen und während dieser Zeit sei er von einem älteren
Deutschen vertreten worden. Am Schluß sei dann der Rapportführer aber wieder
nach Jaworzno zurückgekehrt. Dazu erklärte der Zeuge Pernat, das sei nicht
richtig. Der Rapportführer sei immer in Jaworzno gewesen und nur manchmal
tageweise von einem älteren Mann vertreten worden.
Auch bei der Schilderung von Tötungshandlungen durch SS. Leute in Jaworzno,
insbesondere den Rapportführer und den SS.Mann mit dem Spitznamen Mietliczka,
befinden sich in der Aussage des Zeugen Pernat vor dem Amtsgericht In Tel
Aviv und vor dem Polizeibeamten Edelsberg zahlreiche Widersprüche. Auf diese
wird im Rahmen der Ausführungen zu den einzelnen Anklagepunkten näher
eingegangen werden. Hier sei nur darauf hingewiesen, daß der Zeuge bei
seiner polizeilichen Vernehmung angegeben hat, er habe selbst beobachtet,
wie der Rapportführer zusammen mit dem SS.Mann Mietliczka 2 Häftlinge in
einem im Lager gelegenen Wasserbecken ertränkt habe.
Hierzu sagte der Zeuge Pernat vor dem Amtsgericht in Tel Aviv aus, in
Jaworzno habe es überhaupt kein Wasserbecken gegeben, wo so etwas habe
geschehen können. Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung erinnerte sich der
Zeuge dann zwar noch an das Vorhandensein eines Wasserbeckens. Es habe dort
jedoch keine Fälle von Häftlingstötungen durch SS.Leute gegeben.
Bei diesem Inhalt der Aussage und bei den Widersprüchen zwischen der
polizeilichen Vernehmung und der Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel Aviv
mißt die Kammer der Aussage des Zeugen Pernat keine besondere Bedeutung bei.
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27. Auch der Zeuge Eljahu Tenzer wurde im Wege der Rechtshilfe vor dem
Amtsgericht in Tel Aviv vernommen. Dabei hat er ausgesagt, er sei im Herbst
1943 als Häftling nach Jaworzno gekommen.
Der Zeuge hat weiter erklärt, der Angeklagte Olejak sei bis auf eine Periode
von 3 - 4 Monaten im Jahr 1944 im Lager Jaworzno gewesen. Er sei sicher, daß
er Ende 1944 in Jaworzno gewesen sei und auch den Evakuierungsmarsch
mitgemacht habe. Er habe im Lager immer die gleiche Funktion, nämlich die
des Rapportführers ausgeübt.
Bei Vorlage der Bildtafeln erklärte der Zeuge, der Mann auf Bild 17 sei der
Angeklagte Olejak, ebenso sei er auf den Bildern 17, 18 und 19 des
Bildbandes abgebildet. Nach Vorhalt des Protokolls über seine polizeiliche
Vernehmung vom 14.4. 1975, nach dessen Inhalt er zu den Bildern 17, 18 und
19 nichts sagen konnte und den Mann auf Bild 25 (SS.Mann Adam Rausch) als
Rapportführer bezeichnet hat, erklärte der Zeuge, er sei jetzt ungefähr
sicher, daß der Mann auf den Lichtbildern 17 bis 18 des Bildbandes der
Rapportführer Olejak sei. Ganz sicher sei er sich jedoch auch jetzt noch
nicht. Nach seiner Vernehmung bei der Polizei habe er viel nachgedacht. Da
sei ihm auch die mehrmonatige Abwesenheit des Angeklagten Olejak wieder
eingefallen, die er bei der Polizei nicht angegeben habe. Mit anderen
Häftlingen habe er nach dieser Vernehmung nicht mehr über Jaworzno
gesprochen, wohl aber vor seiner Vernehmung bei der Polizei.
Weiter sagte der Zeuge aus, er habe nicht gesehen, daß Olejak während des
Evakuierungsmarsches einen Häftling erschossen habe. Nach Vorhalt seiner
polizeilichen Vernehmung, in der er davon gesprochen hatte, er habe mit
Sicherheit selbst gesehen, wie der Rapportführer 5 - 6 Häftlinge erschossen
habe, erklärte der Zeuge, es könne sein, daß er diese Angaben gemacht habe.
Es könne möglich sein, daß seine Erinnerung nachlasse.
- 281 -
Jetzt erinnere er sich nur noch daran, daß er von Mithäftlingen gehört habe,
der Rapportführer habe zusammen mit anderen SS.Leuten am Ende der Kolonne
Häftlinge erschossen. Er könne sich das nur so erklären, daß bei ihm
Erinnerungen aus eigener Wahrnehmung mit Erinnerungen vom Hörensagen
verschwommen seien, sodaß er Wissen vom Hörensagen als Selbstgeschehenes
beschrieben habe.
28. Der Zeuge Abraham Kowalski wurde, da er einer Vorladung keine Folge
leistete, im Wege der Rechtshilfe vor dem Amtsgericht in Tel Aviv vernommen.
Dabei hat er ausgesagt, er sei im Sommer 1943 nach Jaworzno gekommen. Den
Evakuierungsmarsch habe er nicht mitgemacht, sondern er sei im Krankenbau
des Lagers Jaworzno zurückgeblieben. In Jaworzno habe es ständig 2
Rapportführer gegeben, die einander abgewechselt hätten. Der eine habe
Olejak, der andere mit Spitznamen Mietliczka geheißen. Anfang 1944 sei
Olejak längere Zeit Rapportführer gewesen, dann sei er von Mietliczka
abgelöst worden. Ende der Lagerzeit sei Olejak dann wieder Rapportführer
geworden. Zum Evakuierungsmarsch könne er nichts sagen, da er im Lager
zurückgeblieben sei. Bei Vorlage der Bildtafeln erkannte der Zeuge Kowalski
die Bilder 15, 16 und 17 und bei Vorlage des Bildbandes die Bilder 16, 18
und 19 als solche des Angeklagten Olejak wieder.
Außerdem schilderte der Zeuge Kowalski einen Fall einer Häftlingstötung
durch den Rapportführer Olejak am Lagertor (Fall I 1 der Anklage).
Weiter erinnerte sich der Zeuge Kowalski bei seiner Vernehmung noch an die
SS.Leute Lapka, Markewicz, Lausmann und einen Sanitäter namens Emil.
Gegen die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen bestehen, aus den gleichen Gründen
wie bei dem Zeugen Lipa Dinur erhebliche Bedenken.
- 282 -
Der Zeuge Kowalski gehörte auch zu den ersten Zeugen, die im
Ermittlungsverfahren vernommen wurden. Diese Vernehmung fand am 7.3.1965
statt und wurde von dem Polizeibeamten Edelsberg durchgeführt.
Ebenso wie der Zeuge Lipa Dinur erinnerte sich Zeuge Kowalski im Jahr 1965
nur an einen SS.Mann namens Lausmann und an einen SS.Mann mit amputierten
Fingern, dessen Namen ihm damals nicht erinnerlich war. Weiter berichtete
der Zeuge über die Erhängung von Häftlingen nach einem Fluchtversuch sowie
über die Behandlung von kranken Häftlingen im Häftlingskrankenbau, wobei er
auch den jüdisch - tschechischen Arzt Dr. Paul erwähnte, der ihn vor einer
Selektion gerettet habe.
Bei seiner 2. polizeilichen Vernehmung am 20.5.1975, also 10 Jahre später,
erinnerte sich der Zeuge Kowalski außer an den SS.Mann Losmann, den er jetzt
mit Lausmann bezeichnet hat, an die SS.Leute Lapka, Markewicz, Miotelka, den
Rapportführer Olejak oder Olejaka und an den für den Krankenbau
verantwortlichen SS.Mann namens Emil. Ob dieser Rapportführer immer im Lager
war oder ob zwischendurch ein anderer SS.Mann die Funktion des
Rapportführers inne hatte, konnte der Zeuge im Jahr 1975 nicht sagen.
Außerdem schilderte der Zeuge Kowalski dann, ähnlich wie bei seiner
Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel Aviv, einen Fall einer Häftlingstötung
durch den Rapportführer Olejak oder Olejaka.
Nach dem Inhalt der Niederschrift vom 20.5.1975 ist dem Zeugen seine frühere
Vernehmung aus dem Jahre 1965 nicht vorgehalten worden.
Auf diese Widersprüche hin angesprochen, erklärte der Zeuge bei der
Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel Aviv, er könne nicht erklären, warum
er im Jahr 1965 die Tötung eines Häftlings seines Kommandos nicht angegeben
habe. Er habe sich
- 283 -
wahrscheinlich nicht daran erinnert. Er habe diesen Fall immer in Erinnerung
gehabt. Er habe in der Zwischenzeit auch oft mit ehemaligen Häftlingen ans
dem Lager Jaworzno über die damalige Zeit gesprochen. Durch diese Gespräche
seien die Erinnerungen an Personen und Geschehnisse wieder wachgerufen
worden. Mit den Mithäftlingen habe er auch über Olejak und eine mögliche
Abwesenheit vom Lager gesprochen. Warum er sich 1978 im Gegensatz zu 1975 an
eine zeitweilige Abwesenheit des Rapportführers Olejak vom Lager erinnere,
könne er nicht sagen.
Angesichts der erheblichen Widersprüche in den Aussagen aus den Jahren 1965,
1975 und 1978 mißt die Kammer der Aussage des Zeugen Kowalski bei der Frage,
wie lange der Angeklagte Olejak in Jaworzno war, keine entscheidende
Bedeutung zu. Auf die Aussage dieses Zeugen wird im übrigen bei den
Ausführungen zu dem Anklagepunkt I 1 nochmals eingegangen werden.
29. Der Zeuge Lemel Orenbach hat bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht
in Tel Aviv ausgesagt, er sei mit dem 2. Transport von Häftlingen nach
Jaworzno gekommen. Im Lager sei er zunächst als Läufer eingesetzt gewesen.
Diesen Posten habe er etwa 1 Monat nach der Ankunft der ungarischen
jüdischen Häftlinge in Jaworzno im Jahre 1944 verloren.
In seiner Eigenschaft als Läufer habe er sehr viel mit den im Lager selbst
eingesetzten SS.Leuten zu tun gehabt und er habe sie damals auch alle
namentlich gekannt. Im Lager habe es den Lagerführer, den Rapportführer und
insgesamt 6 Blockführer gegeben.
Der Lagerführer habe Putze geheißen und habe in der Stadt Jaworzno gewohnt.
Er habe einen „Pipel“ namens Wiktor mit der Häftlingsnummer 745 gehabt.
Der Rapportführer sei während der gesamten Zeit, in der er als Läufer tätig
gewesen sei, der SS.Mann Hans Olejak gewesen.
- 284 -
Zum Ende der Lagerzeit hin habe ein älterer dicker SS.Mann die Rapporte
abgenommen, der vorher als Blockführer im Lager gewesen sei. Auch nach
seiner Ablösung als Rapportführer habe er Olejak noch regelmäßig im Lager
gesehen. Welche Funktion er zu dieser Zeit ausgeübt habe, wisse er nicht.
Von den Blockführern erinnere er sich namentlich noch an Kraus, der einen
Hund gehabt habe, an Losmann und an Ewald Pansegrau, den die Häftlinge mit
dem Rufnamen Mietliczka belegt hätten. Außerdem erinnere er sich noch an
einen SS.Mann namens Fischer, der für die Lebensmittel zuständig gewesen
sei.
Er sei sich sicher, daß Olejak und Pansegrau auch am Evakuierungsmarsch
teilgenommen hätten. Dies wisse er deshalb genau, weil beide an einem
Vorfall beteiligt gewesen seien, der sich in der 2. Nacht des
Evakuierungsmarsches abgespielt habe. Während einer Rastpause seien gegen
2.00 oder 3.00 Uhr morgens 2 LKW an der Häftlingskolonne langsam
vorbeigefahren. Dabei seien mehrere Häftlinge auf die Ladefläche des 2.
Fahrzeuges geklettert. Nach diesen Häftlingen seien 3 oder 4 SS.Leute auf
den LKW gesprungen. Was sich dort selbst abgespielt habe, habe er nicht
sehen können, da die Ladefläche mit einem Aufbau und einer Leinwand versehen
gewesen sei. Er habe 15 - 20 Schüsse gehört und danach seien die SS.Leute
wieder auf die Straße gesprungen. Da helles Mondlicht geherrscht habe und er
nur ca. 6 m entfernt gewesen sei, habe er während des Herabspringens die
SS.Leute Olejak und Pansegrau an ihren Gesichtern erkannt. Anschließend
seien 5 tote Häftlinge abgeladen worden. Die anderen SS.Leute seien
Wachleute, keine Blockführer gewesen.
Auf Vorhalt, daß er bei seiner polizeilichen Vernehmung im Jahre 1975 neben
einigen ihm namentlich nicht bekannten SS.Leuten Olejak und Lausmann In
diesem Fall als Täter genannt habe, fragte der Zeuge zunächst: " Damals habe
ich Lausmann gesagt ? " Weiter erklärte der Zeuge, er habe sich bei dieser
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Vernehmung überhaupt nicht an den Namen Pansegrau erinnert und ihn deshalb
nicht als Täter genannt. Er sei jetzt der Meinung, daß neben Olejak und
Pansegrau auch Lausmann unter den Tätern gewesen sei.
Bei seiner polizeilichen Vernehmung habe er nur von dem SS. Mann Mietliczka
gesprochen. Erst bei Erhalt der Ladung zur Zeugenvernehmung habe er sich an
den Ewald Pansegrau erinnert und auch daran, daß dies der SS.Mann mit dem
Rufnamen Mietliczka gewesen sei.
Die Kammer ist der Überzeugung, daß der Zeuge Orenbach die im Lager selbst
eingesetzten SS.Leute, bedingt durch seine Tätigkeit als Läufer, gut gekannt
hat und sich auch bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel Aviv gut
daran erinnert hat. Das beweist der Inhalt der Aussage des Zeugen, der sich
zum Beispiel an den Lagerführer, an dessen "Pipel", den Zeugen Wiktor
Pasikowski mit der Häftlingsnummer 745, an den für die Küche
verantwortlichen SS.Mann Fischer und an die Blockführer Kraus, Lausmann und
Pansegrau erinnert hat. Hinsichtlich der Person des Rapportführers hat sich
der Zeuge richtig daran erinnert, daß nach Olejak ein älterer dicker SS.Mann,
der vorher Blockführer gewesen ist, nämlich Otto Hablesreiter, Rapportführer
in Jaworzno war. Allerdings ist die Aussage des Zeugen über den Zeitpunkt
des Wechsels in der Person des Rapportführers nicht richtig. Der Zeuge
meint, Olejak sei solange Rapportführer gewesen, wie er selbst Läufer
gewesen sei. Als Läufer sei er etwa einen Monat nach der Ankunft der
jüdischen Häftlinge aus Ungarn abgelöst worden. Diese Häftlinge kamen, wie
bereits ausgeführt wurde, Anfang Juni 1944 nach Jaworzno. Die Ablösung des
Zeugen Orenbach als Läufer ist demnach Ende Juni oder Anfang Juli 1944
erfolgt. Zu dieser Zeit befand sich aber der Angeklagte Olejak schon mehrere
Monate nicht mehr in Jaworzno, sondern im Lager Blechhammer. Auch die
weitere Aussage des Zeugen Orenbach,
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er habe den Angeklagten Olejak nach dessen Ablösung noch regelmäßig Im Lager
Jaworzno gesehen, ist nicht richtig, da Olejak mindestens bis zum 9.11.1944
in Blechhammer gewesen ist.
Schließlich hält die Kammer die Aussage des Zeugen Orenbach für den Vorfall
mit der Erschießung von Häftlingen auf dem LKW in der 2. Nacht des
Evakuierungsmarsches insgesamt nicht für glaubhaft. Insoweit wird auf die
Aussage des Zeugen im Rahmen der Ausführungen zum Anklagepunkt I 7 noch
näher eingegangen werden. In diesem Zusammenhang sei nur darauf hingewiesen,
daß keiner der übrigen Zeugen, die den Evakuierungsmarsch mitgemacht haben,
einen solchen Vorfall erwähnt hat, obwohl er sich nach der Aussage des
Zeugen Orenbach mitten in der Häftlingskolonne abgespielt haben soll.
Insgesamt sieht die Kammer deshalb die Aussage des Zeugen Orenbach nicht als
geeignet an, die Einlassung des Angeklagten Olejak über seinen Aufenthalt in
Czechowitz zu widerlegen.
30. Auch der Zeuge Abraham Nizachon wurde im Wege der Rechtshilfe vor dem
Amtsgericht in Tel Aviv vernommen. Dabei hat er ausgesagt, nach seiner
Festnahme in Griechenland sei er im Sommer 1943 nach Jaworzno gekommen. Ihm
sei aus der Lagerzeit nur ein Name in Erinnerung geblieben, nämlich der des
Rapportführers Olejak. Dieser sei kurze Zelt nach ihm selbst nach Jaworzno
gekommen und sei dann bis zum Schluß Rapportführer geblieben. Es sei
unmöglich, daß Olejak 6 oder 7 Monate nicht in Jaworzno gewesen sei, nachdem
er ihn kennengelernt habe. Er sei höchstens einmal für wenige Tage nicht im
Lager gewesen.
Er habe Olejak täglich bei der Rückkehr von der Arbeit ins Lager bei
Kontrollen gesehen. Er habe besonders 2 Vorfälle in Erinnerung, die sich im
Juli oder August 1944, jedenfalls im Sommer dieses Jahres, bei der Rückkehr
in das Lager zugetragen hätten.
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Auch auf dem Evakuierungsmarsch sei Olejak dabei gewesen. Er habe mit einer
Pistole viele Häftlinge erschossen. Dies sei am 2 Tag des Marsches gewesen.
Am 1. Tag sei Olejak an der Spitze der Kolonne marschiert, da habe er ihn
nicht schießen sehen. Er selbst habe mehr als 30 solcher Erschießungen durch
Olejak am 2. Tag des Marsches gesehen. Von den SS.Leuten hätten jedoch nicht
nur er geschossen. Von den 4.000 Häftlingen, die aus Jaworzno abmarschiert
seien, seien nur 200 in Blechhammer angekommen.
Auf Vorhalt, daß er bei seiner polizeilichen Vernehmung im Jahre 1976 davon
gesprochen habe, der Rapportführer habe auch mit einer Maschinenpistole
Häftlinge erschossen, erklärte der Zeuge, dies könne er ausschließen. Er
habe nicht mit einer automatischen Waffe, sondern mit einer Pistole
geschossen. Er habe nur allgemein davon gesprochen, daß SS.Leute
Maschinenpistolen gehabt hätten und wahrscheinlich seien diese Angaben dann
auch auf den Rapportführer bezogen worden.
Auch die Aussage dieses Zeugen ist in wesentlichen Punkten unrichtig. Weder
kann der Zeuge, der als griechischer jüdischer Häftling, wie erwähnt, Anfang
Juli 1943 nach Jaworzno gekommen ist, den Rapportführer in der Folgezeit
täglich gesehen haben, noch kommt der Rapportführer Olejak für die von dem
Zeugen geschilderten Mißhandlungen im Sommer 1944 als Täter in Betracht.
Unter diesen Umständen hält die Kammer die Aussage dieses Zeugen über die
angebliche Teilnahme des Rapportführers Olejak am Evakuierungsmarsch nicht
für so zuverlässig, um damit die Einlassung des Angeklagten Olejak zu
widerlegen. In diesem Zusammenhang ist auch noch darauf hinzuweisen, daß der
Zeuge über die Waffen, mit denen Olejak angeblich Häftlinge erschossen haben
soll, bei der Polizei und bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel
Aviv widersprüchliche Angaben gemacht hat.
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31. Der Zeuge David Zimmermann, der nach dem Krieg in die USA ausgewandert
ist, hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung am 2.5.1978
ausgesagt, er sei am 6.9.1943 nach Jaworzno gekommen.
Zu Beginn seiner Vernehmung hat der Zeuge sowohl den Angeklagten Olejak als
auch den Angeklagten Pansegrau erkannt, als diese noch im Zuhörerraum des
Sitzungssaales saßen. Bei Vorlage der Bildtafeln erklärte der Zeuge zu Bild
11 (SS. Oberscharführer Knoblich), dies sei der Olejak und zu Bild Nr. 17 (Olejak),
dies sei der Pansegrau.
Bei Vorlage des Bildbandes erkannte der Zeuge Olejak auf Bild 18 wieder. Bei
Vorlage der Bildtafeln, bei denen dieses Bild die Nummer 16 hat, erkannte
der Zeuge Olejak nicht. Zu den Bildern 19 (Olejak) und 24 (dieses Bild
stellt einen SS.Mann Wodan Weißmann dar) bekundete der Zeuge, daß es sich
hierbei um Bilder des Pansegrau handele, wobei er sich bei Nr. 24 sicher
sei. Im Lager habe es immer nur einen Rapportführer gegeben. Wer dies im
einzelnen gewesen sei, könne er nicht sagen. Olejak sei ebenfalls wie
Pansegrau in Jaworzno als Blockführer tätig gewesen. Seinen Namen habe er
etwa ab Oktober 1943 gekannt. Bei den Häftlingen habe er den polnischen
Spitznamen „Krewonovy“ gehabt, was auf deutsch „krumme Beine“ bedeutet habe.
Olejak sei auch immer mit zu der Grube gegangen, in der er gearbeitet habe.
Außerdem habe es bei den Blockführern noch die SS.Leute Markewicz, Lapka,
Schwarz, König und Gruber gegeben. Gruber habe geschielt, sei 35 - 40 Jahre
alt und sehr stark gewesen.
Beim Evakuierungsmarsch sei Olejak dabei gewesen, ebenso wie König,
Markewicz, Pansegrau und Gruber. Nach einer Übernachtung in einer Scheune
seien viele in der Nacht erfrorene Häftlinge beerdigt worden. Unter den in
die Grube geworfenen Häftlingen
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seien auch solche gewesen, die noch nicht tot gewesen seien. Diese hätten
versucht, wieder aus der Grube zu kriechen. Daran seien sie von Olejak,
Pansegrau, König und Markewicz gehindert worden, die die Häftlinge mit den
Stiefeln wieder in die Grube zurückgetreten hätten. Er selbst sei beim
Ausheben und Zuschaufeln der Grube dabei gewesen.
Nach Vorhalt seiner Aussago vor dem Generalkonsulat der Bundesrepublik
Deutschland in Los Angeles vom 31.10.1972, in der er als einen der Täter an
der Grube den SS. Mann Gruber genannt und sich an einen SS.Mann namens
Olejak nicht erinnert hat, erklärte der Zeuge Zimmermann dann, Olejak sei
derjenige, den er bei dieser Vernehmung als Gruber bezeichnet habe.
Die Kammer sieht die Aussago dieses Zeugen nicht als geeignet an, die
Einlassung des Angeklagten Olejak zu widerlegen. Zum einen sind die Angaben
des Zeugen Zimmermann zu dem SS.Mann Olejak, dieser sei Blockführer in
Jaworzno und immer da gewesen, nicht richtig. Zum anderen ist die am Ende
der Vernehmung gemachte Aussage, Olejak und der von ihm zuvor genannte
SS.Mann Gruber seien identisch, nicht glaubhaft. Denn der Zeuge hat zu
Beginn seiner Vernehmung von Olejak und Gruber als 2 verschiedenen
Blockführern gesprochen und diese auch gesondert und unterschiedlich
beschrieben Schließlich will der Zeuge Zimmermann auch den Blockführer König
auf dem Evakuierungsmarsch gesehen haben. Dieser SS.Mann, der als Zeuge in
der Hauptverhandlung vernommen wurde, hat jedoch glaubhaft bekundet, daß er
nach seinem Selbstmordversuch im Frühjahr 1944 nicht mehr nach Jaworzno
zurückgekehrt ist.
32. Der Zeuge Max Diamond, der in Kanada wohnhaft ist, kam nach seiner
Aussage in der Hauptverhandlung im September 1943 nach Jaworzno.
Obwohl der Zeuge den Angeklagten sowohl bei der Personenerkennung als auch
auf Bildern richtig erkannt hat, kommt seiner
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Aussage keine besondere Bedeutung zu. Denn er bringt diesen Mann, den er
meint, mit einer Funktion im Häftlingskrankenbau in Verbindung. Eine solche
Funktion hat den Angeklagte Olejak in Jaworzno jedoch sicherlich nicht
ausgeübt. Desweiteren will er den Angeklagten Olejak bei einem Appell kurz
vor Weihnachten 1944 erlebt haben, bei dem die Häftlinge aufgefordert worden
seien, Verstecke von Schmuck und anderen Wertgegenständen mitzuteilen. Von
einem solchen Appell hat außer dem Zeugen Diamond kein anderen Zeuge
berichtet.
Dafür, daß nicht der Angeklagte Olejak diesen Appell gemacht hat, falls er
überhaupt stattgefunden hat, spricht auch die Tatsache, daß sich der
betreffende SS.Mann nach der Aussage des Zeugen Zimmermann eines
Dolmetschers für die polnische Sprache bedient hat. Bei dem Angeklagten
Olejak wäre dies aber, da er in Oberschlesien aufgewachsen ist und dadurch
die polnische Sprache beherrscht, nicht notwendig gewesen.
33. Der Zeuge Jakob Glazer hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung
ausgesagt, er sei im Herbst 1943 nach Jaworzno gekommen. Er sei während den
ganzen Zeit bis zur Auflösung des Lagers im Lager selbst als Maler
eingesetzt worden.
Er hat weiter ausgesagt, Olejak sei über 40 Jahre alt, klein und dick
gewesen. Er habe jiddisch gesprochen und aus Rumänien gestammt. Bei der
Evakuierung sei er in das Lager zurückgefahren und habe die Kranken
umgebracht.
Zum Rapportführer könne er nur sagen, daß es einen solchen gegeben habe.
Mit dem SS.Mann Olejak meint dieser Zeuge offensichtlich den Blockführer
Lausmann. Die von dem Zeugen gegebene Beschreibung paßt nicht auf den
Angeklagten Olejak, aber auf Lausmann. Dieser war, wie bereits festgestellt
wurde, klein, dick, stammte aus Rumänien und sprach auch jiddisch.
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34. Zu den in dieser Ziffer aufgeführten Zeugen ist zu bemerken, daß sie
weder in der Hauptverhandlung noch im Wege den Rechtshilfe vernommen werden
konnten, da sie zwischenzeitlich verstorben sind (Zeuge Mittelmann) oder ihr
Gesundheitszustand eine Vernehmung nicht mehr zuläßt (die übrigen Zeugen).
34.1 Der Zeuge Abraham Rabinowicz wurde am 7.5.1975 durch den israelischen
Polizeibeamten Edelsberg in Anwesenheit des Ersten Staatsanwaltes Gandorfer
vernommen.
Dabei hat der Zeuge ausgesagt, er sei im Herbst 1943 nach Jaworzno gekommen.
Er erinnere sich an den Rapportführer Olejak, der damals noch keine 30 Jahre
alt gewesen sei Dieser sei zumindest am Ende der Lagerzeit Rapportführer
gewesen. Vorher sei einmal ein älterer, dicker Mann Rapportführer gewesen.
Auch den SS.Mann mit dem Spitznamen Mietliczka habe gelegentlich den Rapport
abgenommen.
Bei Vorlage des Bildbandes erkannte der Zeuge auf Bild 17 den Rapportführer
Olejak wieder.
Im weiteren Verlauf der Vernehmung schilderte der Zeuge Rabinowicz dann
einen Vorfall, der sich im November oder Dezember 1944 zugetragen habe.
Insoweit wird auf die Aussage des Zeugen im Rahmen des Anklagepunktes I 4
noch näher eingegangen werden.
Olejak sei zusammen mit anderen SS.Leuten auch beim Evakuierungsmarsch dabei
gewesen. Er habe selbst gesehen, wie Olejak und Markewicz Häftlinge
erschossen hätten.
34.2. Den Zeuge Isaak Mittelman wunde am 13.9.1970 von dem Zeugen Edelsberg
(3, 239) und am 5.5.1975 von Edelsberg in Anwesenheit des Ersten
Staatsanwaltes Gandorfer vernommen (16, 9).
Bei der Vernehmung im Jahre 1970 hat den Zeuge ausgesagt, er sei im Sommer
1943 nach Jaworzno gekommen, wo er als Schmied im Lager habe arbeiten
müssen. Von den SS.Leuten in Jaworzno
- 292 -
könne er sich lediglich noch an den Rapportführer erinnern. Sein Name sei
ihm allerdings entfallen, er werde ihm vielleicht im Laufe den weiteren
Vernehmung wieder einfallen. Sein Äußeres sei ihm jedoch im Gedächtnis
geblieben. Der Rapportführer sei groß, korpulent und zwischen 40 und 43
Jahre alt gewesen, sein Haar sei braun oder brünett gewesen. Er habe ihn
täglich im Lager bei der Rapportabnahme bzw. beim Zählappell gesehen. Er
habe stets einen Schäferhund dabeigehabt, den er auch auf Häftlinge gehetzt
habe.
Im Jahre 1945 nach Kriegsende sei ihm dieser Rapportführer in einer
bayerischen Kleinstadt begegnet. Er habe dies sofort der dortigen
Ortspolizei gemeldet und der Rapportführer sei auch aufgrund diesen Anzeige
festgenommen worden. Nach 2 Tagen sei er jedoch wieder freigelassen worden.
Zur Begründung sei ihm gesagt worden, die Freilassung sei deswegen erfolgt,
weil es keine weiteren Zeugen gegeben habe.
Im Rahmen der Angaben des Zeugen über die Hinrichtung von ca. 30 Häftlingen
erklärte er dann, jetzt sei ihm der Name des Rapportführers wieder
eingefallen, dieser habe Olejak geheißen.
Bei der Evakuierung sei dieser Rapportführer dabei gewesen. Er habe selbst
gesehen, wie Olejak, glaublich mit einem Karabiner, ..zig Häftlinge
erschossen habe. Olejak habe sich vorwiegend am Ende den Kolonne aufgehalten
und dort erschöpfte Häftlinge erschossen.
Auf Befragen erklärte der Zeuge dann weiter, die Namen Lossmann und
Morgewicz seien ihm bekannt.
Bei den 2. Vernehmung im Jahre 1975 erklärte der Zeuge Mittelman nach einer
kurzen Schilderung des Lagers, er erinnere sich an die SS.Leute Pansegrau,
Olejak, Lapka, Markewicz und Lausmann. Pansegrau sei von den Juden Besen und
von den Polen Mietliczka genannt worden.
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Er habe einmal selbst gesehen, wie der Rapportführer Olejak einen Häftling
im Rahmen einer Kontrolle am Lagereingang erschlagen habe.
Auf dem Evakuierungsmarsch zwischen Jaworzno und Blechhammer sei über die
Hälfte den Häftlinge erschossen worden. Geschossen worden sei von allen
SS.Leuten, die er gekannt habe. Besonders Markewicz habe es großes Vergnügen
gemacht. En selbst sei nicht hinten gegangen und wisse daher auch nicht, wer
dort geschossen habe. Er wisse nun, daß, wer zurückgefallen sei, am Ende den
Kolonne erschossen worden sei.
Auf Frage erklärte der Zeuge, den Rapportführer habe er nicht gesehen.
Auf Vorhalt seinen Aussage aus dem Jahre 1970 erklärte der Zeuge dann, er
erinnere sich jetzt, daß alles, was er damals gesagt habe, richtig sei. Den
Olejak sei ein großer Menschenfresser gewesen. Er möchte jetzt sagen, daß er
Olejak. auf dem Marsch habe schießen sehen. Die Erinnerung daran verwische
sich „allmöglich“ in ihm. Er bemühe sich auch zu vergessen.
Auf die Person angesprochen, die er nach dem Kriege in der bayerischen
Kleinstadt getroffen habe, erklärte der Zeuge, er glaube jetzt nicht mehr,
daß es Olejak gewesen sei.
Olejak habe er als 27 bis 30 Jahre alten Mann in Erinnerung, der mittelgroß
gewesen sei und dunkle Haare gehabt habe. Da en polnisch gesprochen habe,
müsse er aus Schlesien gestammt haben.
Infolge den erheblichen Widersprüche zur Person des Rapportführers hält die
Kammer die Aussagen dieses Zeugen nicht für geeignet, um auf sie eine
Entscheidung stützen zu können. So stimmen die Beschreibungen, die er von
dem Rapportführer im
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Jahre 1970 und 1975 gegeben hat, nicht überein. Auf diesen Widerspruch ist
der Zeuge bei der 2. Vernehmung nach dem Inhalt den Niederschrift nicht
hingewiesen worden und er wurde nicht gefragt, warum er den Rapportführer
1975 nach Aussehen, Größe, Alter und Haarfarbe ganz anders beschrieben hat
als im Jahre 1970. Der Zeuge wurde auch nicht danach gefragt, warum er sich
1975 an den SS.Mann Pansegrau mit dem Spitznamen Besen oder Mietliczka
erinnert hat, obwohl er 5 Jahre früher zu diesem SS.Mann keine Angaben
gemacht hat. Auch was die angebliche Teilnahme von Olejak am
Evakuierungsmarsch und die Erschließung von Häftlingen dabei betrifft, sind
beide Aussagen des Zeugen nicht in Übereinstimmung zu bringen. So hat den
Zeuge 1970 erklärt, er habe zahlreiche Erschießungen von Häftlingen durch
den Rapportführer Olejak gesehen, das sei am Ende den Kolonne passiert. 1975
dagegen hat der Zeuge ausgesagt, er sei gar nicht am Ende der Kolonne
gegangen und wisse deshalb nicht, wer dort geschossen habe. Den
Rapportführer habe er nicht beim Schießen auf Häftlinge gesehen. Erst nach
Vorhalt seiner Aussage aus dem Jahre 1970 erklärte den Zeuge dann, was er
damals gesagt habe sei richtig und er glaube jetzt, daß er Olejak auf dem
Marsch doch habe schießen sehen. Auf den sich hieraus ergebenden
Widerspruch, daß nämlich Olejak am Ende den Kolonne auf Häftlinge geschossen
habe, der Zeuge selbst aber nach seiner eigenen Aussage nie am Ende der
Kolonne gewesen ist, wurde der Zeuge nicht hingewiesen.
34.3 Der Zeuge Jechiel Sieradzki wurde am 30.3.1976 von dem Zeugen Edelsberg
in Anwesenheit des Ersten Staatsanwaltes Gandorfer vernommen (22, 157).
Dabei hat den Zeuge ausgesagt, er sei im Winter 1943 nach Jaworzno gekommen.
Von den SS.Leuten des Lagers Jaworzno erinnere er sich an den Rapportführer,
der Olejak geheißen habe und ein Schlesier gewesen sei. Er sei ein junger
Mensch, mittelgroß und glaublich blond gewesen. Dieser Rapportführer sei
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schon im Lager gewesen, als er selbst dorthin gekommen sei. Auch zum
Zeitpunkt den Evakuierung sei er in Jaworzno gewesen. Zwischendurch habe er
ihn einige Zeit nicht gesehen. Wer während dieser Zeit Rapportführer gewesen
sei, könne er nicht sagen.
Bei der Evakuierung auf dem Weg nach Blechhammer sei er selbst immer am Ende
der Kolonne gegangen. Dort sei auch Olejak gewesen und er habe gesehen, daß
dieser mindestens 10 Häftlinge mit einer Pistole erschossen habe. Er habe
die Häftlinge von hinten aus kurzer Entfernung in den Kopf geschossen.
Auf die Frage, warum er sich nur an Olejak erinnert habe und nicht an andere
SS. Leute, erklärte der Zeuge, er habe den Rapportführer praktisch jeden Tag
im Lager bei den Morgen- und Abendappellen gesehen. Außerdem sei er einmal
selbst von ihm geschlagen worden. Diese Mißhandlung sei im Winter 1944, etwa
einen Monat nach den Hinrichtung der etwa 20 Häftlinge gewesen. Den Namen
Olejak kenne er noch aus den Lagerzeit. En habe ihn nicht später erst von
ehemaligen Mithäftlingen erfahren.
Hinsichtlich dieses Zeugen wurde weiter ein Bericht des zwischenzeitlich
verstorbenen Polizeibeamten Edelsberg vom 22.1.1975 über eine
informatorische Befragung verlesen (13, 147). Nach diesem Bericht hat den
Zeuge damals angegeben, er erinnere sich an den Rapportführer Olejak, der
auf dem Evakuierungsmarsch viele Häftlinge erschossen habe. Er sei auch
Augenzeuge gewesen, wie Olejak auf dem Lagergelände einen Häftling
totgeschlagen habe. Außer Olejak erinnere er sich von den SS. Angehörigen
aus Jaworzno noch an einen namens Lausmann, der Häftlinge schwer mißhandelt
habe. Nach der Ankunft in Blechhammer sei er Augenzeuge von
Häftlingserschießungen gewesen, die von Marcelli oder Marselie verübt worden
seien.
Nach Vorhalt dieser Angaben erklärte der Zeuge bei seiner Vernehmung im
Jahre 1976, er erinnere sich jetzt nicht mehr
- 296 -
daran, daß er im Lager gesehen habe, wie Olejak einen Häftling totgeschlagen
habe. Hinsichtlich den Erschießung von Häftlingen in Blechhammer erklärte
der Zeuge, er habe zwar das Schießen auf Häftlinge gesehen, die Namen der
SS.Leute kenne er jedoch nicht.
Auch bei diesem Zeugen bestehen zwischen seinen Angaben bei den
informatorischen Befragung gegenüber dem Polizeibeamten Edelsberg und seiner
förmlichen Vernehmung Widersprüche, die nicht mehr aufgeklärt wenden können.
34.4 Der Zeuge Chaim Schulz schließlich wurde am 1.9.1970 von dem Zeugen
Edelsberg vernommen (3, 191). Dabei hat er ausgesagt, er sei im Sommer 1943
nach Jaworzno gekommen. Von den im Lager tätigen SS.Leuten seien ihm
Markewicz und Losmann gut im Gedächtnis haften geblieben. Sie seien
Kommandoführer gewesen. Etwas schwächer könne er sich noch an den SS.Mann
mit dem Spitznamen Lapka und einem weiteren SS.Mann namens Olejak entsinnen.
Letzterer habe etwas mit der Erhängung von 20 Häftlingen zu tun gehabt, und
zwar mit den Organisation dieses Vorhabens.
Zum Evakuierungsmarsch erklärte der Zeuge, fast alle SS.Leute, die dabei
gewesen seien, hätten geschossen. Olejak habe er beobachtet, wie er auf
Häftlinge, die zurückgeblieben seien, geschossen habe. Seinen Schätzung nach
sei die Hälfte der Häftlinge unterwegs erschossen worden.
- 297 -
II. In diesen Gruppe sind die Zeugen zusammengefaßt, die Anfang Juni 1944 im
Rahmen der Judendeportationen aus Ungarn nach Jaworzno gekommen sind. (vgl.
96 - 98). Wie bereits ausgeführt, können diese Zeugen bei ihrer Ankunft im
Lager Jaworzno den Angeklagten Olejak nicht als Rapportführer kennengelernt
haben. Während des weitaus größten Teils des Aufenthaltes diesen Zeugen im
Lager Jaworzno, nämlich von Anfang Juni bis fast Mitte November 1944 war
auch ein anderer oder mehrere andere SS.Leute als Rapportführer tätig.
1. Der Zeuge David Preisler, den bei seinem Aufenthalt im Lager Jaworzno 16
Jahre alt gewesen ist, hat zu Beginn seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung, als die beiden Angeklagten noch im Zuhörerraum saßen,
diese nicht erkannt. Er deutete vielmehr auf einen Zuhörer und einen
Justizangestellten und erklärte, diese beiden seien ihm aus Jaworzno
bekannt. En sei sich aber nicht sicher.
Nachdem die beiden Angeklagten auf den Anklagebank Platz genommen hatten
meinte den Zeuge Preisler dann, er glaube, den Angeklagten Olejak aus dem
Lager Jaworzno wieder zu erkennen. Was er im Lager gemacht habe, wisse er
nicht.
Einmal sei bei der Rückkehr seines Arbeitskommandos, das Gleise verlegt
habe, ein Häftling erschossen worden. Täter sei ein SS.Mann gewesen, der an
einer Hand keine Finger gehabt und immer einen Hund mitgeführt habe. Diesen
Vorfall sei im September oder Oktober 1944 gewesen, hinsichtlich des
Zeitpunktes sei er sich jedoch nicht ganz sicher.
In Jaworzno habe es auch einen Rapportführer gegeben. Welche Aufgabe dieser
im Lager gehabt habe und wer dies gewesen sei, könne en nicht sagen.
Da der Zeuge den Angeklagten Olejak erst zu einem Zeitpunkt wiedererkannt
haben will, in dem er für den Zeugen bereits als
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Angeklagten erkennbar war, mißt die Kammer der Aussage dieses Zeugen keine
entscheidende Bedeutung bei.
2. Der Zeuge Jonah Schwarz hat zu Beginn seinen Vernehmung in der
Hauptverhandlung, als sich die Angeklagten noch im Zuhörerraum aufhielten,
auf den Angeklagten Olejak gedeutet und erklärt, diese Person sei
möglicherweise Rapportführer in Jaworzno gewesen. Den Namen wisse er nicht,
den Namen des Rapportführers habe er auch damals schon nicht gewußt.
Bei Vorlage den Bildtafeln meinte den Zeuge Schwarz zu den Lichtbildern 5, 6
und 7 (Bilder des Angeklagten Pansegrau), dies sei den SS.Mann Mietliczka,
den von den Häftlingen auch Besen genannt worden sei.
Zu den Lichtbildern 14, 15 und 16 (Bilder des Angeklagten Olejak) erklärte
der Zeuge, das sei der Rapportführer. Die gleichen Angaben machte den Zeuge
dann bei Vorlage den Bildmappe zu den Lichtbildern den beiden Angeklagten.
Zur Person des Rapportführers erklärte der Zeuge, dieser sei 30 - 40 Jahre
alt gewesen, jedenfalls im mittleren Alter. Dieser Rapportführer habe die
Häftlinge seines Transportes bei der Ankunft in Jaworzno in Empfang
genommen. Ob dieser Rapportführer abgelöst worden sei, könne er nicht sagen,
ebenso nicht, ob er beim Evakuierungsmarsch dabeigewesen sei. Er habe ihn
dabei jedenfalls nicht gesehen.
Er sei sich jedoch sicher, daß der Angeklagte Olejak in Jaworzno als
Rapportführer gewesen sei. Vielleicht sei es im Mai 1944, vielleicht auch im
September 1944 gewesen, als er ihn in Jaworzno gesehen habe. Er selbst sei
im November oder Dezember 1944, jedenfalls kurz vor den Evakuierung, einmal
3 Wochen im Häftlingskrankenbau stationär behandelt worden.
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Auf die Frage eines Verteidigers des Angeklagten Pansegrau, warum er, wenn
er von dem SS.Mann Mietliczka spreche, auf den Angeklagten Pansegrau zeige,
erklärte der Zeuge, ihm sei bei Gericht gesagt worden, daß er es sei. Er
habe eine Vorladung bekommen und wisse deshalb, daß sich das Verfahren gegen
diese Leute richte. Er sei sich dann sicher gewesen, daß einer der
Angeklagten den Rapportführer des Lagers Jaworzno und der andere der SS.Mann
mit dem Spitznamen Mietliczka sei. Außerdem werde ja vom Gericht kein
anderer auf die Anklagebank gesetzt werden. Mietliczka habe sich seit damals
im Ganzen verändert, der Rapportführer nicht.
Bei den Würdigung der Aussage dieses Zeugen ist davon auszugehen, daß die
Beschreibung, die er von dem Ihm in Erinnerung gebliebenen Rapportführer
gibt ( 30 bis 40 Jahre alt) auf den im Jahre 1918 geborenen Angeklagten
Olejak nicht zutrifft. Auch die Aussage des Zeugen, der Angeklagte Olejak
habe sich in seinem Aussehen nicht verändert, ist nicht richtig, da der
Angeklagte Olejak, wie bereits ausgeführt, damals 64 kg gewogen hat, während
er heute ca. 85 kg wiegt. Schließlich treffen auch die Angaben des Zeugen,
den Rapportführer, den er meine, habe ihn bei seiner Ankunft in Jaworzno in
Empfang genommen, auf den Angeklagten Olejak nicht zu. Den Zeuge Schwarz
könnte den Angeklagten Olejak, wenn dieser nach Jaworzno zurückgekehrt wäre,
allenfalls in der Zeit vom 9. oder 10.11.1944 bis zum Beginn des
Evakuierungsmarsches in Jaworzno gesehen haben, wobei der Zeuge in dieser
Zeit noch 3 Wochen im HKB gelegen ist, wo der Rapportführer keine Funktion
zu erfüllen hatte.
Auch die Angaben, die der Zeuge zu der Person des Rapportführers bei seiner
Vernehmung durch den Zeugen Edelsberg im Beisein vom Ersten Staatsanwalt
Gandorfer am 31.3.1976 gemacht hat und die ihm mehrfach vorgehalten wurden,
sprechen dafür, daß der Zeuge an den oder die Rapportführer, die er
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im Lager Jaworzno
erlebt hat, keine sichere Erinnerung hat. Bei dieser erwähnten Vernehmung
hat der Zeuge ausgesagt, er habe nur einen SS.Mann als Rapportführer in
Erinnerung. Dieser sei ca. 40 Jahre alt gewesen und habe ihn bei seiner
Ankunft in Jaworzno in Empfang genommen. Ob dieser Mann bis zum
Evakuierungsmarsch in Jaworzno geblieben sei, wisse er nicht mehr. Bei
Vorlage der Lichtbildmappe erklärte der Zeuge Schwarz bei dieser Vernehmung
zunächst von sich aus, die Bilder 18 und 19, die den Angeklagten Olejak
darstellen, kämen ihm bekannt vor. Von der darauf abgebildeten Person habe
er jedoch keine bestimmte Vorstellung mehr.
Auf die ausdrückliche
Frage, ob der auf Bild 17 und 18 dargestellte Mann der Rapportführer sei,
den er beschrieben habe, antwortete der Zeuge, das könne er nicht sagen.
Auf einen
entsprechenden Vorhalt hin, warum er diese Bilder damals im Gegensatz zu
seiner Aussage in der Hauptverhandlung nicht als solche des Rapportführers
identifiziert habe, erklärte der Zeuge, er könne sich jetzt besser erinnern
als bei der polizeilichen Vernehmung.
Schließlich trifft
die Erklärung, die der Zeuge dafür gegeben hat, warum er wisse, daß sich das
Verfahren gegen den Rapportführer des Lagers Jaworzno und gegen den SS.Mann
Mietliczka richte, nicht zu. Weder wurde ihm dies während der
Hauptverhandlung erklärt, noch konnte er eine solche Schlußfolgerung aus der
Ladung zur Hauptverhandlung, die nur die Namen der beiden Angeklagten
enthalten hat, entnehmen. Der Zeuge Schwarz muß also von dritter Seite
erfahren haben, daß einer der Angeklagten Rapportführer in Jaworzno gewesen
ist oder gewesen sein soll und daß der andere Angeklagte von den Häftlingen
den Spitznamen Besen oder Mietliczka erhalten haben soll.
Unter diesen
Umständen sieht die Kammer die Aussage des Zeugen Schwarz nicht als geeignet
an, die Einlassung des Angeklagten Olejak in Verbindung mit dem unter D, E
und F
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geschilderten
Ergebnis der Beweisaufnahme zu widerlegen.
3. Der Zeuge Meir
Mosche Shimoni hat den Angeklagten Olejak bei der Personenerkennung zu
Beginn seiner Vernehmung nicht erkannt. Den Angeklagten Pansegrau hat er
dabei als den SS.Mann mit dem Namen Mietliczka bezeichnet.
Bei Vorlage der
Bildtafeln erklärte der Zeuge zu den Bildern 14, 15 und 16 (Bilder des
Angeklagten Olejak), er glaube, dies sei der von ihm genannte Mietliczka.
Auch zu einem Bild des Angeklagten Pansegrau (Nr. 6 der Bildtafeln) sagte
der Zeuge, dies sei Mietliczka. Zu den Bildern 8 und 9 der Bildtafeln
(Bilder des Lagerführers Pfütze) meinte der Zeuge, dies seien Bilder des
Rapportführers des Lagers Jaworzno, er sei sich dabei allerdings insoweit
nicht sicher. Auch bei Vorlage des Bildbandes machte der Zeuge Shimoni
ähnliche Angaben.
Im weiteren Verlauf
seiner Vernehmung, als die beiden Angeklagten schon auf der Anklagebank
Platz genommen hatten und für den Zeugen deshalb als Angeklagte erkennbar
waren, erklärte der Zeuge dann zur Person des Angeklagten Olejak, dieser sei
Rapportführer in Jaworzno gewesen. Von Augenblick zu Augenblick erkenne er
ihn mehr. Sicher könne er es jedoch nicht sagen. Diesen Rapportführer, an
den er sich erinnere und den er meine, habe er am 2. Tag seines
Lageraufenthaltes in Jaworzno kennengelernt. Da sei ihm von anderen
Häftlingen gesagt worden, dies sei der Rapportführer. Dieser Rapportführer
sei kräftiger gewesen als der Angeklagte Olejak heute sei, auch größer.
Dieser Rapportführer sei auch auf dem Evakuierungsmarsch dabeigewesen und
habe dabei einen Häftling erschossen.
Bei diesem Zeugen ist
zu berücksichtigen, daß er den Rapportführer, an den er sich erinnert, am 2.
Tag nach seiner Ankunft in Jaworzno, also noch im Juni l944 erstmals gesehen
haben will. Dies kann nicht der Angeklagte Olejak gewesen sein.
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Die Beschreibung, die
der Zeuge Shimoni von dem Rapportführer gibt (kräftiger und größer als
Olejak heute ist) spricht dafür, daß sich der Zeuge Shimoni an den SS.Mann
Otto Hablesreiter als Rapportführer erinnert, der nach der Versetzung des
Angeklagten Olejak aus Jaworzno längere Zeit Rapportführer gewesen ist.
Dieser SS.Mann war nach übereinstimmenden Aussagen der Zeugen, die sich an
ihn erinnert haben, größer und älter als die übrigen Angehörigen der
Lagerkommandantur. Wenn der Zeuge Shimoni den Rapportführer, den er meint,
als größer und stärker in Erinnerung hat als der Angeklagte Olejak heute
ist, kann er mit dieser Person nicht den Angeklagten Olejak meinen, da
dieser damals ca. 20 kg weniger wog als heute.
4. Der Zeuge Schmuel
Grol hat zu Beginn seiner Vernehmung auf den Angeklagten Olejak gedeutet und
erklärt, dies sei der Olejak. Olejak habe im Lager die Appelle durchgeführt,
er sei Rapportführer gewesen.
Bei Vorlage der
Bildtafeln erklärte der Zeuge zu Bild 16 (Olejak), er glaube die abgebildete
Person sei der Rapportführer Olejak.
Den Namen Olejak
kenne er schon die ganze Zeit. Er könne sich jedoch nicht daran erinnern, ob
er diesen Namen auch bei seiner polizeilichen Vernehmung genannt habe.
Olejak sei damals 25
- 26 Jahre alt gewesen und etwas größer als er selbst (1,64 m) gewesen. Er
habe ihn im September 1944 in Jaworzno kennengelernt, vielleicht auch schon
im Juli oder August 1944. Er habe den Rapportführer Olejak in Jaworzno
sowohl im Lager als auch auf seiner Arbeitastelle, wo ein Kraftwerk
errichtet worden sei, gesehen. Warum er diesen Rapportführer bei seiner
polizeilichen Vernehmung auf den vorgelegten Lichtbildern nicht erkannt
habe, könne er nicht sagen.
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Er habe den
Rapportführer bei mehreren Anlässen im Lager Jaworzno und auf seiner
Arbeitsstelle beim Kraftwerkbau gesehen. Einmal sei nach Arbeitsschluß
festgestellt worden, daß 2 Häftlinge geflüchtet seien. Daraufhin sei noch an
Ort und Stelle eine Untersuchung durchgeführt worden, an der auch der
Rapportführer Olejak teilgenommen habe. Im Laufe dieser Untersuchung seien
mehrere Häftlinge geschlagen worden. Dieser Vorfall habe sich anfangs des
Winters 1944 abgespielt, es habe noch kein Schnee gelegen und es sei auch
noch nicht besonders kalt gewesen.
Im Gegensatz zu
seiner polizeilichen Vernehmung erklärte der Zeuge, er erinnere sich nicht
mehr daran, daß Olejak dabei einen Häftling geschlagen habe. Kurz nach einer
Operation, die an ihm nach einem Unfall vorgenommen worden sei, habe es in
Jaworzno eine Selektion gegeben, bei der Olejak auch eine gewisse Rolle
gespielt habe. Die Operation sei zweieinhalb bis drei Monate nach seinem
Eintreffen in Jaworzno durchgeführt worden. Er erinnere sich auch noch an
einen dritten Vorfall. Da sei nach der Rückkehr von der Arbeit beim
Kraftwerk ein Häftling aus der Reihe geholt und in einem Büro geschlagen
worden. Olejak habe dabei den Häftling selbst aus der Reihe geholt und ihn
in das Büro geführt. Dieser Vorfall habe sich ziemlich lange vor der
Evakuierung des Lagers zugetragen.
Bei der Würdigung der
Aussage dieses Zeugen ist zunächst darauf hinzuweisen, daß zwischen seiner
polizeilichen Vernehmung vom 25.3.1976 und seiner Aussage in der
Hauptverhandlung zur Person des Rapportführers erhebliche Differenzen
bestehen. Dies gilt sowohl für das Erkennen der Lichtbilder als auch die
Nennung des Namens. Soweit der Zeuge angibt, er habe den Angeklagten Olejak
schon im Sommer 1944, spätestens im September 1944 in Jaworzno kennengelernt,
ist seine Aussage nicht richtig.
- 304 -
Auch wenn er den
Rapportführer bei einem Vorfall „kurz nach seiner Operation“ und bei einem
anderen Vorfall lange vor dem Evakuierungsmarsch gesehen haben will, kann es
sich dabei nicht um den Angeklagten Olejak gehandelt haben.
5. Der Zeuge
Mordechaj Hoffmann erklärte zu Beginn seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung, als die beiden Angeklagten noch im Zuhörerraum saßen, er
könne niemanden aus dem Lager Jaworzno erkennen. Auf eine entsprechende
Aufforderung hin schaute sich der Zeuge dann nochmals um, deutete auf den
Ergänzungsschöffen Flörchinger und den Angeklagten Olejak und erklärte:
Diese könnten der Rapportführer oder der Lagerführer mit den Hunden gewesen
sein. Weiter zeigte der Zeuge auf einen Justizangestellten sowie einen
Zuhörer und erklärte, einer der beiden könne Pansegrau sein. Er sei sich
aber nicht sicher. Einer habe immer einen Hund gehabt, er meine dies sei der
Rapportführer gewesen. Dieser sei ca. 1,70 m groß, etwa 30 Jahre alt und
habe dunkle Haare gehabt. Er habe eine Verletzung an den Fingern der linken
Hand gehabt.
Der Rapportführer sei
bei den Appellen dabei gewesen und habe in den Häftlingsblocks kontrolliert.
Er habe einmal gesehen, daß sich ein Häftling an dem im Lager befindlichen
Bassin aufgehalten habe. Da sei der Rapportführer mit seinem Hund gekommen
und habe dem Häftling befohlen, in das Becken zu steigen. Nachdem er wieder
herausgekommen sei, habe er sich ausziehen müssen. Dann habe der
Rapportführer den Häftling geschlagen, in das Wasser geworfen und seinen
Kopf unter Wasser gedrückt. Dieser Häftling sei ganz geschwollen gewesen. Ob
er den Vorfall überlebt habe, wisse er nicht.
Nach Vorhalt seiner
Aussage in der polizeilichen Vernehmung, wonach der Rapportführer und der
SS.Mann mit den fehlenden Fingern verschiedene Leute gewesen seien, erklärte
der Zeuge:
- 305 -
Der Rapportführer
hatte keine Finger. Der Rapportführer war der Mann, dem die Finger fehlten.
Weiter bekundete der
Zeuge, dieser SS.Mann sei bei seiner eigenen Ankunft in Jaworzno nicht dort
gewesen, sondern erst im Juli oder August 1944 in das Lager gekommen. Im
August oder September 1944 sei dieser SS.Mann in Jaworzno gewesen, im
Dezember 1944 sei er nicht dort gewesen und im Januar 1945 sei er wieder in
das Lager zurückgekehrt. Ob er beim Evakuierungsmarsch dabei gewesen sei,
könne er nicht sagen. Er sei sich ganz sicher, daß dieser SS.Mann, den er
meine, der Angeklagte Olejak sei.
Im weiteren Verlauf
seiner Aussage ging der Zeuge Hoffmann dann davon aus, daß der Angeklagte
Olejak mit dem SS.Mann ohne Finger nicht identisch ist.
Bei der Vorlage der
Bildtafeln erklärte der Zeuge Hoffmann zu den Bildern Nr. 6 und 7 (Pansegrau),
die abgebildete Person sei der Angeklagte Pansegrau. Zu den Bildern Nr. 14
und 15 der Bildtafeln meinte der Zeuge, dies sei der Rapportführer.
Bei der polizeilichen
Vernehmung am 12.3.1976, die ihm wiederholt vorgehalten wurde, beschrieb der
Zeuge Hoffmann den Rapportführer als einen über 30 Jahre alten,
dunkelblonden Mann mit athletischer Gestalt, dessen Namen ihm nicht
erinnerlich sei.
Zur Aussage dieses
Zeugen, auf die im Rahmen der Ausführungen zu dem dem Angeklagten Pansegrau
zur Last liegenden Einzeltaten noch ausführlich eingegangen werden wird, ist
zu bemerken, daß er zur Person des oder der Rapportführer im Lager Jaworzno
unterschiedliche Angaben gemacht hat. Soweit der Zeuge davon spricht, der
Angeklagte Olejak sei Juli oder August 1944 nach Jaworzno gekommen und sei
auch im August und September 1944 dort gewesen, sei im Dezember 1944 nicht
in Jaworzno gewesen und im Januar 1945 wieder zurückgekehrt, können diese
Zeitangaben auf den Angeklagten Olejak nicht
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zutreffen. Der
Angeklagte Olejak war in der Zeit von Juli bis September 1944 nicht in
Jaworzno, sondern im Lager Blechhammer. Wenn er tatsächlich im November 1944
nach Jaworzno zurückgekehrt wäre, so wäre er auch im Dezember 1944 in
Jaworzno gewesen.
Auch die
Beschreibung, die der Zeuge bei seiner Vernehmung im Jahre 1976 von dem
Rapportführer gegeben hat, nämlich über 30 Jahre alt, dunkelblond,
athletische Gestalt, paßt nicht auf den Angeklagten Olejak, der damals 26
Jahre alt, nur 1,68 m groß und 64 kg schwer war und dunkle Haare hatte.
Die Kammer sieht
deshalb die Aussage dieses Zeugen, die im übrigen, was die Täter bei
bestimmten Vorfällen betrifft, zahlreiche Widersprüche zur polizeilichen
Vernehmung aufweist, auf die noch einzugehen sein wird, nicht als geeignet
an, die Einlassung des Angeklagten Olejak in Verbindung mit dem übrigen
Beweisergebnis zu widerlegen.
6. Der Zeuge Chaim
Schuler, der bei seiner Ankunft im Lager Jaworzno 16 Jahre alt war, hat zu
Beginn seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung keinen der Angeklagten
erkannt. Bei Vorlage der Bildtafeln erklärte der Zeuge zu den Bildern 14, 15
und i6 (Bilder des Angeklagten Olejak), dies sei der Kommandoführer, der die
ins Lager zurückkehrenden Häftlingskommandos am Tor gezählt und kontrolliert
habe. Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung erklärte der Zeuge dann, dies
sei der Rapportführer gewesen. Ob dieser Mann bei seiner eigenen Ankunft im
Lager schon dort gewesen sei, wisse er nicht. Er könne auch nicht sagen, zu
welchem Zeitpunkt er ihn erstmals im Lager gesehen habe. Ob er am Ende der
Lagerzeit in Jaworzno gewesen sei, wisse er ebenfalls nicht. Er selbst sei
wegen einer Lungenentzündung etwa 3 Wochen vor der Evakuierung in den HKB
eingeliefert worden und habe deswegen auch den Evakuierungsmarsch nicht
mitgemacht.
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Die Kammer verkennt
nicht, daß die Aussage dieses Zeugen, der in der Hauptverhandlung einen
guten Eindruck hinterlassen hat, ein gewisses Indiz für eine Rückkehr des
Angeklagten Olejak nach Jaworzno darstellt. Dabei ist jedoch zu
berücksichtigen, daß sich der Zeuge nur an diesen einen SS.Mann als
Rapportführer erinnert, obwohl er den Angeklagten Olejak, wenn er
tatsächlich nach Jaworzno zurückgekehrt wäre, nur etwa 6 - 7 Wochen als
Rapportführer hat erleben können, nämlich von 9. oder 10.11.1944 bis Ende
Dezember 1944, als der Zeuge in den HKB gekommen ist. Normalerweise müßte
sich der Zeuge Schuler unter diesen Umständen viel besser an den
Rapportführer erinnern, der von Juli 1944 bis November 1944 diese Funktion
innegehabt hat.
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III. Unter dieser
Ziffer sind die Zeugen zusammengefaßt, die bei der Auflösung des Lagers
Lagischa in der 2. Septemberhälfte 1944 nach Jaworzno gekommen sind. Wie
bereits ausgeführt, könnten diese Zeugen den Angeklagten Olejak wenn er am
9. oder 10.11.1944 nach Jaworzno zurückgekehrt wäre weder bei ihrer Ankunft
im Lager noch während der ersten eineinhalb Monate ihres Aufenthaltes im
Lager Jaworzno gesehen und kennengelernt haben.
1. Der Zeuge Arie
Leon Rosenkranz wurde am 1.3., 3.3. und 6.3. vernommen. 1978 in der
Hauptverhandlung vernommen. Gleichzeitig mit dem Zeugen Rosenkranz wurde am
1.3.1978 auch der Zeuge Wigdor Siwek, auf dessen Aussage bereits eingegangen
wurde, vernommen.
Zu Beginn seiner
Vernehmung deutete der Zeuge Rosenkranz auf den noch im Zuhörerraum
sitzenden Angeklagten Olejak und erklärte, er glaube, dies sei der Olejak,
er sei sich aber nicht sicher. Er glaube, daß dies der Rapportführer des
Lagers Jaworzno sei. Weiter deutete der Zeuge auf die beiden
Ergänzungsschöffen Flörchinger und Zang, die ebenfalls als
Vergleichspersonen im Zuhörerraum saßen und erklärte, diese beiden seien ihm
aus Jaworzno her bekannt.
Zu den Bildtafeln Nr.
14 und 16 und den Bildern Nr. 17 und 18 des Bildbandes bekundete der Zeuge,
diese Bilder ähnelten dem Olejak. Auch die Bilder Nr. 13 und 14 des
Bildbandes (SS.Mann Wilhelm Reichel) erinnerten ihn an den Angeklagten
Olejak. Er sei sich aber weder bei der Person des Angeklagten Olejak noch
bei den vorn ihm genannten Bildern sicher.
Wann er den
Rapportführer zum erstenmal nach seiner Ankunft aus Lagischa gesehen habe,
wisse er nicht mehr genau. Richtig kennengelernt habe er ihn im November
1944. Er habe damals versucht, Lebensmittel von außerhalb in das Lager zu
schmuggeln. Er sei jedoch erwischt und dann von einem SS.Mann geschlagen
worden. Von anderen Häftlingen habe erfahren, daß
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der Mann, der ihn
geschlagen habe, der Rapportführer gewesen sei. Wegen der Folgen dieser
Schläge habe er einige Zeit im Krankenbau verbringen müssen.
Dieser Rapportführer,
den er meine, sei damals etwa 1,62 m groß, vielleicht auch etwas größer,
kräftig und etwa 24 - 27 Jahre alt gewesen. Er habe schwarze Haare gehabt
und es habe im Lager geheißen, er spreche auch polnisch. Daß dieser SS.Mann
in Jaworzno, außer ihm selbst noch andere Häftlinge geschlagen habe, habe er
nicht gesehen. Er habe ihn aber am Beginn des Evakuierungsmarsches gesehen,
nicht jedoch dabei, wie er wahrend des Marsches auf Häftlinge geschossen
habe.
Nach Vorhalt seiner
Aussage bei der Israel-Polizei vom 11.3. 1976, bei der der Zeuge erklärt
hatte, er sei einmal von Markewicz und noch einem SS.Mann am Lagertor
geschlagen worden, er als versucht habe, Kartoffeln in das Lager zu
schmuggeln und daß er deswegen in das Krankenhaus gekommen sei, erklärte der
Zeuge, er sei in Jaworzno zweimal zusammengeschlagen worden. Einmal sei ihm
von Mithäftlingen gesagt worden, der Täter sei der Markewicz gewesen, einmal
sei ihm gesagt worden, Täter sei der Rapportführer gewesen. Es könne sein,
daß ihm bei der Vernehmung durch die Polizei im Jahr 1976 der Vorfall mit
dem Rapportführer nicht eingefallen sei.
Auf einen weiteren
Vorhalt hin, daß er bei dieser Vernehmung gesagt habe, er habe den
Rapportführer im Lager auch andere Häftlinge schlagen und auf dem
Evakuierungsmarsch auf Häftlinge schießen sehen, erklärte der Zeuge, das sei
nicht richtig. Er habe weder das Schlagen von Häftlingen noch das Schießen
auf Häftlinge während des Evakuierungsmarsches durch diesen Rapportführer
selbst gesehen.
Auf den Vorhalt
schließlich, warum er bei der erwähnten Vernehmung im Jahr 1976 sich nicht
an den Rapportführer erinnert und diesen auch nicht auf Bildern
wiedererkannt habe,
- 310 -
erklärte der Zeuge
Rosenkranz, der Name Olejak sei ihm nach dieser Vernehmung wieder
eingefallen. Auf seiner Vorladung zur Hauptverhandlung sei der Name Olejak
gestanden. Da habe es in seinem Kopf zu arbeiten begonnen und er habe diesen
Namen mit einer bestimmten Person in Verbindung gebracht. Schon vor Erhalt
der Ladung zur Hauptverhandlung sei er einmal bei einem Traum aufgewacht und
da sei ihm der Name Olejak wieder eingefallen. Er habe zwischenzeitlich auch
mit ehemaligen Häftlingen des Lagers Jaworzno gesprochen, aber nicht sehr
oft.
Bei der Würdigung der
Aussage dieses Zeugen ist zu berücksichtigen, daß zwischen seinen Angaben
bei der Polizei im März 1976 und seinen Angaben in der Hauptverhandlung
erhebliche Differenzen bestehen und daß sich der Zeuge seiner Angaben zur
Person und zu den Bildern des Angeklagten selbst nicht sicher war.
Bei diesem Zeugen
kommt hinzu, daß er zusammen mit dem Zeugen Wigdor Siwek bei Beginn der
Hauptverhandlung am 1.3.1978 erschienen war. Dieser Zeuge war, wie bereits
ausgeführt, schon im Jahre 1943 nach Jaworzno gekommen und hatte deshalb die
Gelegenheit, den Angeklagten Olejak bis zum Frühjahr 1944 als Rapportführer
in Jaworzno kennenzulernen.
Der Zeuge Rosenkranz
hat dazu ausgesagt, er habe zusammen mit dem Zeugen Siwek im gleichen Hotel
gewohnt. Er habe aber mit ihm nicht über das Verfahren und beiden
Angeklagten gesprochen. Weiter hat der Zeuge bekundet, er sei nach Erreichen
des Gerichtsgebäudes zusammen mit dem Zeugen Siwek zunächst von einem
Justizbediensteten in ein Zimmer im Gerichtsgebäude geführt worden. Da es
ihnen in diesem Zimmer zu warm gewesen sei, seien er und Siwek aus dem
Zimmer auf den davor liegenden Flur gegangen. Nach kurzer Zeit seien sie
jedoch wieder in das Zimmer zurückgeschickt worden. Auf dem Gang seien in
dieser Zeit keine anderen Personen gewesen. In ähnlicher Weise
- 311 -
hat sich auch der
Zeuge Siwek geäußert.
Demgegenüber hat der
Justizwachtmeister Heinz Syndikus ausgesagt, er habe die beiden Zeugen zu
Beginn der Hauptverhandlung am 1.3.1978 in das Zeugenzimmer geführt und sei
dann kurz weggegangen. Als er wieder zurückgekommen sei, seien die beiden
Zeugen auf dem Gang vor dem Zeugenzimmer gewesen. Als Erklärung hatten sie
angegeben, in dem Zeugenzimmer sei ihnen die Luft zu schlecht gewesen. Er
habe die Zeugen gleich wieder zurückgeschickt. Während die Zeugen noch auf
dem Gang gewesen seien, seien die beiden Angeklagten in Begleitung von
Polizeibeamten auf diesen Flur gekommen. Für die Zeugen sei es möglich
gewesen, die Angeklagten und die in ihrer Begleitung befindlichen
Polizeibeamten zu sehen.
Die Kammer hält es
für sehr unwahrscheinlich, daß sich die beiden Zeugen während ihres
gemeinsamen Aufenthaltes im Hotel und im Zeugenzimmer vor Beginn ihrer
Vernehmung in der Hauptverhandlung nicht über das Verfahren und die
Angeklagten in diesem Verfahren unterhalten haben wollen. Die Kammer hält es
deshalb für möglich, daß der Zeuge Rosenkranz seine Kenntnisse über den
Angeklagten Olejak von dem Zeugen Siwek hat.
Im übrigen bestehen
zwischen den Aussagen des Zeugen Rosenkranz, wie schon erwähnt, in der
Hauptverhandlung und bei seiner polizeilichen Vernehmung im Jahr 1976 gerade
zur Person des Rapportführers erhebliche Widersprüche, obwohl diese
Vernehmungen nur 2 Jahre auseinander liegen. Eine überzeugende Erklärung
dafür, warum er sich im Jahre 1978 im Gegensatz zu 1976 an den Namen Olejak
erinnert und ihn auch auf Lichtbildern erkannt hat, hat der Zeuge nicht
gegeben.
Die Kammer sieht
deshalb die Aussage dieses Zeugen nicht als geeignet an, die Einlassung des
Angeklagten Olejak zu widerlegen
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2. Der Zeuge Joel Ryz
deutete zu Beginn seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung auf den
Angeklagten Olejak und erklärte, seiner Meinung nach sei dies der
Rapportführer des Lagers Jaworzno. Zuerst habe er in der Person eines
anderen Mannes (Ergänzungsschöffe Zang) den Rapportführer zu erkennen
geglaubt, da diese beiden Personen eine gewisse Ähnlichkeit hätten.
Der Rapportführer des
Lagers Jaworzno sei damals über 30 Jahre alt, etwas dick gewesen und habe
einen kleinen Bauch gehabt. Er sei Volksdeutscher gewesen und habe aus Polen
gestammt. Er habe ihn nur deutsch reden hören. Seiner Erinnerung nach sei er
Rottenführer gewesen mit einem Winkel auf dem Arm.
Bei Vorlage der
Bildtafeln sagte der Zeuge Ryz, die Bilder 14, 15 und 16 stellten den
Angeklagten Olejak dar. Das gleiche sagte der Zeuge von den Bildern 17, 18
und 19 des Bildbandes.
Weiter bekundete der
Zeuge, den Rapportführer des Lagers Jaworzno habe er gleich nach seiner
Ankunft im Lager Jaworzno kennengelernt. Er habe damals auf einer Baustelle
im Freien gearbeitet, wo es ihm nicht gefallen habe. Er sei deshalb etwa
einen Monat lang praktisch jeden Tag in das Büro des Arbeitsdienstes schräg
gegenüber des Blockes 1, wo er untergebracht gewesen sei, gegangen, um eine
Versetzung zu einem Grubenkommando zu erreichen. Im Büro des Arbeitsdienstes
habe er den betreffenden SS.Mann fast täglich gesehen und auch erfahren, daß
dies der Rapportführer Olejak sel.
Diesen Rapportführer
habe er auch auf dem Evakuierungsmarsch gesehen. In der letzten Nacht des
Marsches vor Erreichen des Lagers Blechhammer habe dieser hinter ihm
zahlreiche Häftlinge erschossen. Er habe damals, da es hell gewesen sei, die
Augen dieses SS.Mannes gesehen und er habe den Angeklagten Olejak auch heute
an seinen Augen wiedererkannt.
- 313 -
Nach Vorhalt seiner
polizeilichen Vernehmung vom 9.2.1970 (3, 201 ff.), in der er den
Rapportführer als groß, schwarz, korpulent und damals 42 - 45 Jahre alt mit
dem Namen Olejak oder Olejan beschrieben hatte, erklärte der Zeuge Ryz, für
ihn habe dieser Mann damals älter und größer und dicker ausgesehen.
Im weiteren Verlauf
seiner Vernehmung erklärte der Zeuge, als ihm der Angeklagte Olejak
gegenüber gestellt wurde, der Rapportführer in Jaworzno sei etwas dicker
gewesen, als Olejak jetzt sei, die Uniformen seien ja dick gewesen.
Die Kammer sieht die
Aussage dieses Zeugen, obwohl er den Angeklagten Olejak in Person und auch
auf Lichtbildern erkannt hat, nicht als geeignetes Beweismittel dafür an,
daß der Angeklagte Olejak wieder nach Jaworzno zurückgekehrt ist.
Zum einen trifft die
Beschreibung, die der Zeuge Ryz 1970 von dem. Rapportführer, an den er sich
damals erinnerte, gegeben hat, nicht auf den Angeklagten Olejak, sondern auf
den SS.Unterscharführer Otto Hablesreiter zu. Denn dieser und nicht der
Angeklagte Olejak war im Jahr 1944 groß und korpulent und 42 - 45 Jahre alt.
Damit steht auch in Einklang, daß der Zeuge Ryz, als ihm der Angeklagte
Olejak während der Vernehmung gegenübergestellt worden ist, erklärte, der
Rapportführer des Lagers Jaworzno sei damals etwas dicker gewesen als Olejak
heute sei. Dabei ist auch hier wieder darauf hinzuweisen, daß der Angeklagte
Olejak heute etwa 20 kg mehr wiegt als im Jahre 1944.
Auch die Umstände,
unter denen der damals 16 Jahre alte Zeuge Ryz nach seiner Aussage den
Rapportführer des Lagers Jaworzno kennengelernt hat, sprechen dafür, daß es
sich dabei nicht um Olejak sondern um Hablesreiter gehandelt hat. Der Zeuge
hat hierzu ausgesagt, er sei etwa einen Monat lang nach seiner Ankunft in
Jaworzno täglich in das Büro des Arbeitsdienstes
- 314 -
gegangen, um eine
andere Arbeitsstelle zu bekommen. Dort habe er den Rapportführer
kennengelernt.
Der Zeuge Ryz kam,
wie alle anderen Häftlinge aus dem Lager Lagischa, im September 1944 nach
Jaworzno. Da es die Kammer aus den dargelegten Gründen für erwiesen ansieht,
daß sich der Angeklagte Olejak bis zum 9.11.1944 in Blechhammer und nicht in
Jaworzno aufgehalten hat, kann der Zeuge Ryz in dem von ihm angegeben
Zeitraum den Angeklagten Olejak in Jaworzno nicht kennengelernt haben.
Zwar können die
Angaben von Zeugen über Daten bestimmter Ereignisse nach Ablauf von mehr als
30 Jahren und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die einfachen
Häftlinge im Konzentrationslager damals ohne Kalender leben mußten, keine
allzu großen Anforderungen gestellt werden. Darauf wurde zum Beispiel auch
schon bei den Ausführungen zu der Aussage der Zeugin Hassel über das Datum
ihrer Flucht hingewiesen.
Dieser Grundsatz gilt
hier aber nicht uneingeschränkt. Denn der Zeuge Ryz hat den Zeitraum des
Kennenlernens des Rapportführers des Lagers Jaworzno in unmittelbarem
Zusammenhang mit einem datumsmäßig in etwa festlegbaren Zeitpunkt, nämlich
seine Verlegung von Lagischa nach Jaworzno in Verbindung gebracht. Diese
Verlegung fand im September 1944 statt. Die Besuche des Zeugen Ryz in dem
Büro des Arbeitsdienstes fanden folglich noch im September und im Oktober
1944 statt. Selbst wenn dieser Zeitraum, in dem der Zeuge Ryz im Büro des
Arbeitsdienstes war, nicht nur 4 Wochen, sondern sogar 6 - 7 Wochen gedauert
hat, kann der Zeuge Ryz den Angeklagten Olejak unter den von ihm genannten
Umständen nicht kennengelernt haben.
Auch die Angaben des
Zeugen Ryz zu dem Evakuierungsmarsch in der letzten Nacht vor Erreichen des
Lagers Blechhammer erscheinen der Kammer nicht zuverlässig. Hierauf
- 315 -
wird bei der
Erörterung der dem Angeklagten Olejak zur Last liegenden Einzeltaten noch
eingegangen werden.
3. Der Zeuge Zbigniew
Tokarski, der in Polen wohnhaft ist, konnte zu der Person des Angeklagten
Olejak zu Beginn seiner Vernehmung keine Angaben machen. Zu Bild Nr. 17 der
Bildtafeln und Nr. 18 des Bildbandes erklärte der Zeuge, dieser Mann komme
ihm aus Jaworzno bekannt vor. Er sei sich aber nicht sicher.
Zur Person des
Rapportführers des Lagers Jaworzno erklärte der Zeuge, diese Funktion sei
von mehreren SS.Leuten gleichzeitig ausgeführt worden. Den Namen Olejak habe
er von Häftlingen im Lager Jaworzno gehört. Ihm sei auch der betreffende
SS.Mann von diesen Mithäftlingen gezeigt worden. Dieser sei wohlgestaltet,
ca. 1,74 m groß und über 30 Jahre alt gewesen.
Da eine Überprüfung
dieser dem Zeugen Tokarski von anderen Häftlingen gemachten Angaben über die
Person und den angeblichen Namen dieses SS.Mannes nicht möglich ist, kann
nicht festgestellt werden, ob mit diesem SS.Mann tatsächlich der Angeklagte
Olejak gemeint war. Hinzu kommt, daß die von dem Zeugen gegebene
Beschreibung sehr allgemein ist und bzgl. Alter und Größe nicht auf den
Angeklagten Olejak zutrifft.
4. Der Zeuge Zbigniew
Mroczkowski, der ebenfalls in Polen wohnhaft ist, deutete zu Beginn seiner
Vernehmung in der Hauptverhandlung auf den im Zuhörerraum sitzenden
Ergänzungsschöffen Flörchinger und erklärte, dies könne der Rapportführer
des Lagers sein. Dieser habe Olejak geheißen. Das habe er von Häftlingen aus
der Schreibstube erfahren. Von diesen habe er auch gehört, daß Olejak aus
Bielitz-Biala gestammt und polnisch gesprochen habe. Er habe auch erfahren,
daß Olejak nach Blechhammer versetzt worden sei. Diese Versetzung könne
während seines eigenen Aufenthaltes in Jaworzno stattgefunden haben. Er habe
auch von der im Dezember 1943 im Lager Jaworzno
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stattgefundenen
Hängeaktion gehört.
Zu den Bildern des
Angeklagten Olejak konnte der Zeuge keine Angaben machen. Nachdem die beiden
Angeklagten bereits auf der Anklagebank Platz genommen hatten, erklärte der
Zeuge auf eine entsprechende Frage, beide erinnerten ihn nicht an Personen,
die er damals im Lager Jaworzno gesehen habe.
Unter diesen
Umständen mißt die Kammer der Aussage dieses Zeugen keine besondere
Bedeutung bei.
5. Der Zeuge Barry
Lipsitz, der aus den USA angereist war, hat zu Beginn seiner Vernehmung in
der Hauptverhandlung auf den Verteidiger des Angeklagten Olejak,
Rechtsanwalt Stollberg, der zu diesem Zeitpunkt ohne Robe zusammen mit den
Ergänzungsschöffen und mehreren Justizangestellten als Vergleichspersonen im
Zuhörerraum des Sitzungssaales saß, und auf den Ergänzungsschöffen Zang
gedeutet und erklärt, die beiden Personen kamen ihm bekannt vor. Weiter
deutete er auch auf den Angeklagten Olejak und erklärte, das Gesicht dieses
Mannes sei ihm ebenfalls bekannt. Der Name Olejak klinge vertraut, er könne
ihn aber nicht unterbringen. An Namen von SS.Leuten aus Jaworzno könne er
sich nicht erinnern, auch bedeute ihm der Begriff Rapportführer nichts. Die
Tatsache, daß der Zeuge neben dem Angeklagten Olejak auch Rechtsanwalt
Stollberg und den Ergänzungsschöffen Zang als bekannt aus der Lagerzeit
beschrieben hat, beweist, daß der Zeuge bezüglich der Wiedererkennung nicht
als sehr zuverlässig angesehen werden kann. Ein besonderes Gewicht kann der
Aussage deshalb nicht beigemessen werden.
6. Der Zeuge Irvin
Balsam konnte zu der Person des Angeklagten Olejak zu Beginn seiner
Vernehmung keine Angaben machen. Im weiteren Verlauf, als der Angeklagte
schon auf der Anklagebank Platz
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genommen hatte,
erklärte er dann, der Angeklagte Olejak komme ihm irgendwie bekannt vor. Zu
den Bildern Nr. 14 und 15 der Bildtafel, die den Angeklagten Olejak
darstellen, erklärte der Zeuge, diese Bilder erinnerten ihn an den SS.Mann
Hans Olejak. Dieser sei schon in Jaworzno gewesen als er selbst aus Lagischa
dort hin gekommen sei. Unter den Häftlingen habe es geheißen, er stamme aus
der Ukraine. Er habe den Spitznamen „der dunkelhaarige Schießer“ gehabt.
Neben ihm habe es in Jaworzno auch noch einen SS.Mann mit dem Spitznamen
„roter Schießer“ gegeben.
Auch der Aussage
dieses Zeugen mißt die Kammer im Verhältnis zu dem unter E, F und G
erörterten Ergebnis der Beweisaufnahme keine besondere Bedeutung zu. Kein
anderer Zeuge hat bisher ausgesagt, der SS.Mann Olejak habe bei Häftlingen
den Spitznamen „schwarzer Schießer“ gehabt. Nach der Aussage des Zeugen
Balsam, deren Richtigkeit unterstellt, stammte dieser SS.Mann aus der
Ukraine und kann deshalb nicht der Angeklagte Olejak gewesen sein.
7. Der Zeuge Henry
Rosenblatt, der in den USA wohnhaft ist, hat zu Beginn seiner Vernehmung in
der Hauptverhandlung auf zwei Justizangestellte, die im Zuhörerraum als
Vergleichspersonen saßen, gedeutet und ausgesagt, der eine sehe aus wie
Olejak und der andere wie ein Wächter aus Jaworzno namens Pansegrau. Die
Namen der beiden Angeklagten habe er im Lager noch nicht gewußt, sondern
erst später bei Vernehmungen erfahren.
Olejak habe sein
Arbeitskommando jeden Tag zur Arbeit geführt. Er sei ein großer schlanker
Mann gewesen. Pansegrau sei nicht so groß, dafür aber schwerer als Olejak
gewesen. Am Ende seiner Vernehmung deutete der Zeuge Rosenblatt auf den
zwischenzeitlich auf der Anklagebank sitzenden Angeklagten Pansegrau und
erklärte, dieser ähnele dem Olejak, den er aus dem Lager Jaworzno in
Erinnerung habe.
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Daß die Kammer der
Aussage dieses Zeugen keine besondere Bedeutung beimessen kann, bedarf bei
deren Inhalt keiner weiteren Ausführungen.
8. Der Zeuge David
Burdowski, ebenfalls in den USA wohnhaft, deutete zu Beginn seiner
Vernehmung in der Hauptverhandlung auf den Angeklagten Pansegrau und
erklärte, dieser käme ihm aus Jaworzno bekannt vor. Weiter deutete er auf
einen Justizangestellten und meinte, dieser könne damals auch dabei gewesen
sein. Er habe auch Leute auf dem Evakuierungsmarsch erschossen.
Bei Vorlage der
Bildtafeln erklärte der Zeuge Burdowski zu den Bildern Nr. 14 und 15 (Bilder
des Angeklagten Olejak), diese Person erinnere ihn an das Lager Lagischa, an
das Lager Jaworzno und auch an den Evakuierungsmarsch.
Diese Person habe zum
Begleitkommando für die Kohlengrube gehört. Er habe jeden Tag auf dem Weg
zur Arbeit einen Häftling erschossen, an jüdischen Feiertagen sogar zwei.
Zu Lichtbild Nr. 10 (SS.Oberscharführer
Knoblich) meinte der Zeuge, der erinnere ihn auch an einen Mann, der auf dem
Evakuierungsmarsch dabei gewesen sei.
Auf Frage nach
weiteren Tötungshandlungen im Lager Jaworzno erklärte der Zeuge, er sei kurz
nach seiner Ankunft in Jaworzno selbst Zeuge der Erhängung von 28 Häftlingen
gewesen, die einen Fluchttunnel gegraben hätten.
Weiter bekundete der
Zeuge, der Name Olejak erinnere ihn an etwas, er meine, daß er dagewesen
sei.
Die Aussage dieses
Zeugen sieht die Kammer nicht als geeignet an, die Einlassung des
Angeklagten Olejak zu widerlegen. Dieser Zeuge, der die Hängeaktion, die im
Dezember 1943
- 319 -
stattgefunden hat,
selbst gesehen haben will, obwohl er erst im September 1944 nach Jaworzno
gekommen ist, verwechselt affensichtlich Ereignisse mit Personen, von denen
er nur gehört hat, mit solchen, die er tatsächlich gesehen und erlebt hat.
Seine Angaben zu den Lichtbildern und den Vergleichspersonen beweisen im
übrigen, daß seine Erinnerungen an die damalige Zeit nicht mehr sicher und
zuverlässig sind. So will er den SS.Mann Knoblich, der nie in Jaworzno
gewesen ist, auf dem Evakuierungsmarsch gesehen haben.
9. Der Zeuge Israel
Lior wurde, da er der Vorladung zur Hauptvorhandlung keine Folge geleistet
hat, im Wege der Rechtshilfe durch den zuständigen Richter beim Amtsgericht
in Tel Aviv vernommen. Dabei hat er ausgesagt, in Jaworzno habe es seiner
Erinnerung nach während der Dauer seines gesamten Aufenthaltes immer den
selben Rappartführer gegeben. Ob dieser auch bei dem Evakuierungsmarsch
dabei gewesen sei, könne er nicht mehr sagen.
Zu den Bildern Nr. 14
und 17 der Bildtafeln (Angeklagter Olejak) und Nr. 10 und 11 (SS.Oberscharführer
Knoblich) meinte der Zeuge, die betreffenden Personen seien ihm aus Jaworzno
bekannt.
Die Angaben dieses
Zeugen, der auch den SS.Mann Knoblich in Jaworzno gesehen haben will,
erscheinen der Kammer ebenfalls nicht geeignet, die Einlassung des
Angeklagten Olejak zu widerlegen.
10. Der Zeuge Jechiel
Liebermann wurde ebenfalls im Wege der Rechtshilfe durch den zuständigen
Richter beim Amtsgericht in Tel Aviv vernommen.
Dabei hat er
ausgesagt, der Rapportführer des Lagers Jaworzno habe Olenik oder Olejak
geheißen. Dieser SS.Mann sei schon in Jaworzno gewesen, als er selbst aus
Lagischa dort hin
- 320 -
gekommen sei. Bei
Beginn des Evakuierungsmarsches habe er ihn beim Verlassen des Lagers am Tor
stehen sehen.
Dieser Rapportführer
sei damals mittelgroß und nicht dick gewesen, sein Alter könne er nicht mehr
angeben.
Bei diesem Zeugen
fällt auf, daß er bei seiner polizeilichen Vernehmung am 24.4.1975, die ihm
vorgehalten worden ist, den Rapportführer als großen, starken und kräftigen
Mann beschrieben hat. Demgegenüber hat er in einer noch früheren Vernehmung
am 26.8.1970, die ihm ebenfalls vorgehalten wurde, bekundet, er habe an das
Aussehen des Rapportführers keine Erinnerung mehr.
- 321 -
IV. Außer den
jüdischen Häftlingen aus Ungarn und den Häftlingen aus dem aufgelösten Lager
in Lagischa kamen im Sommer 1944, wie erwähnt, auch nach andere Häftlinge in
das Lager Jaworzno. Zu diesen Häftlingen gehörten die Zeugen Mietek
Zurkowski und Mark Puszyk.
Der Zeuge Zurkowski,
der in Kanada wahnhaft ist, deutete zu Beginn seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung auf einen im Zuhörerraum sitzenden Justizangestellten und
erklärte, dieser Herr komme ihm aus dem Lager bekannt vor.
Den Namen Olejak habe
er im Lager gehört. Der Vorname sei Stefan gewesen. Von den SS.Leuten und
den Härtlingen sei dieser Mann Stefan oder „Ole“ genannt worden. Manchmal
seien auch beide Namen, nämlich Stefan Ole gebraucht worden.
Als er die Vorladung
zur Hauptverhandlung mit den Namen Olejak und Pansegrau erhalten habe, habe
er sich daran erinnert, daß es im Lager. 2 SS.Leute mit den Namen Ole und
Panzer gegeben habe und er habe vermutet, daß dies die beiden Angeklagten
seien. Warum er die Namen Ole und Panzer bei der Vernehmung vor dem
Generalkonsulat in Toronto nicht genannt habe, könne er nicht sagen. Ole und
Panzer seien auch dabei gewesen, als der Evakuierungsmarsch begonnen habe.
Während des Marsches habe er auch gesehen, daß Ole einen ihm bekannten
Häftling erschossen habe.
Nach Jaworzno sei er
Anfang August 1944 gekommen.
Zur Aussage dieses
Zeugen ist zu bemerken, daß der von ihm genannte Name „Ole“ noch von keinem
anderen Zeugen in diesem Verfahren erwähnt worden ist. Desweiteren fällt bei
diesem Zeugen auf, daß er diese Namen bei seiner Vernehmung vor dem
Generalkonsulat in Toronto am 2.9.1975, die ihm mehrfach vorgehalten wurde,
nicht genannt hat. Schließlich hat der Zeuge ausgesagt,
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er habe genau
gesehen, daß der von ihm als Ole bezeichnete SS. Mann auf dem
Evakuierungsmarsch einen Mithäftling erschossen habe. Im Gegensatz hierzu
hat der Zeuge Zurkowski bei der bereits erwähnten Vernehmung vor dem
Generalkonsulat ausgesagt, während des Evakuierungsmarsches seien nur nachts
Häftlinge erschossen worden und wegen der Dunkelheit habe er die Schützen
nicht er kennen können.
Unter diesen
Umständen mißt die Kammer der Aussagen des Zeugen Zurkowski keine besondere
Bedeutung bei.
Hinsichtlich des
Zeugen Mark Puszyk ist zu bemerken, daß wegen seines angegriffenen
Gesundheitszustandes weder eine Vernehmung in der Hauptverhandlung noch im
Wege der Rechtshilfe möglich war. Deshalb wurde die Niederschrift über die
polizeiliche Vernehmung vom 29.3.1976 (22, 161) in der Hauptverhandlung
verlesen.
Bei dieser
polizeilichen Vernehmung hat der Zeuge Puszyk ausgesagt, er sei im August
1944 von Birkenau nach Jaworzno verlegt worden. Von den SS.Leuten des Lagers
Jaworzno könne er sich noch an den Rapportführer erinnern, der ein junger,
mittelgroßer, dunkelblonder Mann gewesen sei. Er sei schon in Jaworzno
gewesen, als er selbst im August 1944 hingekommen sei. Er könne sich noch
genau erinnern, daß er ihn und die mit ihm ankommenden Häftlinge empfangen
habe. Er habe nur diesen Mann als Rapportführer in Erinnerung und meine, daß
er bis zum Schluß dagewesen sei. Nach Durchsicht der Lichtbildmappe erklärte
der Zeuge, die Bilder 18 und 19 stellten diesen Rapportführer dar, er sei
sich sicher. Zur Frage, ob dieser Rapportführer am Evakuierungsmarsch
teilgenommen habe, könne er keine Angaben machen.
Der Aussage dieses
Zeugen, der erst im August 1944 nach Jaworzno gekommen ist und auf
entsprechenden Lichtbildern den Angeklagten Olejak als Rapportführer des
Lagers Jaworzno erkannt haben will,
- 323 -
stellt ein gewisses
Indiz für eine Anwesenheit des Angeklagten Olejak Ende des Jahres 1944 dar.
Gegen die Zuverlässigkeit der Aussagen des Zeugen Puszyk spricht jedoch die
Tatsache, daß dieser Rapportführer schon im August 1944 in Jaworzno gewesen
sein soll, was auf den Angeklagten Olejak nicht zutreffen kann.
V. Die übrigen
Zeugen, die als Häftlinge oder als SS.Leute im Lager Jaworzno gewesen sind,
konnten zu der Frage, wer Ende 1944 Rapportführer in Jaworzno gewesen ist
und ob der Angeklagte Olejak im November 1944 nach Jaworzno zurückgekehrt
ist und am Evakuierungsmarsch teilgenommen hat, keine verwertbaren Angaben
machen.
VI. Aufgrund des
gesamten, vorstehend unter D, E, F und G I bis V erörterten Ergebnisses der
Hauptverhandlung ist die Kammer von der Richtigkeit der Einlassung des
Angeklagten Olejak über seine Einsätze als Rapportführer im Lager Jaworzno
von Juni 1943 bis Frühjahr 1944, als Rapportführer im Lager Blechhammer von
Frühjahr 1944 bis zum 9.11.1944 und als Lagerführer im Lager Czechowitz vom
9. bzw. 10.11.1944 bis zum 18.1.1945 überzeugt. Die Kammer geht weiter davon
aus, daß ab November 1944 der SS.Unterscharführer Erich Grauel Rapportführer
im Lager Jaworzno war. Dabei war sich die Kammer bewußt, daß es für die
richterliche Überzeugung genügt, wenn ein nach der Lebenserfahrung
ausreichendes Maß an Sicherheit besteht, demgegenüber vernünftige Zweifel
nicht mehr laut werden können (vgl. Kleinknecht, StPO, 34. Auflage,
Randziffer 2 zu § 261 StPO; BGH, Urteile vom 21.6.1978, 2 StR 46/78 und vom
31.10.1978,1 StR 484/78).
- 324 -
In diesem
Zusammenhang sei nochmals daraufhingewiesen, daß die Einlassung des
Angeklagten Olejak über seinen Aufenthalt im Lager Blechhammer und dessen
Dauer, die er schon im Jahre 1971 mit November 1944 angegeben hat, durch
zahlreiche Dokumente aus dem Jahre 1944 - hier sei insbesondere auf den
Kommandanturbefehl Nr. 11/44 vom 11.11.1944 der Kommandantur des K.L.
Auschwitz III hingewiesen (Seite 152) - und die verlesenen Augsagen des
Zeugen Czapla, insbesondere aus dem Jahre 1947 (vgl. Seite 153 - 158)
bestätigt worden ist.
Weiter ist hier
nochmals das aus dem Jahre 1949 stammende Buch „Rückkehr unerwünscht“ des
Zeugen Dr. Milos Novy zu erwähnen, das die Kammer in Verbindung mit der
Aussage der Zeugin Maria Wilk als eines der wichtigsten Beweismittel in
diesem Verfahren ansieht. Auf den Inhalt dieses Buches und der Aussage der
Zeugin Wilk ergibt sich nach Meinung der Kammer eindeutig, daß der
Unterscharführer Erich Grauel ab November 1944 als Rapportführer in Jaworzno
war und auch den Evakuierungsmarsch mitgemacht hat. Es wurde bereits
ausgeführt, daß es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in Jaworzno immer
nur einen Rapportführer gegeben hat. Wenn also Grauel im November 1944 als
Rapportführer in Jaworzno war, so bedeutet dies, daß der Angeklagte Olejak
zu dieser Zeit nicht Rapportführer in Jaworzno gewesen sein kann.
Schließlich ist nochmals darauf hinzuweisen, daß aufgrund des gesamten
Ergebnisses der Beweisaufnahme zum Lager Czechowitz feststeht, daß der
Oberscharführer Knoblich im November 1944, also genau zu der Zeit, in der
Olejak aus Bleckhammer versetzt worden ist, als Lagerführer in Czechowitz
von einem Unterscharführer abgelöst worden ist und daß sich die
Schilderungen, die der Angeklagte Olejak im Ermittlungsverfahren und in der
Hauptverhandlung zum Lager Czechowitz und zur Evakuierung gegeben hat, im
wesentlichen als richtig erwiesen haben. Im übrigen hat die Hauptverhandlung
konkrete Anhaltspunkte dafür, wer außer dem Angeklagten Olejak der 2.
Lagerführer in Czechowitz gewesen sein könnte, nicht ergeben.
- 325 -
Die Kammer hält es
auch für erforderlich, hier nochmals auf die im einzelnen bereits erörterten
zahlreichen Widersprüche und Unrichtigkeiten in den verschiedenen Aussagen
der Zeugen hinzuweisen, die erstmals längere Zeit nach Kriegsende zu den
einzelnen Lagern und den dort eingesetzten SS.Leuten vernommen oder befragt
worden sind.
Das Gericht verkennt
dabei nicht die Bedeutung der Aussagen der Zeugen zur Person und zu den
Lichtbildern des Angeklagten Olejak, die erst im Juni 1944 (Ungarn-Zeugen)
oder im September 1944 (Lagischa-Zeugen) nach Jaworzno gekommen sind und die
nach den Feststellungen der Kammer den Angeklagten Olejak gar nicht kennen
können.
Bei der Würdigung
dieser Zeugenaussagen - ebenso auch bei den Aussagen aller anderen Zeugen -
ist jedoch zu bedenken, daß die Beweisaufnahme ergeben hat, daß es sowohl
noch in der Lagerzeit und der unmittelbaren Nachkriegszeit als auch im
Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu zahlreichen, im einzelnen heute nicht
mehr nachprüfbaren Kontakten und Gesprächen und damit zu einem Austausch von
Informationen über Ereignisse und Personen gekommen ist, durch die die
Erinnerung der Zeugen - bewußt oder unbewußt - beeinflußt worden sind oder
zumindest beeinflußt worden sein können.
Die Gespräche des
Zeugen Smigielski zum Beispiel mit dem Zeugen Zejer kurze Zeit vor der
Vernehmung des Zeugen Smigielski in der Hauptverhandlung und ihre Bedeutung
für die Aussage des Zeugen Smigielski hinsichtlich der Anwesenheit des
Angeklagten Olejak wurde bereits dargelegt.
In diesem
Zusammenhang ist noch auf die Aussagen der in Israel wohnhaften Zeugen Jonah
Schwarz und Josef Sieradzki hinzuweisen.
Der Zeuge Schwarz
hat, wie bereits ausgeführt (vgl. Seite 300) ausgesagt, er wisse, daß sich
das hiesige Verfahren gegen den Rapportführer des Lagers Jaworzno und den
SS.Mann mit dem Spitznamen
- 326 -
Mietliczka richte. Es
wurde bereits dargelegt, daß die Erklärung des Zeugen Schwarz, die er für
diese Kenntnis angegeben hat, nicht richtig sind. Die Kammer geht deshalb
davon aus, daß der Zeuge Schwarz von dritter Seite erfahren hat, daß einer
der beiden Angeklagten Rapportführer in Jaworzno gewesen ist und der andere
den Spitznamen Mietliczka gehabt haben soll.
Der Zeuge Josef
Sieradzki, auf dessen Aussage im Anklagepunkt II 1 noch naher eingegangen
wird, hatte bei seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren, die ihm bei
seiner Aussage in der Hauptverhandlung wiederholt vorgehalten worden ist,
ausgesagt, von den SS.Leuten aus Jaworzno erinnere er sich noch an einen mit
Spitznamen Mietliczka und, wenn auch dunkel, an den Rapportführer des Lagers
Jaworzno. Die Namen der Angeklagten waren dem Zeugen nach dem Inhalt der
Vernehmungsniederschrift damals nicht bekannt.
Zu Beginn seiner
Vernehmung in der Hauptverhandlung erklärte der Zeuge, er habe
zwischenzeitlich, um sich besser erinnern zu können, mit ehemaligen
Mithäftlingen gesprochen. Bei einem dieser Gespräche habe er van dem
ehemaligen Mithäftling Szabtei Leszczinsky erfahren, daß der richtige Name
von Mietliczka Olejak gewesen sei. Von ihm habe er auch erfahren, daß der
Rapportführer des Lagers Jaworzno Pansegrau geheißen habe.
Der Zeuge Szabtei
Leszczinsky, mit dem Josef Sieradzki damals gesprochen hat, konnte wegen
seines schlechten Gesundheitszustandes weder in der Hauptverhandlung noch im
Wege der Rechtshilfe vernommen werden. Deshalb wurde seine Aussage vom 19.3.
1976, die er in Anwesenheit vom Ersten Staatsanwalt Gandorfer bei der
Israel-Polizei gemacht hat, in der Hauptverhandlung verlesen. Aus der
Niederschrift über diese Vernehmung ergibt sich, daß sich der Zeuge
Leszczinsky damals weder an den Namen Olejak noch an den Namen Pansegrau
erinnert hat. Auch dieser Zeuge muß daher nach Auffassung der Kammer, bevor
er mit Josef Sieradzki gesprochen hat, seinerseits wieder mit anderen Leuten
- 327 -
gesprochen haben und
dabei das, was er an Sieradzki weitergegeben hat, erfahren haben.
Die Kammer hält es
auch für möglich und sogar wahrscheinlich, daß bei solchen Gesprächen
zwischen ehemaligen Haftungen auch darüber gesprochen wurde, welche Nummern
bestimmte Bilder, insbesondere die der Angeklagten, im Bildband, der sowohl
im Ermittlungsverfahren als auch in der Hauptverhandlung mit den gleichen
Nummern verwendet worden ist, haben. Die Kammer hält es weiter für möglich,
daß sich Zeugen bei Vorlage des Bildbandes, auch schon im
Ermittlungsverfahren, in erster Linie an den Nummern der Bilder und nicht an
dem Aussehen der dort abgebildeten SS.Leuten orientiert haben. Bei Darlegung
der Aussage des Zeugen Gerschon Sieradzki wurde schon darauf hingewiesen,
daß dieser bei der zuerst erfolgten Vorlage der Bildtafeln die den
Angeklagten Olejak darstellenden Bilder nicht erkannt hat, während er bei
der Vorlage des Bildbandes die gleichen Bilder des Angeklagten sofort und
ohne Schwierigkeiten herausgesucht hat.
In diesem
Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß der Zeuge Edelsberg bei seiner
Vernehmung in der Hauptverhandlung bekundet hat, er habe die Bildmappe, die
im Ermittlungsverfahren verwendet worden ist, mit einem Namensverzeichnis in
Händen gehabt. Er habe auch einigen Zeugen, die unmittelbar vor ihrer
Abreise zur Vernehmung in der Hauptverhandlung auf seiner Dienststelle
gewesen seien, auf deren Wunsch diese Bildmappe, allerdings ohne
Namensliste, vorgelegt.
Aus der bereits
erwähnten und in der Hauptverhandlung verlesenen Aussage des Zeugen
Edelsberg vor der Staatsanwaltschaft Würzburg vom 4.8.1978 ergibt sich
weiter, daß Edelsberg zumindest dem Zeugen Unikowski unmittelbar vor seiner
Vernehmung in der Hauptverhandlung den Bildtand vorgelegt hat, ohne daß der
Zeuge dies gewünscht hat und daß er mit dem Zeugen auch über die Bilder
gesprochen hat.
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In dieser
Niederschrift vom 4.8.1978 heißt es hierzu wörtlich:
„...Ich erinnere
mich, daß - es könnte im Januar gewesen sein - der Zeuge Unikowski in mein
Büro kam und ich mit ihm die Formalitäten der Reise besprochen habe. Bei
dieser Gelegenheit habe ich dem Zeugen Unikowski die Lichtbilder vorgelegt
und ihn gefragt, ob er jemand darauf erkenne. Der Zeuge verneinte dies. Ich
möchte dazu sagen, daß der Zeuge sich längere Zeit mit den Lichtbildern
beschäftigte und sich nach meiner Auffassung Mühe gab. ....“
Die Kammer hält es
durchaus für möglich, daß der Zeuge Edelsberg auch bei anderen Zeugen in
dieser oder einer ähnlichen Weise verfahren ist.
In diesem
Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Zeuge Derschowitz, der nach dem
Ausscheiden von Edelsberg aus dem Polizeidienst bei der Israel-Polizei für
das hiesige Verfahren zuständig geworden ist, in der Hauptverhandlung
bekundet hat, nach den für die israelische Polizei geltenden Vorschriften
sei ein solches Verfahren zulässig.
Unter diesen
geschilderten Umständen hält es die Kammer für möglich, daß auch solche
Zeugen, die erst nach Frühjahr 1944 in das Lager Jaworzno gekommen sind und
deshalb den Angeklagten Olejak nicht kennen können, trotzdem in der Lage
waren, den Angeklagten Olejak in Person oder auf Bildern zu erkennen. Dabei
ist noch darauf hinzuweisen, daß fast alle Ungarn- und Lagischa-Zeugen, die
zur Person und den Bildern des Angeklagten Olejak Aussagen gemacht haben, in
Israel wohnhaft sind.
- 329 -
Die Kammer hat daher
mit Beschluß vom 14.8.1980 die noch nicht erledigten Beweisanträge der
Verteidiger der beiden Angeklagten, durch die die Richtigkeit der Einlassung
des Angeklagten Olejak über die Dauer seines Aufenthaltes in den Lagern
Jaworzno, Blechhammer und Czechowitz bewiesen werden sollte, mit der
Begründung abgelehnt, daß die Behauptungen, die zur Entlastung der
Angeklagten bewiesen werden sollen, so behandelt werden können, als wären
sie wahr.
Im einzelnen handelt
es sich um 15 ehemalige Häftlinge des Lagers Blechhammer, die bekunden
sollten, der Angeklagte Olejak sei bis November 1944 in Blechhammer gewesen.
weiter wurde mit diesem Beschluß die beantragte Vernehmung von insgesamt 31
ehemaligen Häftlingen des Lagers Jaworzno abgelehnt, die zum Beweis dafür
benannt waren, daß der Angeklagte Olejak nach seiner Versetzung aus Jaworzno
im Frühjahr 1944 nicht mehr dorthin zurück gekehrt ist. Schließlich wurden
mit diesem Beschluß auch die beantragte Vernehmung von insgesamt 4
ehemaligen Häftlingen des Lagers Czechowitz abgelehnt, die bekunden sollten,
Olejak sei der 2. Lagerführer in diesem Lager gewesen.
Mit der gleichen
Begründung wurde ein nach Erlaß des Beschlusses vom 14,8.1980 gestellter
Antrag der Verteidiger des Angeklagten Olejak, insgesamt 17 ehemalige
Häftlinge des Lagers Czechowitz zu vernehmen, die ebenfalls bekunden
sollten, Olejak sei der 2. Lagerführer in diesem Lager gewesen, mit Beschluß
vom 13.10. 1980 abgelehnt. Diese Zeugen sind von der Staatsanwaltschaft
Lübeck in dem bereits erwähnten Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen
Friedrich Repke als ehemalige Häftlinge des Lagers Czechowitz ermittelt und
mit ihrer jeweiligen Anschrift dem Gericht mitgeteilt worden.
Die
Staatsanwaltschaft hat auch nach Kenntnis dieser Beschlüsse und trotz
mehrmaliger ausdrücklicher Hinweise durch den Vorsitzenden keinen dieser
Zeugen und auch keine anderen Beweismittel für die Richtigkeit ihrer
Behauptung, Olejak sei nicht in Czechowitz gewesen, sondern im Herbst 1944
von Blechhammer aus nach Jaworzno zurückgekehrt, benannt.
- 330 -
H) Die dem
Angeklagten Olejak im einzelnen zur Last liegenden Straftaten:
Dem Angeklagten
Olejak lagen, wie bereits erwähnt in der Anklageschrift und dem
Eröffnungsbeschluß insgesamt 32 Verbrechen des Mordes zur Last, von denen er
6 im Lager Jaworzno und 26 während der Evakuierung des Lagers Jaworzno im
Januar 1945 begangen haben soll. Nach Abschluß der Beweisaufnahme hielt die
Staatsanwaltschaft den Angeklagten Olejak noch hinsichtlich 9 Verbrechen des
Mordes für überführt und zwar hinsichtlich eines Falles im Lager und 8 Fälle
wahrend des Evakuierungsmarsches. Hinsichtlich der übrigen Fälle hat die
Staatsanwaltschaft, ohne Angabe von Gründen, Freispruch beantragt.
Der Angeklagte Olejak
hat sich von Anfang an dahingehend eingelassen, er habe während seiner
Einsätze in den verschiedenen Konzentrationslagern in der Zeit von 1940 bis
1945 nie einen Häftling getötet. Weder habe er einen Häftling erschossen
noch so schwer geschlagen oder sonst mißhandelt, daß der Häftling an den
Folgen dieser Schläge gestorben sei oder habe sterben können. Wenn er einen
Häftling, insbesondere im Rahmen von Kontrollen am Lagertor, bei einem
Verstoß gegen die Lagerordnung erwischt habe, so habe er dem betreffenden
Häftling allenfalls eine Ohrfeige gegeben. In solchen Fällen habe er auch
nie eine Meldung gewacht. Für die Tötung von Häftlingen in der Zeit nach
Frühjahr 1944 und auf dem Evakuierungsmarsch von Jaworzno nach Blechhammer
komm er schon deswegen als Täter nicht in Betracht, da er daran gar nicht
teilgenommen habe.
- 331 -
Da die Kammer, wie
vorstehend erörtert, davon ausgeht, daß sich der Angeklagte Olejak nur von
Juni 1943 bis Frühjahr 1944 als Rapportführer im Lager Jaworzno aufgehalten
und die Evakuierung dieses Lagers nicht mitgemacht hat, kommt er von
vorneherein nur für solche Fälle der Tötung eines Häftlings als Täter in
Betracht, die sich in der Zeit von Juni 1943 bis Frühjahr 1944 ereignet
haben. Inabesondere für die Erschießung von Häftlingen auf dem
Evakuierungsmarsch zwischen Jaworzno und Blechhammer, die wie ausgeführt,
sehr zahlreich erfolgt sind, scheidet der Angeklagte Olejak als Täter aus,
da er diesen Evakuierungsmarsch nicht mitgemacht hat.
I.
1. Fall I 1 der
Anklage (Erschießung eines Häftlings vom Arbeitskommando Rudolfsgrube -
Nachtschicht - Anfang 1944):
In diesem Fall der
Anklage soll der Angeklagte Olejak Anfang 1944 bei einer Kontrolle eines
Häftlingskommandos, das nach der Arbeit während der Nachtschicht in der
Rudolfsgrube in das Lager zurückgekehrt ist, am Lagertor einen jungen
jüdischen Häftling erschossen haben.
- 332 -
Als direkte Tatzeugen
waren in der Anklageschrift in diesem Fall die Zeugen
Motek Weltfreid,
Ahron Ojzerowicz,
Abraham Kowalski,
Eljahu Tenzer,
Lipa Dinur und
Aron Pernat
angegeben. Diese
Zeugen, die alle in Israel wohnhaft sind, wurden im Laufe des Verfahrens in
der Hauptverhandlung oder im Wege der Rechtshilfe durch den zuständigen
Richter beim Amtsgericht in Tel Aviv vernommen.
Im Verlauf der
Hauptverhandlung wurden von der Staatsanwaltschaft noch die Zeugen Schlomo
Szulc, wohnhaft in Mailand, und Jacov Fried, wohnhaft in Israel, als direkte
Tatzeugen benannt. Der Zeuge Szulc wurde ebenfalls in der Hauptverhandlung
vernommen. Der Zeuge Fried konnte wegen seines schlechten
Gesundheitszustandes weder in der Hauptverhandlung noch im Wege der
Rechtshilfe vernommen werden. Da der Zeuge Fried im Rahmen des
Ermittlungsverfahrens nicht vernommen worden ist, liegt von ihm auch keine
andere Vernehmungsniederschrift vor.
Da in diesem Fall der
Anklage der Zeitpunkt und das angeblich von dem Angeklagten Olejak getötete
Opfer als Mitglied des Kommandos Rudolfsgrube/Nachtschicht sehr genau
präzisiert waren, hat sich die Kammer bemüht, alle ehemaligen Häftlinge, von
denen aufgrund ihrer Aussagen im Ermittlungsverfahren davon auszugehen war,
daß sie zu dem genannten Zeitpunkt diesem Kommando angehört haben, als
Zeugen zu vernehmen. Auf diese Weise wurden insgesamt 10 Zeugen, zum größten
Teil in der Hauptverhandlung, vernommen. Im einzelnen handelte es sich dabei
um die Zeugen
Arie Leib Jakubtschak,
Leo Neuhaus,
Henry Gage,
Berik Beni Kutnowski,
- 333 -
Gerschon Sieradzki,
Simon Seidmann,
Schlomo Szulc,
Henrik Gutmacher,
Schama Zlot und
Jaacov Herschkowicz.
2. Aufgrund des
Ergebnisses der Beweisaufnahme hat sich zu dem Kommando Rudolfsgrube/Nachtschicht
folgender Sachverhalt ergeben: Die sogenannte Rudolfsgrube, eine
Kohlengrube, lag, vom Lager Jaworzno aus gesehen, am gegenüberliegenden Ende
der Stadt Jaworzno und war vom Lager mehrere Kilometer entfernt. Den Weg
zwischen Lager und Grube, der durch die Stadt Jaworzno führte, mußten die
Häftlinge größtenteils zu Fuß zurücklegen. Gelegentlich wurden sie auch mit
offen LKW's oder, vor allem am Schluß der Lagerzeit, einen Teil des Weges
mit Güterwaggons transportiert.
Wenn die Häftlinge
den Weg zu Fuß zurücklegen mußten, waren sie, insbesondere bei Dunkelheit,
oft in der bereits geschilderten Art und Weise an eine Drahtstange
gefesselt.
Die in der
Rudolfsgrube eingesetzten Häftlinge arbeiteten in 3 Schichten, wobei es im
Gegensatz zur Dachsgrube in der Rudolfsgrube keinen regelmäßigen
Schichtwechsel gegeben hat. Jeder Häftling, der zum Beispiel der
Nachtschicht zugeteilt war, gehörte in der Folgezeit zumindest längere Zeit,
oft auch während seines gesamten Aufenthaltes im Lager Jaworzno dieser
Schicht an.
Ebenso wie die
anderen in den Kohlengruben eingesetzten Kommandos wurde auch das Kommando
Rudolfsgrube/Nachtschicht beim Aus- und Einmarschieren aus dem Lager
kontrolliert und teilweise durchsucht. Mit welchen Strafen ein Häftling, bei
- 334 -
dem verbotene
Gegenstände gefunden wurden, belegt wurde, wurde bereits erörtert.
Diese Feststellungen
beruhen auf den insoweit praktisch übereinstimmenden Aussagen der oben
aufgeführten Zeugen, die dem Kommando angehört haben.
Was die
durchschnittliche Stärke des Kommandos Rudolfsgrube/ Nachtschicht betrifft,
so geht die Kammer davon aus, daß ihm durchschnittlich zwischen 100 und 150
Häftlinge angehört haben.
In diesem Punkt
stimmen die Aussage der vernommenen Zeugen nicht vollständig überein.
Während der Zeuge Weltfreid meinte, dem Kommando hätten durchschnittlich nur
50 - 60 Häftlinge angehört, nannte der Zeuge Kutnowski eine Zahl von 400 -
500 Häftlingen. Die meisten der dem Kommando Rudolfsgrube/Nachtschicht
angehörenden Häftlinge haben jedoch eine Zahl zwischen 100 und 150 genannt.
Die Zeugen Gerschon Sieradzki und Abraham Kowalski sprachen von 100
Häftlingen, der Zeuge Ojzerowicz von 100 - 120 Häftlingen und die Zeugen
Jakubtschak, Seidmann und Zlot von 120 Häftlingen. Auch der Zeuge Dr. Novy
spricht in seinem schon mehrfach erwähnten Buch aus dem Jahre 1949 davon,
daß einer Schicht in der Rudolfsgrube etwa 140 Häftlinge angehört haben.
3. Aufgrund des
gesamten Ergebnisses der Hauptverhandlung sieht es die Kammer nicht als
erwiesen an, daß im Frühjahr 1944 ein Häftling, der dem Kommando
Rudolfsgrube/Nachtschicht angehört hat, im Bereich des Lagertores im Rahmen
einer Kontrolle erschossen worden ist.
Die Kammer verkennt
dabei nicht, daß der Angeklagte Olejak durch die Aussagen der Zeugen
Weltfreid, Ojzerowicz, Tenzer und Kowalski belastet wird. Jedoch ergeben
sich schon aus den verschiedenen Aussagen dieser Zeugen zu der Person des
- 335 -
angeblichen Täter und
zu dem angeblichen Tatablauf selbst erhebliche Zweifel an der
Zuverlässigkeit der Erinnerungsfähigkeit dieser Zeugen. Zum anderen läßt
auch das übrige Ergebnis der Beweisaufnahme die Aussagen dieser Zeugen nicht
als so zuverlässig und glaubhaft erscheinen, um hierauf eine Verurteilung
des Angeklagten Olejak stützen zu können.
3.1. Die Aussage des
Zeugen Weltfreid zur Person des Angeklagten Olejak und zu der Frage, wie
lange dieser als Rapportführer in Jaworzno war, wurde bereits unter G I 11
(Seite 262 - 263) dargelegt. Dabei wurde auch darauf hingewiesen, daß die
Angaben des Zeugen, Olejak sei ab Anfang 1944 als 2. Rapportführer nach
Jaworzno gekommen und in der Folgezeit immer als Rapportführer in Jaworzno
geblieben und habe auch den Evakuierungsmarsch mitgemacht, objektiv nicht
richtig sind.
Zu der dem
Angeklagten Olejak zur Last liegenden Tat selbst hat der Zeuge ausgesagt,
diese habe sich in der Zeit zwischen März und Mai 1944 ereignet. Die am
Morgen von der Nachtschicht zurückkehrende Kolonne habe schon das Lagertor
passiert gehabt, wobei er sich selbst in der letzten Reihe der Kolonne
befunden habe. Ein Häftling, der in der Reihe vor ihm, also in der
vorletzten Reihe gewesen sei, habe sich gebückt, um seine Schuhe zu binden.
Dies habe er gekonnt, da die Fesselung nach dem Passieren des Lagertores
entfernt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei der Rapportführer Olejak
gekommen und habe dem Häftling mit der Faust in Gesicht geschlagen und ihm
anschließend mehrere Fußtritte versetzt. Durch diese Mißhandlung sei der
Häftling ganz zu Boden gefallen. Der Häftling habe den Rapportführer
gefragt, warum er geschlagen werde. Plötzlich habe der Rapportführer eine
Waffe in der Hand gehabt, wahrscheinlich eine Pistole und habe ein oder
zweimal von vorne auf den Häftling geschossen. Dieser sei in die Brust
getroffen worden und zusammengebrochen.
- 336 -
Als er von dem einen
Schuß oder den beiden Schüssen getroffen worden sei, sei er nicht mehr ganz
aufrecht gestanden, er habe schon eine Hand am Boden gehabt. Er selbst sei
von dem Häftling nur ein bis eineinhalb Meter entfernt gewesen. Bei dem
betreffenden Häftling habe es sich um einen 24 - 25 Jahre alten Juden aus
Lodz gehandelt, dessen Name die Silbe „stein“ enthalten habe. Wahrscheinlich
habe er Pichelstein oder Kieselstein geheißen. Der Häftling sei dann von
Kapos auf einer Tragbahre in den HKB gebracht worden. Er habe diesen
Häftling nie mehr im Lager gesehen. Nachdem der Häftling weggebracht worden
sei, seien auch die übrigen Mitglieder des Kommandos in den Block entlassen
worden.
3.2. Die Aussage des
Zeugen Ojzerowicz zur Person des Angeklagten Olejak wurde unter G I 16
(Seite 270) bereits erörtert. So weit der Zeuge Ojzerowicz meint, Olejak sei
immer Rapportführer in Jaworzno gewesen und habe auch den Evakuierungsmarsch
mitgemacht, ist die Aussage des Zeugen objektiv nicht richtig.
Zu der dem
Angeklagten Olejak zur Last liegenden Tat selbst hat der Zeuge ausgesagt,
diese habe sich im März oder April 1944, jedenfalls zum Frühjahr 1944 hin,
ereignet. Die am Morgen von der Nachtschicht zurückkehrende Kolonne habe das
Lagertor schon passiert gehabt und sei innerhalb des Tores kontrolliert
worden. Er selbst sei etwa in der 5. Reihe gestanden. Die Häftlingskolonne
sei von vorne her kontrolliert worden. Als er durchsucht gewesen sei, sei er
in Richtung Lagerinneres weggegangen. Er habe sich schon in der Nähe der
Bekleidungskammer befunden, als nochmals zurückgeschaut habe. Dabei habe er
gesehen, wie bei einem Häftling, der zuvor 2 oder 3 Reihen hinter ihm
gestanden habe, etwas gefunden worden sei. Der Häftling sei deshalb aus der
Reihe gezogen und
- 357 -
geschlagen worden.
Geschlagen habe ihn der Kommandoführer Markewicz, vielleicht auch der
Rapportführer Olejak. Der Häftling habe irgend etwas gesagt, worauf der
Rapportführer Olejak seine Pistole gezogen und ein oder zweimal auf den
Häftling geschossen habe. Als er selbst am Körper des Häftlings Blut gesehen
habe, sei er zu seinem Block gelaufen. Wie und von wem der Häftling dann
weggebracht worden sei, habe er nicht gesehen. Er habe dann später gehört,
der Häftling habe einen Herzschuß erlitten und sei verstorben. Beim Opfer
dieses Vorfalls habe es sich um seinen Freud Saphirstein aus Lodz gehandelt,
der 20 oder 21 Jahre alt gewesen sel. Im Gegensatz zu dieser Aussage in der
Hauptverhandlung hat der Zeuge Ojzerowicz bei seiner Vernehmung durch den
Zeugen Edelsberg in Anwesenheit des Ersten Staatsanwaltes Gandorfer am
15.5.1975 (16, 47 ff.) bekundet, zum Zeitpunkt des Vorfalls sei die ganze
Häftlingskolonne noch in Fünferreihen hinter dem Lagereingang gestanden Der
Rapportführer habe einen Häftling aus der Reihe genommen und mit einem
Gummiknüppel geschlagen. Als der Häftling etwas gefragt habe, was wisse er
nicht, habe der Rapportführer seine Pistole gezogen und auf den Häftling
geschossen. bei dem Häftling habe es sich um seinen Freund Saphirstein
gehandelt. Nachdem Saphirstein von den Schüssen getroffen am Boden gelegen
habe, sei ihm selbst und 2 anderen Häftlingen von dem Rapportführer der
Befehl erteilt worden, Saphirstein in den Krankenbau zu tragen. Bei diesem
Transport habe sein Freund noch gelebt und schwach gestöhnt. Er und die
beiden anderen Mithäftlinge hätten den verletzten Saphirstein schnell zum
Krankenbau gebracht Gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Ojzerowicz spricht
neben der Tatsache, daß er den Angeklagten Olejak während der ganzen Zeit in
Jaworzno und bei der Evakuierung gesehen
- 338 -
haben will,
insbesondere der erhebliche Widerspruch in den beiden Aussagen zum
Abtransport des angeblich von dem Rapportführer angeschossenen Häftlings
Saphirstein.
Die Kammer ist,
ausgehend von dem Gutachten des sachverständigen Prof. Dr. Undeutsch nach
eigener Überzeugungsbildung der Meinung, daß der Umstand, daß jemand seinen
Freund, auf den man gerade geschossen hat und der stöhnend und blutend am
Boden liegt, selbst mit seinen eigenen Händen über eine nicht unerhebliche
Strecke trägt, für jeden Menschen zum Kern und nicht nur zum Rand eines
Geschehens gehört. Im Kerngeschehen müssen die Aussagen von Zeugen, wenn sie
glaubhaft sein sollen, jedoch immer übereinstimmen.
Bei diesem
erheblichen und nicht verständlichen Widerspruch in einem so wesentlichen
Teil des Gesamtgeschehens kann nach Meinung der Kammer nicht ausgeschlossen
werden, daß der Schilderung des Vorfalles durch den Zeugen Ojzerowicz nicht
eigenes Erleben zugrunde liegt.
3.3. Die Aussage des
Zeugen Abraham Kowalski und die Gründe, die gegen eine sichere und
zuverlässige Erinnerung des Zeugen sprechen wurden schon unter G I 28 (Seite
280 - 282) erörtert.
Ergänzend ist noch
darauf hinzuweisen, daß dieser Zeuge nach seinen Bekundungen vor dem
Amtsgericht in Tel Aviv nicht gesehen hat, wer auf den Häftling geschossen
hat. Der ganze Vorfall habe sich hinter ihm in der Kolonne abgespielt. Er
habe sich umgedreht und nach hinten geschaut, als er den Schall eines
Schlages gehört habe. Dabei habe er gesehen, wie Olejak einen Häftling aus
der Reihe genommen und etwa 10 - 15 m in Richtung der Rapportführerstube
mitgenommen habe. Dabei habe Olejak seine Pistole gezogen. Sodann habe er
auch 2 Schüsse gehört. Das Schießen selbst habe er aber nicht gesehen. Das
Opfer sei dann von mehreren Häftlingen in den Krankenbau gebracht worden, Er
habe den betreffenden
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Häftling nie mehr im
Lager gesehen. Zum Zeitpunkt des Wegbringens sei die ganze Kolonne noch an
ihrem Platz gestanden.
Der ganze Vorfall
habe sich innerhalb des Tores im Lager abgespielt. Als Olejak mit dem
Häftling in Richtung Blockführerstube gegangen sei, sei auch ein
Kommandoführer in der Nähe gestanden. Dieser habe eine Pistole gehabt. Ob er
diese zu irgendeinem Zeitpunkt aus dem Halfter genommen habe, könne er nicht
mehr sagen. Ebenso nicht, um welchen Kommandoführer es sich dabei gehandelt
habe.
3.4. Die Aussage des
Zeugen Tenzer zur Person des Rapportführers Olejak und auch die Widersprüche
in den Vernehmungen vor dem Amtsgericht in Tel Aviv und vor der Polizei
wurden unter G I 27 (Seite 279 - 280) bereits dargelegt.
Ergänzend ist darauf
hinzuweisen, daß sich auch in der Schilderung des Tatablaufs, die der Zeuge
bei den beiden Vernehmungen gegeben hat, erhebliche Widersprüche befinden.
So hat er bei der Polizei angegeben, Olejak habe den Häftling erschossen,
als dieser noch in der Reihe gestanden habe. Bei seiner richterlichen
Vernehmung schilderte er dann, Olejak habe den Häftling zunächst aus der
Kolonne herausgeholt und habe ihn abseits der Kolonne erschossen.
Zur Frage des
Wegbringens des Häftlings hat dieser Zeuge ausgesagt, der Häftling sei am
Boden liegengeblieben, während die übrigen Mitglieder des Kommandos in den
Block entlassen worden seien. Der Vorfall habe sich innerhalb des Lagertores
im Sommer 1944 zugetragen.
Nur der
Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß der Angeklagte Olejak,
wenn sich der Vorfall, wie der Zeuge meint, im Sommer 1944 ereignet hätte,
nicht als Täter in Betracht käme, weil er sich im Sommer 1944 nicht in
Jaworzno aufgehalten hat.
- 340 -
3.5. Zu den Angaben
des Zeugen Aron Pernat wurde bereits unter G I 26 Stellung genommen (Seite
277 und 278). Dieser Zeuge schilderte bei seiner Vernehmung vor dem
Amtsgericht Tel Aviv einen Vorfall, der sich im Mai 1944 ebenfalls bei dem
Kommando Rudolfsgrube/Nachtschicht bei der Rückkehr ins Lager abgespielt
habe. Im Gegensatz zu den vorher genannten 4 Zeugen sagte der Zeuge Pernat
aus, das Kommando habe das Lager nicht durch das an der Blockführerstube
gelegene Haupttor, sondern durch das auf der gegenüberliegenden Seite bei
Block 8 befindliche Tor betreten. Nachdem der Rapportführer auf den Häftling
2 Schüsse abgegeben gehabt habe, sei der Häftling von 4 Mithäftlingen zu
ihrem Block gebracht und dort niedergelegt worden. Er selbst sei dann zu dem
am Boden liegenden Häftling hingegangen und habe festgestellt, daß er schon
tot gewesen sei. Dabei habe er auch genau die beiden Einschußstellen
gesehen, wo der Häftling getroffen worden sei, nämlich in der Brustgegend
und in der Stirn. Damals habe er den Namen des Häftlings, der in seinem
Block gewohnt habe, gekannt, jetzt wisse er ihn nicht mehr. Demgegenüber
hatte der Zeuge Pernat bei seiner Vernehmung durch den Zeugen Edelsberg am
2.5.1976 (25, 92 ff.), die ihm wiederholt vorgehalten worden ist, noch
erklärt, das Opfer sei von einem oder zwei Schüssen in die Herzgegend
getroffen worden. Weiter hatte der Zeuge damals ausgesagt, wohin der
Häftling gebracht worden sei, entziehe sich seiner Kenntnis. Wahrscheinlich
sei er in den Krankenbau oder zu einer Leichenkiste gebracht worden.
Bei dieser Vernehmung
durch den Zeugen Edelsberg hatte der Zeuge Pernat auch bekundet, er habe
gesehen, wie der SS. Mann Mietliczka auf dem Rückweg vom Kraftwerkgelände in
das Lager einen Häftling erschossen und im Lager einen Häftling umgebracht
habe, indem er zunächst seinen Hund auf ihn gehetzt
- 341 -
und ihn dann mit
einem Knüppel so geschlagen habe, daß er an den Folgen verstorben sei
(Anklagepunkte II 1 und II 7).
An beide Vorfälle hat
sich der Zeuge bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgerichts in Tel Aviv nicht
von sich aus erinnert. Auf Vorhalt seiner Vernehmung vor der Polizei hat
sich der Zeuge Pernat an den Fall einer angeblich von ihm beobachteten
Erschießung auf dem Rückweg vom Kraftwerk derart erinnert, daß sich dieser
Vorfall hinter ihm in der Kolonne abgespielt habe. An das angebliche
Erschlagen eines Häftlings im Lager durch den SS.Mann Mietliczka hat sich
der Zeuge Pernat überhaupt nicht mehr erinnert.
3.6. Zu den
verschiedenen Aussagen des Zeugen Lipa Dinur wurde bereit unter G I 12
(Seite 264 - 267) Stellung genommen.
Bei seiner 2.
Vernehmung im Ermittlungsverfahren am 30.4. 1975 durch den Polizeibeamten
Edelsberg in Anwesenheit des Ersten Staatsanwaltes Gandorfer schilderte
dieser Zeuge einen Fall einer angeblichen Erschießung eines Häftlings durch
den Rapportführer am Lagereingang nach Rückkehr eines Kohlengrubenkommandos
nach der Nachtschicht derart, daß er von der Staatsanwaltschaft als direkter
Tatzeuge zu dem Anklagepunkt I 1 benannt worden ist. Weiter hatte der Zeuge
damals ausgesagt, bei dem Opfer habe es sich um einen polnischen jüdischen
Häftling gehandelt, dessen Namen er jetzt nicht wisse.
Bei seiner Vernehmung
in der Hauptverhandlung im Oktober 1977 schilderte der Zeuge diesen Fall in
ähnlicher Weise. Der betreffende Häftling sei hinter ihm in der Kolonne
gestanden, die schon das Lagertor passiert gehabt habe. Er selbst habe sich
umgedreht, als ein Häftling geschlagen worden sei und dabei geschrieen habe.
Der Häftling sei zu Boden gefallen und dann habe er einen Schuß gehört.
Geschossen habe der Rapportführer Olejak. Der betreffende Häftling habe
rechts
- 342 -
außen an der Kolonne
gelegen. Da er sich selbst auf dieser Seite befunden habe, habe er den
Vorfall sehen können. Der Häftling habe Weinstein oder so ähnlich geheißen,
im Namen sei jedenfalls die Silbe „stein“ enthalten gewesen. Der Vorfall
habe sich in der Zeit zwischen Mai und Juli 1944 ereignet, und zwar bei dem
Nachtschichtkommando der Dachsgrube. Er sei während seines gesamten
Aufenthaltes in Jaworzno in dieser Grube gewesen. In der Rudolfagrube sei er
nie zur Arbeit eingesetzt worden.
Bei der bereits
erwähnten weiteren Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung im
September 1979 bekundete der Zeuge Dinur dann, der Vorfall habe sich etwa 6
- 7 Reihen vor ihm abgespielt, dies entspreche einer Entfernung von
vielleicht 10 m. Bei Abgabe des Schusses habe der Häftling noch gestanden.
Er sei sich sicher, daß er diesen Vorfall selbst gesehen habe, er habe sich
ja direkt vor seinen Augen abgespielt. Der betreffende Häftling habe in
seinem Namen die Silbe „stein“ gehabt, da sei er sich sicher. Wahrscheinlich
habe er Saphirstein geheißen.
4. Von den übrigen 10
vernommenen Zeugen, die nach ihren Aussagen in dem fraglichen Zeitraum,
nämlich Frühjahr 1944, dem Kommando Rudolfsgrube/Nachtschicht angehört
haben, hat sich keiner von sich aus an die Erschießung eines Häftlings
dieses Kommandos am Lagertor erinnert. Die Mehrzahl dieser Zeugen hat einen
solchen Vorfall sogar ausgeschlossen.
4.1. Der Zeuge Arie
Leib Jakubtschak konnte bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung nicht
mehr genau angeben, wann er als Häftling in das Lager Jaworzno gekommen ist.
Er sei jedoch zu einer Zeit dagewesen, als das Lager noch nicht fertig
gewesen sei. Bei seiner Ankunft hätten dort nur 3 Blocks gestanden.
- 343 -
Weiter hat der Zeuge
bekundet, er habe zunächst 2 Monate im Außenkommando beim Bau des
Kraftwerkes gearbeitet und sei dann dem Kommando Rudolfsgrube/Nachtschicht
zugeteilt worden. Diesem Kommando habe er dann bin zur Evakuierung des
Lagers angehört.
Wegen einer
Lungenentzündung habe er etwa ein Jahr vor der Evakuierung des Lagers 26
Tage im Krankenbau des Lagers verbracht. Er habe nie beobachtet, daß bei der
Rückkehr seines Kommandos von der Rudolfsgrube ein Häftling erschossen
worden sei. Er habe auch nie von so einem Vorfall gehört. Zur Aussage dieses
Zeugen ist zu bemerken, daß er, wenn bei seiner Ankunft im Lager nur 3
Blocks standen, schon im Sommer 1943 nach Jaworzno gekommen ist. Wenn er
nach seiner Aussage erst 2 Monate im Außenkommando gearbeitet hat, so kam er
spätestens im Herbst oder Ende des Jahres 1943 zu dem Kommando Rudolfsgrube/Nachtschicht.
Wenn sich der Zeuge seiner Aussage in der Hauptverhandlung entsprechend etwa
1 Jahr vor der Evakuierung des Lagers 26 Tage im Krankenbau befunden hat, so
war dies, nachdem die Evakuierung im Januar 1945 erfolgte, Anfang des Jahres
l944. Im Frühjahr 1944 gehörte der Zeuge Jakubtschak demnach ununterbrochen
dem Arbeitskommando Rudolfsgrube/Nachtschicht an.
4.2. Der Zeuge Leo
Neuhaus, der in den USA wohnhaft ist, hat bei seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung ausgesagt, er sei im Juli oder August 1943 nach Jaworzno
gekommen. Etwa während 90 % der Zeit seines Aufenthaltes in Jaworzno habe er
dem Kommando Rudolfsgrube/Nachtschicht angehört. Kurze Zeit habe er auch
beim Bau des Kraftwerkes gearbeitet und zwei oder dreimal sei er kurze Zeit
krank gewesen.
Bei der Rückkehr in
das Lager sei das Kommando Rudolfsgrube/ Nachtschicht oft kontrolliert
worden. Wenn bei einem Häftling etwas gefunden worden sei, sei dieser sehr
geschlagen
- 344 -
worden. Daran, daß im
Rahmen einer solchen Kontrolle am Lagertor ein Mithäftling seines Kommandos
erschossen worden sei, könne er sich nicht erinnern. Er habe zwar im Lager
oft Schüsse gehört, er wisse aber nicht, von wem diese Schüsse abgegeben
worden seien. Er habe auch viele Tote gesehen, die vor Hunger oder an den
Folgen von Schlägen gestorben seien.
4.3. Der Zeuge Henry
Gage, ebenfalls in den USA wohnhaft, hat bei seiner Aussage in der
Hauptverhandlung bekundet, er sei im Sommer 1943 nach Jaworzno gekommen.
Nachdem er kurze Zeit im Lager gearbeitet habe, sei er dem Kommando
Rudolfsgrube/Nachtschicht zugeteilt worden. Er habe dann in der Folgezeit
jede Nacht den Förderkorb in der Grube bedienen müssen. Bei dem Passieren
des Lagertores sei ihr Kommando oft kontrolliert worden. Wenn bei einem
Häftling etwas gefunden worden sei, sei dessen Nummer aufgeschrieben und er
sei nach 2 - 3 Wachen zur sogenannten „Auszahlung“ geholt worden. Manchmal
sei der betreffende Häftling auch an Ort und Stelle geschlagen worden. Er
sei selbst einmal, bei dem Versuch, eine Decke aus dem Lager zu schmuggeln,
erwischt worden. Etwa einen Monat später habe er dann zur Strafe 25 Hiebe
mit einer Peitsche bekommen. Er habe weder gesehen nach gehört, daß im
Rahmen einer solchen Kontrolle ein Häftling seines Kommandos erschossen
worden sei.
4.4. Der Zeuge Berik
Beni Kutnowski, der in Kanada wohnhaft ist, hat bei seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung bekundet, er sei in der Zeit zwischen Juli und September
1943 in das Lager Jaworzno gekommen. Zunächst habe er 4 - 6 Wochen dem
Kraftwerkkommando angehört, dann sei er dem Kommando
Rudolfagrube/Nachtschicht zugeteilt worden. Diesem Kommando habe er dann bis
zur Evakuierung des Lagers angehört.
- 345 -
Auf die Frage, ob er
im Lager Jaworzno Augenzeuge von gewaltsamen Tötungen von Häftlingen gewesen
sei, erklärte der Zeuge, er habe zwar oft gesehen, daß Häftlinge geschlagen
worden seien, er habe aber nie gesehen, daß Häftlinge von SS.Leuten getötet
worden seien mit Ausnahme der sogenannten Hängeaktion.
Sein Kommando sei am
Tor oft kontrolliert worden. Wenn bei einem Häftling etwas gefunden worden
sei, so sei der Betreffende einige Zeit später mit einer bestimmten Anzahl
von Stockschlägen bestraft worden.
Auf eine weitere
Frage, ob er Erschießungen im Lager gesehen habe, erklärte der Zeuge, es
könne sein, er habe daran aber keine Erinnerung mehr. Er sei etwa ein Jahr
vor seiner Vernehmung operiert worden und seitdem habe sein Gedächtnis sehr
gelitten.
Zur Aussage dieses
Zeugen ist zu bemerken, daß er bei seiner Vernehmung vor dem Generalkonsulat
der Bundesrepublik Deutschland in Toronto am 21. 10. 1975 (21, 4o ff.), die
ihm vorgehalten worden ist, davon gesprochen hat, daß zahlreiche Häftlinge
auf dem Weg zur Arbeit erschossen worden seien. Er habe selbst viele solcher
Erschießungen gesehen. Davon, daß im Lager selbst bei Kontrollen Häftlinge
erschossen worden seien, hat der Zeuge auch bei dieser Vernehmung nichts
bekundet.
4.5. Der Zeuge
Gerschon Sieradzki, dessen Aussage zur Person des Rapportführers im Lager
Jaworzno bereits unter G I 23 (Seite 275 und 276) erörtert worden ist, hat
bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung ausgesagt, er sei im November
1943 nach Jaworzno gekommen. Zuerst habe er einige Wochen beim Außenkommando
gearbeitet, dann sei er dem Kommando Rudolfagrube/Nachtschicht zugeteilt
worden. Diesem Kommando habe er bis zur Auflösung des Lagers angehört.
Während dieser
- 346 -
Zeit sei er zweimal
kurze Zeit krank gewesen. Einmal sei dies im Februar oder März 1944 gewesen.
Das zweite mal habe er nach einem Unfall in der Grube im August oder
September 1944 etwa einen Monat im Krankenbau gelegen.
Er habe zwar oft
gesehen, daß Häftlinge des Kommandos Rudolfsgrube/Nachtschicht im Rahmen von
Kontrollen geschlagen worden seien. Er selbst sei jedoch nie geschlagen
worden. An die Erschießung eines Häftlings im Rahmen einer solchen Kantrolle
habe er keine Erinnerung. Er habe von einem solchen Vorfall auch nichts
gehört.
4.6. Der Zeuge Simon
Seidmann, der in den USA wohnhaft ist, hat bei seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung bekundet, er sei im September oder Oktober 1943 nach
Jaworzno gekommen. Er habe zunächst 3 Tage im Lager gearbeitet und sei dann
dem Kommando Rudolfsgrube/Nachtschicht zugeteilt worden. Diesem Kommando
habe er dann bis zur Auflösung des Lagers angehört. Während dieser Zeit sei
er mehrere Male krank gewesen, und zwar einmal etwa eine Woche, in den
anderen Fällen ein oder zwei Tage.
Wenn bei der
Kantrolle am Lagertor bei einem Häftling etwas gefunden worden sei, so sei
der betreffende Häftling geschlagen worden. Er habe nie erlebt, daß bei
einer solchen Kontrolle ein Häftling erschossen worden sei. Solange er bei
dem Kommando Rudolfsgrube/Nachtschicht gewesen sei, sei kein Häftling dieses
Kommandos erschossen worden. Selbst wenn er nicht dabeigewesen sei, hätte er
von einem solchen Fall gehört und würde dies auch heute noch wissen. Er habe
nur von Erschießungen von Häftlingen außerhalb des Lagers bei
Fluchtversuchen gehört.
4.7. Der Zeuge
Schlomo Szulc, der in Mailand wohnhaft ist, hat bei seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung bekundet, er sei im September oder Oktober 1943 nach
Jaworzno gekommen.
- 347 -
Während der gesamten
Dauer seines Aufenthaltes in Jaworzno sei er dem Kommando Rudolfsgrube/Nachtschicht
zugeteilt gewesen und er habe nicht an einem einzigen Tag bei der Arbeit
gefehlt.
Bei einer Kontrolle
am Tor sei er einmal selbst geschlagen worden, weil bei ihm Brot gefunden
worden sei. Auch andere Mithäftlinge seien im Rahmen dieser Kontrollen oft
geschlagen worden.
Er habe aber nie
gesehen, daß bei diesen Kontrollen am Tor ein Häftling seines Kommandos
erschossen worden sei. Er habe auch nie von einem solchen Vorfall gehört.
Allerdings habe man nachts manchmal Schüsse gehört. Genauere Angaben könne
er jedoch hierzu nicht machen.
Zu dem Zeugen Szulc
ist noch zu bemerken, daß er sich bezüglich des Namens der Grube, in der er
beschäftigt war, nicht ganz sicher war.
Aufgrund der Aussage
des Zeugen Ojzerowicz geht die Kammer jedoch davon aus, daß diese beiden
Zeugen der gleichen Grube und dem gleichen Kommando zugeteilt waren. Denn
der Zeuge Ojzerowicz hat bekundet, er und der Zeuge Szulc hätten bei den
Vorsuchen, verbotene Gegenstände in das Lager zu schmuggeln,
zusammengearbeitet und seien Teilhaber gewesen. Wenn Ojzerowicz dem Kommando
Rudolfsgrube/Nachtschicht angehört hat, muß demnach auch der Zeuge Szulc
diesem Kommando angehört haben, was ja auch seiner Aussage entspricht.
4.8. Der Zeuge Henrik
Gutmacher hat bei seiner Vernehmung durch beauftragte Richter der Kammer
bekundet, er sei im Sommer 1943 nach Jaworzno gekommen. Er habe immer in der
Rudolfsgrube gearbeitet. Erst sei er verschiedenen Schichten zugeteilt
gewesen, dann nur noch dem Kommando der Nachtschicht. Zum Zeitpunkt der
Hängeaktion habe er schon diesem Kommando Rudolfsgrube/Nachtschicht
angehört.
- 348 -
Eine Erschießung
eines Häftlings dieses Kommandos im Rahmen einer Kontrolle am Lagertor habe
er nicht gesehen. Er habe von einem solchen Vorfall auch von Mithäftlingen
nichts gehört.
4.9. Der Zeuge Schama
Zlot, der bis kurz vor seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung in
Brasilien wohnhaft war und jetzt in Israel wohnt, hat bekundet, er sei 1943
nach Jaworzno gekommen. Er habe immer dem Kommando Rudolfsgrube/Nachtschicht
angehört. Im September 1944 sei er einmal für 2 Tage krank gewesen, sonst
habe er nie gefehlt. Außer der Erhängung von etwa 20 Häftlingen habe er in
Jaworzno keine Tötungen von Häftlingen gesehen. Wenn bei einer Kontrolle am
Lagertor bei einem Häftling etwas gefunden worden sei, so sei der
betreffende Häftling geschlagen worden. Die Erschießung eines Häftlings im
Rahmen einer solchen Kontrolle habe er nicht gesehen. Auch nach Vorhalt, daß
Mithäftlinge seines Kommandos den Fall einer Erschießung eines Häftlings
geschildert hätten, erklärte der Zeuge Zlot, bei den Kontrollen sei kein
Häftling erschossen worden. Es seien nur viele geschlagen worden.
4.10. Der Zeuge
Jaacov Herschkowicz hat bei seiner Vornehmung durch den zuständigen Richter
des Amtsgerichts Tel Aviv ausgesagt, er sei noch im Jahre 1943 nach Jaworzno
gekommen und sei insgesamt 1 Jahr in diesem Lager geblieben.
Während der gesamten
Dauer seines Aufenthaltes habe er in der Rudolfsgrube gearbeitet. Zuerst
habe er der Mittagsschicht und nach einem kurzen Aufenthalt im Krankenbau
der Nachtschicht angehört. Nach seiner Versetzung zur Nachtschicht habe er
dann keinen Tag mehr bei der Arbeit gefehlt. Er wisse sicher, daß er zum
Zeitpunkt der Erhängung der Häftlinge, die einen Fluchtversuch vorbereitet
hatten, schon dem Kommando der Nachtschicht zugeteilt gewesen sei.
- 349 -
Wenn bei den
Kontrollen seines Kommandos am Lagertor bei einem Häftling etwas gefunden
worden sei, so sei der Betreffende geschlagen worden. Er habe nie gesehen
und auch nicht von anderen Mithäftlingen gehört, daß ein solcher Fall einer
Erschießung passiert sei.
Auch nach Vorhalt der
Aussagen der Zeugen, die einen solchen
Fall geschildert
hatten, erklärte der Zeuge, bei dem Kommando Rudolfsgrube/Nachtschicht sei,
solange er dabei gewesen sei, kein Häftling am Tor erschossen worden.
5. Gegen die
Richtigkeit der Aussagen der Zeugen Ojzerowicz, Weltfreid, Kowalski, Tenzer,
Pernat und Dinur, daß es im Bereich des Lagertores zu der Erschießung eines
Häftlings gekommen sei, sprechen auch die Aussagen zahlreicher anderer
Zeugen. Hierbei handelt es sich um solche Häftlinge, die sich ständig im
Lager selbst aufgehalten haben und aufgrund ihrer besonderen Stellung in der
Häftlingshierarchie auch über die Ereignisse im Lager gut informiert waren.
5.1. In erster Linie
ist hier die bereits mehrfach erwähnte Aussage des Zeugen Dr. Paul Holler zu
nennen.
Dieser Zeuge war, wie
ausgeführt, von Sommer 1943 an der verantwortliche Häftlingsarzt im
Krankenbau des Lagers Jaworzno. Er hat bekundet, in den Krankenbau seien
während des Bestehens dos Lagers Jaworzno zahlreiche Häftlinge mit den
verschiedensten Verletzungen eingeliefert worden. Er selbst aber habe
niemals bei einem Häftling Schußverletzungen festgestellt. Er wisse auch
sicher, daß der als Chirurg tätige Häftlingsarzt Dr. Cohen keine
Schußverletzungen behandelt habe
Er habe zwar gehört,
daß es außerhalb des Lagers bei Fluchtversuchen zu Erschießungen von
Häftlingen gekommen sei. Er habe aber nie gehört, daß sich ein solcher
Vorfall im Lager
- 350 -
ereignet habe. Er
glaube dies auch nicht, ein solches Verhalten der SS. habe nicht zur
„Philosophie“ des Lagers Jaworzno gehört. Wenn sich ein solcher Vorfall
tatsächlich ereignet hätte, wäre ihm dies sicher mitgeteilt worden.
Allerdings bestünde die Möglichkeit, daß man über die Erschießung eines
Häftlings im Lager nicht gesprochen hätte, wenn Olejak der Täter gewesen
sei, weil jeder Häftling seine Rache gefürchtet hätte.
5.2. Der Zeuge
Raimund Zejer, der, wie erwähnt, von Juli 1943 ab als Rapportschreiber des
Lagers Jaworzno tätig war, hat bei seiner Vernehmung durch den zuständigen
Richter in Polen bekundet, ihm sei von der Erschießung eines Häftlings am
Lagertor nichts bekannt. Er sei täglich von 6.00 - 17.00 Uhr in der
Lagerschreibstube tätig gewesen, die vom Lagertor nur etwa 15 m entfernt
gewesen sei. Er habe weder die Erschießung eines Häftlings im Lager gesehen
noch irgend eine Meldung von einem solchen Vorfall erhalten.
5.3. Der Zeuge
Smigielski, bis zu seiner Flucht am 29.11.1944 aus dem Lager der
verantwortliche Häftlingskapo in der Bekleidungskammer, hat ausgesagt, in
Jaworzno seien viele Häftlinge vor Hunger und Schwäche gestorben, viele
seien erschlagen worden. Er erinnere sich nicht daran, daß im Lager selbst
ein Häftling erschossen worden sei. Er habe von einem solchen Vorfall auch
nichts gehört.
Auch in seinem ihm
mehrfach vorgehalten Bericht beim Staatlichen Museum in Auschwitz vom 14.
März 1959 (12, 61 ff.) hat der Zeuge nichts davon erwähnt, daß es im Lager
Jaworzno zu Erschießungen von Häftlingen gekommen sei. Bei einer
richterlichen Vernehmung vom 23.12.1970 (11, 113 ff.) die ihm ebenfalls
vorgehalten worden ist, hat der Zeuge Smigielski ausdrücklich erklärt, im
Lager Jaworzno habe es keine Erschießungen von Häftlingen gegeben.
- 351 -
5.4. Der Zeuge
Wiktor Pasikowski, dessen Aussage und Stellung im Lager bereits mehrfach
erörtert worden ist, hat bekundet, im Lager Jaworzno selbst sei kein
Häftling erschossen worden. Wenn bei einer Durchsuchung eines Kommandos
etwas gefunden worden sei, so sei der betreffende Häftling geschlagen
worden.
Im übrigen hat
dieser Zeuge, ebenso wie die beiden Angeklagten im Rahmen ihrer Einlassung,
ausgesagt, die Kontrollen der Häftlingskommandos seien immer außerhalb des
Lagertores erfolgt. Auch insoweit steht die Aussage des Zeugen Pasikowski in
Widerspruch zu den Aussagen der Zeugen Ojzerowicz, Weltfreid, Kowalski,
Tenzer, Pernat und Dinur, die bekundet hatten, der Vorfall der Erschießung
eines Häftlings habe sich bereits nach dem Passieren des Lagertores
ereignet.
5.5. Der Zeuge
Mieczyslaw Zewski, der während der längsten Zeit für die Häftlingsküche
verantwortliche Häftling, hat bekundet, im Lager Jaworzno habe es keine
Erschießungen gegeben. Wenn ein solcher Fall vorgekommen wäre, so hätte man
darüber im ganzen Lager gesprochen. Er habe nur Leichen von Häftlingen
gesehen, die auf der Flucht erschossen worden sein sollen.
5.6. Der Zeuge
Antoni Sicinski, zuerst Rapportschreiber, dann Gehilfe des
Rapportschreibers, dann für die Häftlingskantine verantwortlich, hat bei
seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung ausgesagt, im Lager Jaworzno sei
kein Häftling erschossen worden. Er habe von so einem Vorfall auch nie
gehört.
5.7. Der Zeuge Dr.
Boris Braun, der nach seiner Aussage in der Hauptverhandlung während der
längsten Zeit des Bestehens des Lagers als Lagerelektriker im Lager selbst
tätig war, hat bekundet, er habe im Lager selbst außer der Hängeaktion keine
Tötung eines Häftlings gesehen. Er habe weder die Erschießung eines
Häftlings am Tor oder sonstwo im Lager gesehen und er habe auch nicht von so
einem Vorfall gehört.
- 352 -
5.8. Der Zeuge
Glapinski, der nach seiner Aussage in der Hauptverhandlung bis April 1944 im
Lager selbst tätig war, hat ebenfalls bekundet, im Lager selbst seien keine
Häftlinge erschossen worden.
5.9. Der Zeuge
Glazer ist nach seiner Aussage in der Hauptverhandlung im Herbst 1943 nach
Jaworzno gekommen und war bis zur Evakuierung des Lagers immer im Lager
selbst als Maler tätig. Auch dieser Zeuge hat bekundet, im Lager selbst habe
er weder die Erschießung eines Häftlings gesehen, noch habe er davon gehört.
5.10. Der Zeuge
Mendel Kalischmann hat bekundet, er sei im Juni 1943 mit dem 1.
Häftlingstransport nach Jaworzno gekommen. Er sei während der gesamten Zeit
des Bestehens des Lagers als Dachdecker im Lager selbst tätig gewesen. Im
Lager selbst sei kein Häftling erschossen worden. Allerdings seien von den
Außenkommandos jeden Tag tote Häftlinge mit in das Lager gebracht worden.
5.11. Der Zeuge
Lemel Orenbach war, wie bereits erörtert, bis etwa Juni oder Juli 1944 als
sogenannter Läufer im Lager Jaworzno tätig. In dieser Eigenschaft hat sich
der Zeuge, wie er bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel Aviv
bekundet hat, praktisch jeden Tag von 6.00 Uhr morgens an am Tor des Lagers
aufgehalten. Dabei habe er oft gesehen, daß Häftlinge im Rahmen von
Kontrollen geschlagen worden seien. Er habe aber nie gesehen oder gehört,
daß dabei ein Häftling erschossen worden sei.
Im Übrigen hat
auch dieser Zeuge, ebenso wie der Zeuge Pasikowski, bekundet, die Kontrollen
der in das Lager zurückkehrenden Häftlingskommandos seien außerhalb des
Tores erfolgt.
5.12. Der bereits
mehrfach erwähnte Zeuge Dr. Milos Novy schließlich, der von zahlreichen
Mißhandlungen und Tötungen von Häftlingen berichtet hat, hat weder in dem
bereits erwähnten
- 353 -
Buch aus dem Jahre
1949 noch bei seiner Vernehmung vor dem Stadtgericht in Prag im Jahre 1975
davon gesprochen, daß im Lager Jaworzno selbst ein Häftling erschossen
worden sei.
5.13. In diesem
Zusammenhang ist auch auf die Aussage des Zeugen Chensky, der in den USA
wohnhaft ist, zu verweisen. Dieser hat bei seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung ausgesagt, er sei im Sommer 1943 nach Jaworzno gekommen.
Zuerst habe er 2 Monate lang beim Außenkommando und dann in der Rudolfsgrube
gearbeitet. Meistens habe er dem Kommando Rudolfsgrube/Frühschicht angehört,
für kurze Zeit sei er auch den beiden anderen Schichten zugeteilt gewesen.
Mit den Häftlingen der beiden anderen in der Rudolfsgrube eingesetzten
Kommandos habe er immer und regelmäßigen Kontakt gehabt. Bei diesen
Gelegenheiten sei immer über besondere Ereignisse im Lagerleben gesprochen
worden. Von einer Erschießung eines Häftlings habe er bei diesen Gesprächen
nichts gehört. Auch habe er nie eine solche selbst gesehen. Wenn bei einem
Häftling etwas gefunden worden sei, so sei dieser regelmäßig einige Tage
später mit Stockschlägen bestraft worden. Er selbst sei auch einmal bei
einer solchen Kontrolle mit einem verbotenen Gegenstand, den er in der Grube
von einem Zivilisten erhalten habe, angetroffen und einige Tage später
schwer geschlagen worden.
6. Angesichts der
aufgezeigten Widersprüche und Unterschiede in den einzelnen Vernehmungen der
Zeugen Ojzerowicz, Weltfreid, Kowalski, Tenzer, Pernat und Lipa Dinur selbst
sowie den Widersprüchen in den Aussagen dieser Zeugen zueinander und unter
Berücksichtigung der unter den Ziffern I 4 und 5 dargestellten Ergebnisses
der Beweisaufnahme sieht die Kammer die Erschießung eines Häftlings des
Kommandos Rudolfsgrube/Nachtschicht im Frühjahr 1944 nicht als erwiesen an.
- 354 -
Die Kammer ist der
Überzeugung, daß bei der festgestellten Größe dieses Kommandos von 100 - 150
Häftlingen jeder Häftling, der diesem Kommando zu dem betreffenden Zeitpunkt
angehört hat, die Erschießung eines Häftlings im Rahmen einer Kontrolle
mitbekommen hätte, sei es, daß er sie selbst gesehen, sei es, daß er
unmittelbar danach von ihr im Block von den Mithäftlingen erfahren hätte.
Denn unter den geschilderten Umständen wäre die Erschießung eines Häftlings
im Lager durch einen Angehörigen der Lagerkommandantur für alle
Lagerinsassen ein besonderes und tiefgreifendes Ereignis gewesen, über das
man unter allen Häftlingen, nicht nur den Angehörigen des betreffenden
Kommandos, im Lager gesprochen hätte. Die Kammer ist auch davon überzeugt,
daß ein solches Ereignis Funktionshäftlingen wie Dr. Heller, Zejer,
Smigielski, Pasikowski, Dr. Novy und ähnlichen mit Sicherheit bekannt
geworden wäre. Da sich keiner von diesen Häftlingen und keiner der 10 im
Rahmen des Verfahrens vernommenen ehemaligen Mitgliedern des Kommandos
Rudolfsgrube/Nachtschicht an eine solche Erschießung erinnert hat, geht die
Kammer davon aus, daß sich ein solcher Fall, wie er dem Angeklagten Olejak
im Anklagepunkt I 1 zur Last gelegt wird, nicht als nachgewiesen betrachtet
werden kann.
Im Übrigen mußten,
wenn die Aussagen der Zeugen Ojzerowicz, Weltfreid, Tenzer und Kowalski
einerseits und des Zeugen Lipa Dinur andererseits richtig wären, fast zur
gleichen Zeit und unter den gleichen Umständen je ein Häftling des Kommandos
Rudolfsgrube/Nachtschicht und des Kommandos Dachsgrube/Nachtschicht von dem
Angeklagten Olejak erschossen worden sein, wobei beide Häftlinge noch den
gleichen Familiennamen, nämlich Saphirstein, gehabt hätten. Einen solchen
Zufall hält die Kammer bei dem übrigen Ergebnis der Beweisaufnahme aber
nicht für möglich.
- 355 -
f e h l t auch im
Ordner
- 356 -
2. Zur Aussage des
Moshe Jachimowicz zu dem Angeklagten Olejak und dem Rapportführer wurde
bereits unter G I 13 (Seite 267 - 268) Stellung genommen.
Weiter hat der
Zeuge bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung ausgesagt, nach seiner
Ankunft im Lager Jaworzno habe er zunächst ca. 6 Monate im Außenkommando und
dann in der Rudolfsgrube gearbeitet. In der Dachsgrube sei er nie gewesen.
Im Rahmen einer
Kontrolle eines von der Mittageschicht in der Nacht ins Lager
zurückkehrenden Häftlingskommandos habe er einmal einen Schuß gehört und
dann gesehen, wie ein Häftling auf einer Bahre weggebracht worden sel. Von
anderen Häftlingen, die er nicht mehr nennen könne, habe er gehört, der
Rapportführer habe den betreffenden Häftling erschossen. Selbst habe er
diesen Vorfall nicht gesehen. Er habe dann später im Lager noch gehört, daß
der betreffende Häftling aus Lodz gestammt und noch einen Bruder im Lager
gehabt habe. Er habe auch gehört, der Häftling sei an den Schußverletzungen
gestorben. Dieser Vorfall habe sich seiner Erinnerung nach kurz vor der
Evakuierung des Lagers Jaworzno zu Beginn des Winters 1944/1945 ereignet.
Zu den Aussagen
dieser beiden Zeugen ist zunächst zu bemerken, daß sie als Zeitpunkt der von
ihnen geschilderten Vorfälle jeweils Ende 1944 angegeben haben. Schon
deswegen kommt der Angeklagte Olejak insoweit als Täter nicht in Frage.
Weiter ergibt sich aus den Aussagen der beiden Zeugen, daß sie nach ihren
Bekundungen in der Hauptverhandlung zum fraglichen Zeitpunkt Ende 1944 in
zwei verschiedenen Gruben gearbeitet haben und deshalb nicht den gleichen
Vorfall meinen können. Weiter ist darauf hinzuweisen, daß beide Zeugen die
von ihnen erwähnte Erschießung eines Häftlings nicht selbst gesehen haben.
Im Gegensatz zu seiner polizeilichen Vernehmung vom 16.3.1976 (22, 54 ff),
in der er noch erklärt hatte, er habe diesen Fall einer Erschießung selbst
gesehen, hat der Zeuge Krawicki in der Hauptverhandlung bekundet, er habe
sich erst nach hinten umgedreht,
- 357 -
als er schon
einen Schuß gehört habe.
Auch in diesem
Fall sieht es die Kammer im übrigen aus dem unter H I 5 dargelegten Ergebnis
der Beweisaufnahme nicht als erwiesen an, daß sich solch ein Fall einer
Häftlingserschießung überhaupt in Jaworzno ereignet hat.
In dem
Anklagepunkt I 2 ist der Angeklagte Olejak daher freizusprechen, was auch
von der Staatsanwaltschaft beantragt worden ist.
- 358 -
III. Fall I 3 der
Anklageschrift (Erschlagen eines Häftlings des Arbeitskommandos
Friedrich-August-Grube):
Insoweit wird dem
Angeklagten Olejak vorgeworfen, im Rahmen einer Kontrolle des Kommandos
Friedrich-August-Grube einen Häftling so schwer geschlagen zu haben, daß er
an den Folgen der Schlage verstorben sei. Grund für das Schlagen sei
gewesen, daß der Häftling zum Schutz gegen die Kälte unter seiner Kleidung
Papier von einem Zementsack getragen habe.
Als direkte
Tatzeugen wurden in der Anklageschrift die Zeugen Mark Puszyk und Schimschon
Ganz benannt.
1. Zur Aussage des
Zeugen Puszyk vom 29.3.1976 bei der Israel-Polizei, die in der
Hauptverhandlung verlesen wurde, wurde schon unter G IV (Seite 321 - 323)
Stellung genommen. Dabei wurde dargelegt, daß der Rapportführer, den der
Zeuge Puszyk meint, nicht der Angeklagte Olejak gewesen sein kann.
Soweit der Zeuge
Puszyk in dieser Aussage die Mißhandlung eines Häftlings durch den
Rapportführer schildert, kommt deshalb der Angeklagte Olejak nicht als Täter
in Betracht.
2. Der Zeuge
Schimschon Ganz, der, wie bereits erwähnt, bei der Auflösung des Lagers
Lagischa im Dezember 1944 nach Jaworzno gekommen ist, hatte bei seiner
polizeilichen Vernehmung vom 23.11.1976, die ihm im Rahmen seiner Vernehmung
durch das Amtsgericht in Tel Aviv mehrfach vorgehalten worden ist,
ausgesagt, von den SS.Leuten im Lager Jaworzno erinnere er sich nur noch an
den Rapportführer des Lagers. Dieser habe mehrmals bei der Rückkehr seines
Arbeitskommandos in das Lager Häftlinge, bei denen etwas gefunden worden
sei, mit in die am Lagertor stehende Stube genommen und dort mißhandelt.
- 359 -
Bei seiner
Vernehmung durch den zuständigen Richter beim Amtsgericht in Tel Aviv hat
der Zeuge Ganz im Gegensatz dazu ausgesagt, der Ausdruck „Rapportführer“ sei
ihm überhaupt nicht bekannt und er glaube auch nicht, daß er diesen Ausdruck
bei seiner Vernehmung durch die Polizei gebraucht habe. Aus seiner Lagerzeit
könne er sich nur an den Ausdruck „Rapportschreiber“ erinnern. Er wisse aber
nicht, ob diese Bezeichnung für einen SS.Mann oder für einen Häftling
gebraucht worden sei.
In Jaworzno habe
es keinen Fall gegeben, bei dem ein Häftling getötet worden sei. Er habe nur
einmal gesehen, daß auf dem Grubengelände ein Wachmann einen Häftling
mißhandelt habe. Als er den betreffenden Häftling zuletzt gesehen habe, habe
dieser aber noch gelebt. Auf Vorhalt seiner Aussage bei der Polizei erklärte
der Zeuge Ganz dann, diese Fälle hätten sich nicht in Jaworzno, sondern in
Lagischa ereignet.
Auch in diesem
Punkt ist der Anklage Olejak schon deswegen freizusprechen, weil er zu dem
fraglichen Zeitraum Ende 1944 gar nicht in Jaworzno gewesen ist. Auf die
Frage, ob aufgrund der vorliegenden Aussage des Zeugen Puszyk überhaupt
festgestellt werden könnte, ob der betreffende Häftling an den Mißhandlungen
durch den von dem Zeugen Puszyk beschriebenen SS.Mann gestorben ist und ob
der SS.Mann bei der Mißhandlung des Häftlings mit Tötungsvorsatz gehandelt
hat, braucht unter diesen Umständen nicht mehr eingegangen zu werden. Auch
die Staatsanwaltschaft hat in diesem Fall ohne Angabe von Gründen Freispruch
beantragt.
- 360 -
IV. Fall I 4 der
Anklageschrift (Tötung des Häftlings Goldberg am Lagereingang):
Auch in diesem
Fall der Anklage wird dem Angeklagten Olejak zur Last gelegt, den jüdischen
Häftling Goldberg, bei dem er unter der Kleidung Papier von Zementsäcken
gefunden haben soll, so schwer mißhandelt zu haben, daß Goldberg an den
Folgen der Schläge im Häftlingskrankenbau gestorben sei.
Als direkte
Tatzeugen für diesen Vorfall hat die Staatsanwaltschaft in der
Anklageschrift die Zeugen
Abraham Rabinowicz,
Benjamin
Jachimowicz,
Menachem
Pruszanowski,
Chaim Schuler,
Mordechaj
Hoffmann,
Isaak Mittelmann,
Hersch Nowak und
Aron Pernat
benannt
Da in diesem Fall
der Anklage die angebliche Tötung des Häftlings Goldberg Ende 1944 erfolgt
sein soll, kam eine Verurteilung schon deswegen nicht in Betracht, da der
Angeklagte Olejak zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Jaworzno war. Auch die
Staatsanwaltschaft hat insoweit ohne Angaben von Gründen Freispruch
beantragt.
Ergänzend ist zu
diesem Punkt der Anklage und zu den Aussagen der einzelnen Zeugen, auf die
schon unter G) eingegangen worden ist, soweit sie den Angeklagten Olejak und
den Rapportführer des Lagers Jaworzno betreffen, noch auszuführen:
- 361 -
1. Hinsichtlich
des Zeugen Abraham Rabinowicz wurde die Niederschrift über seine Vernehmung
vor der Israel-Polizei vom 7.5.1975 in Anwesenheit des Ersten Staatsanwaltes
Gandorfer verlesen, da der Zeuge wegen seines schlechten
Gesundheitszustandes weder in der Hauptverhandlung noch im Wege der
Rechtshilfe vernommen werden konnte.
Dabei hat der
Zeuge Rabinowicz ausgesagt, der Rapportführer Olejak habe seinen Kameraden
Goldberg, der aus Lodz gestammt habe, zu Tode gebracht. Im Rahmen einer
Kontrolle habe er bei Goldberg etwas gefunden, ihm einen Schlag ins Gesicht
versetzt und Goldberg dann mit in die Rapportführerstube am Lagereingang
genommen. Von dort habe er 5 - 10 Minuten lang fürchterliche Schreie gehört.
Er habe die Stimme Goldbergs erkannt und ihm sei klar gewesen, daß die
Schreie von diesem gekommen seien. Später habe man dann nur noch Schläge und
Schreie von Olejak gehört. Dann sei Goldberg durch die Türe dieses Gebäudes
nach außen geworfen worden. Von Mithäftlingen sei Goldberg dann zum Block 4
mitgenommen und auf dem Boden niedergelegt worden. Olejak sei zu Goldberg
gegangen und habe ihm noch einen Tritt ins Gesicht versetzt. Goldberg sei
dann in das Krankenrevier gebracht worden, wo er noch einen, vielleicht auch
zwei Tage gelebt habe, dann sei er verstorben. Er habe Goldberg noch im
Revier besucht, dieser sei aber nicht mehr ansprechbar gewesen. Er sei sich
sicher, daß es Olejak gewesen sei, der Goldberg mißhandelt habe.
Woher er wisse,
daß Goldberg verstorben sei, wurde der Zeuge Rabinowicz offenbar nicht
gefragt. Ebenso wurde er nicht gefragt, welche anderen SS.Leute sich zum
Zeitpunkt des Vorfalles noch in der Rapportführerstube aufgehalten haben.
2. Der Zeuge
Benjamin Jachimowicz, auf dessen Aussage schon mehrmals eingegangen worden
ist, hat bei seiner Vernehmung durch den zuständigen Richter des
Amtsgerichts Tel Aviv bekundet,
- 362 -
er habe lediglich
Anfang 1944 etwa einen Monat lang beim Außenkommando gearbeitet. In der
Folgezeit sei er ausschließlich dem Kommando Rudolfsgrube/Tagesschicht
zugeteilt gewesen.
Für den Fall einer
Häftlingstötung bei dem Kommando des Kraftwerkes Ende 1944 kommt er schon
deshalb als Tatzeuge nicht in Betracht. Im übrigen hat der Zeuge Benjamin
Jachimowicz ausgesagt, von Häftlingsmißhandlungen durch den Angeklagten
Olejak im Lager Jaworzno wisse er überhaupt nichts.
3. Der Zeuge
Menachem Pruszanowski hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung
ausgesagt, er sei in Jaworzno nie Zeuge der Tötung eines Häftlings gewesen.
Er habe nur die Mißhandlung von Häftlingen gesehen. Speziell könne er sich
an einen bestimmten Fall erinnern. Der Rapportführer habe im Rahmen einer
Kontrolle des vom Kraftwerk zurückkehrenden Kommandos bemerkt, wie einem
Häftling eine Kartoffel aus der Kleidung gefallen sei. Daraufhin habe er den
Häftling in die Wachstube geführt. Dort sei der Mann derart geschlagen
worden, daß er in den Krankenbau habe eingeliefert werden müssen. Das
Schlagen selbst habe er jedoch nicht gesehen. Der betreffende Häftling sei
nie wieder in das Kommando zurückgekehrt.
Zur Aussage dieses
Zeugen ist zu bemerken, daß er, ebenso wie der Zeuge Rabinowicz, das
Schlagen des Häftlings selbst nicht gesehen hat und deshalb zu der Frage,
wer den Häftling in der Blockführerstube geschlagen hat, keine Angaben
machen konnte. Ob der Häftling, der von dem Rapportführer in die
Blockführerstube gebracht worden ist, tatsachlich gestorben ist, kann
aufgrund der Aussage dieses Zeugen nicht festgestellt werden.
4. Der Zeuge Chaim
Schuler hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung bekundet, ihm sei
von Tötungshandlungen durch SS. Leute im Lager Jaworzno nichts bekannt
worden. Allerdings sei das Schlagen von Häftlingen im Lager kein Problem
gewesen.
- 363 -
Er erinnere sich
an einen Fall, bei dem ein Häftling mit einem Zementsack unter der Kleidung
erwischt und dann in der Schreibstube geschlagen worden sei. Er habe bei
diesem Häftling anschließend kein Blut gesehen und mit dem Häftling sei auch
nichts besonderes geschehen. Seiner Erinnerung nach habe dieser Häftling
Liebermann oder so ähnlich geheißen.
5. Der Zeuge
Mordechaj Hoffmann, dessen Aussage zur Person des Rapportführers und zu dem
Angeklagten Olejak ebenfalls bereits erörtert worden ist, hat bei seiner
Vernehmung in der Hauptverhandlung folgendes bekundet:
Er habe immer beim
Kraftwerkkommando gearbeitet. Da es kalt gewesen sei, hätten sich einige
Häftlinge mit Papier aus Zementsäcken unter der Kleidung gegen die Kälte
geschützt. Dies sei verboten gewesen. Einmal sei bei einem Häftling solch
ein Papier oder eine Kartoffel gefunden worden. Der betreffende Häftling sei
in das Büro des Rapport- oder Kommandoführers gebracht worden. Von dort habe
man ihn schreien hören. Ein SS.Mann habe ihn dann mit dem Fuß aus der Türe
hinausgestoßen. Dieser Häftling sei dann in den Krankenbau gebracht worden,
wobei er noch Lebenszeichen von sich gegeben habe, aber sehr schwache.
Zu der Frage, wer
zu diesem Zeitpunkt Rapportführer gewesen ist, hat der Zeuge Hoffmann keine
sicheren Bekundungen machen können. Im übrigen hat auch dieser Zeuge nicht
gesehen, wer diesen Häftling in der Blockführerstube geschlagen hat.
6. Der
zwischenzeitlich verstorbene Zeuge Isaak Mittelman hat bei seiner Vernehmung
durch die Israel-Polizei am 5.5.1975 in Anwesenheit des Ersten
Staatsanwaltes Gandorfer auegesagt, er habe gesehen, wie der Rapportführer
Olejak einmal einen Häftling am Lagereingang erschlagen habe. Zusammen mit
anderen Häftlingen sei er damals von der Baustelle zurückgekommen. Olejak
habe eine Kontrolle gemacht und bei einem Häftling etwas gefunden. Olejak
habe ihn dann so geschlagen, daß der Häftling auf dem Boden liegengeblieben
sei. Mithäftlinge hätten
- 364 -
diesen Häftling in
den Krankenbau geschleppt. Ob er schon tot gewesen sei, könne er nicht
sagen. Er habe ihn nie mehr gesehen. Es habe sich um einen Häftling eines
Arbeitskommandos gehandelt.
Auch dieser Zeuge
ist nach dem Inhalt der Niederschrift nicht gefragt worden, woher im bekannt
geworden sei, daß dieser Häftling verstorben sei. Auf die Widersprüche in
den Vernehmungen dieses Zeugen aus dem Jahr 1975 und 1970 wurde bereits
hingewiesen.
7. Der Zeuge
Hersch Nowak, der den Rapportführer Olejak beim Evakuierungsmarsch auf einem
Pferdefuhrwerk gesehen haben will, hat ausgesagt, er habe in Jaworzno nie
gesehen, daß Häftlinge von SS.Leuten getötet worden seien. Er habe zwar oft
das Schlagen von Häftlingen gesehen. Er wisse aber nicht, ob irgend ein
Häftling an den Folgen solcher Schläge verstorben sei.
8. Der Zeuge
Pernat schließlich hatte bei seiner Vernehmung durch den Zeugen Edelsberg am
2.5.1976, die ihm wiederholt vorgehalten worden ist, bekundet, er habe
einmal gesehen, wie der Rapportführer Olejak während einer Kontrolle am
Lagertor einen dem Außenkommando angehörenden Häftling so schrecklich
zusammengeschlagen habe, daß dieser an den Folgen der Schläge verstorben
sei. Dies habe er einen Tag danach erfahren.
Bei seiner Vernehmung
vor dem Amtsgericht in Tel Aviv hat der Zeuge Pernat ausgesagt, er erinnere
sich nicht an einen solchen Vorfall.
- 365 -
V. Fall 1.5
(Erschlagen von zwei Häftlingen auf der Baustelle):
In diesem Fall der
Anklage wird dem Angeklagten Olejak folgendes zur Last gelegt:
An einem nicht mehr feststellbaren Tag im Herbst 1944 sei abends nach
Arbeitsschluß auf der Baustelle des Kraftwerkes Wilhelm festgestellt worden,
daß zwei russische Häftlinge geflohen seien. Nachdem man vergeblich nach
ihnen gesucht habe, sei auch der Angeklagte Olejak auf der Baustelle
erschienen. Als man die beiden russischen Häftlinge nicht habe finden
können, habe Man einen polnischen Häftling, der mit ihnen zusammengearbeitet
habe aus der Reihe geholt. Dieser sei gefragt worden, wohin die beiden
Häftlinge verschwunden seien. Da er dies nicht habe sagen können oder
wollen, habe man ihn geschlagen. Nach einiger Zeit sei bekannt geworden, daß
beim gleichen Kommando auch der Vater und ein Bruder des polnischen
Häftlings beschäftigt gewesen seien. Daraufhin habe man die beiden aus der
Reihe herausgeholt und der Angeklagte Olejak habe sie zusammen mit einem
Kommandoführer in Gegenwart des polnischen Häftlings schwer mißhandelt.
Dadurch habe man erreichen wollen, daß der polnische Häftling angesichts der
Mißhandlungen seines Bruders und seines Vaters das Versteck der beiden
russischen Häftlinge verraten sollte. Als er dies nicht getan habe, habe der
Angeklagte Olejak zusammen mit dem Kommandoführer solange auf den Vater und
den Bruder des Polen eingeschlagen, bis beide tot gewesen seien.
Als einzigen
Tatzeugen zu diesem Vorfall hat die Staatsanwaltschaft den Zeugen Grol
benannt.
Dieser hat bei
seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung bekundet, er habe nicht gesehen,
daß bei diesem Vorfall auch der Rapportführer geschlagen habe.
- 366 -
Zu diesem
Anklagepunkt ist weiter zu bemerken, daß sich kein anderer der zahlreichen
Häftlinge, die dem Kraftwerkskommando angehört haben und als Zeugen im
Rahmen dieses Verfahrens vernommen worden sind, an einen solchen Vorfall
erinnert haben.
Auch insoweit war
der Angeklagte Olejak daher entsprechend
dem Antrag der
Staatsanwaltschaft freizusprechen.
- 367 -
VI. Fälle I 6, I
7, I 8 der Anklage (Erschienung von insgesamt 26 Häftlingen während des
Evakuierungsmarsches von Jaworzno nach Blechhammer in Januar 1945):
In Fall I 6 wird
dem Angeklagten zur Last gelegt, auf der genannten Strecke des
Evakuierungsmarsches eine nicht wehr feststellbare Zahl von Häftlingen,
mindestens aber 20 Häftlinge, die während des Marsches zusammengebrochen
seien und vor Erschöpfung nicht oder nicht mehr schnell genug hatten
weitergehen können, erschossen zu haben.
Von diesen 20
Fällen sind in der Anklageschrift 3 naher konkretisiert worden.
Am zweiten Tag des
Marsches soll der Angeklagte Olejak den damals etwa 30 Jahre alten Juden
Mordechaj Jakubtschak und am gleichen Tag einen jüdischen Häftling, der vor
seiner Überstellung in das Konzentrationslager Auschwitz in dem Arbeitslager
Posen - Stadion Lagerältester gewesen sei, erschossen haben.
Am gleichen Tag
soll der Angeklagte einen unbekannten Häftling, der vor Erschöpfung aus der
Reihe herausgefallen gewesen sei, ebenfalls erschossen haben.
Als direkte
Tatzeugen für die 3 konkret genannten Fälle einer Häftlingserschießung hat
die Staatsanwaltschaft die Zeugen Leib Jakubtschak, Gerschon Sieradzki und
Menachem Pruszanowski benannt.
In ihrem
Schlußvortrag hielt die Staatsanwaltschaft den Angeklagten Olejak im Fall I
6 der Anklage noch hinsichtlich dreier Falle für überführt, wobei sie sich
in erster Linie auf die Aussagen der Zeugen Gerschon Sieradzki und Joel Ryz
stützte. Hinsichtlich der übrigen 17 angeklagten Verbrechen des Mordes hat
die Staatsanwaltschaft Freispruch beantragt.
- 368 -
1m Fall I 7 lag
dem Angeklagten zur Last, einige Zeit nach Verlassen des Lagers zusammen mit
zwei oder drei weiteren SS. Leuten 5 Häftlinge erschossen zu haben, die bei
einer Rastpause auf einen zufällig vorbeikommenden Militär - LKW gesprungen
seien.
Als einzigen
direkten Tatzeugen hat die Staatsanwaltschaft hierfür den Zeugen Lemel
Orenbach benannt.
Auch in ihrem
Schlußvortrag hat die Staatsanwaltschaft, gestützt auf die Aussage des vor
dem Amtsgericht in Tel Aviv vernommenen Zeugen Orenbach, die Verurteilung
des Angeklagten wegen 5 in Mittäterschaft begangener Verbrechen des Mordes
beantragt.
Im Fall I 8 der
Anklage schließlich lag dem Angeklagten Olejak zu Last, während einer Rast
in Peiskretscham einen Häftling, der versucht habe, eine zweite Portion
Suppe zu bekommen, auf die Tenne einer Scheune geführt und dort von hinten
erschossen zu haben.
Als Tatzeuge
hierfür war in der Anklageschrift der Zeuge Meir Shimoni benannt worden.
In diesem Punkt
der Anklage hat die Staatsanwaltschaft ohne Angabe von Gründen in ihrem
Schlußvortrag Freispruch für den Angeklagten Olejak beantragt.
- 369 -
Da die Kammer
aufgrund des gesamten Ergebnisses der Hauptverhandlung davon ausgeht, daß
der Angeklagte Olejak den Evakuierungsmarsch der Häftlinge des Lagers
Jaworzno nicht mitgemacht hat, scheidet er schon aus diesem Grund als Täter
für die, wie ausgeführt, sehr zahlreich vorgekommenen Häftlingserschießungen
aus. Trotzdem soll zu den Aussagen einiger Zeugen, die den Angeklagten
Olejak insoweit belastet haben, kurz Stellung genommen werden.
1. Der schon
mehrfach erwähnte Zeugen Arie Leib Jakubtschak, ein Bruder des angeblich von
dem Angeklagten Olejak erschossenen Häftlings Mordechaj Jakubtschak, hat bei
seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung ausgesagt, er sei beim
Evakuierungsmarsch zusammen mit seinen beiden Brüdern gelaufen. Sie hätten
sich alle drei aneinander festgehalten, da sie ja hätten überleben wollen.
Einer seiner Brüder sei dabei erschossen worden. Dies sei kurz vor Beuthen
in einem Wald gewesen. Welcher SS.Mann auf seinen Bruder geschossen habe,
wisse er nicht, es sei ja so ein großes Durcheinander gewesen.
Auch nach Vorhalt
seiner Aussage vom 2.5.1975 (15, 46 ff.) und vom 5.3.1972 (6, 129) erklärte
der Zeuge Jakubtschak, er erinnere sich nicht wehr daran, wer seinen Bruder
erschossen habe.
In der Vernehmung
vom 2.5.1975 hatte der Zeuge Jakubtschak bei Vorlage des Bildbandes erklärt,
der auf den Lichtbildern Nr. 17, 18 und 19 abgebildete SS.Mann (Angeklagter
Olejak) habe auf dem Evakuierungsmarsch seinen Bruder erschossen. Dieser
SS.Mann sei in Jaworzno Kommandoführer gewesen und habe auch sein
Arbeitskommando zur Arbeit in die Kohlengrube gebracht. Dieser SS.Mann, der
am Anfang der Lagerzeit noch nicht in Jaworzno gewesen sei, sei nicht
Rapportführer gewesen.
In seiner
Vernehmung vom 5.4.1972 hatte der Zeuge Jakubtschak ausgesagt, sein Bruder
sei beim Evakuierungsmarsch von dem Rapportführer des Lagers Jaworzno
erschossen worden. Dieser Rapportführer sei damals 40 bis 44 Jahre alt und
sehr korpulent gewesen. Er habe ihn oft im Lager bei der Entgegennahme der
Rapporte gesehen.
- 370 -
Diese drei
verschiedenen Aussagen des Zeugen Jakubtschak zu der Frage, wer seinen
eigenen Bruder erschossen hat, beweisen, wie schwer es selbst in einem Fall,
in dem das Opfer ein ganz war naher Verwandter war, für einen Menschen ist,
sich nach langer Zeit noch sicher und zuverlässig zu erinnern. Es bedarf
keiner weiteren Ausführungen, daß die Beschreibung, die der Zeuge 1972 von
dem Täter gegeben hat, auf den Angeklagten Olejak (damals 24 Jahre alt und
64 kg schwer), nicht zutrifft. Auch bei diesem Zeugen fällt im übrigen auf,
daß er, ebenso wie die Zeugen Ryz und Mittelman, den Rapportführer bei der
ersten Vernehmung so beschrieben hat, daß damit nicht der Angeklagte Olejak,
sondern nur der SS.Unterscharführer Otto Hablesreiter gemeint gewesen sein
kann. Bei seiner 2. Vernehmung im Jahre 1975 hat der Zeuge Jakubtschak im
übrigen noch erklärt, derjenige SS.Mann, der seinen Bruder erschossen habe,
sei nicht Rapportführer in Jaworzno gewesen.
2. Zur Aussage des
Zeugen Joel Ryz in der Hauptverhandlung und zu den Widersprüchen zu seiner
früheren Aussage aus dem Jahre 1970 wurde bereits unter G III 2 (Seite 312 -
315) Stellung genommen.
Zu der Frage der
Erschießung von Häftlingen auf dem Evakuierungsmarsch hat der Zeuge
bekundet, er habe den Rapportführer Olejak nur während der letzten Nacht des
Evakuierungsmarsches vor Erreichen des Lagers Blechhammer gesehen. Während
dieser Nacht, während der die Häftlinge durch einen Wald getrieben worden
seien, habe er ihn allerdings fast dauernd gesehen. Er selbst habe von den
Rucksack eines SS.Mannes namens Becker, den er schon von Lagischa her
gekannt habe, getragen und sei auch einige Stunden neben diesem hergelaufen.
Olejak sei etwa 30
Meter hinter ihm gelaufen und habe praktisch die ganze Nacht durch auf
schwache Häftlinge geschossen. Da Schnee gelegen habe und es hell genug
gewesen sei, habe er Olejak an dessen Gestalt erkennen können. Olejak habe
eine „extra“ Gestalt gehabt, er sei breit und dick gewesen. In Jaworzno habe
- 371 -
es keinen anderen
SS.Mann gegeben, der so ausgesehen habe. Er habe damals auch die Augen des
Rapportführers Olejak sehen und in ihnen „Mörderei“ erkennen können. Deshalb
habe er Olejak auch an seinen Augen in der Hauptverhandlung wiedererkannt.
Olejak habe als einziger von den SS.Leuten, die er während dieser Nacht
gesehen habe, eine besondere Waffe mit einem runden Magazin gehabt. Die
anderen SS.Leute seien nur mit normalen Gewehren bewaffnet gewesen. Da er
Olejak anläßlich seiner Besuche in der Lagerschreibstube in den ersten 4
Wochen nach seiner Ankunft in Jaworzno gekannt habe, habe er in dieser Nacht
besonders auf ihn geachtet. Er glaube, daß Olejak in dieser Nacht mindestens
100 Häftlinge erschossen habe.
Es wurde bereits
darauf hingewiesen, daß der Zeuge Ryz den Angeklagten Olejak zu der Zeit und
unter den Umständen, zu denen er ihn in Jaworzno kennengelernt haben will,
nicht gesehen haben kann, da Olejak zu dieser Zeit im Lager Blechhammer war.
In diesem Zusammenhang ist ergänzend zu den unter G III 2 gemachten
Ausführungen darauf hinzuweisen, daß der Zeuge Ryz auch bekundet hat, er
könne sich nicht daran erinnern, den Rapportführer Olejak außer in den
ersten 4 Wochen nach seiner eigenen Ankunft in Jaworzno dort gesehen zu
haben.
Soweit der Zeuge
Ryz davon spricht, er habe Olejak in dieser Nacht vor Erreichen des Lagers
Blechhammer an seiner „extra“ Gestalt (breit und dick) erkannt, ist
auszuführen, daß Olejak 1945 nicht breit und nicht dick war. Soweit der
Zeuge damals die Augen des betreffenden SS.Mannes erkannt haben will, halt
die Kammer eine solche Beobachtung unter den geschilderten Umständen nicht
für möglich. Zum einen kann der Zeuge, da sich der betreffende SS.Mann immer
hinter ihm aufgehalten hat, Beobachtungen irgendwelcher Art immer nur beim
Rückwartsschauen gemacht haben, während er gleichzeitig selbst weiter
vorwärts gelaufen ist. Es bedarf keiner weiteren Ausführung, daß in einem
solchen Fall schon bei normalen Umstanden die
- 372 -
Beobachtungsmöglichkeiten eines Menschen sehr eingeschränkt sind. Zum
anderen war damals Nacht, und zwar schon die vierte Nacht nach dem Verlassen
des Lagers Jaworzno. Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß die
körperliche und geistige Verfassung des damals 16 Jahre alten Zeugen, der
zudem noch einen Rucksack eines SS.Mannes tragen mußte, nicht mehr die beste
war. Desweiteren kommt hinzu, daß der Zeuge den betreffenden SS. Mann aus
einer Entfernung von etwa 30 Metern beim Durchqueren eines Waldes erkannt
haben will. Zwar kann und muß diese Entfernungsangabe des Zeugen unter den
gegeben Umständen nicht wörtlich genommen werden. Aus dieser Angabe, die er
mehrere Male wiederholt hat, ergibt sich aber, daß er sich jedenfalls nicht
in unmittelbarer Nähe des betreffenden SS.Mannes aufgehalten hat. Was die
Angabe des Zeugen Ryz betrifft, es sei eine helle Nacht gewesen, so ist
darauf hinzuweisen, daß in dieser Nacht (vom 20. auf 21.1.1945), falls der
Mond überhaupt geschienen hat, kein Vollmond herrschte, sondern der Mond am
20.1.1945 gerade das erste Viertel erreicht hatte. Da der Zeuge seine
Beobachtungen beim Durchqueren eines Waldes gemacht hat, scheiden künstliche
Lichtquellen aus.
Unter diesen
gesamten geschilderten Umständen hat die Kammer erhebliche Zweifel daran, ob
der Zeuge Ryz den betreffenden SS.Mann überhaupt hat sicher erkennen können.
Darauf kommt es letztlich jedoch nicht an, da die Kammer davon ausgeht, daß
der Angeklagte Olejak zu diesem Zeitpunkt nicht bei der Häftlingskolonne
gewesen ist.
3. Zu dem
Anklagepunkt I 7 und zu der Aussage des Zeugen Lemel Orenbach ist zusätzlich
zu den bereits gemachten Ausführungen folgendes zu bemerken:
Dieser Zeuge
schildert als einziger aller im Laufe des Verfahrens vernommenen Zeugen, die
bei dem Evakuierungsmarsch von Jaworzno nach Blechhammer dabei waren, einen
Vorfall, bei dem 5 Häftlinge erschossen worden sein sollen.
- 373 -
Hierzu hat der
Zeuge bei seiner sich über mehrere Tage hinziehenden Vernehmung vor dem
Amtsgericht in Tel Aviv bekundet, in der 2. Nacht nach dem Verlassen des
Lagers Jaworzno sei bei Beuthen mitten auf der Straße eine Rast eingelegt
worden. Zwischen 2.00 und 3.00 Uhr morgens seien an der noch ruhenden
Häftlingskolonne 2 Militärfahrzeuge langsam vorbeigefahren. Dabei habe es
sich um LKW gehandelt, deren Ladeflächen mit einem Aufbau und einer Leinwand
verschlossen gewesen seien. Da die Fahrzeuge langsam gefahren seien, seien
einige Häftlinge von hinten auf die Ladefläche des 2. Fahrzeuges
aufgesprungen. Dies sei von SS.Leuten bemerkt worden, die den LKW angehalten
hätten und ihrerseits auf die Ladefläche gesprungen seien. Es seien sogleich
mehrere Schüsse gefallen und die betreffenden SS.Leute seien dann vom
Fahrzeug heruntergesprungen, wobei sie Pistolen in ihren Händen gehalten
hatten. Beim Herunterspringen habe er Olejak und Pansegrau an ihren
Gesichtern erkannt. Dazu sei er in der Lage gewesen, da helles Mondlicht
geherrscht und er von dem LKW nicht weit entfernt gewesen sei. Die anderen
SS.Leute seien keine Blockführer, sondern von der Wachmannschaft und ihm
namentlich nicht bekannt gewesen.
Von Mithäftlingen
sei dann die rückwärtige Bordwand geöffnet worden und er habe gesehen, wie
die Leichen von 5 Häftlingen aus dem Fahrzeug geholt worden seien. Die
Leichen dieser Häftlinge seien dann zusammen mit ca. 500 schon entkräfteten
Häftlingen zu einer in der Nähe gelegenen Ziegelei gebracht worden, wobei er
selbst mit einem Mithäftling die Leiche eines der 5 erschossenen Häftlinge
getragen habe. Von der Ziegelei aus sei er dann nicht mehr zu der Kolonne
aus dem Lager Jaworzno zurückgekehrt. Auf Vorhalt seiner Aussage vom
25.4.1975 vor der Israel-Polizei, in der er ausgesagt hatte, neben dem
Rapportführer Olejak sei nicht der SS.Mann Mietliczka, sondern der
Kommandoführer Lausmann dabeigewesen, fragte der Zeuge Orenbach zunächst:
- 374 -
„Damals habe ich
Lausmann gesagt ?“
Dann sagte der
Zeuge weiter aus, er habe sich bei dieser Vernehmung bei der Polizei an den
Namen Pansegrau nicht erinnert. Darauf führe er es zurück, daß er ihn damals
nicht als einen der Täter genannt habe. Er habe damals nur von Mietliczka
gesprochen. Daß es sich dabei um einen Spitznamen des Angeklagten Pansegrau
gehandelt habe, sei ihm damals nicht eingefallen. Lausmann sei seiner
jetzigen Erinnerung nach unter den weiteren SS.Leuten gewesen, die auf den
LKW gesprungen seien. Lausmann sei kein Blockführer gewesen, sondern er habe
die Arbeitskommandos zu ihren Arbeitsstellen begleitet.
Warum er bei der
Vernehmung vor der Israel-Polizei den SS.Mann Mietliczka, von dem er damals
ausführlich gesprochen hatte und den er jetzt als mit dem Angeklagten
Pansegrau identisch erklärte, nicht als einen der SS.Leute auf dem LKW
genannt hatte, konnte der Zeuge nicht erklären.
Zu dieser Aussage
des Zeuge Orenbach ist zunächst zu bemerken, daß, wie bereits erwähnt, in
der 2. Nacht des Evakuierungsmarsches tatsächlich in den Straßen von Beuthen
eine Ruhepause eingelegt worden ist. Allerdings erscheint es seltsam, daß
sich von den weit über 100 anderen Zeugen, die im Rahmen des Verfahrens
vernommen wurden und die den Evakuierungsmarsch ebenfalls mitgemacht haben,
keiner an den von dem Zeugen Orenbach geschilderten Vorfall erinnert hat,
obwohl sich dieser Vorfall nach der Aussage des Zeugen Orenbach mitten in
der Häftlingskolonne und während einer Ruhepause zugetragen haben soll.
Unter diesen Umständen erscheint nicht ausgeschlossen, daß der Zeuge
Orenbach diesen oder einen ähnlichen Vorfall zwar erlebt und beobachtet hat,
daß sich dieser Vorfall aber erst ereignet hat, als der Zeuge Orenbach in
Beuthen die Häftlingskolonne aus dem Lager Jaworzno bereits verlassen hatte.
- 375 -
Im übrigen
erscheinen die Angaben des Zeugen zu den beteiligten SS.Leuten der Kammer
nicht so zuverlässig und sicher zu sein, um hierauf eine Verurteilung
stützen zu können, selbst wenn der Angeklagte Olejak am Evakuierungsmarsch
teilgenommen hätte. Der Zeuge hat zwar sowohl bei der Polizei als auch beim
Amtsgericht in Tel Aviv den Angeklagten Olejak als einen der SS. Leute
bezeichnet, die auf das Fahrzeug gesprungen seien. Hinsichtlich der übrigen
Beteiligten hat er aber, wie bereits ausgeführt, sehr unterschiedliche
Angaben gemacht.
Bei seiner
Vernehmung vor der Polizei hat er neben Olejak noch den SS.Mann Lausmann
genannt, den er zuvor als Kommandoführer bezeichnet hatte. Bei seiner
Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel Aviv meinte er dann, von den
beteiligten SS.Leuten habe er nur zwei namentlich gekannt, die anderen seien
von der Wachmannschaft gewesen. Neben Olejak nannte er nunmehr den
Angeklagten Pansegrau, der bei den Häftlingen den Spitznamen Mietliczka oder
Besen gehabt habe. Nach Vorhalt seiner früheren Aussage meinte er dann,
Lausmann sei einer der anderen gewesen.
Dabei ist darauf
hinzuweisen, daß der Zeuge Orenbach nur kurze Zeit vorher erklärt hatte, die
neben Olejak und Pansegrau beteiligten SS.Leute seien ihm namentlich nicht
bekannt gewesen. Warum er den Angeklagten Pansegrau oder den SS.Mann mit dem
Spitznamen Mietliczka bei seiner polizeilichen Vernehmung nicht in diesem
Zusammenhang genannt hatte, konnte der Zeuge überhaupt nicht erklären. Diese
Widersprüche beweisen nach Meinung der Kammer, daß sich der Zeuge Orenbach
hinsichtlich der beteiligten SS.Leute insgesamt nicht sicher war und ist.
Soweit der Zeuge
angegeben hat, er habe die Gesichter der beteiligten SS.Leute aus einiger
Entfernung erkennen können, weil helles Mondlicht geherrscht habe, so ist
dies, wie schon erörtert, nicht richtig.
- 376 -
Schließlich
erscheint es der Kammer sehr unwahrscheinlich und kaum möglich, daß sich
dieser Vorfall, den der Zeuge Orenbach beobachtet haben will, in der von ihm
geschilderten Weise abgespielt haben kann. Denn unter den von dem Zeugen
geschilderten Umständen ist davon auszugehen, daß es sich um nicht zu der
Häftlingskolonne gehörende Militärfahrzeuge gehandelt hat. Den angeblich
beteiligten SS.Leuten war daher nicht bekannt, ob diese Fahrzeuge nicht zum
Beispiel Munition, Treibstoff geladen hatten oder sich Soldaten auf der
verdeckten Ladefläche aufhielten. Weiter ist davon auszugehen, daß es auf
der von einer Plane überspannten Ladeflache des Fahrzeuges, da es sich um
das zweite gehandelt hat, völlig dunkel gewesen ist. Es ist kaum
vorstellbar, daß unter diesen Umständen SS.Leute auf das Fahrzeug springen
und sofort zu schießen beginnen. Selbst wenn sich dieser Vorfall aber so
abgespielt hatte wie ihn der Zeuge Orenbach geschildert hat und selbst wenn
der Angeklagte Olejak dabeigewesen wäre, könnte in diesem Fall dennoch keine
Verurteilung wegen eines oder gar fünf Verbrechen des Mordes erfolgen. Denn
was sich tatsächlich auf dem LKW abgespielt hat, ob zum Beispiel einer der
SS.Leute oder alle geschossen haben, konnte der Zeuge Orenbach nicht
angeben. Unter diesen Umständen konnte zugunsten des Angeklagten Olejak
nicht ausgeschlossen werden, daß einer oder mehrere der anderen SS.Leute von
sich aus auf die Häftlinge geschossen haben, ohne daß die anderen dies
gewollt oder gebilligt haben. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen
werden, daß alle diese SS.Leute nur deswegen auf die Ladefläche des LKW
gesprungen sind, um die dort befindlichen Häftlinge allein oder gemeinsam zu
erschießen. Es könnte einigen von ihnen auch lediglich darum gegangen sein,
die Flüchtigen zurückzuholen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf
hinzuweisen, daß die Annahme der Staatsanwaltschaft, bei den anderen
SS.Leuten habe es sich um Untergebene des Angeklagten Olejak gehandelt,
weder aufgrund der Aussage des Zeugen Orenbach noch aufgrund des übrigen
Ergebnisses der Hauptverhandlung beweisbar ist. Daß zum Beispiel der
Rapportführer des Lagers Jaworzno gegenüber Angehörigen der Wachmannschaft
auf dem Evakuierungsmarsch in irgendeiner Form weisungsberechtigt war oder
eine Befehlsgewalt ausüben konnte, konnte nicht festgestellt werden.
- 377 -
Der Angeklagte
Olejak war daher insgesamt von den ihm in der Anklage und im
Eröffnungsbeschluß zur Last gelegten 32 Verbrechen des Mordes
freizusprechen.
- 378 -
I) Die dem
Angeklagten Pansegrau zur Last liegenden Straftaten, soweit sie das Lager
Jaworzno betreffen:
Dem Angeklagten
Pansegrau lagen, wie bereits erwähnt, in der Anklageschrift und dem
Eröffnungsbeschluß insgesamt 22 Verbrechen des Mordes zur Last, von denen er
11 im Lager Jaworzno (Anklagepunkte II 1 - 8) selbst und 11 während des
Evakuierungsmarsches von Jaworzno nach Blechhammer (Anklagepunkte II 9 und
10), teils allein, teils als Mittäter mit anderen SS. Leuten begangen haben
soll.
Nach Durchführung
der Beweisaufnahme hielt die Staatsanwaltschaft den Angeklagte Pansegrau
noch hinsichtlich zweier Fälle im Lager und weiterer 10 Fälle während der
Evakuierung für überführt. In den übrigen Fällen hat die Staatsanwaltschaft
selbst ohne nähere Begründung Freispruch beantragt.
Der Angeklagte
Pansegrau hat von Anfang an bestritten, während des Krieges einen Häftling
getötet zu haben. Er habe nie einen Häftling erschossen oder schwer
geschlagen. Im Sommer 1944 könne er schon deswegen keinen Häftling im Lager
getötet haben, da er von Ostern 1944 bis Ende September 1944 nicht in
Jaworzno gewesen sei, sondern im Lager Auschwitz eine Arreststrafe verbüßt
habe.
I.
Zur Person des Angeklagten Pansegrau und seiner Stellung im Lager
Jaworzno ist aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung zunächst
folgendes zu bemerken:
1. Der Angeklagte
Pansegrau gehörte von Juni 1943 an bis zur Evakuierung am 17.1.1945 der
Kommandantur des Lagers Jaworzno an und übte die Funktion eines Block- und
Kommandoführers aus. Dies ergibt sich sowohl aus der Einlassung des
Angeklagten selbst als auch aus den Bekundungen fast aller Zeugen, die sich
an den Angeklagten erinnert haben.
- 379 -
2. Obwohl sich
fast keiner der im Rahmen dieses Verfahrens vernommenen Zeugen, die als
Häftlinge im Lager Jaworzno waren, an eine längere Abwesenheit des
Angeklagten Pansegrau vom Lager Jaworzno erinnert hat - nur der Zeuge Salz
zum Beispiel spricht davon, er habe Pansegrau 1944 längere Zeit nicht in
Jaworzno gesehen - , geht die Kammer aufgrund der Einlassung des Angeklagten
und der Aussage des Zeugen Albert Zitzmann und der Zeugin Irmgard Pansegrau
davon aus, daß sich der Angeklagte Pansegrau von Ostern 1944 an für mehrere
Monate nicht in Jaworzno aufgehalten hat.
Der Angeklagte
Pansegrau hat hierzu, wie bereits erwähnt, erklärt, an Ostern 1944 habe er
mit dem damaligen Spieß der Wachkompanie namens Zitzmann eine
Auseinandersetzung gehabt, da Zitzmann bei seiner Ehefrau
Annäherungsversuche gemacht habe. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung habe
er seine Pistole gezogen. Aus dieser habe sich unbeabsichtigt ein Schuß
gelöst, der Zitzmann in das Knie getroffen habe. Am nächsten Tag sei er
verhaftet und nach Auschwitz gebracht worden. Dort sei gegen ihn wegen
dieses Vorfalls eine Arreststrafe verhängt worden, die er auch verbüßt habe.
Zur Dauer seiner
Abwesenheit von Jaworzno hatte der Angeklagte zunächst angegeben, er sei im
Sommer 1944 nach Jaworzno zurückgekehrt. Am 20.9.1979 erklärte er dann in
der Hauptverhandlung, er sei bis Ende September 1944 im Hauptlager Auschwitz
geblieben (vgl. Bl. 76).
Die Kammer geht
aufgrund der Aussagen des Zeugen Albert Zitzmann und der Zeugin Irmgard
Pansegrau davon aus, daß die Einlassung des Angeklagten Pansegrau über den
Grund und den Ablauf der Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem
Zeugen Zitzmann im wesentlichen richtig ist (vgl. Bl. 112). Im übrigen kommt
dieser Auseinandersetzung
- 380 -
zwischen dem
Zeugen Zitzmann und dem Angeklagten Pansegrau für die Entscheidung der
Kammer keinerlei Bedeutung zu.
Aufgrund der
Aussage der Zeugin Irmgard Pansegrau sieht die Kammer die Einlassung des
Angeklagten, er sei am nächsten Tag verhaftet und nach Auschwitz gebracht
worden, als richtig an. Frau Pansegrau hat hierzu bei ihrer Vernehmung in
der Hauptverhandlung ausgesagt, ihr Mann sei am Tag nach dem Vorfall mit
Zitzmann verhaftet und nach Auschwitz gebracht worden.
Was die Dauer der
Abwesenheit des Angeklagten Pansegrau von Jaworzno betrifft, hat Frau
Pansegrau als Zeugin bekundet, ihr Mann sei Ende Juli 1944 aus Auschwitz
zurückgekommen und habe von da an seinen Dienst wieder im Lager Jaworzno
ausgeübt.
Da die Kammer, was
noch darzulegen sein wird, den Angeklagten Pansegrau in den in dem
fraglichen Zeitraum im Sommer 1944 bzw. Herbst 1944 angeklagten Einzelfällen
schon aus anderen Gründen nicht für überführt ansieht, hat sie davon
abgesehen, die Zeugin Pansegrau nochmals vorzuladen und ihr die geänderte
Einlassung ihres Mannes über die Dauer seines Aufenthaltes in Auschwitz
vorzuhalten. Aus dem gleichen Grund brauchte auch nicht dem von Rechtsanwalt
Fischer als Verteidiger des Angeklagten Pansegrau gestellten
Hilfsbeweisantrag auf Vernehmung der Zeugin Emma Hadamczyk entsprochen zu
werden. Frau Hadamczyk ist hilfsweise als Zeugin dafür benannt worden, daß
sich der Angeklagte Pansegrau von Ostern 1944 bis September 1944 nicht im
Lager Jaworzno aufgehalten hat.
3. Aufgrund des
Ergebnisses der Beweisaufnahme geht die Kammer davon aus, daß der Angeklagte
Pansegrau bei den im Lager Jaworzno inhaftierten Häftlingen den Spitznamen
- 381 -
„Besen“ hatte, für
den, je nachdem welcher Sprachgruppe die Häftlinge angehörten, auch die
Bezeichnungen „Mietliczka“, „Mietla“ oder „Miotelka“ verwendet worden sind.
Dies haben unter
anderem die Zeugen Sicinski, Pasikowski, Bulaty, Kafka, Glapinski, Fried,
Orenbach, Dr. Braun, Lopaczewski und Usielski bestätigt.
Diese Zeugen haben
auch bekundet, daß entgegen der Einlassung des Angeklagten Pansegrau der
Namen Besen oder Mietliczka nicht für den Blockführer Paul Kraus verwendet
worden ist, sondern daß dieser wegen einer Verletzung an der Hand „Lapka“
genannt wurde (vgl. Bl. 109).
Allerdings geht
die Kammer nicht davon aus, daß alle Zeugen, die in ihrer Vernehmung von dem
SS.Mann Mietliczka gesprochen haben, deshalb zwangsläufig den Angeklagten
Pansegrau meinen. Darauf wird bei der Würdigung der einzelnen
Zeugenaussagen, soweit erforderlich, noch näher eingegangen werden.
4. Dagegen sieht
es die Kammer aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht als erwiesen
an, daß der Angeklagte Pansegrau im Lager Jaworzno ständig oder auch nur oft
einen Schäferhund oder einen anderen Hund mit sich geführt hat.
Der Angeklagte hat
sich dahingehend eingelassen, von den Kommandanturangehörigen habe nur Paul
Kraus einen Hund gehabt, und zwar einen Schäferhund. Diesen habe er in das
Lager mitgenommen und auch auf Häftlinge gehetzt. Er habe aber selbst nie
gesehen, daß der Hund dabei einen Häftling gebissen habe. Kraus habe seinen
Hund immer noch rechtzeitig zurückgepfiffen. Er selbst habe im Lager
Jaworzno nie einen Hund gehabt, auch nicht den von Kraus.
- 382 -
Die Kammer sieht
diese Einlassung durch das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht als widerlegt
an.
Zunächst ist hier darauf hinzuweisen, daß praktisch alle Zeugen, die sich an
den SS.Mann Paul Kraus, von den Häftlingen „Lapka“ genannt, erinnert haben,
bekundet haben, dieser SS.Mann habe im Lager Jaworzno einen Schäferhund
gehabt. Die Kammer geht deshalb davon aus, daß Kraus in Jaworzno tatsachlich
einen solchen Hund hatte.
Die Zeugen Zejer,
Dr. Heller, Pasikowski und Smigielski haben übereinstimmend bekundet, von
den Angehörigen der Lagerkommandantur hätten nur der Lagerführer Pfütze und
der Blockführer Kraus einen Hund gehabt. Der Zeuge Smigielski, der wie
bereits ausgeführt, als Kapo der Bekleidungskammer ständig im Lager selbst
war, hat weiter ausgesagt, nur Kraus sei immer mit seinem Hund in das Lager
gekommen. Der Hund des Lagerführers Pfütze sei dagegen nur sehr selten im
Lager zu sehen gewesen.
Auch die Zeugen
Jakubtschak, Mosche Jachimowicz, Orenbach, Swift und Weltfreid haben
ausgesagt, von den im Lager selbst tätigen SS.Leuten habe nur der
Blockführer Kraus einen Hund gehabt. Die Zeugen Mosche Jachimowicz, Orenbach,
Usielski und Weltfreid haben darüberhinaus ausdrücklich erklärt, der
Angeklagte Pansegrau habe in Jaworzno niemals selbst einen Hund gehabt.
Der Zeuge Zitzmann,
bis zu seiner Auseinandersetzung mit dem Angeklagten Pansegrau an Ostern
1944 Spieß der Wachkompanie in Jaworzno, hat bei seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung bekundet, in Jaworzno habe es keine Diensthunde gegeben.
Außer ihm selbst - er habe einen Schäferhund gehabt - habe nur noch ein
Angehöriger der Lagerkommandantur einen Hund gehabt. Er sei sich ganz
sicher, daß Pansegrau keinen Hund gehabt habe. Für seinen eigenen Hund habe
es in der Nahe der SS.Baracken einen Zwinger gegeben. Wo der andere SS.Mann
seinen Hund untergebracht habe, wisse er nicht mehr.
- 383 -
Auch die Ehefrau
des Angeklagten Pansegrau, die Zeugin Irmgard Pansegrau, hat ausgesagt Paul
Kraus, den sie als Kollege ihres Mannes 1943 in Jaworzno kennengelernt habe,
habe immer einen Schäferhund mit sich geführt. Auch Zitzmann habe in
Jaworzno einen Hund gehabt. Ihr Mann selbst hat während seines Aufenthaltes
in Jaworzno keinen eigenen Hund gehabt.
Unter
Berücksichtigung der Aussagen dieser Zeugen, insbesondere der über das Lager
und die dort eingesetzten SS. Leute gut informierten Funktionshäftlinge wie
Zejer, Dr. Heller, Pasikowski und Smigielski, hält die Kammer die Aus sagen
der Zeugen, die den Angeklagten Pansegrau oder den SS.Mann mit dem
Spitznamen Besen oder Mietliczka im Lager immer mit einem Hund gesehen haben
wollen, nicht für zuverlässig. Im einzelnen handelt es sich hierbei
insbesondere um die Zeugen Charlupski, Frenkel, Fried, Krawicki, Lerer,
Leszczinsky, Schuler, Schwarz, Kowalczyk, Zimmermann und Josef Sieradzki.
Die Zeugen Krawicki und Josef Sieradzki zum Beispiel haben bekundet, nur
Mietliczka habe von den Angehörigen der Lagerkommandantur in Jaworzno einen
Hund gehabt. Diese Aussagen sind, wie bereits dargelegt, insoweit nicht
richtig.
II. Anklagepunkt
II 1 (Erschießung eines Häftlings auf dem Rückweg von der Baustelle in das
Lager):
1. In diesem Fall
der Anklage liegt dem Angeklagten Pansegrau zur Last, an einem nicht mehr
feststellbaren Tag im Sommer 1944 einen Häftling des Kommandos Kraftwerk
Wilhelm auf dem Rückweg von der Arbeitsstelle in das Lager erschossen zu
haben. Als direkte Tatzeugen hat die Staatsanwaltschaft in der
Anklageschrift die Zeugen
- 384 -
Szabtei
Leszczinsky,
Benjamin
Jachimowicz,
Mosche Jachimowicz,
Josef Sieradzki
und
Aron Pernat
benannt.
Als möglichen
Tatzeugen hat die Staatsanwaltschaft den
Zeugen David
Preisler aufgeführt. In diesem Punkt der Anklage hat die Staatsanwaltschaft
in ihrem Schlußvortrag die Verurteilung des Angeklagten Pansegrau beantragt.
2.1. Bei dem am
Bau des Kraftwerkes Wilhelm eingesetzten Häftlingskommando handelte es sich
bei einer Größe von zeitweise 1.700 bis 2.000 Häftlingen Um das größte
Außenkommando des Lagers Jaworzno (vgl. Seite 19 und 105).
2.2. Im Gegensatz
zum eigentlichen Lagerbereich geht die Kammer aufgrund des gesamten
Ergebnisses der Hauptverhandlung davon aus, daß es bei den Außenkommandos,
insbesondere auf dem Weg zwischen Lager und Arbeitsstelle bzw. beim Rückweg
zu Erschießungen von Häftlingen durch die sie begleitenden
SS.Wachmannschaften gekommen ist. Hier sei nur auf das bereits mehrfach
erwähnte Buch „Rückkehr unerwünscht“ von Dr. Novy aus dem Jahre 1949
verwiesen, in dem es dazu heißt:
....Die Posten im
Kraftwerk, bewaffnete SS.Wachen, das ist ein Kapitel für sich. Sie
beschießen die Häftlinge nur so aus Spaß, der erste „auf der Flucht
Erschossene“ ist der deutsche Jude Emil Klein, getötet am 2. Tag nach Beginn
der Arbeit am Bau des Elektrizitätswerkes. Und dann ging es wie am laufenden
Band. Kein Tag verging, an dem nicht vom Kraftwerk zum abendlichen „Appell“
- 385 -
tote Märtyrer
gebracht worden wären, getötet entweder von den Kapos wegen schlechter
Arbeitsleistung oder von den nazistischen Mördern in Wehrmachtsuniform aus
Laune erschossen.“....
Daß es zu solchen
Erschießungen gekommen ist, ergibt sich auch aus dem Standortbefehl Nr.
45/43 vom 8.10.1943 des Konzentrationslagers Auschwitz.
Ziffer 1 dieses
Standortbefehls hat folgenden Wortlaut:
1. Belobigung.
Dem
SS-Rottenführer Wilhelm R e i c h e l , 5./SSTStuba.K.L.Au. gelang es, von
3 gemeinsam flüchtenden Häftlingen 2 auf der Flucht zu erschießen. Dieser
Fluchtversuch fand unter günstigsten Fluchtbedingungen am 21.9.43, 22.00 Uhr
beim Außenkommando Neu-Dachs statt und Reichel hat sich hierbei umsichtig
und geistesgegenwärtig gezeigt. Ich spreche ihm meine Anerkennung aus. ....
Bei dem
Außenkommando Neu-Dachs handelt es sich, wie sich auch aus anderen
Dokumenten und Zeugenaussagen ergibt, um das Lager Jaworzno.
3.1. Zu der
Aussage des Zeugen Benjamin Jachimowicz vor dem Amtsgericht in Tel Aviv
wurde bereits auf Seite 277 Stellung genommen und darauf hingewiesen, daß
ihm die Kammer wegen der zahlreichen Widersprüche in seiner polizeilichen
Vernehmung vom 20.4.1976 und seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel
Aviv nicht für zuverlässig und glaubwürdig hält.
Dieser Zeuge hatte
bei seiner polizeilichen Vernehmung, die von dem Zeugen Edelsberg allein
durchgeführt worden ist die und dem Zeugen im Rahmen seiner Vernehmung vor
dem Amtsgericht in Tel Aviv wiederholt vorgehalten wurde, unter anderem
ausgesagt, er sei selbst Zeuge einer Erschießung durch
- 386 -
den SS.Mann
Panzergrau auf dem Rückweg von der Baustelle in das Lager gewesen. Nicht
weit vom Lager entfernt habe einer der Häftlinge einen Schwächeanfall
erlitten und zu hinken begonnen. Um die Marschkolonne nicht aufzuhalten,
habe er diese verlassen und sei außerhalb der Kolonne weitermarschiert. Ganz
plötzlich sei auf diesen Häftling Panzergrau zugesprungen, habe ihm von
hinten einen Schlag versetzt und ihm befohlen, schneller zu laufen.
Gleichzeitig habe er seine Pistole herausgezogen und aus unmittelbarer Nähe
2 Schüsse auf den Hinterkopf des betreffenden Häftlings abgegeben und ihn so
an Ort und Stelle getötet. Er selbst sei von dem Tatort nur ungefähr 10
Meter entfernt gewesen.
In seiner
Vernehmung vor dem Amtsgerichts in Tel Aviv erwähnte dieser Zeuge auf die
Frage, ob er selbst gesehen habe, daß der SS.Mann Pansegrau im Lager
Jaworzno einen Häftling getötet habe, diesen Vorfall nicht. Er erklärte
vielmehr, er habe in Jaworzno nie gesehen, daß einer der Angeklagten einen
Häftling erschossen habe. Er habe bzgl. des Angeklagten Pansegrau nur von
einem solchen Fall einer Häftlingserschießung gehört. Auf dem Rückweg vom
Kraftwerksgelände in das Lager habe ein Häftling versucht, zu flüchten.
Einige SS.Leute, darunter auch Mietliczka hätten ihre Waffen angelegt und
dem Häftling zugeschrieen, zu halten. Dieser habe auch angehalten, sei in
die Häftlingskolonne zurückgekehrt und dann in das Lager mitgegangen. Bei
dieser Gelegenheit sei kein Schuß gefallen, auch kein Warnungsschuß. Er habe
dann später gehört, der betreffende Häftling sei von Mietliczka noch am
selben Tag erschossen worden.
Nach Vorhalt
seiner polizeilichen Aussage erklärte der Zeuge dann, er bleibe dabei, daß
er in diesem Fall die Erschießung des Häftlings nicht selbst gesehen habe.
3.2. Zur Aussage
des Zeugen Aron Pernat wurde bereits auf Seite 278 Stellung genommen.
- 387 -
Der Zeuge Aron
Pernat hat bei seiner polizeilichen Vernehmung, die ebenso wie bei dem
Zeugen Benjamin Jachimowicz von dem Polizeibeamten Edelsberg ohne Teilnahme
eines Staatsanwaltes durchgeführt worden ist, auf Befragen ausgesagt, er sei
Augenzeuge gewesen, als Mietliczka im Sommer 1944 einen Häftling erschossen
habe. Dieser Vorfall habe sich auf dem Rückweg vom Gelände des Kraftwerks in
das Lager ereignet. Ein Häftling sei wegen eines Schwächeanfalls nach und
nach zurückgeblieben, wodurch das Marschtempo der Kolonne immer langsamer
geworden sei. Der SS.Mann mit dem Spitznamen Mietliczka habe dies bemerkt
und sei wie ein Tiger auf den Häftling zugesprungen und habe ihn geschlagen
und aus der Marschkolonne herausgezogen. .Anschließend habe Mietliczka den
Häftling brutal nach hinten geschubst und sei hinter dem Häftling
hergelaufen. Schließlich habe er seine Pistole herausgeholt und von ganz
naher Entfernung einen oder 2 Schüsse auf den Kopf dieses Häftlings
abgegeben und ihn so an Ort und Stelle getötet. Zn Beginn seiner Vernehmung
hatte er zu den Bildern, die den Angeklagten Pansegrau darstellen, erklärt,
dies sei der Mietliczka.
An diesen Vorfall
hat sich der Zeuge Pernat bei seiner Vernehmung durch den israelischen
Richter zunächst nicht erinnert. Er schilderte vielmehr hinsichtlich des
SS.Mannes Mietliczka einen Fall, bei dem dieser auf dem Gelände der
Baustelle des Kraftwerkes einem Häftling die Mütze vom Kopf gerissen, diese
außerhalb einer bestimmten Fläche, die der Häftling habe nicht verlassen
dürfen, geworfen und dann den Häftling erschossen habe. Einen ähnlichen Fall
schilderte der Zeuge auch hinsichtlich des von ihm erwähnten Rapportführers.
Beide Fälle sind in dem Protokoll über die polizeiliche Vernehmung des
Zeugen nicht enthalten. Erst nachdem dem Zeugen Pernat seine polizeiliche
Aussage in diesem Punkt vorgehalten worden war, erklärte der Zeuge er
erinnere sich jetzt an diesen Vorfall, der sich hinter ihm abgespielt habe.
- 388 -
3.3. Der Zeuge
Josef Sieradzki wurde am 24.10.1977 in der Hauptverhandlung vernommen.
Dabei hat er
ausgesagt, er sei etwa im Oktober 1943 nach Jaworzno gekommen und bis zur
Evakuierung des Lagers dort geblieben. Während der ganzen Dauer seines
Aufenthaltes in Jaworzno habe er beim Bau des Kraftwerkes gearbeitet.
Auf dem Rückweg
von der Arbeitsstelle in das Lager habe er einmal gesehen, wie der SS.Mann,
der ihm unter dem Namen Mietliczka bekannt gewesen sei, einen Häftling
erschossen habe. Mietliczka sei damals blond, schlank und etwa 20 bis 21
Jahre alt gewesen. Er habe ihn im Lager immer mit einem Hund gesehen. Andere
SS.Leute, insbesondere den ihm unter dem Namen Lapka bekannten Blockführer,
habe er im Lager nicht mit einem Hund gesehen.
Der Vorfall der
Erschießung des Häftlings habe sich etwa 2 Monate nach seiner Ankunft in
Jaworzno, also Ende 1943 nach Arbeitsschluß auf dem Weg ins Lager ereignet.
Ein Häftling, der
einige Reihen vor ihm gewesen sei, sei nach rechts ans der Kolonne
herausgegangen. Mietliczka, der sich in der Nähe aufgehalten habe, habe ihm
den Befehl erteilt, weiterzulaufen. Dann habe er seine Pistole gezogen und
einen oder zwei Schüsse auf den Häftling abgegeben, der sofort
zusammengebrochen sei. Die Kolonne habe nicht angehalten, sondern sei
weitermarschiert. Der Häftling sei von hinten getroffen worden und er selbst
habe später im Lager gehört, daß der Häftling verstorben sei. Zum Zeitpunkt
des Vorfalls sei Mietliczka etwa 5 - 7 Meter von dem Häftling entfernt
gewesen und der ganze Vorfall habe sich unmittelbar vor ihm selbst
abgespielt.
3.4. Der Zeuge
Mosche Jachimowicz hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung
ausgesagt, er sei etwa im September 1943 nach Jaworzno gekommen, wo er bis
zur Evakuierung dieses
- 389 -
Lagers verblieben
sei. Etwa ein halbes Jahr lang, vielleicht bis Mal 1944, sei er beim
Außenkommando am Kraftwerk gewesen. Anschließend sei er zur Arbeit in der
Rudolfsgrube eingesetzt worden. Noch im Winter 1943 habe er beobachtet, wie
beim Rückmarsch von der Baustelle des Kraftwerkes ein Häftling, der vor ihm
gelaufen sei, nach rechts aus der Kolonne gegangen und zurückgeblieben sei.
Der Angeklagte Pansegrau, der bei den Häftlingen den Spitznamen Mietliczka
gehabt habe, habe den Häftling geschubst und angeschrieen. Nachdem er selbst
den Häftling und den SS.Mann Pansegrau bereits passiert gehabt habe, habe er
hinter sich einen Schuß gehört, worauf er sich umgedreht habe. Dabei habe er
den SS.Mann Pansegrau mit einer Pistole in der Hand etwa eineinhalb bis
einen Meter von dem Häftling entfernt gesehen. Der Häftling sei ganz mit
Blut verschmiert gewesen und habe schon am Boden gelegen. Daran, ob auch
andere SS.Leute, mit oder ohne Waffen in der Hand in der Nähe gewesen seien,
könne er sich nicht mehr erinnern. Der getroffene Häftling sei von anderen
Häftlingen mit einer Tragbahre in den Krankenbau des Lagers gebracht worden.
Das habe er selbst gesehen, als er schon im Lager gewesen sei. Mehr könne er
über das Schicksal des Häftlings, bei dem es sich um einen etwa 4o Jahre
alten Juden gehandelt habe, nicht sagen.
3.5. Der Zeuge
David Preisler kam, wie bereits erwähnt, im Juni 1944 als Häftling nach
Jaworzno. Bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung hat er ausgesagt, er
habe während seines Aufenthaltes in Jaworzno immer dem sogenannten
Gleisbaukommando angehört. Dieses Kommando sei etwa mit 80 Häftlingen belegt
gewesen. Auf dem Rückweg ins Lager habe er einmal im September oder Oktober
1944 gesehen, wie ein SS.Mann auf einen Häftling namens Pasternak geschossen
habe. Er glaube, Täter in diesem Fall sei ein SS.Mann gewesen, der im Lager
immer einen Hund gehabt und dem an einer Hand die Finger gefehlt hätten.
- 390 -
3.6. Da der Zeuge
Szabtei Leszczinsky wegen seines schlechten Gesundheitszustandes weder in
der Hauptverhandlung noch im Wege der Rechtshilfe vernommen werden konnte,
wurde die Niederschrift über seine Aussage vor der Israel-Polizei vom
19.3.1976 (22, 165 ff) in der Hauptverhandlung verlesen.
Nach der in
deutscher Sprache gefertigten Niederschrift hat der Zeuge Leszczinsky damals
folgendes ausgesagt:
...“Besser kann
ich mich erinnern an die Erschießung eines Häftlings auf dem Weg von der
Baustelle zum Lager. Ich habe gesehen, wie Mietliczka einen Häftling, von
dem man nachher gesagt hat, er sei ein Jude, aus der Reihe herausgenommen
hat. Der Häftling ging etwa 20 - 36 Meter vor mir in der Kolonne und lahmte.
Er hielt die Kolonne auf und kam nicht mehr mit. Ob der Häftling in der
Mitte der Kolonne ging oder außen, kann ich nicht sagen. Ich habe aber
gesehen, wie Mietliczka den Häftling mit der Hand herausgenommen hat und ihn
gestoßen hat. Dann hat er mit einer Pistole auf ihn geschossen. Wohin er ihn
getroffen hat, kann ich nicht sagen. Mietliczka war von dem Häftling nur
wenige Meter entfernt. Der Häftling wurde erschossen, während er noch ging.
Mietliczka hat ihn von hinten erschossen. Der Häftling gab kein
Lebenszeichen mehr. Einige von uns mußten ihn in das Lager zurücktragen. ...
Als Mietliczka auf den Häftling schoß, war es Spätnachmittag und hell. Es
war ein Sommertag, vielleicht im Mai oder Juni 1944. ...“
Weiter hat der
Zeuge Leszczinsky damals ausgesagt, er sei etwa im Herbst 1943 nach Jaworzno
gekommen und habe zunächst 2 oder 3 Monate auf dem Außenkommando gearbeitet.
Anschließend sei er in die Dachsgrube gekommen. Nach einer Verletzung sei er
längere Zeit im Krankenbau gelegen. Nach seiner Genesung sei er wieder dem
Außenkommando zugeteilt und sei auch zu Arbeiten innerhalb des Blocks
herangezogen worden.
- 391 -
Zuletzt sei er
beim Aufbau der Richardgrube beschäftigt gewesen.
Auf die Frage nach
SS.Leuten erklärte der Zeuge Leszczinsky unter anderem:
..."Von den
SS.Leuten des Lagers Jaworzno erinnere ich mich an:
Mietliczka. An ihn
erinnere ich mich besonders gut, weil ich von ihm persönlich Schläge
bekommen habe. Er war ein junger, schlanker, großer, blonder SS.Mann, damals
21 oder 22 Jahre alt. ...
Rapportführer,
seinen Namen kenne ich nicht, mittelgroß, breit, schwarzhaarig, knapp 30
Jahre alt. Ich kann mich nicht erinnern, daß einmal ein anderer als dieser
Mann Rapportführer in Jaworzno war. Ob er immer da war, kann ich nicht
sagen. Ich erinnere mich hauptsächlich an ihn“....
Bei Vorlage des
Bildbandes erklärte der Zeuge zu Bild Nr. 27, das den Angeklagten Pansegrau
darstellt, diese Person sei der Mietliczka, da sei er sich sicher.
An die Namen der
beiden Angeklagten hat sich der Zeuge nach dem Inhalt der Niederschrift
nicht erinnert.
Weiter wurde gem.
§ 251 Abs. 2 StPO die Angaben verlesen, die der Zeuge Leszczinsky am
28.10.1960 im Rahmen seines Wiedergutmachungsverfahrens über seinen
Aufenthalt im Lager Jaworzno gemacht hat (57, 5466 a, b).
In dieser
Erklärung hat der Zeuge Leszczinsky ausgeführt, bis zu seiner Einlieferung
in das Konzentrationslager Jaworzno sei er gesund gewesen. In diesem Lager
habe er zunächst schwere Zwangsarbeit in den dortigen Kohlengruben
verrichten müssen. Eines Tages habe er während der Zwangsarbeit in einer
Kohlengrube einen Unfall erlitten, sodaß er In den Krankenbau gekommen sei.
Nach etwa 4 Wochen sei er aus dem Krankenbau wieder entlassen worden. Danach
sei er "nur" zum Stubendienst verwendet worden.
- 392 -
Schließlich wurde,
da der Zeuge Edelsberg verstorben ist, auch der von Edelsberg gefertigte und
unterschriebene Zwischenbericht Nr. 28 vom 31.5.1975 über eine
informatorische Befragung des Zeugen Leszczinsky verlesen (21, 31 und 42).
Nach dem Inhalt dieses Berichtes erklärte der Zeuge Leszczinsky damals, er
sei von Sommer 1943 bis zur Liquidierung des Lagers in Jaworzno inhaftiert
gewesen. Er sei die ganze Zeit in der Kohlengrube beschäftigt
gewesen. Von den SS.Leuten sei ihm nur einer in Erinnerung geblieben, der
damals den Spitznamen Mietliczka gehabt habe. Dieser habe einmal auf dem
Rückweg von der Arbeit einen Häftling, der nicht schnell genug habe gehen
können erschossen. Er selbst sei von Mietliczka auch geschlagen und von
seinem Hund gebissen worden, sodaß er lange im Revier habe liegen müssen.
Diese Angaben
wurden dem Zeugen Leszczinsky nach dem Inhalt der Niederschrift vom
19.3.1976 bei dieser Vernehmung nicht vorgehalten.
4. Bei Würdigung
dieser Zeugenaussagen geht die Kammer davon aus, daß den Aussagen der Zeugen
Benjamin Jachimowicz, Aron Pernat und David Preisler in diesem Anklagepunkt
keine Bedeutung zukommt. Die Zeugen Benjamin Jachimowicz und Aron Pernat
haben sich an einen solchen Fall einer Häftlingserschießung nicht von sich
aus erinnert, der Zeuge Benjamin Jachimowicz nicht einmal nach Vorhalt
seiner früheren Aussage. Dies beweist, daß die beiden Zeugen keine sichere
und zuverlässige Erinnerung an einen solchen Vorfall mehr haben.
Der Zeuge Preisler
scheidet als möglicher Tatzeuge schon deswegen aus, weil er während seines
Aufenthaltes in Jaworzno niemals diesem Kommando angehört hat. im übrigen
nennt er für den von ihm beobachteten Fall einer Häftlingserschießung den
SS.Mann ohne Finger, der immer einen Hund dabeigehabt habe, also Kraus oder
Lapka, als möglichen Täter.
- 393 -
5. Auch die Zeugen
Mosche Jachimowicz und Josef Sieradzki kommen bei dem Inhalt ihrer in der
Hauptverhandlung gemachten Anasagen als Tatzeugen für die dem Angeklagten
Pansegrau im Anklagepunkt II 1 zur Last gelegte Erschießung eines Häftlings
nicht in Betracht.
Angeklagt ist in
diesem Fall die Erschießung eines Häftlings des Kraftwerkkommandos beim
Rückweg von der Arbeitsstelle ins Lager an „einem nicht mehr feststellbaren
Tag im Sommer 1944“. Die Übernahme dieses Tatzeitpunktes durch die
Staatsanwaltschaft in die Anklageschrift beruht offenbar auf der Aussage des
Zeugen Leszczinsky, der bei seiner polizeilichen Vernehmung nach dem Inhalt
des Protokolls dazu sagte:
...“Es war ein
Sommertag, vielleicht im Mai oder Juni 1944.“
Gemäß § 264 StPO
ist Gegenstand der Urteilsfindung die in der Anklage bezeichnete Tat, wie
sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. Unter Tat in diesem
Sinne ist ein konkretes Vorkommnis zu verstehen, ein einheitlicher
geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen
unterscheidet und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand
verwirklicht hat oder haben soll. Durch die Beschreibung der Tat in der
Anklage wird das Gebiet umgrenzt, auf das sich die Verhandlung -
einschließlich der Verteidigung des Angeklagten - und die Urteilsfindung er
streckt . Maßgebend ist, welche Tat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten
zur Last gelegt hat (vgl. Kleinknecht, StPO, 34. Auflage Rd.Zi. 2 zu 264
StPO; Loewe-Rosenberg, StPO, 22. Auflage, Anm. 3 zu § 264 StPO; BGH, St 22,
385).
Gegenstand des
Verfahrens ist demnach allein die Erschießung eines Häftlings des
Kraftwerkskommandos im Sommer 1944.
Eine Umgestaltung
und Umdeutung der Anklage in dem Sinne, daß die Erschießung irgend eines
beliebigen Häftlings des Kraftwerkkommandos zu irgendeinem Zeitpunkt
zwischen Juni 1943 und Januar 1945 durch den Angeklagten Pansegrau angeklagt
- 394 -
ist, erscheint
nicht zulässig. Denn in einem solchen Fall würde - da, wie ausgeführt, davon
auszugehen ist, daß es bei diesem Kommando öfters zu Erschießungen von
Häftlingen gekommen ist - die Verteidigung des Angeklagten Pansegrau in
unzulässiger Weise erschwert und unmöglich gemacht werden (vgl.
Loewe-Rosenberg, Anm. 4 aaO). Dabei ist darauf hinzu weisen, daß sich der
Angeklagte Pansegrau im vorliegenden Fall der Anklage auch damit verteidigt
hat, im Sommer 1944 sei er gar nicht im Lager Jaworzno gewesen und könne
deshalb nicht der Täter in diesem angeklagten Fall sein.
Da die beiden
Zeugen Josef Sieradzki und Mosche Jachimowicz die Erschießung eines
Häftlings durch den Angeklagten Pansegrau im Sommer 1944 nicht gesehen
haben, scheiden sie als mögliche Tatzeugen aus. Bet dem Zeugen Mosche
Jachimowicz kommt noch hinzu, daß er im Sommer 1944 nach seinen eigenen
Angaben nicht dem Kraftwerkskommando, sondern einem Grubenkommando angehört
hat.
6. Als einziger
möglicher Tatzeuge kommt deshalb in diesem Punkt der Anklage der Zeuge
Szabtei Leszczinsky in Betracht.
Bet einer
Gesamtwürdigung der von dem Zeugen über seinen Aufenthalt im Lager Jaworzno
vorliegenden Äußerungen aus dem Jahre 1960, 1975 und 1976 ist die Kammer der
Überzeugung, daß der Zeuge Leszczinsky während seines Aufenthaltes im Lager
Jaworzno niemals dem Kraftwerkskommando angehört hat.
Dies ergibt sich
insbesondere aus der schriftlichen Äußerung des Zeugen im Rahmen seines
Wiedergutmachungsverfahrens. In diesem Verfahren hat der Zeuge schon im
Jahre 1960, also nur 15 Jahre nach Kriegsende und 15 Jahre vor seiner ersten
Befragung durch den Polizeibeamten Edelsberg von sich aus sehr genau und
lückenlos Angaben über die Reihenfolge und die Art seines Arbeitseinsatzes
im Lager Jaworzno gemacht. Wie bereits erwähnt, hat der Zeuge dabei mit
keinem Wort ausgeführt, daß er jemals dem Kraftwerkskommando zugeteilt
gewesen ist.
- 395 -
Auch bei seiner
informatorischen Befragung durch den Zeugen Edelsberg im Jahre 1975 hat der
Zeuge Leszczinsky nach dem von dem Zeugen Edelsberg gefertigten Bericht
erklärt, er sei die ganze Zeit in einer Kohlengrube beschäftigt gewesen.
In diesem
Zusammenhang tat auch darauf hinzuweisen, daß der aus der selben Stadt wie
der Zeuge Leszczinsky stammende Zeuge Josef Sieradzki ausgesagt hat,
Leszczinsky sei bei einem Grubenkommando gewesen. Davon, daß Leszczinsky
auch einmal zusammen mit ihm dem Kraftwerkskommando zugeteilt gewesen sei,
hat der Zeuge Sieradzki nichts erwähnt.
Unter diesen
Umständen hält die Kammer die Angaben des Zeugen in seiner polizeilichen
Vernehmung aus dem Jahre 1976, daß er mehrmals dem Kraftwerkskommando
angehört habe, nicht für glaubhaft.
Für die
Erschießung eines Häftlings des Kraftwerkskommandos kommt der Zeuge
Leszczinsky deshalb als Tatzeuge nicht in Betracht.
Im übrigen
erscheinen der Kammer die Angaben, die der Zeuge in seiner polizeilichen
Vernehmung über den angeblichen Täter gemacht hat, nicht so zuverlässig, um
hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau stützen zu können.
Zwar trifft die
recht allgemeine Beschreibung, die der Zeuge dabei von dem SS.Mann
Mietliczka gegeben hat (junger, schlanker, großer, blonder SS.Mann, damals
21 oder 22 Jahre alt) im wesentlichen auf den Angeklagten Pansegrau zu. Auch
hat der Zeuge zu einem Bild des Angeklagten Pansegrau (Bild 27 des
Bildbandes) erklärt, das sei sicher der SS.Mann Mietliczka. Allerdings hat
der Zeuge zu der Person des SS.Mannes Mietliczka auch bekundet, er sei im
Lager immer mit einem Hund herumgelaufen. Wie bereits ausgeführt, trifft
diese Beschreibung nicht auf den Angeklagten Pansegrau, sondern, jedenfalls
von den im Lager eingesetzten Blockführern ,nur auf den SS.Unterscharführer
Kraus zu. Obwohl der Zeuge zu Beginn seiner.
- 396 -
Vernehmung erklärt
hatte, von den SS.Leuten erinnere er sich auch an Lapka, ist er nach dem
weiteren Inhalt der Niederschrift vom 19.3.1976 nicht naher nach diesem
SS.Mann gefragt worden.
Da der Zeuge
Leszczinsky fälschlicherweise davon ausgeht, der SS.Mann Mietliczka habe im
Lager ständig einen Hund gehabt, kann nach Meinung der Kammer nicht sicher
ausgeschlossen werden, daß er diesen SS.Mann in seiner Erinnerung mit dem
Unterscharführer Paul Kraus verwechselt.
Weiter ergibt sich
aus der Aussage des Zeugen Josef Sieradzki, daß Leszczinsky an den
Angeklagten Pansegrau keine sichere Erinnerung mehr hat. Der Zeuge Josef
Sieradzki, der aus der gleichen Stadt wie der Zeuge Leszczinsky stammt, hat
im Rahmen seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung bekundet, er wisse
heute, daß der Rapportführer Pansegrau und der SS.Mann mit dem Spitznamen
Mietliczka Olejak heiße. Dies habe er von Leszczinsky erfahren. In diesem
Zusammenhang ist nochmals daraufhinzuweisen, daß sich der Zeuge Leszczinsky
bei seiner polizeilichen Vernehmung weder an den Namen Olejak noch an den
Namen Pansegrau erinnert hat.
Die Kammer hält
deshalb insgesamt die Aussage des Zeugen Leszczinsky nicht für sicher und
zuverlässig genug, um hierauf eine Verurteilung stützen zu können.
Unter diesen
Umständen kam der Einlassung des Angeklagten und dem insoweit gestellten
Hilfsbeweisantrag, daß er nämlich im Sommer 1944 nicht in Jaworzno gewesen
sei, keine Bedeutung mehr zu.
- 397 -
7. Nur hilfsweise
ist darauf hinzuweisen, daß nach Auffassung der Kammer auch darin nicht eine
Verurteilung des Angeklagten Pansegrau in diesem Punkt der Anklage erfolgen
könnte, wenn davon ausgegangen werden müßte, daß auch die Erschießung eines
Häftlings Ende 1943 von der Anklage mitumfaßt wäre.
Die Kammer geht
zwar, wie erwähnt, davon ans, daß es bei den Außenkommandos des Lagers
Jaworzno, also auch bei dem am Bau des Kraftwerks Wilhelm eingesetzten
Häftlingskommando, zu Erschießungen von Häftlingen gekommen ist. Das Gericht
sieht deshalb die Aussagen der Zeugen Josef Sieradzki und Mosche
Jachimowicz, was den Tatablauf selbst betrifft, durchaus für glaubhaft an.
Die Aussagen dieser Zeugen reichen aber nicht ans, um den Angeklagten
Pansegrau mit einer zu einer Verurteilung ausreichenden Sicherheit als Täter
überführen zu können.
Der Zeuge Mosche
Jachimowicz hat, wie bereits ausgeführt, das Schießen auf den Häftling
selbst nicht gesehen, da sich dieser Vorfall hinter ihm abgespielt hat. Der
Zeuge hat sich, wie er selbst bekundet hat, erst umgedreht, als er hinter
sich einen Schuß gehört hat. Auch wenn der Zeuge Jachimowicz in diesem
Augenblick den Angeklagten Pansegrau mit einer Pistole in der Hand in der
Nähe eines am Boden liegenden Häftlings gesehen hat, beweist dies nicht
sicher, daß es der Angeklagte Pansegrau war, der auf den Häftling geschossen
hat. Alle Häftlingskommandos wurden auf dem Weg vom Lager zur Arbeitsstelle
und zurück von einem Kommando der Wachmannschaft des Lagers Jaworzno
begleitet, wobei die Angehörigen des Wachkommandos links und rechts der
Häftlingskolonne liefen. Die Frage, ob andere SS.Leute in der Nähe des
Häftlings waren und ob diese gegebenenfalls ebenfalls eine Waffe in der Hand
hatten, konnte der Zeuge nicht beantworten. Unter dieses Umständen kann
nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß der Schuß auf das Opfer, den
der Zeuge Jachimowicz
- 398 -
gehört hat, von
einem nicht näher bekannten Mitglied der Wachmannschaft abgegeben worden
ist.
Zur Aussage des
Zeugen Josef Sieradzki ist zu bemerken, daß dieser nach seiner Aussage in
der Hauptverhandlung die Erschießung des Häftlings selbst gesehen hat, da
sie sich vor ihm abgespielt hat.
Aufgrund der
Bekundungen des Zeugen zu der Person des Täters kann nach Auffassung der
Kammer aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit geschlossen werden, daß
der Zeuge damit tatsächlich den Angeklagten Pansegrau gemeint hat.
Zn Beginn seiner
Vernehmung in der Hauptverhandlung, als sich die beiden Angeklagten noch im
Zuhörerraum des Sitzungssaales unter mehreren Vergleichspersonen befanden,
deutete der Zeuge Josef Sieradzki auf den Ergänzungsschöffen Zang und
erklärte, er glaube, sich an diese Person erinnern zu können. Es sei aber
schwer nach so vielen Jahren. Diese Person könne der Mietliczka gewesen
sein.
In diesem
Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Ergänzungsschöffe Zang mit dem
Angeklagten Pansegrau, der etwa 1,75 m groß und schlank ist, insbesondere
von der Größe und der Figur her keinerlei Ähnlichkeit hat. Denn der
Ergänzungsschöffe Zang ist höchstens 1,70 m groß und von der Figur her
untersetzt.
Nachdem
unmittelbar darauf die beiden Angeklagten auf der Anklagebank Platz genommen
hatten, wobei der Angeklagte Olejak vom Zeugen aus gesehen auf der rechten
Seite saß, erklärte der Zeuge, auf den Angeklagten Olejak deutend, er
glaube, dies sei der Mietliczka.
Im weiteren
Verlauf seiner Vernehmung erklärte der Zeuge Sieradzki dann, wie bereits bei
der Würdigung der Aussage des Zeugen Leszczinsky erwähnt, er wisse jetzt,
daß der Mietliczka richtig Olejak heiße und der Rapportführer Pansegrau
geheißen
- 399 -
habe. Dies habe er
von Leszczinsky erfahren.
Bei Vorlage der
Bildtafeln erklärte der Zeuge Josef Sieradzki zu den Bildern Nr. 14 und 16
(Bilder des Angeklagten Olejak) und Bild Nr. 12 (Bild des SS.Mannes Paul
Kraus), die auf diesen Bildern abgebildeten Personen seien ihm bekannt.
Einer davon sei ihm sogar sehr bekannt, dies könne Mietliczka sein. Auch bet
Vorlage des Bildbandes erklärte der Zeuge Sieradzki zu einem Bild, das nicht
den Angeklagten Pansegrau darstellt, dies könne der SS.Mann Mietliczka sein.
Der Zeuge hat zwar
den ihm unter dem Spitznamen Mietliczka bekannten SS.Mann als Täter
bezeichnet und die Kammer geht auch davon aus, daß der Angeklagte Pansegrau
bei den Häftlingen diesen Spitznamen gehabt hat. Die Aussage des Zeugen
beinhaltet unter den geschilderten Umständen jedoch keine genügenden
Anhaltspunkte dafür, daß er tatsächlich den Angeklagten Pansegrau meint,
wenn er von Mietliczka spricht. Insbesondere hat der Zeuge weder die Bilder
des Angeklagten Pansegrau aus dem Jahr 1943 noch den Angeklagten selbst in
Person wiedererkannt. Weiter hat auch dieser Zeuge ausgesagt, er habe den
ihm unter dem Namen Mietliczka bekannten SS.Mann meistens mit einem Hund im
Lager gesehen, während er den SS. Mann Lapka nicht mit einem Hund gesehen
habe.
Diese gesamte
Aussage des Zeugen in Verbindung mit der Tatsache, daß er die ihm von
Leszczinsky mitgeteilte Version, der Rapportführer habe Pansegrau und der
Mietliczka habe Olejak geheißen, übernommen hat, beweist, daß der Zeuge an
den betreffenden SS.Mann keine so sichere Erinnerung hat, seine um allein
auf seine Aussage eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau stützen zu
können.
Der Zeuge kann die
Tatsache, daß der SS.Mann Pansegrau während seines Aufenthaltes im Lager
Jaworzno von Häftlingen mit dem Spitznamen Mietliczka bedacht worden ist,
nur von anderen Häftlingen gehört haben. Ob diese Information des Zeugen
- 400 -
Sieradzki
richtig war, kam die Kammer bei dieser Aussage des Zeugen Sieradzki, die
außer einer sehr allgemeinen Beschreibung als jungen blonden SS.Mann
keinerlei Bezug zur Person des Angeklagten Pansegrau beinhaltet, nicht
überprüfen.
Der
Angeklagte Pansegrau war daher in diesem Punkt der Anklage freizusprechen.
III. Fall
II 2 (Erschießung eines Häftlings am Lagereingang):
1. In
diesem Fall liegt dem Angeklagten Pansegrau zur Last, an einem nicht mehr
genau feststellbaren Tag Ende 1944 einen Häftling eines in das Lager
zurückkehrenden Arbeitskommandos der Rudolfsgrube während der Kontrolle am
Lagertor die Mütze vom Kopf gerissen, diese weggeworfen und dann auf den
Häftling geschossen zu haben, ais dieser die Mütze holen wollte.
Als
einzigen direkten Tatzeugen für diesen Punkt der Anklage hat die
Staatsanwaltschaft den Zeugen Chaim Mastbaum benannt.
In ihrem
Schlußvortrag hat die Staatsanwaltschaft ohne nähere Begründung in diesem
Fall der Anklage Freispruch beantragt.
2. Da der
Zeuge Chaim Mastbaum einer Vorladung zur Hauptverhandlung keine Folge
leistete, wurde er auf 2.1.1979 und 5.3.1979 im Wege der Rechtshilfe durch
den zuständigen Richter des Amtsgerichts Tel Aviv im Beisein der gesamten
Kammer vernommen. Die dabei gefertigten Vernehmungsniederschriften wurden in
der Hauptverhandlung verlesen.
Dabei hat
der Zeuge Mastbaum ausgesagt, er sei zusammen mit anderen Häftlingen aus dem
Lager Lagischa nach Jaworzno gekommen.
- 401 -
Dort habe
er immer in einer Tagesschicht der Rudolfsgrube gearbeitet.
Die Namen
der beiden Angeklagten habe er während seines Aufenthaltes im Lager Jaworzno
niemals gehört. Von den im Lager tätigen SS.Leuten erinnere er sich noch an
einen, der bei den Häftlingen „Lischka“ geheißen habe und an einen weiteren,
der den Rufnamen „Rountschka“ gehabt habe. Letzterem hätten wahrscheinlich
an einer Hand mehrere Finger gefehlt. Die Namen Mietliczka oder Metlischke
kenne er nicht. Er könne sich nicht erklären, wie der Name Metlischke in die
Niederschrift über seine polizeiliche Vernehmung gekommen sei, da er diesen
Namen nicht kenne. Von Lischka wisse er nur noch, daß er ei großer, hagerer
Mann gewesen sei, sonst könne er sich an sein Aussehen nicht erinnern.
Bei
Vorlage der Lichtbilder erklärte der Zeuge zu einem den Angeklagten
Pansegrau darstellenden Bild (Bild Nr. 8 losen Bilder), dieses Bild erinnere
ihn in irgendeiner Weise an Lischka, er sei sich aber nicht sicher.
Dann
schilderte der Zeuge Mastbaum einen Fall einer Häftlingserschießung durch
den SS.Mann. Lischka, als ob er das Schießen auf den Häftling selbst gesehen
habe. Im Rahmen einer Kontrolle am Lagertor nach der Rückkehr von der Arbeit
sei auch der SS. Mann Lischka anwesend gewesen. Lischka sei an einen
Häftling herangegangen, habe ihm die Mütze vorn Kopf gerissen und sie
weggeworfen. Der Häftling sei in Richtung der Mütze gerannt, um sich wieder
aufzuheben. Lischka sei an dem Ort stehengeblieben, an dem er dem Häftling
die Mütze vom Kopf gerissen habe. Während der Häftling noch in Richtung
seiner Mütze gerannt sei, habe Lischka „halt“ gerufen. Der Häftling sei aber
nicht stehengeblieben, sondern in Richtung seiner Mütze weitergelaufen. Als
der Häftling noch etwa einen Meter von seiner am Boden liegenden Mütze
entfernt gewesen sei, habe Lischka mit seiner Maschinenpistole auf ihn
geschossen. Er könne sich nicht mehr daran erinnern, o es ein Einzelschuß
oder eine Salve gewesen sei. Der betreffende Häftling sei von Mithäftlingen
in den
- 402 -
Krankenbau gebracht worden. Später habe er selbst dann gehört, der Häftling
sei schon tot gewesen, ale er im Krankenbau abgeliefert worden sei.
Im
weiteren Verlauf seiner Vernehmung erklärte der Zeuge Mastbaum dann
plötzlich, er habe den ganzen Vorfall bis zur Abgabe des Schusses nicht
selbst gesehen. Die ganze Sache habe sich hinter seinem Rücken ereignet und
er habe sich erstmals nach hinten umgedreht, als er den Schuß oder die
Schüsse gehört habe. Zu diesem Zeitpunkt habe der Häftling bereite am Boden
gelegen. In der Nähe des Häftlings sei der SS.Mann Lischka und auch noch
andere SS.Leute mit schußbereiter Waffe gestanden. Wer die Schüsse abgegeben
habe, habe er nicht gesehen. Von anderen Häftlingen seines Kommandos, deren
Namen er heute nicht mehr wisse, habe er dann erfahren, daß Lischka auf den
Häftling geschossen habe.
Auch bei
seiner polizeilichen Vernehmung vom 16.3.1976, die ihm wiederholt
vorgehalten worden ist, hat der Zeuge Mastbaum diesen Vorfall so
geschildert, als ob er den gesamten Vorgang als Augenzeuge beobachtet habe.
Zur
Aussage des Zeugen Mastbaum ist zunächst zu bemerken, daß die Kammer
aufgrund des im Fall I 1 der Anklage bereits dargelegten Ergebnisses der
Beweisaufnahme (vgl. 349 - 353) es nicht als erwiesen ansieht, daß sich ein
von dem Zeugen geschilderter Vorfall einer Häftlingserschießung am Lagertor
überhaupt ereignet hat.
Im
übrigen könnte eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau aufgrund der
Aussage des Zeugen Mastbaum auch deswegen nicht erfolgen, da der Zeuge
Mastbaum das schießen auf den betreffenden Häftling nicht selbst gesehen hat
und deshalb zu dem Täter aus eigener Kenntnis keine Angaben machen kann. Für
die Kammer besteht keinerlei Kontrollmöglichkeit, ob die dem Zeugen von den
namentlich nicht bekannten Mithäftlingen gegebene Erklärung, der SS.Mann
Lischka habe geschossen, richtig war.
- 403 -
Entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft war der Angeklagte daher in
diesem Punkte freizusprechen.
IV. Fall
II 3 der Anklage (Erschießung eines Häftlings in der Nähe des Magazins):
In diesem
Fall der Anklage liegt dem Angeklagten Pansegrau zur Last, an einem
arbeitsfreien Sonntag im Sommer 1944 einen Häftling im Lager in der Nähe des
Magazins mit einem Pistolenschuß in den Oberkörper getötet zu haben. Als
direkten Tatzeugen hat die Staatsanwaltschaft den Zeugen Jona Schwarz und
als möglichen Tatzeugen den Zeugen Szabtei Leszczinsky benannt.
In diesem
Fall der Anklage hat die Staatsanwaltschaft die Verurteilung des Angeklagten
Pansegrau wegen eines Verbrechen des Mordes beantragt.
1. Die
Aussage des Zeugen Schwarz zur Person des Angeklagten Olejak und zu dessen
Anwesenheit im Lager Jaworzno und bei der Evakuierung des Lagers wurde
bereits erörtert (vgl.. 298 bis 301). Auf diese Ausführungen wird Bezug
genommen. Aufgrund des übrigen Ergebnisses der Hauptverhandlung geht die
Kammer davon aus, daß die Aussage des Zeugen Schwarz, er habe den
Angeklagten Olejak als Rapportführer in Jaworzno kennengelernt objektiv
nicht richtig ist, da der Zeuge erst im Juni 1944 nach Jaworzno gekommen
ist. Weiter wurde bereits daraufhingewiesen, daß dieser Zeuge über das
vorliegende Verfahren und über die mögliche Identität des Angeklagten
Pansegrau mit dem SS.Mann mit dem Spitznamen Besen oder Mietliczka von
dritter Seite informiert worden ist.
Zum
vorliegenden Anklagepunkt hat der Zeuge Schwarz bei seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung am 7. und 9.11.1977
- 404 -
folgendes
ausgesagt:
Von den
im Lager eingesetzten SS.Leuten erinnere er sich an einen, der von den
Häftlingen Mietliczka oder Besen genannt worden sei. Dieser sei der Jüngste
der im Lager tätigen SS.Leute gewesen und habe immer einen Wolfshund mit
sich geführt. Diesen erkenne er auf den Bildern Nr. 5, 6 und 7 der
Bildtafeln und 27 und 28 des Bildbandes wieder.
An einem
arbeitsfreien Sonntag im Sommer 1944 um die Mittagszeit habe er auf dem Weg
von der Küche des Lagers Jaworzno, wo er zusätzlich gearbeitet habe, zu
seinem Block einen Schuß gehört, als er sich etwa in Höhe des Magazine
befunden habe. Er habe sich sogleich umgeschaut und dabei in der Nähe des
Bassins, das neben dem Magazin gelegen habe, den SS.Mann Mietliczka mit
seinem Hund stehen sehen. Eine Waffe habe er nicht in der Hand des SS.Mannes
gesehen, seine Pistole habe sich vielmehr in der Pistolentasche am Koppel
befunden. Er selbst sei zu diesem Zettpunkt etwa 15 - 20 m von diesem
SS.Mann entfernt gewesen.
Neben dem
SS.Mann Mietliczka sei ein Häftling am Boden gelegen. Mietliczka habe ihn
selbst und noch einen Häftling, dessen Namen er nicht wisse, zu sich gerufen
und ihnen den Befehl gegeben, den Häftling in die sogenannte Totenkiste am
Häftlingskrankenbau des Lager Jaworzno zu bringen. Dieses habe er und der
andere Haftung auch getan. Er nehme an, daß der betrettende Häftling tot
gewesen sei, da er sich nicht mehr bewegt und auch geblutet habe.
Seiner
Meinung nach könne auf den Häftling nur der SS.Mann Mietliczka geschossen
haben, da er keinen anderen SS.Mann in der Nähe gesehen habe. Er glaube auch
nicht, daß ein Wachposten von einem der um das Lager befindlichen Wachtürme
geschossen habe, da in diesem Fall die Gefahr bestanden habe, daß der
SS.Mann Mietliczka getroffen werde.
- 405 -
2. Die
Aussage des von der Staatsanwaltschaft als möglicher Tatzeuge benannten
Zeugen Szabtei Leszczinsky wurde bereits im Rahmen des Anklagepunktes II 1
erörtert.
In einem
Fall einer angeblichen Häftlingserschießung hat der Zeuge Leszczinsky nach
dem Inhalt der in der Hauptverhandlung verlesenen Niederschrift vom
19.3.1976 folgendes ausgesagt:
... „Ich
habe auch einmal gesehen, und zwar als ich in der Grube arbeitete, und zwar
das zweite Mal, wie Mietliczka auf dam Lagerplatz mit einer Pistole auf
einen Häftling schoß. Der Häftling brach zusammen und wurde in den
Krankenbau getragen. Mietliczka stand, als er schoß, nur ein paar Meter von
diesem Häftling. Ich selbst habe das auf eine Entfernung von vielleicht 15
Metern gesehen. Ich stand damals auch auf dem Platz und bin gleich
weggelaufen. Der Häftling war nicht von meinem Kommando. Eine genaue
Erinnerung an diesen Fall habe ich nicht mehr. Was ich soeben geschildert
habe, entspricht meinem heutigen Erinnerungsbild. ... Mietliczka war kein
Kommandoführer, er war mehr als ein Kommandoführer. Er war, so glaube ich,
ein Blockführer. Er lief immer mit einem Hund und einem Stock herum. Er hat
die Häftlinge geschlagen und seinen Hund auf sie gehetzt."...
3. Auch
in diesem Fall der Anklage sieht es die Kammer aufgrund des übrigen
Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht als erwiesen an, daß überhaupt ein
Häftling unter den von den Zeugen Schwarz und Leszczinsky geschilderten
Umständen im Lager Jaworzno erschossen worden ist.
Hierzu
ist zunächst zu bemerken, daß sich der von dem Zeugen Schwarz geschilderte
Vorfall um die Mittagszeit an einem arbeitsfreien Sonntag im Sommer des
Jahres 1944 zugetragen
- 406 -
haben
soll. Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß sich nicht nur die
normalerweise im Lager selbst tätigen Häftlinge, sondern der Großteil der im
Lager inhaftierten 3.000 - 3.500 Häftlinge an diesem Tag im Lager
aufgehalten hat. Die Kammer hält es für ausgeschlossen, daß unter diesen
Umständen kein anderer der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, die
im Sommer 1944 als Häftlinge im Lager Jaworzno waren, diesen Fall einer
Häftlingserschießung entweder selbst beobachtet hat oder unmittelbar darauf
von diesem Vorfall gehört hat. Denn mehrere in der Hauptverhandlung
vernommenen Zeugen haben bekundet, daß die Häftlinge an den arbeitsfreien
Sonntagen von den Angehörigen der Lagerkommandantur außer bei den Appellen
nicht behelligt und nicht schikaniert worden sind. Unter diesen Umständen
hätte die grandlose Erschießung des Häftlings mitten im Lagerbereich für
alle Lagerinsassen ein besonderes Ereignis bedeutet, für das sich sicherlich
jeder Häftling interessiert und über das er sich bei Mithäftlingen
informiert hätte.
Unter H I
5 (vgl. Seite 349 - 354) wurde bereits auf die Aussagen der im Lager selbst
tätigen Häftlinge Dr. Heller, Zejer, Smigielski, Pasikowski, Zewski,
Sicinski, Dr. Braun, Glapinski, Orenbach and Dr. Novy hingewiesen. Alle
diese Zeugen haben ausgesagt, im Lager selbst sei kein Häftling erschossen
worden.
Auch von
den unter H I 4. erwähnten Zeugen, die dem Kommando
Rudolfsgrube/Nachtschicht angehört haben und sich an dem fraglichen Sonntag
um die Mittagszeit im Lager aufgehalten haben, hat sich keiner an einen
solchen Vorfall erinnert. Auch von den übrigen im Rahmen dieses Verfahrens
vernommenen Zeugen hat sich keiner an den gleichen oder einen ähnlichen Fall
einer Häftlingserschießung erinnert. Die Mehrzahl der Zeugen hat sogar
ausdrücklich erklärt, im Lager selbst habe es keine Erschießungen von
Häftlingen gegeben. Hier sei insbesondere auf die Aussagen der Zeugen Chaim
Schuler, Wigdor
- 407 -
Siwek,
Karel Bulaty, Leon Krzetowski, Jakob Wigdor, Moritz Salz, Hersch Nowak,
Bernhard Strykowski, Henry Friedmann, Abraham Korn, Ahron Schwarzbart,
Frantizek Herstik, Jakob Givre, Esriel Kestenbaum Meir Sommer, Chaim Rodal,
Abraham Harap, Schlomo Bermann, Sol Pachlin, Jerachmiel Janowski, Hersch
Nowak, Franz Kafka und Mordechaj Goldbart hingewiesen. Alle diese Zeugen
haben bekundet, sie seien im Sommer 1944 als Häftlinge im Lager Jaworzno
gewesen und Augenzeugen von zahlreichen Mißhandlungen durch SS.Leute
geworden. Alls diese Zeugen haben jedoch weiter ausgesagt, im Lager selbst
sei kein einziger Häftling durch einen SS.Mann erschossen worden.
Bei
Abwägung dieser Zeugenaussagen, insbesondere der über das Lagerleben gut
informierten Zeugen Dr. Heller, Zejer, Smigielski, Pasikowski, Zewski und
Sicinski mit den Aussagen der Zeugen Schwarz und Lesczczinky sieht es die
Kammer nicht mit der nötigen Sicherheit als erwiesen an, daß sich der von
diesen Zeugen geschilderte Fall einer Häftlingserschießung im Lager Jaworzno
zugetragen hat.
4. Im
übrigen könnte aufgrund der Aussage des Zeugen Schwarz auch dann nicht eine
Verurteilung des Angeklagten Pansegrau in diesem Fall erfolgen, wenn sich
der Vorfall so abgespielt hätte, wie ihn der Zeuge Schwarz beschrieben hat.
Denn der
Zeuge Schwarz hat nach seinen ausdrücklichen Bekundungen in der
Hauptverhandlung nicht gesehen, wer auf den Häftling geschossen hat. Der
Zeuge wurde vielmehr auf den von ihm angeblich beobachteten Vorfall erst
aufmerksam, als er in seiner unmittelbaren Nähe einen Schuß gehört hat.
Allerdings hat der Zeuge dann sofort in die Richtung geschaut, aus der Schuß
gekommen ist Trotzdem hat der Zeuge keine Waffe in der Hand des bei dem
Häftling stehenden SS.Mannes gesehen, diese steckte vielmehr nach der
Aussage des Zeugen in dessen Pistolentasche am Koppel.
- 408 -
Unter
diesen Umständen kann nicht mit der zu einer Verurteilung ausreichenden
Sicherheit festgestellt werden, daß es dieser SS.Mann war, der auf den
Häftling geschossen hat. Denn wenn dieser SS.Mann mit seiner Pistole - von
einer an deren Waffe hat der Zeuge Schwarz nicht gesprochen - auf den
Häftling geschossen hätte, so hätte der Zeuge Schwarz, der nur 15 - 20 Meter
entfernt stand und sofort nach der akustischen Wahrnehmung des Schusses in
diese Richtung geschaut hat, unbedingt noch die Waffe in der Hand dieses SS.
Mannes oder zumindest das Zurückstecken der Waffe in die Pistolentasche
sehen müssen. Da dies nicht der Fall war, könnte nicht ausgeschlossen
werden, daß der Schuß, den der Zeuge gehört hat, von einer anderen Person
abgegeben worden ist. Auch wenn der Zeuge Schwarz keinen anderen SS.Mann in
der Nähe gesehen hat, bedeutet dies nicht zwangsläufig, daß sich auch kein
anderer SS.Mann im Lager oder auf einem der um das Lager befindlichen
Wachttürme aufgehalten hat und den Schuß auf den Häftling hätte abgeben
können.
Schließlich hält die Kammer die Aussage des Zeugen Schwarz zu dem
angeblichen Täter in diesem Fall für nicht so zuverlässig um den Angeklagten
Pansegrau zu überführen. Zum einen geht die Kammer, wie bereits ausgeführt,
davon aus, daß die Angaben des Zeugen Schwarz zu dem Rapportführer des
Lagers Jaworzno und zu dem Angeklagten Olejak objektiv nicht richtig sind.
Desweiteren hat der Zeuge in diesem Fall davon gesprochen, der betreffende
SS.Mann habe „mit seinem Hund“ dagestanden. Insoweit wurde bereits
dargelegt, daß die Kammer davon ausgeht, daß die Einlassung des Angeklagten
Pansegrau, er habe in Jaworzno niemals einen Hand gehabt, aufgrund des
gesamten Ergebnisses der Hauptverhandlung nicht als widerlegt angesehen
werden kann. Es könnte deshalb nach Auffassung der Kammer nicht
ausgeschlossen werden, daß sich der Zeuge insoweit in der Person des Täters
geirrt hat.
- 409 -
5.
Hinsichtlich des Zeugen Lesczczinky wurde bereits erwähnt, aus welchen
Gründen die Kammer seine in der Hauptverhandlung verlesene Aussage vor der
Israel-Polizei nicht für so zuverlässig ansieht, um hierauf eine
Verurteilung stützen zu können.
Nach. den
Angaben, die der Zeuge Leszczinsky zum Zeitpunkt dieses angeblich vom ihm
beobachteten Vorfalles gemacht hat (als ich zum zweiten Mal in dar Grube
war), müßte sich dieser Vorfall nicht im Sommer 1944, sondern zum Ende der
Lagerzeit hin, also Ende 1944 oder Anfang 1945 zugetragen haben. Denn der
Zeuge ist nach seiner Aussage vorn 19.3.1976 im Oktober 1943 nach Jaworzno
gekommen, hat dann 2 - 3 Monate beim Außenkommando und dann längere Zeit in
der Dachsgrube gearbeitet. Nach einem Unfall und einem längeren
Krankanhausaufenthalt ist er dann wieder zum Außenkommando gekommen, von wo
er dann dem Kommando der Richard-Grube zugeteilt worden ist. Nähere Angaben
über die Dauer der einzelnen Arbeitseinsätze hat der Zeuge nach dem Inhalt
der Niederschrift nicht gemacht. Danach müßte sich dieser Vorfall ereignet
haben, als der Zeuge am Ende der Lagerzeit in der Richard-Grube beschäftigt
war, da der Zeuge die Erschießung während seines zweiten Einsatzes in einer
Grube beobachtet haben will. Als Tatzeuge für die Erschießung eines
Häftlings im Sommer 1944 kommt Leszczinsky daher nicht in Frage.
Der
Angeklagte Pansegrau war daher auch in diesem Punkt der Anklage
freizusprechen, ohne daß es auf die *Frage, ob er im Sommer 1944 überhaupt
im Lager Dienst gemacht hat, ankommt.
- 410 -
V Fall II
4 der Anklage (Tötung der Häftlinge Herschl und Mejr Goldbart vor der
Blockführerstube):
In diesem
Punkt der Anklage liegt dem Angeklagten Pansegrau zur Last, an einem nicht
mehr feststellbaren Tag im Herbst 1944 die beiden Brüder Herschl und Mejr
Goldbart nach der Rückkehr von der Baustelle des Kraftwerkes so geschlagen
zu haben, daß beide Häftlinge in den Krankenbau hätten gebracht werden
müssen. Wenige Tage später seien sie aufgrund der von dem Angeklagten
Pansegrau zugefügten Verletzungen als arbeitsunfähige Häftlinge für den
Rücktransport nach Auschwitz ausgewählt und dort durch Gas getötet worden.
Als
Tatzeugen hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift den Bruder der
beiden angeblich von dem Angeklagten Pansegrau geschlagenen Häftlinge, den
Zeugen Mordechaj Goldbart benannt.
In ihrem
Schlußvortrag hat die Staatsanwaltschaft ohne nähere Begründung in diesem
Anklagepunkt Freispruch beantragt.
1. Der
Zeuge Mordechaj Goldbart wurde, da er einer Vorladung zur Hauptverhandlung
keine Folge leistete, am 27. und 28. 9.1978 ins Wege der Rechtshilfe durch
den zuständigen Richter des Amtsgerichts Tel Aviv in Anwesenheit der
gesamten Kammer vernommen. Die dabei gefertigten Niederschritten wurden in
der Hauptverhandlung verlesen.
Der Zeuge
Goldbart hat bei diesen Vernehmungen folgendes ausgesagt:
Er sei im
Sommer 1943 als Häftling nach Jaworzno gekommen, wo er bis zur Evakuierung
des Lagers geblieben sei. Während der ganzen Zeit sei er dem
Kraftwerkskommando zugeteilt und im Block 1 direkt am Lagertor untergebracht
gewesen. Mit ihm zusammen seien auch zwei seiner Brüder im Lager Jaworzno
gewesen.
- 411 -
Die Namen
der Angeklagten habe er in Jaworzno niemals gewußt. Von den im Lager tätigen
SS.Leuten erinnere er sich an einen Losmann oder Lausmann, an einen mit
Spitznamen Lapka und einen weiteren mit Spitznamen Mietla oder Besen. Für
letzteren habe man auch den Spitznamen Mietliczka, was ebenso wie. Mietla
„Besen“ bedeutet, benutzt.
Die
Funktion des Rapportführers sei während seines Aufenthaltes im Lager von
zwei verschiedenen Personen wahrgenommen worden. Er könne sich nicht mehr
daran erinnern, ob sie gleichzeitig dort .gewesen seien oder sich abgelöst
hätten. Er könne sich auch nicht daran erinnern, ob beide schon im Lager
gewesen seien, als er selbst dorthin gekommen sei und ob beide noch in Lager
gewesen seien, als der Evakuierungsmarsch begonnen habe. Beide Rapportführer
seien ungefähr gleichaltrig, ca. 28 - 30 Jahre, gewesen. Er sei nicht
sicher, ob er ihre Namen damals in Jaworzno gekannt habe, jetzt könne er
sich jedenfalls an ihre Namen nicht mehr erinnern.
Außer der
Mißhandlung seiner beiden Brüder habe er im Lager selbst keine Tötung eines
Häftlings gesehen.
Seine
beiden Brüder seien außerhalb der am Tor stehenden Schreibstube geschlagen
und dann in die Schreibstube hineingetrieben worden. Täter seien die beiden
Rapportführer und andere SS.Leute gewesen, die er nicht näher bezeichnen
könne. Seine beiden Brüder seien dann in den Krankenbau gekommen und dann im
Rahmen einer Selektion noch lebend aus dem Lager weggebracht worden. Er habe
sie nie wieder gesehen.
Während
des Evakuierungsmarsches habe er gesehen, daß einer der beiden Rapportführer
und der SS.Mann mit dem Spitznamen „Besen“ je einen Häftling erschossen
hätten.
Der
Rapportführer habe dabei einen tschechischen Häftling erschossen, der einen
Zwillingsbruder im Lager gehabt habe. Einer der beiden Brüder habe während
des Marsches
- 412 -
zu hinken
begonnen und der andere habe dann ihn selbst gebeten, zusammen mit ihm den
hinkenden Häftling zu stützen. Dies habe er auch getan. Nach einiger Zeit
sei einer der beiden Rapportführer gekommen, habe den hinkenden Häftling aus
der Reihe gezogen und ihn unmittelbar neben ihm mit einem Gewehr erschossen.
Nach
Vorhalt der Namen Lapka, Mietla und Lausmann erklärte der Zeuge Goldbart, in
diesem Fall sei keiner von ihnen der Täter gewesen. Dabei blieb der Zeuge
auch, als ihm vorgehalten wurde, daß er bei seiner Vernehmung durch die
Israel - Polizei am 12.3.1976 nach dem Inhalt der Niederschrift ausgesagt
hatte, der tschechische Häftling, der einen Bruder im Lager gehabt und den
er zusammen mit diesem Bruder selbst geführt habe, sei von dem SS.Mann mit
dem Spitznamen Mietliczka von hinten mit einer Pistole in den Kopf
geschossen worden.
Nach
Vorhalt seiner polizeilichen Aussage vom 12.3.1976, in der er den SS.Mann
mit dem Spitznamen Mietliczka allein beschuldigt hatte, seine beiden Brüder
geschlagen zu haben, erklärte der Zeuge Goldbart:
...
„Jetzt erinnere ich mich, daß es so gewesen ist, wie ich es damals
geschildert habe. Es war so, daß da mehrere Leute bei der Sache beteiligt
waren, jedoch Mietliczka der Hauptschläger gewesen ist. Auf Vorhalt, warum
ich gerade vorhin keinen bestimmten SS.Mann als Schläger bezeichnet habe,
möchte ich sagen, daß der „Besen“ bei den Häftlingen allgemein bekannt war
und man sich gegenseitig warnte, wenn man ihn kommen sah. Es ist aber nicht
so, daß ich ihn nur deshalb als Schläger in diesem Fall bezeichne, weil er
sonst geschlagen hat. Vielmehr erinnere ich mich jetzt an ihn.“...
- 413 -
2. Bei
diesen Bekundungen den Zeugen Goldbart, der zu der Frage, wer seine Brüder
mißhandelt hat, drei verschiedene Aussagen gemacht und der auch in einem
anderen Fall, nämlich der Erschießung eines bestimmten Häftlings beim
Evakuierungsmarsch die Täter ausgetauscht hat, sieht die Kammer seine
Aussage als nicht so zuverlässig an, um hierauf eine Verurteilung stützen zu
können. Auf die weiteren Fragen, ob der Zeuge Goldbart, wenn er von dam
SS.Mann Mietla spricht, den Angeklagten Pansegrau gemeint hat und ob der
oder die SS.Leute, die die Brüder des Angeklagten mißhandelt haben, dabei
mit Tötungsvorsatz gehandelt haben, kommt es deshalb nicht mehr an.
Im
übrigen beweisen die Widersprüche hinsichtlich bestimmter Täter in der
Aussage dieses Zeugen wie schwer es für einen Menschen ist, sich nach so
langer Zeit noch sicher zu erinnern, selbst wenn es sich um das Schicksal
naher Verwandter handelt.
Entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft war der Angeklagte Pansegrau
daher insoweit freizusprechen.
VI. Fall
II 5 der Anklage (Tötung eines griechischen Juden in Block 12):
In diesem
Fall der Anklage wird dem Angeklagten Pansegrau zur Last gelegt, an einem
arbeitsfreien Sonntag in den Block 12 gekommen zu sein und dort einen
griechischen Juden so schwer mißhandelt zu haben, bis dieser an Ort und
Stelle verstorben sei.
Als
einzigen Tatzeugen hat die Staatsanwaltschaft hierzu den Zeugen Meir Shimoni
benannt.
- 414 -
Nach
Durchführung der Beweisaufnahme hat die Staatsanwaltschaft in ihrem
Schlußvortrag in diesem Falle der Anklage Freispruch für den Angeklagten
Pansegrau beantragt.
Die
Aussage des Zeugen Shimoni, der im Juni 1944 nach Jaworzno gekommen ist, zu
dem Rapportführer des Lagers Jaworzno und zu der Person des Angeklagten
Olejak wurde bereits auf Seiten 301 und 302 gewürdigt.
Zum
vorliegenden Anklagepunkt hat der Zeuge Shimoni bei seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung am 10.11.1977 folgendes bekundet:
Er sei in
einem Block untergebracht gewesen, in dem etwa 30 ganz junge Häftlinge
gewesen seien. Im gleichen Raum sei auch ein älterer griechischer Jude
gewesen, der bei der SS. als Kunstmaler gearbeitet habe.
An einem
arbeitsfreien Sonntag seien sämtliche Häftlinge innerhalb eines Raumes in
ihrem Block gewesen, als der SS.Mann Mietliczka gekommen sei. Er habe
angefangen zu toben und befohlen, alle Häftlinge sollten den Block
verlassen.
Bis auf
den älteren Häftling, der auf seiner Pritsche liegengeblieben sei, hätten
alle anderen, auch er selbst, den Block er vorlassen. Von außerhalb des
Blocke. Habe er dann gehört, wie Mietliczka den griechischen Häftling
gefragt habe, warum er nicht von seinen Bett heruntergehe. Der Häftling habe
darauf erwidert, er habe die ganze Nacht für die SS. gearbeitet und es
stehe. ihm daher zu, zu schlafen. Dann habe er von außerhalb des Blocks
durch ein Fenster oder eine offene Türe gesehen, wie Mietliczka diesen
Häftling mit einem Stock geschlagen habe, sodaß der Häftling zu Boden
gegangen sei. Auf Veranlassung des Blockältesten sei der von Mietliczka
geschlagene Häftling dann weggebracht worden, wohin wisse er nicht. Der
Häftling sei nicht mehr in den Block zurückgekehrt und über das weitere
Schicksal des Häftlings könne er nichts sagen.
- 415 -
Der
SS.Mann, der den Häftling geschlagen habe, sei im Lager „Panzer“ oder
„Mietliczka“ genannt worden. Er sei meistens im Lager gewesen und habe dabei
fast immer einen Wolfshund mit sich geführt. In Jaworzno habe es auch einen
SS.Mann mit dem Spitznamen Lapka gegeben, dem an einer Hand Finger gefehlt
hätten. Dieser Habe seiner Erinnerung nach keinen Hund gehabt. Er könne sich
jedoch daran erinnern, daß dieser SS.Mann jiddisch gesprochen habe.
Zu Beginn
seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung, als die beiden Angeklagten noch
im Zuhörerraum saßen, deutete der Zeuge Shimoni auf den Angeklagten
Pansegrau und erklärte, das sei der Mietliczka.
Bei
Vorlage der Bildtafeln sagte der Zeuge zu den Bildern 14, 15 und 16
(Angeklagter Olejak) und Bild 6 (Angeklagter Pansegrau), dies seien Bilder
des SS.Mannes Mietliczka. Zu den Bildern 8 und 9 (Lagerführer Pfütze) meinte
der Zeuge, dies könnten Bilder des Rapportführers des Lagers sein, er sei
sich aber nicht sicher.
Bei
Vorlage des Bildbandes, der ihm auch schon bei seiner polizeilichen
Vernehmung am 17.3.1976 vorgelegt worden war, erklärte der Zeuge Shimoni,
die Bilder 17 und 19 (Angeklagter Olejak) und 28 (Angeklagter Pansegrau)
ähnelten dem Mietliczka. Bei Bild 27 (Angeklagter Pansegrau) sei er sich
sicher, daß es sich um ein Bild des Mietliczka handele. Den Rapportführer
des Lagers Jaworzno erkannte er bei Vorlage des Bildbandes nicht wieder.
Nach
Vorhalt seiner Aussage bei der Israel-Polizei, in der er bei Vorlage des
Bildbandes zu Bild 18 (Angeklagter Olejak) erklärt hatte, er sei sich
sicher, daß dies der Rapportführer des Lagers Jaworzno sei, meinte der
Zeuge, er sei sich damals in diesem Punkt nicht sicher gewesen.
Wahrscheinlich sei seine Aussage nicht richtig niedergeschrieben worden.
- 416 -
Weiter
bekundete der Zeuge, er habe am 2. Tag des Evakuierungsmarsches gesehen, wie
der Rapportführer einen Häftling, der aus der Reihe gegangen sei und etwas
an seinem Schuh gerichtet habe, erschossen habe. Nach Vorhalt seiner
polizeilichen Vernehmung, in der er in diesem Fall den SS.Mann Besen als
Täter bezeichnet hatte, erklärte der Zeuge, er habe bei dieser Vernehmung
auch das gesagt, was er in der Hauptverhandlung sage. Er wisse nicht, was da
geschrieben worden sei. Seiner Erinnerung nach sei in diesem Fall der
Rapportführer der Täter gewesen.
Unabhängig davon, ob es der Angeklagte Pansegrau war, der den griechischen
Juden mißhandelt hat, kann in diesem Punkt der Anklage schon deswegen keine
Verurteilung wegen eines Verbrechens des Mordes oder wegen eines versuchten
Verbrechen des Mordes erfolgen, da aufgrund der Aussage des Zeugen Shimoni
nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, daß der
betreffende SS.Mann bei der Mißhandlung des Häftlings mit Tötungsvorsatz
gehandelt hat. Aus dieser Aussage ergibt sich auch nicht, ob der Häftling an
den Folgen dieser Mißhandlung verstorben ist. Daß der Zeuge Shimoni den
betreffenden Häftling nicht mehr in Jaworzno gesehen hat, bedeutet nicht,
daß der Häftling an den Folgen der Verletzungen gestorben ist. Zahlreiche
Zeugen haben bekundet, daß sie nach einem Aufenthalt im Krankanbau einem
anderen Kommando und damit auch einem anderen Block zugeteilt worden sind.
Im
übrigen hält die Kammer die Aussage des Zeugen Shimoni zu den im Lager
eingesetzten SS.Leuten nicht für zuverlässig genug, um hierauf eine
Verurteilung eines der Angeklagten stützen zu können, obwohl er den
Angeklagten Pansegrau zu Beginn seiner Vernehmung sofort als Mietliczka
bezeichnet hat. Diese Bedenken ergeben sich neben seiner bereite erörterten
Aussage zu dem Rapportführer des Lagers Jaworzno und zu der Person den
Angeklagten Olejak einmal aus den verschiedenen und widersprüchlichen
Angaben, die der Zeuge bei der Polizei u. in der Hauptverhandlung zu den
einzelnen Bildern der Angeklagten gemacht hat. Gegen die Zuverlässigkeit des
Zeugen
- 417 -
spricht
auch, daß er nicht den SS.Mann Lapka, sondern den mit dem Spitznamen
Mietliczka im Lager mit einem Hund gesehen haben will.
Soweit
der Zeuge meint, Lapka habe jiddisch gesprochen, ist dies, wie bereits
dargelegt worden ist, nicht richtig. Es war ,vielmehr der Blockführer und
Kommandoführer Lausmann, der nach Aussagen mehrerer Zeugen jiddisch
gesprochen hat.
Schließlich spricht gegen die Zuverlässigkeit des Zeugen Shimoni, daß er in
dem Fall der angeblichen Erschießung eines Häftlings auf dem
Evakuierungsmarsch in der Hauptverhandlung einen anderen Täter als bei
seiner polizeilichen Vernehmung genannt hat. Diese Widersprüche in den
Aussagen des Zeugen, der bei seiner Ankunft im Lager Jaworzno im Juni 1944
erst 15 Jahre alt war, begründen nach Auffassung der Kammer erhebliche
Zweifel an der Zuverlässigkeit der Erinnerung dieses Zeugen.
Entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft war der Angeklagte in diesem
Fall daher freizusprechen.
VII. Fall
II 6 der Anklage (Tötung eines Häftlings im Lager Jaworzno):
In diesem
Fall liegt dem Angeklagten Pansegrau zur Last, an einem Sonntag Ende 1943
einen Hand auf einen Häftling gehetzt und anschließend den Häftling mit
einem Stock auf den Kopf geschlagen und mit den Füßen getreten zu haben.
Schließlich soll er sich noch mit einem Fuß auf den Hals des Häftlings
gestellt haben bis dieser erstickt gewesen sei.
Als
einzigen Tatzeugen hat die Staatsanwaltschaft hierzu den Zeugen David Lerer
benannt. In ihrem Schlußvortrag hat die Staatsanwaltschaft ohne nähere
Begründung in diesem Fall Freispruch für den Angeklagten Pansegrau
beantragt.
- 418 -
Der Zeuge
David Lerer wurde am 1.12. und 5.12.1977 in der Hauptverhandlung vernommen.
Was er dabei zur Person des Angeklagten Olejak, für dessen Aufenthalt im
Lager Jaworzno und seiner Teilnahme am Evakuierungsmarsch bekundet hat,
wurde bereits auf Seite 273 erörtert.
Zur
Person des Angeklagten Pansegrau erklärte der Zeuge Lerer zu Beginn seiner
Vernehmung, als beide Angeklagten noch im Zuhörerraum des Sitzungssaales
saßen, er glaube, dieser sei. der Mietliczka.
Bei
Vorlage der Bildtafeln meinte der Zeuge Lerer zu Bild 7 (Angeklagter
Pansegrau) er glaube, das sei der Mietliczka. Er sei sich jedoch nicht ganz
sicher und habe Zweifel. Auch bei den Bildern 5 und 6 (ebenfalls Angeklagter
Pansegrau) meinte der Zeuge, diese Person sei der Mietliczka. Mietliczka sei
damals ein schlanker junger Mann mit blondem Haar gewesen, den er sehr oft
mit einem Hund in Lager gesehen habe.
Er habe
einmal an einem arbeitsfreien Sonntag Ende 1943 oder Anfang 1944 beobachtet,
wie dieser Mietliczka in der Nähe der Schreibstube im Lager einen Häftling
mit einem Stock geschlagen und dann noch mit den Füßen getreten habe.
Anschließend habe Mietliczka zwei andere Häftlinge gerufen und diesen
befohlen, „das Dreck da“ wegzunehmen. Er selbst habe den Vorfall aus etwa 30
bis 40 Metern Entfernung beobachtet. Eine Verletzung habe er an dem Häftling
nicht gesehen, er habe aber einen vorletzten Endruck gemacht. Nach Vorhalt
der Niederschrift über seine polizeiliche Vernehmung vom 25.3.1976 in der es
heißt:
... „Und
anschießend stellte er sich mit einem Fuß auf den Hals. des Häftlings.“ ...I
bekundete
der Zeuge Lerer, ihm falle jetzt wieder ein, daß sich Mietliczka auch mit
dem Fuß auf den Hals des Häftlings gestellt habe. Dies sei aber nur ein
„bißchen“ gewesen.
- 419 -
Der
Häftling, von dem er später erfahren habe, er habe Liebermann geheißen, sei
dann in den Krankenbau gebracht worden. Liebermann sei nicht in seinem Block
gewesen und er habe ihn auch nicht im Krankenbau besucht. Was aus den
Häftling geworden sei, wisse. er nicht sicher. Von Mithäftlingen habe er
später gehört, Liebermann sei ,schwer zerschlagen gewesen, andere
Mithäftlinge hätten gemeint, er sei verstorben.
Während
der Zeuge zunächst geäußert hatte, er Wisse nicht, ob der betreffende
SS.Mann einen Hund bei diesem Vorfall dabeigehabt habe, meinte er im
weiteren Verlauf seiner Aussage dann, Mietliczka habe seinen Hund
dateigehabt. Er wisse nur nicht mehr, ob er den Hund in diesem Fall auf den
Häftling gehetzt habe. In anderen Fällen habe er jedenfalls gesehen, daß
Mietliczka dies getan habe. Im Gegensatz dazu hatte der Zeuge bei seiner
polizeilichen Vernehmung vom 25.3.1976, die ihm vorgehalten worden ist,
ausgesagt, er habe gesehen, wie Mietliczka den Hund auf den Häftling gehetzt
habe. Er habe weiter gesehen, wie der Hund den Häftling in die Beine und,
als er sich mit den Händen gewehrt habe, auch in die Hände gebissen habe.
Bei
dieser Aussage den Zeugen kann auch unter der Voraussetzung daß der
Angeklagte Pansegrau der Täter in diesem Fall gewesen ist, keine
Verurteilung wegen einen Verbrachens den Mordes erfolgen, auch nicht wegen
einem versuchten Vorbrechens des Mordes. Denn aus dieser Aussage kann weder
festgestellt werden, daß der betreffende SS.Mann bei der Mißhandlung des
Häftlings mit Tötungsvorsatz gehandelt hat noch daß der Häftling an den
Folgen der Mißhandlung verstorben ist. Insbesondere hat der Zeuge Lerer
seine frühere Aussage, der Häftling sei auch von dem Hund in die Beine und
Hände gebissen worden und der SS.Mann habe sich fest mit einem Fuß auf den
Hals des Häftlings gestellt, nicht aufrechterhalten.
In
übrigen begründet auch bei diesem Zeugen die Tatsache, daß er meint, der
SS.Mann Mietliczka habe immer einen Hund mit sich
- 420 -
geführt
und habe diesen auch auf Häftlinge gehetzt, erhebliche Zweifel an der
Zuverlässigkeit der Erinnerung des Zeugen. Denn, wie bereits ausgeführt, ist
nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, daß der SS.Mann mit
den Spitznamen Mietliczka, nämlich der Angeklagte Pansegrau, in Lager keinen
Hand dabeihatte. Im übrigen beweisen die Widersprüche in der polizeilichen
Vernehmung und in der Hauptverhandlung zu der Frage, ob der SS.Mann
überhaupt einen Hund dabei hatte, ob er den Hund auf den Häftling gehetzt
und ob der Hund den Häftling gebissen hat, daß das Erinnerungsbild des
Zeugen Lerer an diesen Vorfall nicht mehr klar und eindeutig ist. Auch die
Tatsache, daß der Zeuge Lerer den Angeklagten Olejak bei Beginn des
Evakuierungsmarsches im Lager Jaworzno gesehen haben will, begründet solche
Zweifel.
Schließlich hat der Zeuge selbst erklärt, er habe bei den von ihm
geschilderten Fällen der Mißhandlung und der Erschießung von Häftlingen auf
dem Evakuierungsmarsch - hierauf wird noch in anderem Zusammenhang
eingegangen werden - bezüglich des Täters leichte Zweifel, da es schon über
30 Jahre her sei.
Auch in
diesen Fall der Anklage war der Angeklagte Pansegrau daher entsprechend dem
Antrag der Staatsanwaltschaft freizusprechen.
VIII.
Fall II 7 der Anklage (Erschlagen eines Häftlings in Lager Jaworzno):
Auch in
diesem Fall der Anklage soll der Angeklagte Pansegrau Ende 1944 zunächst
einen Hund auf einen Häftling gehetzt und anschießend solange mit einem
Knüppel auf den Häftling eingeschlagen haben, bis dieser tot gewesen sei.
- 421 -
Als
direkte Tatzeugen hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage die Zeugen
Aron Pernat und Jehoschua Krawicki benannt.
Nach
Durchführung der Beweisaufnahme hat die Staatsanwaltschaft in ihrem
Schlußvortrag auch in diesem Fall ohne nähere Begründung Freispruch für den
Angeklagten Pansegrau beantragt.
1. Der
Zeuge Aron Pernat, dar im Wege der Rechtshilfe vor dem Amtsgericht Tel Aviv
in Anwesenheit der gesamten Kammer vernommen worden ist und auf dessen
Aussage schon wiederholt eingegangen worden ist, hat in seiner Aussage
nichts davon erwähnt, daß er gesehen habe, wie der Angeklagte Pansagrau bzw.
der SS.Mann Mietliczka einen Häftling erschlagen habe. Er habe zwar gesehen,
daß der Mietliczka manchmal seinen Hund auf Häftlinge gehetzt habe. Er habe
auch gesehen, daß der Hund dabei Häftlinge gebissen habe. Diese Häftlinge
seien aber nie an den Folgen dieser Bißwunden gestorben.
2. Der in
der Hauptverhandlung vernommene Zeuge Krawicki, auf dessen Aussage zur
Person des Rapportführers bereits eingegangen wurde, hat ausgesagt, er
erinnere sich aus Jaworzno an den SS.Mann Mietliczka, der immer einen großen
Hund dabeigehabt habe. Diesen habe er öfters auf Häftlinge gehetzt.
Er habe
einmal an einem arbeitsfreien Sonntag Anfang 1944 beobachtet, wie dieser
SS.Mann, nachdem er zunächst seinen Hund auf einen Häftling namens
Liebermann gehetzt habe, diesen Häftling solange geschlagen habe, bis der
Häftling namens Liebermann tot gewesen sei. Er selbst und noch ein anderer
Häftling seien dann von Mietliczka gerufen und beauftragt worden, „den Mist“
wegzuschaffen. Zusammen mit den anderen Häftling habe er den von Mietliczka
mißhandelten Häftling in den Krankenbau gebracht. Dort sei ihnen gesagt
worden, Liebemann sei nicht mehr an Leben. Er habe dann selbst diesen toten
Häftling in eine in der Nähe des Krankenhaus stehende Kiste geworfen, die
für die Aufbewahrung von Leichen bestimmt gewesen sei. Einen anderen
- 422 -
Fall, in
dem Mietliczka einen Häftling geschlagen habe, habe er nicht gesehen.
Demgegenüber hatte der Zeuge bei seiner polizeilichen Vernehmung von
16.3.1976 zwei Fälle geschildert, in denen Mietliczka einen Häftling
mißhandelt und getötet haben soll. Der eine Fall, in den er selbst den
Häftling auf Befehl des SS.Mannes Mietliczka in den Totenkasten geworfen
haben will, habe sich in Herbat 1944 ereignet und der Häftling sei zuvor von
den Hund des Mietliczka schwer gebissen worden. Zur Person des Opfers sagte
der Zeuge bei dieser Vernehmung aus, er habe ihn nicht gekannt und könne
einen Namen nicht nennen.
In einem
zweiten Fall sei im Sommer 1944 ein Häftling namens Liebermann von
Mietliczka schwer geschlagen worden. der Härtling Liebermann sei dann in den
Krankenbau gebracht worden. Einige Tage später habe er gehört, Liebermann
sei an den Folgen dieser Verletzungen gestorben.
Nach
Vorhalt dieser Aussage erklärte der Zeuge, er glaube jetzt, daß er nur einen
Fall der Mißhandlung eines Häftlings gesehen habe.
3.
Aufgrund der Aussagen dieser beiden Zeugen kann nach Auffassung der Kammer
eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau in vorliegenden Fall nicht
erfolgen.
Der Zeuge
Pernat hat sich an einen solchen Fall, der den Angeklagten in der Anklage
zur Last gelegt wurde, bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel
Aviv, auch nach Vorhalt seiner polizeilichen Vernehmung, nicht erinnert.
An der
Zuverlässigkeit des Erinnerungsvermögens den Zeugen Krawicki bestehen
erhebliche Bedenken. So will der Zeuge den Rapportführer Olenik, womit er
den Angeklagten Olejak meinte, bei dem Evakuierungsmarsch auf einen Pferd
und den SS.Mann Mietliczka ihm Lager immer mit einen Hund gesehen haben.
Beides ist, wie ausgeführt, nicht richtig.
- 423 -
Zum
anderen hat der Zeuge aus zwei Fällen, die er bei seiner polizeilichen
Vernehmung noch geschildert hatte, in der Hauptverhandlung einen Fall
gemacht. Dies beweist, daß der Zeuge an diese Vorgänge keine so sichere
Erinnerung mehr hat, um allein auf seine Aussage eine Verurteilung den
Angeklagten Pansegrau stützen zu können. Auch in einem weiteren Fall, auf
den im nächsten Punkt eingegangen wird, hat der Zeuge in der
Hauptverhandlung eine andere Aussage gemacht als bei seiner polizeilichen
Vernehmung.
Entsprechend dem Antrag Staatsanwaltschaft war der Angeklagte Pansegrau in
diesen Punkt der Anklage daher freizusprechen.
IX. Fall
II 8 der Anklage (Ertränken eines Häftlings in Lager Löschteich):
In diesem
Anklagepunkt wird dem Angeklagten Pansegrau zur Last gelegt, an einem
Sonntag in Sommer 1944 zusammen mit zwei weiteren SS.Leuten drei Häftlinge
im Feuerlöschteich des Lagers ertränkt zu haben. Jeder der drei SS.Leute
habe sich einen Häftling vorgenommen und den Kopf des Häftlings wiederholt
und solange unter Wasser gedrückt, bis die drei Opfer ertrunken gewesen
seien.
Ala
einzigen Tatzeugen hat die Staatsanwaltschaft hierzu den Zeugen Jehoschua
Krawicki benannt.
In ihrem
Schlußvortrag hat die Staatsanwaltschaft in diesem Anklagepunkt ohne nähere
Begründung Freispruch für den Angeklagten Pansegrau beantragt.
- 424 -
1. Der
Zeuge Krawicki, auf dessen Aussage bereits im vorhergehenden Punkt
eingegangen worden ist, hat dazu ausgesagt, an einem Sonntag im Sommer 1944
habe er mit in der Nähe des im Lager befindlichen Wasserbassins aufgehalten.
Dabei habe er gesehen, wie sich drei Häftlinge, die er nicht gekannt habe
und die nicht hätten schwimmen können, in dem Bassin befunden hätten. Von
den drei am Beckenrand stehenden SS.Leuten Lausmann, Lapka und Mietliczka
seien sie am Verlassen des Beckens gehindert worden.
Bevor er
weggelaufen sei, habe er noch gesehen, wie diese Häftlinge an der Oberfläche
des Beckens mit den Händen um sich geschlagen hätten. Er habe dann später
gehört, daß diese Häftlinge ertrunken seien. Die Leichen der Häftlinge habe
er nie gesehen. Er habe auch nicht gesehen, wie die Körper dieser Häftlinge
bzw. ihre Leichen aus dem Becken geholt worden seien.
Im
Gegensatz dazu hatte der Zeuge Krawicki bei der bereits erwähnten
polizeilichen Vernehmung vom 16.3.1976 ausgesagt, er habe selbst gesehen,
wie die drei SS.Leute, darunter Mietliczka, die Köpfe der Häftlinge so lange
unter Wasser gedrückt hätten, bis diese ertrunken gewesen seien. Weiter habe
er selbst gesehen, wie die Leichen der drei toten Häftlinge von
Mithäftlingen aus dem Becken gezogen und in den Totenkasten geworfen worden
seien.
Aufgrund
der Aussage dos Zeugen Krawicki, die Richtigkeit unterstellt, kann im
vorliegenden Fall eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau nicht
erfolgen. Denn der Zeuge Krawicki hat in der Hauptverhandlung im Gegensatz
zu seiner polizeilichen Vernehmung ausgesagt, er habe weder gesehen wie die
Häftlinge ertränkt worden seien, noch habe er ihre Leichen gesehen. Das
letzte was er vor dem Weglaufen gesehen habe, sei gewesen, daß die im Becken
befindlichen
- 425 -
drei
Häftlinge an der Oberfläche des Wassers mit den Händen um sich geschlagen,
also noch gelebt hätten.
Im
übrigen hat die Kammer an der Zuverlässigkeit der Aussage dieses Zeugen, wie
bereits erwähnt; erhebliche Zweifel.
2. Auch
aufgrund des. übrigen Ergebnisses der Beweisaufnahme kann eine Verurteilung
des Angeklagten Pansegrau in diesem Anklagepunkt nicht erfolgen.
Der
bereits mehrfach erwähnte Zeuge Aron Pernat hatte zwar bei seiner
polizeilichen Vernehmung ausgesagt, er habe selbst gesehen, wie der SS.Mann
Mietliczka zusammen mit dem Rapportführer in dem im Lager errichteten
Wasserbecken zwei Häftlinge ertränkt habe.
Bei
seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel Aviv hat der Zeuge Pernat
demgegenüber am 1. Tag seiner Vernehmung ausgesagt, in Jaworzno habe es
überhaupt kein Wasserbecken gegeben. Am 2. Tag seiner Vernehmung hat der
Zeuge dann bekundet, es habe zwar ein solches Becken gegeben, zu
irgendwelchen Zwischenfällen, insbesondere zu der Tötung von Häftlingen, sei
es dort aber nicht gekommen.
Entsprechend den Antrag der Staatsanwaltschaft war der Angeklagte Pansegrau
daher in diesen Punkt der Anklage freizusprechen.
- 426 -
J) Die
den Angeklagten Pansegrau zur Last liegenden Straftaten, soweit sie den
Evakuierungsmarsch betreffen:
Dem
Angeklagten Pansegrau wurden in der Anklage und ihm Eröffnungsbeschluß
insgesamt 11 Verbrechen des Mordes zur Last gelegt, die er im Rahmen dem
Evakuierungsmarsches zwischen Jaworzno und Blechhammer begangen haben soll
(Anklagepunkte II 9 und II 10).
Der
Angeklagte hat sich auch hierzu eingelassen, er habe während des Krieges nie
einen Häftling erschossen oder sonstwie getötet.
Auf dem
Evakuierungsmarsch zwischen Jaworzno und Blechhammer könne er gar keinen
Häftling erschossen oder sonst getötet haben, da er mit der Bewachung der
Häftlingskolonne nichts zu tun gehabt habe und nur zu Beginn des
Evakuierungsmarsches zwischen Jaworzno und Myslowitz hinter der
Häftlingskolonne hergegangen sei (vgl. Blatt 78 und 79).
Nach
Durchführung der Beweisaufnahme hielt die Staatsanwaltschaft den Angeklagten
Pansegrau ihm Anklage II 9 noch hinsichtlich aller 10 angeklagten Verbrechen
des Mordes für überführt und hat insoweit Verurteilung beantragt. Im Fall II
10 hat die Staatsanwaltschaft ohne nähere Begründung Freispruch beantragt.
I) 1 Beginn, Dauer und
Verlauf der Evakuierung der Häftlinge des Lagers Jaworzno auf der Strecke
zwischen Jaworzno und dem Konzentrationslager Blechhammer, die allein
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, wurden bereits dargelegt (vgl.
Seiten 46 - 52 und 130 - 146).
- 427 -
Hier sei
nochmals darauf hingewiesen, daß die Evakuierung an Mittwoch, den 17.1.1945
zwischen 22.00 und 22.30 Uhr begonnen hat, nachdem in der Nacht zuvor das
mitten im Lager stehende Wirtschaftsgebäude von einer Bombe getroffen worden
war. Am Morgen des 18.1.1945 erreichten die Häftlinge, die in Fünferreihen
marschieren mußten und links und rechts neben der Kolonne von insgesamt etwa
200 bis 250 SS.Leuten bewacht wurden, den Ort Myslowitz und im Verlauf
dieses Tages das bereits verlassene Lager Laurahütte. In diesem Lager wurde
eine Pause eingelegt, deren Dauer nicht genau festgestellt werden konnte. Am
Nachmittag des 18.1.1945 verließen die Häftlinge dieses Lager und
marschierten in Richtung Beuthen weiter. Am Rande dieser Stadt wurde im
Freien am 19.1.1945 gegen 3.00 Uhr eine Pause von etwa einer Stunde
eingelegt. Dann erfolgte der Weitermarsch über Gleiwitz nach Peiskretscham,
das die Häftlinge an diesem Tag gegen 16.00 Uhr erreichten. In der Nähe
dieser Stadt verbrachten die Häftlinge den Rest des Tages und die folgende
Nacht in einer Scheune oder Lagerhalle.
Am
Nachmittag des folgenden Tages (Samstag, 20.1.1945) verließ die
Häftlingskolonne Peiskretscham und marschierte zunächst in nordwestlicher
Richtung weiter. Nachdem die Kolonne gegen 22.00 Uhr auf russische Soldaten
oder Panzerverbände gestoßen war, wurde die Marschrichtung geändert und die
Häftlinge in südlicher Richtung weitergeführt. Nach einem Nachtmarsch
erreichten die Häftlinge dann gegen 8.00 Uhr am folgenden Tag das
Konzentrationslager Blechhammer. Die Entfernung zwischen Jaworzno und
Blechhammer beträgt ca. 72 km Luftlinie.
Es wurde
bereits ausgeführt, daß die Kammer aufgrund des Ergebnisses der
Beweisaufnahme es als erwiesen ansieht, daß auf der Strecke zwischen
Jaworzno und Blechhammer mehrere Hundert Häftlinge von den sie begleitenden
SS. Leuten erschossen worden sind (vgl. Seiten 50 und 51).
- 428 -
Eine
genaue Zahl der Opfer konnte nicht festgestellt werden (vgl. Seiten 144,
145).
2. Die
Kammer geht davon aus, daß es unter den während des Evakuierungsmarsches
herrschenden Umständen für die beteiligten Häftlinge sehr schwierig war, im
Falle der Erschießung von Mithäftlingen den oder die Täter sicher und
zuverlässig zu erkennen.
Nach
Auffassung der Kammer stellte die Teilnahme an diesem Evakuierungsmarsch für
alle Häftlinge eine ungeheuere körperliche und seelische Strapaze dar, die
in Verlauf des Evakuierungsmarsches immer größer wurde. Dabei ist auch zu
berücksichtigen, daß der physische und psychische Zustand der meisten
Häftlinge, bedingt durch die schwere Arbeit in Lager und die unzureichende
Ernährung, schon zu Beginn des Evakuierungsmarsches nicht gut war und im
Laufe des Evakuierungsmarsches immer schlechter geworden ist.
Außer
diesen auf der Häftlingsseite und damit bei den Zeugen vorliegenden
Umständen wurde das Erkennen von möglichen Tätern dadurch erschwert, daß
nicht nur die den Zeugen mehr oder weniger gutbekannten Angehörigen der
Lagerkommandantur, sondern die gesamten 200 - 250 Wachleute des Lagers
Jaworzno am Evakuierungsmarsch teilgenommen haben. Sichere Feststellungen
über das Aussehen dieser SS.Angehörigen konnten nicht getroffen werden. Es
kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, daß sich unter diesen 200 bis 250
SS.Leuten auch einer oder mehrere befunden haben, die mit dem Angeklagten
Pansegrau vom Aussehen oder der Figur her eine gewisse Ähnlichkeit gehabt
haben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die SS.Leute damals Winterkleidung,
das heißt Helme oder Mützen, zum Teil mit Ohrenschützern, und Mäntel
getragen haben, wodurch das Erkennen bestimmter Personen ohnehin erschwert
worden ist.
- 429 -
Daß es in
den Uniformen der Angehörigen der Lagerkommandantur und der übrigen
Wachmannschaften Unterschiede gegeben hat, konnte nicht festgestellt werden.
3. Die
Kammer geht davon aus, daß die Einlassung des Angeklagten Pansegrau, er habe
während der Evakuierung mit der Häftlingskolonne überhaupt nichts zu tun und
mit ihr nur bis etwa Myslowitz Sichtkontakt gehabt, in dieser Form nicht
richtig ist.
Zum einen
hat der Angeklagte Pansegrau selbst bei seiner Vernehmung vom 16.8.1976 auf
die Frage, ob er bis Blechhammer mitgegangen sei, folgendes geantwortet:
...“Ja,
ich bin bis Blechhammer mitgegangen. Da haben wir Verpflegung geholt. Ich
kann heute nicht mehr sagen, ob dort ein Lager war oder nicht. Von
Blechhammer aus bin ich dann Aktentransport in Richtung Berlin gefahren. Von
da ab hatte ich mit dem Evakuierungstransport nichts mehr zu tun.“ ...
Zum
anderen hat auch die Ehefrau des Angeklagten Pansegrau, die Zeugin Irmgard
Pansegrau, bei ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung bekundet, daß sie
auf einem Pferdewagen 2 oder 3 Tage in Sichtweite hinter der
Häftlingskolonne hergefahren sei.
Daß sich
der Angeklagte Pansegrau zumindest zeitweilig auch bei der Häftlingskolonne
aufgehalten hat, ergibt sich zum Beispiel aus der Aussage des bereits
mehrfach erwähnten Zeugen Antoni Sicinski. Dieser Zeuge hat bei seiner
Vernehmung in der Hauptverhandlung bekundet, der Angeklagte Pansegrau, den
er von Lager her gut gekannt habe, habe ihm auf der Strecke zwischen
Jaworzno und Blechhammer bei einer Rastpause einmal Wasser zum Trinken
besorgt. Dieser Zeuge hat auch ausgesagt, er habe damals gehört, daß auch
die Ehefrau des Angeklagten Pansegrau am Evakuierungsmarsch teilnehme. Die
Kammer hat deshalb keinen Zweifel daran
- 430 -
daß die
Einlassung des Angeklagten Pansegrau und die Aussage seiner Ehefrau über die
Teilnahme der Zeugin Pansegrau am Evakuierungsmarsch richtig ist.
II.
Anklagepunkt II 9 (Erschießung von insgesamt 10 Häftlingen bei der
Evakuierung auf der Strecke zwischen Jaworzno und Blechhammer):
In diesem
Punkt der Anklage wurde dem Angeklagten in der Anklageschrift und im
Eröffnungsbeschluß zur Last gelegt, Zwischen Jaworzno und Blechhammer als
Angehöriger der Wachmannschaft seitlich und am Ende der Kolonne eine nicht
mehr genau feststellbare Zahl von Häftlingen, mindestens aber 10, getötet zu
haben, indem er die Opfer aus geringer Entfernung in den Kopf oder das
Genick geschossen habe. Dabei habe es sich um Häftlinge gehandelt, die
während des Marsches aus der Reihe getreten oder vor Erschöpfung
zusammengebrochen seien oder nicht bzw. nicht mehr schnell genug hätten
gehen können. Von diesen 10 dem Angeklagten Pansegrau zur Last liegenden
Verbrechen des Mordes wurden in der Anklageschrift 6 näher konkretisiert.
Im Fall
II 9 a lag dem Angeklagten zur Last, am 2. Marschtag einen Häftling, der aus
der Reihe getreten sei und sich gebückt habe, um seine Schuhe zuzubinden,
mit einem Schuß in den Kopf getötet zu haben. Als direkte Tatzeugen waren
hierfür die Zeugen
Motek
Weltfreid,
Josef
Sieradzki,
David
Lerer,
- 431 -
Lipa
Dinur,
Meir
Shimoni,
Israel
Lior,
Schmuel
Ben David und
Abraham
Strykowski
benannt.
Im Fall
II 9 b der Anklage lag dem Angeklagten zur Last, einen Häftling, der
seitlich aus der Kolonne herausgetreten sei und sich angeschickt habe, die
Notdurft zu verrichten, mit einer Pistole ins Genick geschossen und dadurch
getötet zu haben.
Als
direkte Tatzeugen für diesen Fall der Anklage waren die Zeugen
Mordechaj
Hoffmann,
Chaim
Mastbaum,
Hillel
Charlupski und
David
Lerer
benannt.
In Fall
II 9 c lag des Angeklagten zur Last, einen neben der Kolonne an Boden
sitzenden Häftling erschossen zu haben, ohne ihn vorher zum Weitergehen
aufgefordert zu haben.
Als
direkter Tatzeuge für diesen Fall war der Zeuge Schmuel Grol benannt worden.
Im Fall
II 9 d lag den Angeklagten zur Last, einen nicht mehr marschfähigen Häftling
aus der Kolonne herausgenommen und ihn durch Kopfschuß getötet zu haben.
Als Zeuge
hierfür war der Zeuge Mordechaj Goldbart benannt worden.
Im Fall
II 9 e soll der Angeklagte am 18.1.1945 zwischen Myslowitz und Beuthen den
ungarischen Juden Jenoe Kleinman, der vor Erschöpfung nicht mehr habe
weitergehen können, erschossen haben.
- 432 -
Als
Tatzeugen hierfür waren die Zeugen
Jona
Schwarz,
Jehoschua
Krawicki und
Schmuel
Ben David
benannt
worden.
Im Fall
II 9 f schließlich soll der Angeklagte einen während des Marsches
zusammengebrochenen Häftling mit einem Pistolenschuß getötet haben.
Als
direkte Tatzeugen hierfür waren die Zeugen Jakob Frenkel und Jehoschua
Krawicki benannt worden.
Außerdem
hat die Staatsanwaltschaft noch eine Reihe anderer Zeuge benannt, die
gesehen haben sollen, daß der Angeklagte Pansegrau auf dem
Evakuierungsmarsch Häftlinge erschossen haben soll. Auf die Namen und
Aussagen dieser Zeugen wird im einzelnen noch näher eingegangen werden.
Nach
Durchführung der Beweisaufnahme hielt die Staatsanwaltschaft den Angeklagten
Pansegrau in den Fällen II 9 a, II 9 b und II 9 e für überführt und
hinsichtlich der Anklagepunkte II 9 c, II 9 d und II 9 f für nicht
überführt. Weiter war die Staatsanwaltschaft der Meinung, daß auch in den
Fällen, in denen der Angeklagte Pansegrau nicht als überführt anzusehen sei,
kein Freispruch erfolgen könne, da der Angeklagte aufgrund des Ergebnisses
der Hauptverhandlung in mindestens 10 Fällen, die alle von der Anklage
mitumfaßt seien, zu verurteilen sei.
Die
Staatsanwaltschaft stützt ihren Antrag insoweit in erster Linie auf die
Aussagen der Zeugen
Jona
Schwarz,
David
Lerer,
Mordechaj
Hofmann,
Hillel
Charlupski,
Tadeusz
Lopaczewski und
Josef
Szmidt.
- 433 -
Ergänzend
stützte die Staatsanwaltschaft ihren Antrag auf Verurteilung den Angeklagten
Pansegrau in diesen 10 Fällen noch auf die Aussagen der Zeugen
Josef
Sieradzki,
Moshe
Jachimowicz,
Jehoschua
Krawicki,
Motek
Weltfreid,
Lipa
Dinur,
Jakob
Frenkel,
Schmuel
Ben David,
Israel
Grol,
Israel
Lior,
David
Burdowski und
Szabtei
Leszczinsky.
III. Die
Kammer hält die Aussagen der Zeugen, die den Angeklagten Pansegrau bzw. den
SS.Mann mit dem Spitznamen Mietliczka mit der Erschießung von Häftlingen auf
dem Evakuierungsmarsch belastet haben, nicht für so sicher und zuverlässig,
um hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau stützen zu können.
Dies gilt sowohl für die von der Staatsanwaltschaft zur Stützung ihres
Antrages auf Verurteilung noch herangezogenen Zeugen wie auch für alle
anderen im Rahmen dieses Verfahrens vernommenen Zeugen.
1. Die
Aussage des Zeugen Motek Weltfreid (benannt zum Anklagepunkt II 9 a) zur
Person den Angeklagten Olejak und zum Anklagepunkt I 1 wurde bereits
dargelegt (vgl. Seite 264 und 265 und 335 bis 336)
- 434 -
Dabei
wurde bereits zum Ausdruck gebracht, daß die Kammer die Aussage des Zeugen,
der den Angeklagten Olejak als 2. Rapportführer des Lagers Jaworzno in
Erinnerlang hat und den er ab Anfang 1944 ständig in Jaworzno gesehen haben
will und auch seine Aussage zum Anklagepunkt I 1 nicht als richtig ansieht.
Zur Frage
von Häftlingstötungen auf dem Evakuierungsmarsch hat der Zeuge Weltfreid bei
seiner Vornehmung in der Hauptverhandlung bekundet, er könne nur über einen
Häftling sprechen, der erschossen worden sei. Dies sei der Häftling Jakob
Schmulewicz aus seiner eigenen Heimatstadt. Dieser Häftling sei etwas aus
der Kolonne gekommen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der SS.Mann Mietliczka
etwa auf Höhe des Teils der Kolonne befunden, bei dem er selbst und der
Häftling Schmulewicz gewesen seien. Mietliczka habe eine Pistole in der Hand
gehabt und der Häftling Schmulewicz sei von einem Schuß getroffen worden und
zusammengebrochen. Den Vorgang des Schießens selbst habe er nicht gesehen.
Er glaube aber, daß Mietliczka der Schütze gewesen sei, da er keinen anderen
SS.Mann in der Nähe gesehen habe. Er habe noch gesehen, daß sein Freund
Schmulewicz getroffen worden sei, wohin könne er nicht sagen. Ob er tot
gewesen sei, könne er ebenfalls nicht sagen, auch nicht was weiter aus ihm
geworden sei.
Nach
Vorhalt seiner polizeilichen Vernehmung vom 15.3.1976, in der der Zeuge nach
dem Inhalt der Niederschrift davon gesprochen hat, daß der SS.Mann
Mietliczka einen Häftling, der aus Widawa gestammt habe, erschossen habe und
daß der mit ihm befreundete Häftling Schmulewicz von dem SS.Mann Lapka
erschossen worden sei, erklärte der Zeuge Weltfreid, es sei möglich, daß er
es durcheinander gebracht habe. Nunmehr falle ihm wieder ein, daß es zwei
verschiedene Fälle gewesen seien. Mietliczka habe auf den einen Häftling und
Lapka auf den anderen Häftling geschossen.
- 435 -
Bei
Abschluß der Vernehmung den Zeugen, die in Wage der Rechtshilfe am 7.5.1979
durch den zuständigen Richter des Amtsgerichts Tel Aviv erfolgte, sagte der
Zeuge wiederum zuerst aus, er habe lediglich einen Fall einer
Häftlingstötung auf dem Evakuierungsmarsch gesehen und Täter sei der SS.Mann
Mietliczka gewesen. Dieser habe auf einen Häftling, der sich außerhalb der
Kolonne gebückt habe, geschossen. dieser Häftling habe aus seiner eigenen
Heimatstadt gestammt und Schmulewicz geheißen.
Nach
Vorhalt seiner beiden früheren Vornehmungen bei der Israel-Polizei und im
Rahmen der Hauptverhandlung erklärte der Zeuge Weltfreid dann, es habe doch
zwei Fälle gegeben. Mietliczka sei der Täter im Fall den Häftlings
Schmulewicz und Lapka im Fall des Häftlings aus Widawa gewesen. Es könne
sein, daß man nach so langer Zeit etwas verwechsele.
Die
Kammer hält diese Aussage des Zeugen Weltfreid nicht für sicher und
zuverlässig genug, um hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau in
Anklagepunkt II 9 a zu stützen.
Zwar ist
davon auszugehen, daß der Zeuge Weltfreid, wenn er von dem SS.Mann
Mietliczka spricht, den Angeklagten Pansegrau meint, da er den Angeklagten
sowohl in Person als auch auf Bildern aus der Kriegszeit als diesen SS. Mann
erkannt hat. In Bezug auf die Tötung des Häftlings Schmulewicz und des aus
Widawa stammenden Häftlings hat der Zeuge jedoch bei seinen verschiedenen
Vernehmungen unterschiedliche Angaben über den jeweiligen Täter bzw. das
Opfer gemacht und selbst eingeräumt, daß man nach so langer Zeit etwas
verwechseln könne. Außerdem stellt die Aussage des Zeugen Weltfreid, der
SS.Mann Mietliczka habe auf den Häftling Schmulewicz geschossen, nur eine
Schlußfolgerung des Zeugen dar, da er das Schießen selbst nicht gesehen hat.
Ob diese Schlußfolgerung des Zeugen zutreffend
- 436 -
ist, kann
die Kammer nicht überprüfen.
2. Die
Widersprüche in den Aussagen des Zeugen Lipa Dinur (benannt zu II 9 a) bei
seinen Vernehmungen in der Hauptverhandlung in Oktober 1977 und im Dezember
1979 und insbesondere in seiner Aussage vor der Israel-Polizei im Jahre 1965
wurden bereits dargelegt (vgl. Seite 266 - 268 und 341 und 342).
Dabei
wurde auch bereits darauf hingewiesen, daß die Kammer diesen Zeugen
insbesondere Wegen des Inhalts seiner Aussage aus dem Jahre 1965 nicht für
so zuverlässig ansieht, um auf die Aussage dieses Zeugen eine Verurteilung
stützen zu können. Zur Frage der Erschießung von Häftlingen auf den
Evakuierungsmarsch hat der Zeuge Dinur bei seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung in Jahr 1977 ausgesagt, der SS.Mann mit dem Spitznamen
Miotelka habe in der 2. oder 3. Nacht des Evakuierungsmarsch auf der rechten
Seite der Kolonne einen Häftling mit einer Pistole erschossen. Der
betreffende Häftling sei etwa 10 - 15 Meter von ihm entfernt gewesen 'and
der SS.Mann Miotelka habe sich in unmittelbarer Nähe dieses Häftlings
befunden. Obwohl es Nacht gewesen sei, sei es doch so hell gewesen, daß er
den Täter habe erkennen können.
Bei
seiner 2. Vernehmung in der Hauptverhandlung im Jahr 1979 hat der Zeuge
Dinur ergänzend dazu noch ausgesagt, der Vorfall sei in der 2. Nacht des
Evakuierungsmarsch gewesen und er habe den Täter deswegen erkennen können,
weil der Mond geschienen habe.
Bei
seiner schon erwähnten Vernehmung aus dem Jahre 1965 durch die
Israel-Polizei hat der Zeuge Dinur ausgesagt, während des Evakuierungsmarsch
seien mehr als die Hälfte der Häftlinge aus Jaworzno von der
Begleitmannschaft erschossen worden. Nach der Ankunft im Lager Blechhammer
- 437 -
seien die
Häftlinge zunächst in Baracken getrieben worden, Die dann angezündet worden
seien. Gleichzeitig sei von den SS.Leuten in diese Baracken hineingeschossen
worden. Dabei seien nochmals etwa die Hälfte der in Blechhammer angekommenen
Häftlinge erschossen worden.
Weiter
sagte der Zeuge Dinur dann nach dem Inhalt dieser Niederschrift aus:
... „Ich
kenne keine Namen von Deutschen, die bei diesem Massaker teilgenommen
haben.“...
Diese
Aussage. des Zeugen Dinur beweist, daß er sich im Jahr 1965 weder an den
Angeklagten Pansegrau bzw. an den SS.Mann mit dem Spitznamen Miotelka
erinnert hat, noch daran, daß speziell dieser Mann auf dem
Evakuierungsmarsch einen bestimmten Häftling erschossen hat.
Im
übrigen hat die Kammer Zweifel daran, ob es einem Häftling während der
Nächte des Evakuierungsmarsch überhaupt möglich war, einen bestimmten
SS.Mann sicher zu erkennen, wenn er 10 oder 15 Meter von diesem Häftling
entfernt war. zu Insoweit wird auf die Ausführungen zu der Aussage des
Zeugen Ryz (Seite 372) und auf die allgemeinen Ausführungen auf Seite 428
hingewiesen.
Die
Kammer sieht deshalb die Aussage des Zeugen Dinur nicht als geeignete
Grundlage für eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau an.
3. Die
Aussage des Zeugen Josef Sieradzki (benannt zu II 9 a} zur Person des
Angeklagten Pansegrau bzw. zu dem SS.Mann mit dem Spitznamen Mietliczka
wurde bereits erläutert (vgl. 388 und 397 - 400). Dabei wurde auch darauf
hingewiesen, daß die Kammer bei der Aussage dieses Zeugen es nicht als
erwiesen ansieht, daß der Zeuge, wenn er von Mietliczka spricht, tatsächlich
den Angeklagten Pansegrau meint.
- 438 -
Soweit
der Zeuge Josef Sieradzki deshalb den SS.Mann mit dem Spitznamen Mietliczka
beschuldigt am 2. oder 3. Tag des Evakuierungsmarsch einen Häftling seitlich
der Kolonne erschossen zu haben, sieht es die Kammer nicht als erwiesen an,
daß in diesem Fall der Angeklagte Pansegrau der Täter war.
4. Die
Aussage des Zeugen Moshe Jachimowicz zur Person des Angeklagten Olejak und
zum Anklagepunkt II 1 wurde bereits dargelegt (vgl. 268 und 269, 388 und
389, 397).
Zur
Person des Angeklagten Pansegrau hat der Zeuge Moshe Jachimowicz zu Beginn
seiner Vernehmung, als der Angeklagte Pansegrau noch im Zuhörerraum den
Sitzungssaales saß, gemeint, dieser könne der SS.Mann Pansegrau sein, der
von den Häftlingen Mietliczka genannt worden sei.
Weiter
hat der Zeuge ausgesagt, Pansegrau sei beim Evakuierungsmarsch dabeigewesen.
Er habe auch auf Häftlinge geschossen. Er könne sich aber an keinen
konkreten Fall einer Erschießung erinnern.
Die
Aussage dieses Zeugen, der in der Hauptverhandlung einen sehr guten Eindruck
hinterlassen hat, stellt zwar eine Erhebliche Belastung des Angeklagten
Pansegrau dar. Da sich der Zeuge jedoch an keinen Einzelfall erinnert und
somit nicht angeben konnte, bei welcher Gelegenheit und unter weichen
Umständen er den Angeklagten Pansegrau beim Schießen auf Häftlinge erkannt
haben will, sieht die Kammer die Aussage des Zeugen Moshe Jachimowicz nicht
für sicher und zuverlässig genug an, um hierauf eine Verurteilung des
Angeklagten Pansegrau stützen zu können.
5. Zur
Aussage des Zeugen Jehoschua Krawicki (benannt zu den Anklagepunkten II 9 e
und II 9 f) zur Person des Angeklagten Olejak, zur Dauer von dessen
Aufenthalt in Jaworzno, zu
- 439 -
seiner
Teilnahme am Evakuierungsmarsch und zu den Anklagepunkten I 2 und II 7 und
II 8 wurde bereits Stellung genommen (vgl. 270, 355 und 356, 421 und 422,
424 und 425).
Hierbei
wurde schon auf die Widersprüche in der Aussage des Zeugen Krawicki in der
Hauptverhandlung und vor der Israel-Polizei hingewiesen. Insbesondere wurde
darauf hingewiesen, daß die Aussage des Zeugen, er habe den Rapportführer
Olejak während des Evakuierungsmarsch auf einem Pferd reiten sehen, nicht
richtig ist.
Zur Frage
der Erschießung von Häftlingen auf dem Evakuierungsmarsch hat der Zeuge
Krawicki bei meiner Vernehmung in der Hauptverhandlung bekundet, während des
Marsches sei ständig auf die Häftlinge geschossen worden. Er habe sowohl den
auf einem Pferd reitenden Rapportführer als auch den SS.Mann mit dem
Spitznamen Mietliczka dabei beobachtet, wie sich mit automatischen Waffen
und Pistolen auf die Häftlinge geschossen hätten. Wie viele Häftlinge
Mietliczka dabei erschossen habe, könne er nicht sagen. An Einzelfälle könne
er sich nicht erinnern und er könne deshalb insoweit keine Angaben machen.
Nach
Vorhalt seiner Aussage vor der Israel-Polizei vom 13. 3.1976, in der er nach
der Niederschrift gesagt hat, er könne sich hinsichtlich des SS.Mannes
Mietliczka an zwei konkrete Einzelfälle erinnern, die er auch genau mit
Zeit- und Entfernungsangaben beschrieben hat, erklärte der Zeuge Krawicki,
er wisse nicht, wie es zu dieser Niederschrift gekommen sei. Er bleibe
dabei, daß er sich an keinen Einzelfall einer Häftlingserschießung erinnern
könne.
Angesichts der zahlreichen Widersprüche in den beiden Aussagen des zeugen
Krawicki in der Hauptverhandlung und vor der Israel-Polizei sieht die Kammer
die Aussage dieses Zeugen nicht als so sicher und zuverlässig an, um hierauf
eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau im Anklagepunkt II 9 stützen zu
können.
- 440 -
Gegen
eine sichere Erinnerung des Zeugen spricht daneben weiter daß er den
Angeklagten Olejak - als einziger Zeuge - auf einem Pferd beim
Evakuierungsmarsch gesehen haben will, obwohl Olejak nach dem gesamten
Ergebnis der Hauptverhandlung an diesem Evakuierungsmarsch überhaupt nicht
teilgenommen hat.
Schließlich sieht es die Kammer nicht als nachgewiesen an, daß der Zeuge
Krawicki, wenn er von dem SS.Mann Mietliczka spricht, tatsächlich den
Angeklagten Pansegrau meint. Denn der Zeuge hat zur Person dieses Mietliczka
ausgesagt, dieser sei der einzige SS.Mann in Jaworzno gewesen, der einen
Hund gehabt habe. Der SS.Mann Lapka, dem an einer Hand Finger gefehlt
hätten, habe keinen Hund gehabt.
Es wurde
schon ausgeführt, daß es sich bei diesem Lapka um den SS.Mann Paul Kraus
gehandelt hat, der - außer dem Lagerführer - als einziger Angehöriger der
Lagerkommandantur in Jaworzno meistens einen Hund mit sich geführt hat.
Unter diesen Umständen kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß
der Zeuge Krawicki zum Zeitpunkt seiner Vernehmung zwischen diesen SS.Leuten
in seiner Erinnerung nicht mehr sicher unterscheiden konnte.
6. Zur
Aussage dos Zeugen Jonah Schwarz (als einziger Tatzeuge zum Anklagepunkt II
9 e benannt) zur Person des Rapportführers bzw. des Angeklagten Olejak, zur
Person des Angeklagten Pansegrau und zu einer angeblichen Erschießung eines
Häftlings ihm Lager (Fall II 3) wurde bereits wiederholt Stellung genommen
(vgl. 298 - 301, 403 - 404, 405 - 407).
Dabei
wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Kammer sowohl die Angaben dem
Zeugen Schwarz zur Person des Angeklagten Olejak und auch zur Erschießung
dieses Häftlings im Lager aufgrund des übrigen Ergebnisses der
Beweisaufnahme nicht als richtig und erwiesen ansieht.
- 441 -
Zu der
dem Angeklagten Pansegrau zur Last liegenden Erschießung des Häftlings Jenoe
Kleinman während des Evakuierungsmarsch hat der Zeuge Schwarz folgendes
bekundet:
Nach dem
Abmarsch aus dem Lager Jaworzno, der abends zwischen 23.00 und 24.00 Uhr
erfolgt sei, seien die Häftlinge die ganze Nacht durchmarschiert. In der
Frühe des nächsten Tages, als es schon hell gewesen sei, habe man den Ort
Myslowitz erreicht, wo in einem Hof eine Rast eingelegt worden sei. Mittags
gegen 13.00 oder 14.00 Uhr sei der Weitermarsch erfolgt.
In der
Pause in diesem Hof habe er den Mithäftling Kleinman getroffen, der im
gleichen Haus wie er selbst geboren und dessen Pate sein, des Zeugen, Vater
gewesen sei. Kleinman habe ihm gesagt, er habe keine Kraft zum Gehen mehr,
er solle ihm doch helfen. Er habe dann den Kleinman eine zeitlang
mitgezogen, vielleicht 2 - 3 Stunden lang. Sie seien damals beide auf der
rechten Seite der Häftlingskolonne gegangen. Kleinman sei dann aus der
Kolonne herausgegangen, während er selbst weitermarschiert sei. Als er sich
nach Kleinman umgedreht habe, habe er gesehen, wie der SS.Mann Mietliczka zu
Kleinman gegangen und aus einer Entfernung von ca. 1 Meter mit einer
Maschinenpistole eine Salve auf ihn abgegeben habe. Mietliczka sei zu diesem
Zeitpunkt etwa 10 - 20 Meter von ihm, dem Zeugen, entfernt gewesen. Da es
noch nicht dunkel gewesen sei, habe er daß Gesicht des SS.Mannes Mietliczka
genau erkennen können, obwohl dieser eine Mütze aufgehabt habe.
Beim
Umdrehen nach Kleinman sei er selbst ganz kurz, ca. 1 Sekunde
stehengeblieben. Dabei habe er daß Gesicht des betreffenden SS.Mannes
gesehen. Wohin Kleinman getroffen worden sei, könne er nicht sagen. Kleinman
sei jedoch blutüberströmt am Boden gelegen. Mehr habe er nicht sehen können,
er habe ja selbst weitergemußt. Kleinman sei durch die
- 442 -
Schüsse
sicherlich getötet worden, da er nach dem Kriege nicht mehr nach Hause
gekommen sei. Mietliczka habe ihn dann selbst beim Weitermarsch Überholt,
vorauf er etwas zurückgeblieben sei, um nicht in der Nähe von Mietliczka
bleiben zu müssen.
Dieser
Vorfall habe sich etwa in der Mitte zwischen Myslowitz und Beuthen, wohin
die Häftlinge zwischen 16.00 und 17.00 Uhr gekommen seien, ereignet. In
Beuthen sei dann bis gegen 22.00 Uhr in den Straßen der Stadt eine Pause
eingelegt worden.
Zur
Aussage dieses Zeugen ist zunächst zu bemerken, daß sich der Vorfall mit dem
Häftling Kleinman nicht am Nachmittag des 1. Marschtages, sondern am frühen
Abend dieses Tags, ereignet hat. Der Zeuge Schwarz hat ausgesagt, er habe
seinen Freund Kleinman während der 1. Pause des Evakuierungsmarsch auf einem
Hof getroffen. Diese erste Pause auf einem Hot fand nicht, wie der Zeuge
Schwarz meinte, in Myslowitz, sondern in dem bereits verlassenen Lager
Laurahütte statt. Der Weitermarsch aus diesem Lager erfolgte, wie bereits
ausgeführt wurde, erst am Nachmittag dieses Tages gegen 16.00 Uhr und nicht
schon, wie der Zeuge Schwarz bekundet hat, zwischen 13.00 und 14.00 Uhr
(vgl. Seite 138).
Selbst
wenn an die weitere Zeitangabe des Zeugen der Vorfall mit Kleinman habe sich
2 - 3 Stunden nach dem Verlassen dieses Hofes ereignet, kein allzu strenger
Maßstab angelegt wird, so ergibt sich aus dieser Angabe doch, daß der
betreffende Vorfall sich erst einige Zeit nach dam Verlassen des Hofes
ereignet hat. Selbst wenn man davon ausgeht, daß bis zu dem Vorfall nur eine
Stunde und nicht 2 - 3 Stunden wie der Zeuge meinte, vergangen sind,
bedeutet dies, daß sich der Vorfall bereits in der Dämmerung oder gar schon
in der Dunkelheit ereignet hat.
- 443 -
Hieraus
ergibt sich, daß das Erkennen des SS.Mannes oder der SS.Leute, die sich zum
Zeitpunkt der Abgabe des Schusses in der Nähe des Häftlings Kleinman
aufgehalten haben, schon allein wegen der schlechten Lichtverhältnisse für
den Zeugen Schwarz sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich war. Dazu kommt
noch, daß sich der ganze Vorfall nach der Aussage des Zeugen Schwarz hinter
ihm in einer Entfernung von 10 - 20 Metern abgespielt und der Zeuge nur
kurze Zeit zurückgeschaut hat. Weiter kommt hinzu, daß der betreffende
SS.Mann nach den Bekundungen des Zeugen Schwarz eine Mütze getragen hat,
wodurch ein sicheres Erkennen nochmals erschwert worden ist.
Unter
diesen gesamten geschilderten Umständen sieht die Kammer die Aussage des
Zeugen Jonah Schwarz nicht als so sicher und zuverlässig an, um hierauf eine
Verurteilung des Angeklagten Pansegrau im Anklagepunkt II 9 e stützen zu
können.
Auch bei
diesem Zeugen kommt im übrigen noch hinzu, daß er den SS.Mann Mietliczka,
den er in diesem Fall als Täter genannt hat, im Lager Jaworzno immer mit
einem Hund gesehen haben will. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann, wie bei
anderen zeugen bereits ausgeführt wurde, eine Verwechselung nicht
ausgeschlossen werden.
7. Zur
Aussage des Zeuge Meir Mosche Shimoni zur Person den Angeklagten Olejak bzw.
zu dem Rapportführer des Lagers Jaworzno sowie zum Anklagepunkt II 6 wurde
bereits Stellung genommen. (vgl. Seite 301 - 302 und 413 - 417).
Auf die
Frage nach Erschießungen von Häftlingen auf dem
Evakuierungsmarsch erklärte der Zeuge, er habe dabei viele Leichen gesehen
und auch beobachtet, wie auf Häftlinge geschossen worden sei. Er erinnere
sich, daß am 2. Tag des Evakuierungsmarsch der Rapportführer des Lagers
Jaworzno auf einen Häftling geschossen habe, der aus der Reihe
herausgegangen
- 444 -
sei, um
etwas an seinem Schuh zu richten.
Nach
Vorhalt seiner Aussage vor der Israel-Polizei vom 17.3.1976, bei der er nach
der Niederschrift ausgesagt hat, der SS.Mann mit dem Spitznamen Besen habe
am 2. Tag des Evakuierungsmarsches auf einen Häftling, der sich gebückt
habe, um die Schuhriemen festzumachen, geschossen, erklärte der Zeuge
Shimoni, er wisse nicht, was damals geschrieben worden sei. Seiner
Erinnerung nach sei in diesem Fall der Rapportführer der Schütze gewesen,
nicht der SS.Mann mit dem Spitznamen Besen.
Es bedarf
keiner weiteren Ausführungen, daß aufgrund der Aussage dieses Zeugen eine
Verurteilung des Angeklagten Pansegrau nicht erfolgen kann.
8. Die
Aussage des Zeugen Hillel Charlupski (benannt zum Anklagepunkt II 9 b) zur
Person des Angeklagten Olejak, zu dessen Anwesenheit im Lager Jaworzno und
zu seiner Teilnahme am Evakuierungsmarsch wurde bereits dargelegt (vgl.
Seite 269 und 270). Dabei wurde auch darauf hingewiesen, daß die Kammer die
Angaben des Zeugen, er habe den Angeklagten Olejak zu Beginn des
Evakuierungsmarsches im Lager Jaworzno gesehen, aufgrund des übrigen
Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht als richtig ansieht.
Zur
Person des Angeklagten Pansegrau hat der Zeuge Charlupski in der
Hauptverhandlung folgendes bekundet:
Nachdem
er bei Beginn seiner Vernehmung zunächst auf zwei verschiedene
Vergleichspersonen gedeutet und geäußert hatte, er glaube, eine dieser
Personen sei der Mietliczka ging er dann auf den Angeklagten Pansegrau zu
und erklärte, diese Person sei der SS.Mann mit dem Spitznamen Mietliczka. Er
sei sich jetzt ganz sicher.
- 445 -
Auch bei
Vorlage der Lichtbilder äußerte der Zeuge zu den den Angeklagten Pansegrau
darstellenden Bildern, diese Person sei der Mietliczka.
Weiter
bekundete der Zeuge, dieser SS.Mann mit dem Spitznamen Mietliczka sei damals
etwa 1,75 m groß gewesen und habe aus Schlesien gestammt. Er sei
Kommandoführer gewesen und habe im Lager immer einen Wolfshund dabeigehabt.
Von diesem SS.Mann sei er selbst einmal gegen Ende des Jahres 1944
geschlagen worden. Grund hierfür sei gewesen, daß Mietliczka bei einer
Kontrolle unter seiner Kleidung einen Zementsack gefunden habe.
Während
des Evakuierungsmarsch habe es viele Erschießungen von Häftlingen durch
SS.Leute gegeben. Besonders erinnert er sich an einen Fall, bei dem sein
Cousin Jakob Zieger erschossen worden sei. Dies sei in der letzten Nacht des
Evakuierungsmarsches gewesen, und zwar weniger ale eine Stunde vor der
Ankunft ins Lager Blechhammer. Sein Cousin sei etwa 10 - 15 Meter vor ihm
innerhalb der Kolonne gewesen. Mietliczka habe sich ganz in der Nähe seines
Cousin aufgehalten. Er habe Zieger zunächst nach vorne gestoßen und dann mit
einer Maschinenpistole von hinten auf ihn geschossen. Ob es eine Salve oder
ein Einzelschuß gewesen sei, könne er nicht mehr sagen. Er habe Zieger dann
am Boden liegen and aus einer Wunde am Hinterkopf bluten gesehen.
Er sei
sich hundertprozentig sicher, daß Mietliczka in diesem Fall der Täter
gewesen sei und er habe jahrelang gewartet, zu diesem Fall vor einem Gericht
aussagen zu können.
Auf
Vorhalt seiner Aussage vor der Israel-Polizei vom 10.3. 1976, in der es
heiß:
- 446 -
... „Ich
kann mich genau entsinnen, daß auf dem Evakuierungsmarsch ein Häftling wegen
Durchfalls auf der Seite heraustreten mußte. Dieser wurde dabei durch den
SS.Mann, der auf Bild Nr. 27, 28 der Bildmappe dargestellt ist, von der
Seite her erschossen. Das war Mietliczka.“ ...
erklärte
der Zeuge Charlupski, er sei damals nicht nach dem Namen gefragt worden.
Deshalb habe er nur den Vorfall geschildert. Im weiteren Verlauf seiner
Vernehmung meinte der Zeuge Charlupski dann, der Vorfall mit seinem Cousin
Zieger habe sich nicht innerhalb, sondern außerhalb der Kolonne ereignet.
Zur
Aussage dieses Zeugen ist zunächst zu bemerken, daß sich eine erhebliche
Belastung des Angeklagten Pansegrau darstellt. Dennoch hält sie die Kammer
nicht für sicher und zuverlässig genug, um hierauf eine Verurteilung des
Angeklagten Pansegrau wegen der Erschießung des Häftlings Zieger stützen zu
können.
Zunächst
ist hier darauf hinzuweisen, daß dem Zeugen die Lichtbildmappe, die ihm bei
seiner polizeilichen Vernehmung vom 10.3.1976 vorgelegt worden ist, nach
seiner eigenen Aussage in der Hauptverhandlung bereits etwa einen Monat vor
dieser Vernehmung von dem zwischenzeitlich verstorbenen Zeugen Edelsberg
gezeigt worden ist. Weiter hat der Zeuge bekundet, Edelsberg habe ihm später
mitgeteilt, wer die auf den Lichtbildern abgebildeten Personen seien.
Unter
diesen Umständen kann nach Auffassung der Kammer der Tatsache, daß der Zeuge
Charlupski in der Hauptverhandlung die den Angeklagten Pansegrau
darstellenden Bilder als solche den SS.Mannes Mietliczka bezeichnet hat,
keine besondere Bedeutung zukommen.
- 447 -
Gegen die
Zuverlässigkeit der Erinnerung des Zeugen Charlupski spricht auch die
Tatsache, daß er den Angeklagten Olejak ganz sicher auf dem
Evakuierungsmarsch gesehen haben will, obwohl Olejak nach den Feststellungen
der Kammer damals nicht in Jaworzno war.
Weiter
besteht auch bei diesem Zeugen die Möglichkeit, daß er den SS.Mann
Mietliczka mit einem anderen verwechselt hat, da auch er diesen Mietliczka
im Lager immer mit einem Wolfshund gesehen haben will. Dies trifft, wie
schon wiederholt ausgeführt worden ist, nicht auf den Angeklagten Pansegrau
zu.
Weiter
ergeben sich aus den verschiedenen Beschreibungen, die der Zeuge Charlupski
von dem betreffenden Vorfall gegeben hat, Zweifel an der Zuverlässigkeit der
Aussage dieses Zeugen.
So hat
der Zeuge zu Beginn seiner Vernehmung ausgesagt, Zieger sei innerhalb der
Kolonne erschossen worden, während er später weinte, der Vorfall habe sich
außerhalb der Kolonne ereignet. Auch in einem weiteren Punkt hat der Zeuge
Charlupski unterschiedliche Angaben gemacht, nämlich zu der Frage, von wo
der betreffende SS.Mann auf den Häftling geschossen hat. Während er bei
seiner polizeilichen Vernehmung angegeben hat, der Häftling sei von der
Seite her erschossen worden, meinte er in der Hauptverhandlung, der
SS.Mann sei hinter dem Häftling gewesen und habe von hinten auf den
Hinterkopf des Häftlings geschossen. Die Aussage des Zeugen in der
Hauptvorhandlung, der SS.Mann habe von hinten auf den 10 - 15 Meter vor ihm,
dem Zeugen, befindlichen Häftling geschossen, bedeutet auch, daß der Zeuge
diesen SS.Mann zum Tatzeitpunkt nur von hinten sehen konnte.
Unter
diesen Umständen bestehen nach Auffassung der Kammer erhebliche Zweifel
daran, ob der Zeuge Charlupski den betreffenden SS.Mann überhaupt sicher hat
erkennen können.
- 448 -
Hierbei
ist auch zu berücksichtigen, daß sich der Vorfall nach der Aussage des
Zeugen, der im übrigen bei seiner polizeilichen Vernehmung zum Tatzeitpunkt
keine Angaben gemacht hat bzw. nicht danach gefragt worden ist, nur kurze
Zeit vor der Ankunft in Blechhammer ereignet haben soll. Diese Ankunft
erfolgte, wie bereits dargelegt worden ist, am Sonntag, den 21.1.1945 gegen
8.00 Uhr morgens.
Der
fragliche Vorfall ereignete sich also nach den Angaben des Zeugen Charlupski
in der Zeit zwischen 7.00 and 8.00 Uhr, zu einer Zeit also, in der die
Beobachtungsmöglichkeiten angesichts der zu dieser Jahreszeit noch herrschen
den Dunkelheit bzw. Dämmerung stark eingeschränkt waren.
Weiter
muß nach Auffassung der Kammer davon ausgegangen werden, daß die körperliche
und geistige Verfassung des Zeugen Charlupski - wie die jedes anderen
Teilnehmers am Evakuierungsmarsch - kurz vor Erreichen des Lagers
Blechhammer, also 4 Nächte und 3 Tage nach dem Verlassen des Lagers
Jaworzno, nicht mehr gut gewesen ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß
gerade die letzte Nacht vor Erreichen des Lagers Blechhammer für die
Häftlinge besonders schlimm und anstrengend war. Hierauf und auf die Gründe
hiefür wurde bereits hingewiesen.
Schließlich spricht gegen die Zuverlässigkeit des Zeugen Charlupski, daß er
von der Erschießung seines Cousin Zieger erstmals in der Hauptverhandlung
gesprochen hat, obwohl er nach seinen eigenen Bekundungen schon jahrelang
darauf gewartet hat, zu diesem Vorfall Angaben zu machen. Unter diesen
Umständen hätte es nach Auffassung der Kammer nahegelegen, daß der Zeuge
Charlupski diesen Fall bereits bei seiner polizeilichen Vernehmung in aller
Ausführlichkeit und Nennung des Namens des Opfers so geschildert hätte, wie
er es dann in der Hauptverhandlung getan hat. Bei dieser
- 449 -
polizeilichen Vernehmung hat der Zeuge jedoch nur allgemein davon
gesprochen, daß Mietliczka einen Häftling, der wegen Durchfalls zur Seite
gegangen sei, von der Seite her erschossen habe. In diesem Zusammenhang ist
noch zu erwähnen, daß der Zeuge Charlupski bei seiner Vernehmung in der
Hauptverhandlung von sich aus nicht erwähnt hat, sein Cousin Zieger habe
damals Durchfall gehabt.
Bei
Würdigung der gesamten dargelegten Umstände kann nach Auffassung der Kammer
die Aussage dieses Zeugen nicht als so sicher und zuverlässig angesehen
werden, daß hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau gestützt
werden kann. Besonderes Gewicht mißt die Kammer dabei der Tatsache zu, daß
der Zeuge Charlupski den Angeklagten Olejak auf dem Evakuierungsmarsch
gesehen haben, was nicht richtig ist.
Den
weiteren Umstand, daß der Zeuge Charlupski bei einer informatorischen
Befragung gegenüber dem Zeugen Edelsberg erklärt hat, er könne für den
Evakuierungsmarsch keinen der SS.Leute mit irgendeiner konkreten Mordtat
belasten, mißt das Gericht keine Bedeutung mehr zu.
Die
Äußerung des Zeugen Charlupski gegenüber dem Zeugen Edelsberg ergibt sich
aus dem in der Hauptvorhandlung verlesen Zwischenbericht Nr. 22 vom
29.6.1975, der von dem Zeugen Edelsberg unterschrieben worden ist.
Dieser
Zwischenbericht hat folgenden Wortlaut:
1. Herr
Hillel Charlupski, Ramat Gan, Karat-Straße 24. Der Zeuge befand sich von
Sommer 1943 bis zur Liquidierung im Lager Jaworzno, die ganze Zeit war er im
Außenkommando beschäftigt. Er war Zeuge der Hängung von etwa 28 Häftlingen,
sah Erschießungen auf dem Evakuierungsmarsch und im Lager Blechhammer, kann
aber keinen der SS.Leute mit irgendeiner konkreten Mordtat belasten, da
diese ihm nicht namentlich bekannt waren.
- 450 -
Der Zeuge
wurde in Blechhammer befreit.
Dieser
Zwischenbericht wurde gem. § 251 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung
verlesen, da der Zeuge Edelsberg zwischenzeitlich verstorben ist.
9. Die
Aussage des Zeugen Ben David (benannt zu den Anklagepunkten II 9a und II 9
e) zur Person dos Angeklagten Olejak und zu dessen Anwesenheit im Lager
Jaworzno und beim Evakuierungsmarsch wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 271
- 275).
Weiter
hat der Zeuge bei seiner ersten Vernehmung in der Hauptverhandlung
ausgesagt, in Jaworzno habe es einen SS. Mann mit dem Spitznamen Mietliczka
gegeben. Bei Vorlage der Bildtafeln. meinte der Zeuge zu Bild Nr. 5 und 6
(Angeklagter Pansegrau), die abgebildete Person könne der Mietliczka sein,
er sei sich aber nicht sicher. Die gleichen Angaben machte er dann zu Bild
27 des Bildbandes.
Bei der
Schilderung des Evakuierungsmarsches bekundete der Zeuge dann, er habe
während der ersten Nacht beobachtet, wie dieser Mietliczka auf einen
Häftling geschossen habe. Der betreffende Häftling habe sich in der Mitte
der Kolonne gebückt, wobei Mietliczka auf ihn geschossen habe. Olejak habe
er beim Abmarsch am Tor gesehen, nicht aber während des weiteren Marsches.
Er habe deshalb auch nicht gesehen, ob dieser beim Evakuierungsmarsch
geschossen habe. Nach Vorhalt seiner polizeilichen Aussage vom 18.3.1976,
bei der er ausgesagt hat, auch Olejak habe beim Evakuierungsmarsch
geschossen, erklärte der Zeuge Ben David, alle SS. Leute hätten geschossen.
Er sei deshalb überzeugt, daß auch Olejak geschossen habe. Er habe aber
nicht gesehen, daß er jemanden getroffen habe. Bei der Fortsetzung seiner
Vernehmung in der Hauptverhandlung am 20.11.1978, also etwa ein Jahr nach
der ersten Vernehmung,
- 451 -
erklärte
der Zeuge Ben David auf die Frage, ob er einen konkreten Fall nennen könne,
bei dem Mietliczka auf einen Häftling geschossen habe, er könne sich an
einen solchen Fall jetzt nicht erinnern. Es seien zwar bei Beginn den
Evakuierungsmarsches Häftlinge erschossen worden. Er könne die Täter aber
nicht beschreiben, da es ja dunkel gewesen sei.
Nach
Vorhalt seiner Angaben aus der ersten Vernehmung über die Erschießung des
Häftlings während der ersten Nacht des Evakuierungsmarsches meinte der Zeuge
dann, alles was ihm vorgehalten worden sei, entspreche der Wahrheit.
Die
Kammer sieht die Aussage dieses Zeugen nicht für sicher und zuverlässig an.
Dabei ist darauf hinzuweisen, daß sich der Zeuge bei seiner zweiten
Vernehmung in der Hauptverhandlung an den bei der ersten Vernehmung
geschilderten Fall einer angeblichen Erschießung eines Häftlings durch den
SS.Mann Mietliczka nicht von sich aus erinnert hat. Der Zeuge bat vielmehr
zunächst bekundet, es sei zwar geschossen worden, aber wegen der Dunkelheit
habe er die Täter nicht erkennen können.
Diese
unterschiedlichen Aussagen beweisen, daß der Zeuge an die damaligen Vorgänge
keine sichere und klare Erinnerung mehr hat.
Dies
ergibt sich auch daraus, daß sich der Zeuge bei seiner polizeilichen
Vernehmung, die ihm vorgehalten worden ist, an den Fall einer angeblichen
Erschießung eines Häftlings, der sich gebückt habe, nicht von sich aus,
sondern erst nach einem Vorhalt des Vernehmungsbeamten erinnert hat.
Schließlich sprechen auch die widersprüchlichen Angaben, die der Zeuge Ben
David zur Person dos Rapportführers Olejak und dessen Anwesenheit in
Jaworzno sowie zu der Frage, ob dieser auf dem Evakuierungsmarsch geschossen
habe, gegen die Zuverlässigkeit dieses Zeugen.
- 452 -
10. Die
Aussage des Zeugen Grol (benannt zu II 9 c) zur Person des Angeklagten
Olejak und zu dessen Anwesenheit im Lager Jaworzno wurde bereits dargelegt
(vgl. 302 - 304).
Bei der
Schilderung des Evakuierungsmarsches erklärte der Zeuge bei seiner
Vernehmung in der Hauptverhandlung, dabei sei aus den verschiedensten
Gründen auf Häftlinge geschossen worden. Täter seien die gewesen, die auch
im Lager gewesen seien. Zu einzelnen Fällen könne er nichts sagen. Er habe
nur daran gedacht, dabei durchzuhalten. Er habe deshalb nicht darauf
geachtet, wer geschossen habe.
Nach
Vorhalt seiner Aussage vor der Israel-Polizei, bei der er den SS.Mann Besen
beschuldigt hatte, auf einen Häftling geschossen zu haben, erklärte der
Zeuge Grol, er könne nicht mehr sagen, wer im einzelnen geschossen habe.
In diesem
Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Zeuge Grol auch bei der
Vernehmung vor der Israel-Polizei nicht von sich aus diesen Fall erwähnt
hatte, sondern erst nachdem ihm der Bericht über eine informatorische
Befragung vorgehalten worden ist.
Bei
dieser Aussage den Zeugen der keine konkrete Erinnerung mehr an eine
Erschießung eines Häftlings durch den SS.Mann Besen oder Mietliczka hat
kommt, es auf die Frage, ob der Zeuge überhaupt den Angeklagten Pansegrau
meint, wenn er von diesen SS.Leuten spricht, nicht mehr an.
11. Die
Aussage des Zeugen David Lerer (als Tatzeuge zu II 9 a und II 9 b benannt)
zur Person des Angeklagten Olejak, zu dessen Anwesenheit im Lager Jaworzno
und bei der Evakuierung wurde bereits dargelegt, ebenso die Aussage des
Zeugen Lerer zur Person den Angeklagten Pansegrau und zu dem Anklagepunkt II
6 (vgl. 273, 417 – 420).
- 453 -
Die
Kammer geht davon aus, daß die Aussage des Zeugen Lerer, Olejak sei immer
als Rapportführer in Jaworzno gewesen und habe auch am Evakuierungsmarsch
teilgenommen, nicht richtig ist.
Auf die
Frage nach Häftlingstötungen auf dem Evakuierungsmarsch bekundete der Zeuge
Lerer, er sei Zeuge von zwei Erschießungen durch den SS.Mann Mietliczka
gewesen.
In einem
Fall sei ein ihm als „Lui der Schreiber“ bekannt gewordener Häftling
erschossen worden. Dies sei am zweiten Tag des Evakuierungsmarsches
geschehen. Der betreffende Häftling habe sich gebückt, um seine Schuhe zu
binden und gleichzeitig versucht, noch weiter zu laufen. Da sei der SS.Mann
Mietliczka dazugekommen und habe auf den Häftling Lui geschossen.
Einen
weiteren Fall habe er am dritten Tag des Evakuierungsmarsches beobachtet.
Ein Häftling habe einen SS.Mann gefragt, ob er austreten dürfe. Dies sei ihm
erlaubt worden, worauf der Häftling aus der Reihe herausgegangen sei. Auch
in diesem Fall sei Mietliczka hinzugekommen und habe auf den Häftling
geschossen. Beide Vorfälle seien auf der linken Seite der Häftlingskolonne
passiert.
Zur
Aussage dieses Zeugen ist zunächst zu bemerken, daß sich kein anderer Zeuge
präzise an einen Häftling im Lager Jaworzno erinnert hat, der unter dem
Namen „Lui der Schreiber“ bekannt war. Weiter wurde schon darauf hingewiesen
daß der Zeuge Lerer im Rahmen seiner Aussage selbst wegen der langen
Zeitdifferenz Zweifel daran geäußert hat, ob seine Angaben über die Täter in
diesen beiden Fällen richtig sind
Außer
diesen von dem Zeugen Lerer selbst geäußerten Zweifeln sprechen auch die
unrichtigen Angaben über die Teilnahme des Angeklagten Olejak am
Evakuierungsmarsch und zu der Frage, ob der SS.Mann Mietliczka in Jaworzno
einen Hund hatte, gegen die Zuverlässigkeit der Erinnerung dieses Zeugen.
- 454 -
Die
Kammer sieht deshalb insgesamt die Aussage des Zeugen Lerer nicht als so
sicher und zuverlässig an, um hierauf eine Verurteilung des Angeklagten
Pansegrau stützen zu können.
12. Die
Aussage des Zeugen Mordechaj Hoffmann zu der Frage, wer bei seiner Ankunft
in Jaworzno in Juni 1944 Rapportführer war und ob er den Angeklagten Olejak
in Jaworzno gesehen bat, wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 304 - 306,
363). Dabei wurde auch bereits auf die Widersprüche hingewiesen, die
insoweit in der Aussage des Zeugen Hoffmann aufgetreten sind. Zu der Person
des SS.Mannes Pansegrau im Lager Jaworzno hat der Zeuge Hofmann folgendes
ausgesagt:
Den
SS.Mann mit dem Namen Pansegrau bzw. Panzergrau habe er unter diesem Namen
etwa im September 1944 kennengelernt. Er sei jung, ca. 20 Jabre alt und ca.
1,70 Meter groß gewesen und habe kurzgeschnittene helle Haare gehabt. Mit
einem Hund habe er ihn im Lager nie gesehen, dieser SS.Mann habe vielmehr
immer einen Stock mit sich geführt. Von den Häftlingen sei er Besen gerufen
worden. Mit den Namen Mietliczka könne er keine Erinnerung verbinden. Er
habe selbst einige Male mit diesem SS.Mann gesprochen. Einmal sei er auch
von ihm nach dem Baden mißhandelt worden, allerdings nicht schwer. Dieser
SS.Mann sei seiner Erinnerung nach ein Volksdeutscher gewesen, er habe ihn
jedoch nur deutsch sprechen hören.
Welche
Funktion dieser SS.Mann in Lager Jaworzno ausgeübt habe, habe er damals zwar
gewußt. Heute könne er sich nicht mehr im einzelnen daran erinnern. Der
SS.Mann Pansegrau bzw. Panzergrau habe während seines eigenen Aufenthaltes
im Lager Jaworzno verschiedene Funktionen ausgeübt. Mal sei er
Kommandoführer, mal Rapportführer gewesen. Gelegentlich sei er auch zum
Kraftwerk gekommen, um die Häftlinge zu überprüfen.
- 455 -
Bei
Vorlage der Lichtbilder erklärte der Zeuge zu den Bildern 6 und 7 der
Bildtafeln und zu den Bildern 27 und 28 des Bildbandes (jeweils Bilder den
Angeklagten Pansegrau): Das ist Pansegrau.
Den
Angeklagten Pansegrau selbst hatte der Zeuge Hoffmann zu Beginn seiner
Vernehmung, als Pansegrau noch mit etwa 8 gleichaltrigen Vergleichspersonen
im Zuhörerraum des Sitzungssaales saß, nicht erkannt. Der Zeuge Hoffmann
deutete vielmehr auf einen Zuhörer und einen Justizangestellten und meinte
dazu, einer von beiden könne der Pansegrau sein.
Nachdem
der Angeklagte Pansegrau dann zusammen mit dem Angeklagten Olejak auf der
Anklagebank Platz genommen hatte und deshalb für den Zeugen als Angeklagter
erkennbar war, weinte der Zeuge dann zur Person des Angeklagten Pansegrau,
dieser könne der von ihm genannte SS.Mann Pansegrau sein.
Zu der
Erschießung eines Häftlings auf dem Evakuierungsmarsch hat der Zeuge
Haffmann in der Hauptverhandlung folgendes ausgesagt:
Die
Evakuierung des Lagers Jaworzno habe abends begonnen. Am ersten Tag des
Marsches morgens zwischen 10.00 und 12.00 Uhr, als es taghell gewesen sei,
habe ein Häftling, der früher Rabbiner gewesen sei und aus seiner eigenen
Heimat gestammt habe, den SS.Mann Pansegrau, der zu diesem Zeitpunkt auf
ihrer Höhe neben der Häftlingskolonne marschiert sei, gefragt, ob er
austreten dürfe. Dies sei grundsätzlich verboten gewesen, weshalb er selbst
seine Notdurft in die Hose gemacht habe. Obwohl Pansegrau den Häftling das
Verlassen der Kolonne verboten habe, was er selbst gehört habe, sei der
Rabbiner aus der Kolonne gegangen und links an der Kolonne entlang etwa 30
bin 40 Schritte vorgelaufen und habe sich dann außerhalb der Kolonne
niedergebückt, um seine Notdurft zu verrichten.
- 456 -
Zu diesem
Zeitpunkt habe Schnee gelegen und auf der linken Seite des Weges, den die
Kolonne gerade marschiert sei, seien auf mehrere Hundert Meter kleine
Eichenbäume gestanden. Es sei kein Wald gewesen. Der Rabbiner sei zwischen
die ersten Bäume am Weg gegangen und habe sich niedergebockt. Die Bäume
seien so klein gewesen, daß man den Rabbiner in dieser Hockstellung noch
habe sehen können. Als Pansegrau zu dem noch am Boden hockenden Rabbiner
gekommen sei, habe er mit einer Pistole von hinten dem Rabbiner in das
Genick geschossen, wobei die Pistole nur wenige Zentimeter vorn Körper den
Rabbiner entfernt gewesen sei. Der Rabbiner sei zu Boden gefallen. Er habe
ihn später nie wieder gesehen.
Er, der
Zeuge, sei zu diesem Zeitpunkt auf der linken Seite der Kolonne marschiert
und nur eineinhalb bis zwei Meter entfernt gewesen. Er habe den SS.Mann
Pansegrau, den er ja gut aus dem Lager gekannt habe, genau als Schützen in
diesem Fall erkannt. Pansegrau sei zu diesem Zeitpunkt mit einem hellen
Wintermantel und etwas Dickem um den Hals bekleidet gewesen. Auf dem Kopf
habe er eine Mütze ohne Schirm getragen.
Er selbst
sei zu diesem Zeitpunkt, wenn er auch schon ein Muselmann gewesen sei, noch
in einer guten körperlichen Verfassung gewesen und habe den Vorfall genau
wahrnehmen können. Obwohl er sich bemühe, die Erinnerungen an das Lager
Jaworzno und an die Evakuierung zu verdrängen und sich von diesen
Erinnerungen, durch die er auch an Alpträumen leide, freizumachen, sei ihm
dies in dem Fall der Erschießung des ehemaligen Rabbiners nie gelungen. Er
sei sich der Täterschaft des SS.Mannes Pansegrau hundertprozentig sicher und
habe sich an diesen Vorfall immer in der gleichen Weise erinnert. Er habe
auch immer den SS.Mann Pansegrau als Täter in diesem Fall in Erinnerung
gehabt.
- 457 -
Diese
letzte Aussage des Zeugen Hoffmann, daß er nämlich immer den SS.Mann
Pansegrau als Täter in Erinnerung gehabt habe, ist nicht richtig. Ebenso hat
sich der Zeuge Hoffmann nicht immer daran erinnert, daß der SS.Mann
Pansegrau von den Häftlingen Besen gerufen worden ist. Beides ergibt sich
eindeutig aus der Vornehmung des Zeugen Hoffmann vom 12.3.1976 durch die
Israel-Polizei, die von dem zwischenzeitlich verstorbenen Zeugen Edelsberg
in Anwesenheit des ersten Staatsanwaltes Gandorfer von der
Staatsanwaltschaft Würzburg durchgeführt worden ist. Die Niederschrift über
diese Vernehmung (22, 92 - 96) wurde dem Zeugen Hoffmann im Rahmen seiner
Vernehmung in der Hauptverhandlung wiederholt vorgehalten. Außerdem wurde
Erster Staatsanwalt Gandorfer hierzu als Zeuge vernommen.
Erster
Staatsanwalt Gandorfer hat dabei bekundet, die Vernehmung des Zeugen
Hoffmann sei im wesentlichen von ihm selbst durchgeführt worden. Er habe
auch die Niederschrift selbst diktiert. Hoffmann habe in der deutschen
Sprache ausgesagt. Verständigungsschwierigkeiten habe es nicht gegeben.
Der Zeuge
Hoffmann habe seine Aussage so gemacht, wie sie niedergeschrieben worden
sei. Er selbst habe sich bemüht, die Niederschrift möglichst wortgetreu nach
der Aussage des Zeugen Hoffmann anzufertigen.
Soweit
dem Zeugen im Rahmen der Vernehmung ein Vorhalt gemacht worden sei, sei dies
in der Niederschrift vermerkt worden. Seiner Erinnerung nach sei dem Zeugen
Hoffmann nur ein Vorhalt aus dem von dem Zeugen Edelsberg über eine
informatorische Befragung gefertigten Bericht gemacht worden.
Weiter
hat Erster Staatsanwalt Gandorfer ausgesagt, dem Zeugen Hoffmann sei zu
Beginn meiner Vernehmung mitgeteilt worden, daß er über das Lager Jaworzno
vernommen werden solle. Der Zeuge Hoffmann habe zunächst Angaben über den
- 458 -
Zeitpunkt
seiner Ankunft im Lager Jaworzno, über das Lager selbst und über seine
verschiedenen Arbeitsstellen gemacht.
Dann habe
er auf die Frage, ob er sich an SS.Leute aus diesem Lager erinnere,
verschiedene Namen genannt, darunter Markewicz und Lausmann. Außerdem habe
er von einem jungen blonden SS.Mann gesprochen, den man ist Lager „Besen“
genannt habe.
Dann sei
dem Zeugen Hoffmann die Lichtbildmappe, die auch in der Hauptverhandlung
benutzt wurde, vorgelegt worden. Nach Durchsicht habe Hoffmann zu Bildern
den Angeklagten Olejak erklärt, dies sei der Rapportführer des Lagers
Jaworzno. Zu einem Bild des Angeklagten Pansegrau habe er ausgesagt, dieser
Mann sei auch in Jaworzno gewesen, einen Namen habe er nicht genannt.
Danach
habe er den Zeugen Hoffmann gefragt, ob dieser zu Tötungen von Häftlingen im
Lager Jaworzno Angaben machen könne. Der Zeuge Hoffmann habe daraufhin von
sich aus einige Fälle aus der Lagerzeit geschildert, darunter auch einen
Fall, bei dem ein Häftling im Wasserbassin des Lagers ertränkt worden sei.
Auf die
weitere Frage, ab auf dem Evakuierungsmarsch Häftlinge erschossen worden
seien, habe Hoffmann erklärt, dies sei der Fall gewesen. Der Marsch habe
nachts begonnen und schon ist Lager selbst sei auf Häftlinge geschossen
worden. Während des Marsches sei ein früherer Rabbiner erschossen worden.
Einen
Täter für diesen Fall habe der Zeuge Hoffmann zu diesem Zeitpunkt von sich
aus nicht genannt.
Außerdem
habe Hoffmann davon berichtet, daß in der letzten Nacht des
Evakuierungsmarsches auf ihn selbst geschossen worden sei.
- 459 -
Er habe
den Zeugen Hoffmann dann ausdrücklich gefragt ob er gesehen habe, dass der
Rapportführer oder der SS. Mann Besen während der Evakuierung auf Häftlinge
geschossen hätten. Hinsichtlich des Rapportführers habe Hoffmann dies
verneint. Hinsichtlich des SS.Mannes Besen habe Haffmann ausgesagt dieser
habe zu Beginn des Marsches, noch im Lager, während der Verteilung von
Lebensmitteln auf Häftlinge geschossen.
Er habe
dann dem Zeugen Hoffmann den von Edelsberg gefertigten Zwischenbericht über
eine informatorische Befragung teilweise wörtlich vorgehalten. In diesem
Bericht habe gestanden, daß Hoffmann Zeuge gewesen sei, wie der SS.Mann
Pansegrau einen ehemaligen Rabbiner erschossen habe. Bis zu diesem Zeitpunkt
sei der Name Pansegrau von dem Zeugen Hoffmann nicht genannt worden.
Hoffmann
habe dann daraufhin ausgesagt, es falle ihm jetzt wieder ein, dass der
SS.Mann mit dem Spitznamen Besen in Wirklichkeit Panzergrau geheißen habe
und es dieser SS. Mann gewesen sei, der den ehemaligen Rabbiner erschossen
habe. Hoffmann habe dann noch nähere Angaben über die Erschießung dieses
Häftlings gemacht.
Zu Ende
der Vernehmung habe er dann den Zeugen Hoffmann nochmals die Bildmappe
vorgelegt und ihn gefragt, ob er jetzt den SS.Mann Pansegrau auf Bildern
erkennen könne. Hoffmann habe dann zu den den Angeklagten Pansegrau
darstellenden Bildern erklärt, dies sei der Pansegrau. Hoffmann sei sich
dessen allerdings nicht ganz sicher gewesen.
Auf
Vorhalt an Ersten Staatsanwalt Gandorfer, daß in dem Zwischenbericht über
die informatorische Befragung des Zeugen Hofmann nicht stehe, daß Pansegrau
einen Rabbiner erschossen habe, sondern nur die Erschießung eines Häftlings
durch Pansegrau auf dem Evakuierungsmarsch erwähnt sei, erklärte der Zeuge
Gandorfer, er habe Hoffmann nur
- 460 -
vorgehalten, was in dem Bericht über die informatorische Befragung gestanden
habe.
Aus
dieser Aussage des Zeugen Gandorfer und dem Inhalt der Niederschrift über
die Vernehmung des Zeugen Hoffmann vom 12.3.1976, die dem Zeugen Hoffmann im
Rahmen seiner Vernehmung in der Hauptvorhandlung wiederholt vorgehalten
worden ist, ergibt sich, daß sich der Zeuge Hoffmann bei der Vernehmung
durch die Israel-Polizei nicht von sich aus an den Namen des Angeklagten
erinnert hat. Trotzdem hat der Zeuge Hoffmann in der Hauptverhandlung
bekundet, er habe diesen Namen immer gewußt. Warum er ihn damals nicht von
sich aus genannt habe, wisse er nicht.
Weiter
ergibt sich aus der Aussage den Zeugen Gandorfer, daß der Zeuge Hoffmann zu
Beginn seiner Vernehmung zwar von einem jungen SS.Mann mit dem Namen Besen
gesprochen hat, daß er diesen SS.Mann aber nicht mit dem Namen Pansegrau
oder Panzergrau in Verbindung gebracht hat. Bei Vorlage der Lichtbilder hat
der Zeuge Hoffmann damals die Bilder des Angeklagten Pansegrau dann weder
mit dem SS.Mann Besen noch mit Panzergrau in Verbindung gebracht, sondern er
hat lediglich bei einem Bild erklärt, diese Person sei in Jaworzno und ein
Sadist gewesen.
Schließlich hat der Zeuge bei der erstmaligen Schilderung des Falles der
Erschießung des früheren Rabbiners keinen Täter nennen können. Auch auf die
ausdrückliche Frage des Vernehmungsbeamten Gandorfer, ob er gesehen habe,
daß der „Besen“ auf dem Evakuierungsmarsch auf Häftlinge geschossen habe,
brachte er die Erschießung des Rabbiners nicht mit diesem SS.Mann Besen und
auch nicht mit dem SS.Mann Panzergrau in Verbindung.
Aus
dieser Aussage den Zeugen Hoffmann bei der Israel-Polizei ergibt sich nach
Auffassung der Kammer eindeutig, daß die Erklärung des Zeugen, er habe sich
immer an den Namen Pansegrau
- 461 -
erinnert
und er habe diesen SS.Mann immer als den Täter im Falle der Erschießung des
Rabbiners in Erinnerung gehabt, nicht richtig ist.
Der Zeuge
Hoffmann hat sich vielmehr an die Identität des SS.Mannes Besen mit dem
SS.Mann Panzergrau und an die Täterschaft dieses SS.Mannes im Falle der
Erschießung des Rabbiners erst aufgrund eines Vorhaltes des vernehmenden
Staatsanwalts erinnert. Dieser Vorhalt lautete, wie der Zeuge Gandorfer nach
Vorhalt des Inhaltes des von Edelsberg gefertigten Zwischenberichtes vom
4.7.1975 bekundet hat, folgendermaßen:
... „Auf
dem Evakuierungsmarsch hat Panzergrau in Anwesenheit des Zeugen einen
Häftling erschossen.“ ..
Aus
diesem Zwischenbericht ergibt sich im übrigen auch daß der Zeuge Hoffmann
zum Zeitpunkt der Befragung durch Edelsberg der Meinung war, die SS.Leute
Panzergrau und Besen seien nicht identisch gewesen. Insoweit heißt es
in diesem Bericht:
... „Es
sind ihm auch der Rapportführer, Panzergrau und ein Funktionär mit
dem Spitznamen Besen erinnerlich. „ ...
Die
Kammer ist der Auffassung, daß bei dieser Aussage des Zeugen Hoffmann vor
der Israel-Polizei bzw. dem vornehmenden deutschen Staatsanwalt nicht davon
ausgegangen werden kann, daß der Zeuge an den Täter im Falle der Erschießung
des Rabbiners und an die Identität des SS.Mannes Pansegrau mit dem SS.Mann
Besen eine sichere, klare und zuverlässige Erinnerung hat, auch wenn er in
der Hauptverhandlung eine insoweit fast widerspruchslose Aussage gemacht
hat.
Im
übrigen hat der Zeuge Hoffmann auch bei anderen Fällen der Tötung bzw.
Mißhandlung von Häftlingen sowohl in der Hauptvorhandlung selbst
widersprüchliche Angaben gemacht
- 462 -
und diese
Angaben stehen teilweise auch noch in Widerspruch zu seinen Angaben bei der
polizeilichen Vernehmung.
So hatte
der Zeuge Hoffmann bei der polizeilichen Vernehmung bekundet, er habe selbst
gesehen, wie Lausmann in Gegenwart des Lagerführers einen Häftling mit
Kleidern in das im Lager befindliche Bassin geworfen und dann ertränkt habe.
Am ersten
Tag seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung am 28.12.1977 erklärte der
Zeuge Hoffmann hierzu, Täter in diesem Fall sei der Rapportführer gewesen.
Zu diesem Zeitpunkt seiner Vernehmung sprach der Zeuge Hoffmann auch noch
davon, daß der Rapportführer und ein SS.Mann, der immer einen Hund und eine
Verletzung an den Fingern der linken Hand gehabt habe, ein und die selbe
Person gewesen seien.
Nach
Vorhalt seiner Aussage bei der Israel-Polizei erklärte der Zeuge Hoffmann
dann im Laufe seiner weiteren Vornehmung in der Hauptverhandlung, er habe
das Bild wieder vor seinen Augen, Täter seien Lausmann und noch ein SS.Mann
gewesen, an dessen Name er sich nicht erinnere.
In einem
weiteren Fall einer Häftlingstötung hatte der Zeuge Hoffmann bei der
Vernehmung durch die Polizei bekundet, an der Baustelle des Kraftwerkes habe
einmal ein junger, rothaariger Häftling aus Munkatz während eines
Bombenalarms zu flüchten versucht. Er habe sich versteckt gehabt und sei
längere Zeit mit Hunden gesucht worden. Schließlich sei er gefunden worden.
Der Kommandoführer Lausmann und der Oberkapo hätten solange auf ihn
eingeschlagen bis er tot gewesen sei.
In der
Hauptverhandlung erklärte der Zeuge Hofmann am Beginn seiner Vornehmung, der
junge rothaarige Häftling ans Munkatz sei von dem Rapportführer, Pansegrau
und dem Oberkapo totgeschlagen worden.
- 463 -
Im Rahmen
der Befragung durch Rechtsanwalt Haase meinte der Zeuge Hoffmann dann, die
Täter in diesem Fall seien der Oberkapo, Pansegrau und Lausmann gewesen. Er
sei vollkommen sicher, daß Pansegrau damals dabeigewesen sei. Warum er
unterschiedliche Angaben mache, könne er nicht sagen.
Wie
unsicher und unscharf die Erinnerung des Zeugen Hoffmann an die damalige
Zeit ist, beweist auch die Tatsache, daß Hoffmann bei seiner polizeilichen
Vernehmung ausgesagt hat, der Jung. SS.Mann Besen sei dabei gewesen, als bei
Beginn der Evakuierung, noch im Lager Jaworzno, während der Verteilung von
Brot auf Häftlinge geschossen worden sei. Hieran hat sich der Zeuge Hoffmann
bei seiner Vornehmung in der Hauptverhandlung überhaupt nicht mehr erinnert.
Im übrigen sieht es die Kammer aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme
als erwiesen an, daß zu Beginn des Marsches im Lager selbst, insbesondere
bei der Verteilung von Lebensmitteln, nicht auf die Häftlinge geschossen
worden ist. Dies haben praktisch alle vernommenen Zeugen übereinstimmend
bestätigt. Hier sei nur auf das Buch von Dr. Novy aus dem Jahre 1949
hingewiesen, in dem Dr. Novy berichtet hat, die Lebensmittel seien zum
größten Teil an die Häftlinge verteilt worden. Daß dabei auch auf die
Häftlinge geschossen worden sei, hat Dr. Novy nicht berichtet.
Schließlich geht die Kammer auch, wie bereits ausgeführt, davon ans, daß die
Angaben, die der Zeuge Hoffmann zur Person des Angeklagten Olejak und zu der
Frage, wer in Jaworzno Rapportführer war, nicht richtig sind. Auf die
Widerspruche in diesem Teil der Aussage des Zeugen Hoffmann wurde bereits
hingewiesen.
Unter
Berücksichtung und Würdigung der gesamten Aussagen des Zeugen Hoffmann sieht
es die Kammer nicht als erwiesen an, daß es der Angeklagte Pansegrau war,
der auf den ehemaligen Rabbiner geschossen hat.
- 464 -
13. Die
Aussage des Zeugen Aron Pernat zur Person des Angeklagten Olejak bzw. dem
Rapportführer des Lagers Jaworzno und zu den Anklagepunkten I 1, I 4, II 1,
II 7, II 8 wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 278 und 279, 364; 386 und
387; 421 u.425).
Zur Frage
von Erschießungen auf dem Evakuierungsmarsch erklärte der Zeuge Pernat bei
seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel Aviv, bei diesem Marsch seien
viele Häftlinge erschossen worden. Er selbst habe gesehen, wie der SS.Mann
mit dem Spitznamen Mietliczka dabei auf Häftlinge geschossen habe.
Einzelheiten über die Erschießungen hat der Zeuge Pernat nicht angeben
können.
Hinsichtlich den Rapportführers bekundete der Zeuge Pernat, dieser habe auf
dem Evakuierungsmarsch mit einem einzigen Schuß aus einer Pistole drei
hintereinander laufende Häftlinge niedergeschossen.
Die
Kammer hat bereits zum Ausdruck gebracht, daß sie die gesamte Aussage des
Zeugen Pernat wegen der zahlreichen Widersprüche zwischen seiner
polizeilichen Vernehmung und seiner Aussage vor dem Amtsgericht Tel Aviv
nicht für sicher und zuverlässig hält. Gegen eine sichere Erinnerung des
Zeugen spricht auch daß er den Rapportführer den Lagers Jaworzno, den er auf
den den Angeklagten Olejak darstellenden Bildern wiedererkannt haben will,
immer in Jaworzno und auch beim Evakuierungsmarsch gesehen haben will.
14. Der
Zeuge Leon Krzetowski, der am 6.4.1978 und 7.4.1978 in der Hauptverhandlung
vernommen worden ist, hat dabei ausgesagt, er sei von September 1943 bin zur
Auflösung den Lagers in Jaworzno inhaftiert gewesen.
Die Namen
der Angeklagten kenne er nicht. Von den SS.Leuten in Jaworzno erinnere er
sich an Lausmann, Markewicz, Freudenreich und an einen jungen Mann, der von
den Häftlingen
- 465 -
Mietliczka genannt worden sei. Dieser Mietliczka sei auch auf dem
Evakuierungsmarsch dabeigewesen. Während des Marsches seien viele,
insbesondere schwache Häftlinge erschossen worden.
Er habe
einmal gesehen, wie dieser Mietliczka während des Marsches etwa 20 Häftlinge
mit in einen Wald abseits der Kolonne genommen habe. Mietliczka habe eine
Maschinenpistole dabeigehabt. Kurze Zeit später habe er Schüsse gehört und
Mietliczka sei ohne die Häftlinge zur Kolonne zurückgekehrt. Insgesamt sei
Mietliczka etwa 15 - 20 Minuten von der Kolonne weggewesen. Was den
betreffenden Häftlingen passiert sei, wisse er nicht. Er nehme aber an, daß
Mietliczka sie erschossen habe, da er allein zurückgekommen sei.
Auch
aufgrund dieser Aussage, ihre Richtigkeit unterstellt, kann eine
Verurteilung des Angeklagten Pansegrau nicht erfolgen. Denn was sich
tatsächlich in dem betreffenden Wald abgespielt hat und ob die Häftlinge
tatsächlich erschossen worden sind, konnte der Zeuge Krzetowski nicht sehen.
Auf die Frage, ob der Zeuge Krzetowski, wenn er von Mietliczka spricht, den
Angeklagten Pansegrau meint, kommt es deshalb nicht an.
15. Der
Zeuge Tadeusz Lopaczewski, der in Lodz in Polen wohnhaft ist, wurde am
22.5., 23.5., 26.5. und 29.5.1978 in der Hauptverhandlung vernommen.
Zu Beginn
seiner Vernehmung, als die beiden Angeklagten noch im Zuhörerraum des
Sitzungssaales mit mehreren Vergleichspersonen saßen, deutete der Zeuge
Lopaczewski auf den Angeklagten Pansegrau und erklärte, diese Person sei ihm
aus Jaworzno bekannt. Das gleiche äußerte der Zeuge zu dem Angeklagten
Olejak. Weiter deutete der Zeuge auf den Ergänzungsschöffen Zang, wobei er
bekundete, auch diese Person könne in Jaworzno gewesen sei. So wie diese
Person könne heute der Pansegrau aussehen.
- 466 -
Bei
Vorlage der Lichtbilder meinte der Zeuge Lopaczewski zu den Bildern Nr. 5, 6
und 7 der Bildtafeln und zu den Bildern Nr. 26, 27 und 28 des Bildbandes,
die auf diesen Bildern abgebildete Person sei der Pansegrau.
Weiter
sagte der Zeuge Lopaczewski folgendes aus: Nach seiner Verhaftung sei er
zunächst in das Konzentrationslager Birkenau eingeliefert worden, wo er bei
verschiedenen Kommandos habe arbeiten müssen. In Birkenau sei er bis Ende
August 1943 geblieben.
Schon
während dieser Zeit in Birkenau habe er im Juni 1943 den SS.Mann Pansegrau,
der auch schon in Birkenau Mietliczka genannt worden sei, kennengelernt.
Damals habe er nicht gewußt, welcher dieser beiden Namen der richtige Name
gewesen sei. Erst nach Kriegsende habe er von ehemaligen Mithäftlingen
erfahren, daß Pansegrau der richtige Name dieses Mannes und Mietliczka ein
Spitzname gewesen sei.
Auch im
Juli und August 1943 habe er Pansegrau noch in Birkenau gesehen, insoweit
sei er sich ganz sicher. Im Juni 1943 habe es in Birkenau einen Vorfall
gegeben, bei dem zwei griechische Häftlinge von Lausmann, der später auch in
Jaworzno gewesen sei, und von Pansegrau zusammen mit einem Kapo getötet
worden seien. Die betreffenden Häftlinge seien von der schweren Arbeit
erschöpft gewesen und von Lausmann und dem Kapo in der Weise getötet worden,
daß diese eine Holzstange auf den Hals der Häftlinge gelegt und diese damit
erwürgt hätten. Pansegrau habe sich daran auch beteiligt. Im Rahmen dieses
Vorfalles habe er von Mithäftlingen erfahren, daß einer der beteiligten
SS.Leute Pansegrau bzw. Mietliczka geheißen habe.
Als er
selbst Anfang September 1943 nach Jaworzno gekommen sei, habe er Pansegrau
in Jaworzno wieder gesehen. Wahrscheinlich sei dieser gleichzeitig mit ihm
selbst von Birkenau nach Jaworzno verlegt worden. Auch Lausmann habe er dann
in Jaworzno wieder gesehen
- 467 -
Auf dem
Evakuierungsmarsch zwischen Jaworzno und Blechhammer habe er selbst gesehen,
wie dieser SS.Mann Pansegrau mindestens zwei Häftlinge erschossen habe. Der
Abmarsch aus Jaworzno sei abends gegen 23.00 oder 24.00 Uhr erfolgt. In der
Nacht vorher habe er nicht geschlafen, da das Lager von einer Bombe
getroffen worden sei und deshalb im Lager unter den Häftlingen große Unruhe
geherrscht habe. Der Fußmarsch habe über Beuthen und Gleiwitz nach
Blechhammer geführt und insgesamt 4 Nächte und 3 Tage gedauert.
Am Ende
der Kolonne sei auch ein etwa zwei Meter langer Schlitten mitgeführt worden,
auf dem sich Gepäck von SS.Leuten befunden habe. Der Schlitten sei jeweils
von 6 - 10 Häftlingen
gezogen
bzw. geschoben worden.
Zwischen
Beuthen und Gleiwitz sei er von einem ihm nicht mehr erinnerlichen SS.Mann
auch zum Schieben an diesem Schlitten eingeteilt worden. Er habe mehrere
Stunden und über eine Strecke von ca. 15 km beim Transport des Schlittens
mitgeholfen. Ob dies während der Nacht oder bei Tag gewesen sei, wisse er
nicht mehr sicher. Das Ziehen des Schlittens sei sehr anstrengend und er und
die anderen Häftlinge am Schlitten seien sehr erschöpft gewesen. Deshalb sei
der Abstand zu der eigentlichen Häftlingskolonne immer größer geworden.
Noch
bevor die Kolonne die Stadt Gleiwitz erreicht habe, sei es ihm gelungen, vom
Schlitten wegzulaufen und in der Kolonne unterzutauchen. Etwa zwei oder drei
Stunden, nachdem ihm dies gelungen sei, habe er das Bewußtsein verloren. Von
Freunden sei er dann bis zu einer Scheune, in der eine längere Pause gemacht
worden sei, mitgezogen worden. In dieser Scheune sei er dann wieder zu sich
gekommen.
Während
der Zeit, in der er den Schlitten geschoben habe, habe sich auch der SS.Mann
Pansegrau zusammen mit anderen SS.Leuten in der Nähe des Schlittens
aufgehalten. Pansegrau habe damals Stiefel, die übliche SS.Uniform und eine
Mütze, ein
- 468 -
sogenanntes Schiffchen, getragen. Ob er auch einen Mantel angehabt habe,
wisse er nicht. mehr. Während er selbst den Schlitten geschoben habe, habe
er beobachtet, wie Pansegrau und die anderen SS.Leute auf erschöpfte
Häftlinge geschossen hätten. Die SS.Leute seien dabei in seiner
unmittelbaren Nähe gewesen, vielleicht 4, 5 oder 10 Meter von ihm entfernt.
Von Pansegrau habe er mindestens Zwei Fälle gesehen, in denen dieser auf
Häftlinge geschossen habe. Pansegrau habe eine Maschinenpistole benutzt, die
er dann auf den Schlitten gelegt habe. Dabei habe er ihn deutlich an seinem
Gesicht erkannt. Auch vorher habe er ihn schon an seinem Gesicht erkannt
gehabt.
Er selbst
habe sich dann die Maschinenpistole, die von Pansegrau auf den Schlitten
gelegt worden sei, aneignen wollen. Er habe dies dann aber unterlassen,
nachdem er festgestellt habe, daß kein Magazin mehr in der Maschinenpistole
gewesen sei.
Zu diesem
Zeitpunkt, als er Pansegrau und die anderen SS.Leute beim Schießen auf
Häftlinge beobachtet habe, sei seine eigene körperliche Verfassung noch gut
gewesen und er habe diesen SS.Mann noch klar und deutlich erkennen können.
Die
Kammer verkennt nicht, daß der Angeklagte Pansegrau durch diese Aussage des
Zeugen Lopaczewski schwer belastet wird. Nach Auffassung der Kammer ist
jedoch die Aussage auch dieses Zeugen nicht als so sicher und zuverlässig
anzusehen, um hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau stützen zu
können.
Zum einen
ist nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung davon auszugehen, daß die
Angaben, die der Zeuge Lopaczewski über den angeblichen Aufenthalt des
Angeklagten Pansegrau in den Monaten Juli und August 1943 im Lager Birkenau
gewacht hat, nicht richtig sind. Es wurde bereits ausgeführt, daß der
- 469 -
Angeklagte Pansegrau bereits ins Juni 1945 in das Lager Jaworzno versetzt
worden ist. Dies ergibt sich sowohl aus der Einlassung des Angeklagten
Pansegrau selbst, als auch aus den Aussagen der über das Lager und die dort
eingesetzten SS.Leute gut informierten Zeugen Sicinski, Smigielski und
Pasikowski. Alle drei Zeugen haben übereinstimmend bekundet, Pansegrau sei,
ebenso wie sie selbst, von Anfang an, also von Juni 1943 an, im Lager
Jaworzno gewesen.
Auch die
Aussage den Zeugen Lopaczewski, er habe den für Pansegrau in Jaworzno
gebrauchten Rufnamen Mietliczka schon in Birkenau von Mithäftlingen gehört,
ist nicht richtig, da der Angeklagte Pansegrau diesen Spitznamen erst im
Lager Jaworzno von den Häftlingen bekommen hat. Dies ergibt sich ebenfalls
aus der Aussage des Zeugen Pasikowski.
Zum
anderen hat die Kammer ernsthafte Zweifel daran, ob der körperliche Zustand
des Zeugen Lopaczewski zu dem Zeitpunkt, als er den Angeklagten Pansegrau
beim Schießen auf Häftlinge beobachtet haben will, noch so gut war, daß er
die betreffenden SS.Leute sicher und zuverlässig erkennen und unterscheiden
konnte. Der Zeuge selbst hat dies zwar bejaht. Gleichzeitig aber hat er
ausgesagt, das Schlittenschieben sei sehr anstrengend und er sei sehr
erschöpft gewesen. Dies ist unter Berücksichtigung der bereits mehrfach
geschilderten Bedingungen, unter denen die Häftlinge bei der Evakuierung zu
leiden hatten, durchaus verständlich. Dazu kommt noch, daß der Zeuge selbst
ausgesagt hat, er habe auch in der Nacht vor Beginn des Evakuierungsmarsches
wegen der Bombardierung den Lagers Jaworzno nicht geschlafen gehabt.
Weiter
hat der Zeuge Lopaczewski dann bekundet, etwa zwei bis drei Stunden, nachdem
er vom Schlitten weggelaufen sei, habe er völlig das Bewußtsein verloren und
sei erst wieder während der längeren Rastpause in einer Scheune zu sich
gekommen. Hiermit meint der Zeuge offensichtlich die Pause, die am
Freitagnachmittag in der Nähe von Peiskretscham in einer Scheune eingelegt
wurde.
- 470 -
Unter
diesen Umständen kann nicht ausgeschlossen werden, daß die
Wahrnehmungsfähigkeit den Zeugen auch schon während des Schlittenschiebens
erheblich eingeschränkt war. Hierzu ist zu bemerken, daß sich der Zeuge
sicher war, zum Schlittenschieben zwischen Beuthen und Gleiwitz eingesetzt
worden zu sein. Er konnte allerdings nicht mehr sicher sagen, ob er den
Schlitten während der Nacht oder tagsüber geschoben hat.
Es wurde
bereits ausgeführt, daß der Abmarsch der Häftlinge aus Beuthen gegen 4.00
Uhr morgens am 19.1.1945 erfolgt ist (vgl. Seite 48) und daß die Häftlinge
am Vormittag dieses Tages die Stadt Gleiwitz passiert haben. Es ist deshalb
durchaus möglich und sogar wahrscheinlich, daß der Zeitraum, in dem der
Zeuge Lopaczewski zum Schlittenschieben eingenetzt worden ist, noch in die
Nacht oder zumindest in die Dämmerung gefallen ist. Der Zeuge selbst konnte
sich, wie bereits erwähnt, insoweit nicht wehr sicher erinnern. Er meinte,
es könne sowohl nachts als auch tagsüber gewesen sein, als er den Schlitten
geschoben habe.
Es wurde
bereits darauf hingewiesen, daß die Beobachtungs- und Wahrnehmungsfähigkeit
der Häftlinge auf dem Evakuierungsmarsch während der Nächte wegen des
allenfalls geringfügigen Mondlichtes in Verbindung mit den anderen ebenfalls
bereits dargelegten Umständen (Ermüdung und Erschöpfung der Häftlinge,
Winterkleidung der SS.Leute) sehr eingeschränkt war. Im übrigen will der
Zeuge Lopaczewski den SS.Mann Kraus, von den Häftlingen Lapka genannt,
ebenfalls beim Evakuierungsmarsch gesehen haben. Bei seiner Vernehmung durch
eine polnische Richterin am 27.10.1976, die ihm im Rahmen seiner Aussage in
der Hauptverhandlung mehrfach vorgehalten worden ist, hat der Zeuge
Lopaczewski sogar noch geweint, zusammen mit Pansegrau habe auch Kraus auf
Häftlinge geschossen, als er selbst den Schlitten geschoben habe. Es wurde
bereits im
- 471 -
Rahmen
der Ausführungen zu dem Inhalt des Buches „Rückkehr unerwünscht" von Dr.
Novy (vgl. Seite 175 - 191) darauf hingewiesen, daß die Kammer die Teilnahme
des SS.Unterscharführers Kraus am Evakuierungsmarsch nicht als erwiesen
ansieht.
Bei
Berücksichtigung und Würdigung der gesamten Aussage des Zeuge Lopaczewski
sieht es die Kammer nicht als erwiesen an, daß der Angeklagte Pansegrau
unter den von dem Zeugen geschilderten Umständen wahrend des
Evakuierungsmarsch auf Häftlinge geschossen hat.
16. Der
Zeuge Piotr Kowalczyk, der ebenso wie der Zeuge Lopaczewski in Lodz in Polen
wohnhaft ist, hat zu Beginn seiner Vernehmung in der Hauptvorhandlung, als
die beiden Angeklagten noch unter mehreren Vergleichspersonen im Zuhörerraum
des Sitzungssaales saßen, auf den Angeklagten Pansegrau gedeutet und
erklärt, er kenne diesen Mann, dies sei der Mietliczka. Unter diesem Namen
habe er ihn gleich bei seiner Ankunft im Lager Jaworzno im August 1943
kennengelernt. Am Ende der Lagerzeit, kurz vor der Evakuierung, habe er von
Mithäftlingen erfahren, daß der richtige Name dieses Mietliczka Pansegrau
sei.
Bei
Vorlage der Bildtafeln meinte der Zeuge zu den Bildern 5 und 6, die den
Angeklagten Pansegrau darstellen, diese Person sei der Pansegrau. Auch zu
Bild 27 des Bildbandes meinte der Zeuge, die abgebildete Person sei
Pansegrau.
Zum
Evakuierungsmarsch nagte der Zeuge Kowalczyk folgendes aus:
Der
Abmarsch aus dem Lager sei abends erfolgt. Während des Marsches habe er die
SS.Leute Krause, der in Jaworzno Blockführer gewesen sei, und Pansegrau
gesehen. Es seien viele Häftlinge von den SS.Leuten erschossen worden, vor
allem schwache Häftlinge und solche, die versucht hätten, zu fliehen.
- 472 -
Nach der
letzten Pause vor Blechhammer habe jeder Häftling versucht, den anderen
irgendwie zu helfen oder sich helfen zu lassen. Auch er selbst habe zusammen
mit anderen Häftlingen, einen Häftling, der im gleichen Block wie er gewesen
sei und Rosinski geheißen habe, eine zeitlang mitgeschleppt. Als sie selbst
keine Kraft mehr gehabt hätten, habe Rosinski gesagt, sie sollten ihn
liegenlassen. Er und der andere Häftling, der zuvor Rosinski geführt hätte,
hätten ihn hingesetzt und seien weitergelaufen. Nachdem er selbst etwa 5 - 6
Meter weggegangen gewesen sei, habe er einen Schuß gehört und sich
umgeschaut. Obwohl es Nacht gewesen sei, habe er Pansegrau in der Nähe
dieses Häftlings gesehen, mit einer Pistole in der Hand. Dieser Vorfall habe
sich kurz vor Erreichen den Lagers Blechhammer ereignet. Er sei sich
allerdings nicht sicher, daß Pansegrau auf den Häftling geschossen habe, es
könne auch ein anderer SS.Mann gewesen sein.
Der Zeuge
Kowalczyk war im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bereits zweimal vernommen
worden, einmal am 6.2.1970 und einmal am 22.10.1976. Die dabei gefertigten
Niederschriften wurden dem Zeugen im Rahmen seiner Aussage in der
Hauptverhandlung mehrmals vorgehalten.
Nachdem
dem Zeugen aus diesen Niederschriften vorgehalten worden ist, daß er sowohl
1970 als auch 1976 zwar die Erschießung des Häftlings Rosinski erwähnt,
beide Male aber erklärt hatte, Rosinski bei von einem ihm nicht bekannten
SS.Mann mit einem Gewehr erschossen worden, erklärte der Zeuge
Kowalczyk, ihm sei die Täterschaft des SS.Mannes Pansegrau wieder
eingefallen, als er erfahren habe, daß er in der Hauptverhandlung vernommen
werden solle.
Im
weiteren Verlauf seiner Vernehmung bekundete der Zeuge Kowalczyk dann
weiter, es habe zwei Fälle gegeben, in denen auf Häftlinge geschossen worden
sei. In dem einen Fall sei der ihm bekannte Häftling Rosinski das Opfer
gewesen. In diesem Fall sei
- 473 -
ihm der
Täter nicht bekannt gewesen. In dem zweiten Fall sei ihm das Opfer unbekannt
und der Täter bekannt gewesen. Täter sei der SS.Mann Pansegrau gewesen.
Sicher könne er das allerdings nicht mehr sagen.
Diese
unterschiedlichen Darstellungen und Widersprüche in der Aussage des Zeugen
Kowalczyk in der Hauptverhandlung selbst und zu den beiden Aussagen im
Ermittlungsverfahren beweisen nach Auffassung der Kammer, daß sich der Zeuge
weder an die Person, die auf den Haftung Rosinski geschossen hat, noch
daran, ob Pansegrau bzw. Mietliczka beim Evakuierungsmarsch auf einen
Häftling geschossen hat, sicher und zuverlässig erinnern kann.
Im
übrigen hat der Zeuge Kowalczyk weder bei der Vernehmung im Jahre 1970 noch
bei der im Jahre 1976 den SS.Mann Mietliczka mit dem Namen Pansegrau in
Verbindung gebracht, obwohl der Zeuge in der Hauptverhandlung bekundet hat,
er habe von der Identität dieser beiden Personen noch im Lager Jaworzno
erfahren
Die
Kammer sicht es unter diesen Umständen nicht als erwiesen an, daß der
Angeklagte Pansegrau während des Evakuierungsmarsch auf einen Häftling
geschossen hat.
17. Der
Zeuge Jozef Szmidt, der in Warschau wohnhaft ist und als jüdischer Häftling
in Jaworzno war, wurde am 5.6., 7.6., 8.6. und l2.6.1978 in der
Hauptverhandlung als Zeuge vernommen.
Zu Beginn
seiner Vernehmung, als die beiden Angeklagten noch mit mehreren
Vergleichspersonen im Zuhörerraum des Sitzungssaales saßen, ging der Zeuge
auf den Angeklagten Pansegrau zu und bat diesen, aufzustehen und ihm seine
Zähne zu zeigen. Dann meinte der Zeuge, er glaube, daß diese Person der SS.
Mann Mietliczka sei.
- 474 -
Auf die
Frage, warum er sich von ihm zunächst die Zähne habe zeigen lassen, erklärte
der Zeuge Szmidt, Mietliczka habe im Lager einen Silberzahn gehabt. Er sei
sich dessen zwar nicht sicher, aber er glaube es.
Bei
Vorlage der Lichtbilder bekundete der Zeuge Szmidt zu den Bildern 5, 6 und 7
der Bildtafeln (Angeklagter Pannegrau) und zu den Bildern 27 und 28 des
Bildbandes (ebenfalls der Angeklagte Pannegrau), die auf diesen Bildern
abgebildete Person sei der Mietliczka. Mietliczka sei damals etwa so alt wie
er selbst (geboren am 17.2.1923) und wahrscheinlich blond gewesen. Außer
Mietliczka erinnerte er sich insbesondere aus der Lagerzeit noch an die
SS.Leute Lausmann und Krause. Lausmann sei untersetzt und dunkelblond
gewesen. Er habe ebenfalls einen Silberzahn gehabt. Krause sei älter und
größer gewesen, an einer Hand hätten ihm Finger gefehlt. Mietliczka habe oft
einen Hund im Lager mit sich geführt.
Wie
Mietliczka richtig geheißen habe, wisse er nicht. Es könne jedoch möglich
sein, daß der richtige Name dieses SS.Mannes Olejak gewesen sei.
Einen
SS.Mann mit dem Namen Pansegrau habe es in Jaworzno auch gegeben. An ihn
könne er sich jedoch nicht mehr so genau erinnern. Er bei sich allerdings
sicher, daß der SS.Mann mit dem Spitznamen Mietliczka und Pansegrau zwei
verschiedene Leute gewesen seien.
Während
des Evakuierungsmarsches zwischen Jaworzno und Blechhammer habe er gesehen,
wie dieser Mietliczka viele Häftlinge erschossen habe. Diese Beobachtungen
habe er tagsüber gemacht, als er zeitweilig am Ende der Kolonne gewesen sei.
Etwa 30 - 40 Meter hinter den letzten Häftlingen seien SS. Leute, darunter
auch Mietliczka gewesen. Dieser sei jung, gesund und „ein heißer Junge“
gewesen. Er habe eine
- 475 -
Maschinenpistole gehabt und sich wie auf einem Kampffeld benommen.
Wenn ein
Häftling gestürzt sei, habe Mietliczka diesen Häftlinge „angefallen und
erledigt“. Mietliczka habe seine Maschinenpistole so eingestellt gehabt, daß
bei einem Feuerstoß immer zwei Schüsse gefallen seien.
Mietliczka habe er vom Lager her gekannt und deshalb besonders auf ihn
geachtet. Nachts habe Mietliczka einen Mantel angehabt, während er tagsüber
ohne Mantel gelaufen sei und sogar seine Ärmel hochgewickelt gehabt habe. Er
habe damals Mietliczka hinter der Kolonne gesehen und es sei ihm so
vorgekommen, daß es Mietliczka gewesen sei, der geschossen habe. Die anderen
SS. Leute hinter der Kolonne habe er nicht gekannt.
Nach
Ansicht der Kammer bietet diese Aussage des Zeugen Szmidt nicht die Gewähr
dafür, daß der Zeuge, wenn er von dem SS.Mann Mietliczka spricht, den
Angeklagten Pansegrau meint, obwohl er die den Angeklagten Pansegrau
darstellenden Bilder als solche des Mietliczka bezeichnet hat.
So hat
der Zeuge Szmidt als einziger der vernommenen Zeugen ausgesagt, ein
besonderes Kennzeichen des SS.Mannes Mietliczka sei ein Silberzahn gewesen.
Es wurde bereits ausgeführt, daß es nicht der Angeklagte Pansegrau, also der
SS.Mann mit dem Spitznamen Mietliczka, sondern der SS.Mann Lausmann war, der
dieses Kennzeichen im Lager Jaworzno gehabt hat. Auch der Zeuge Szmidt hat
im übrigen bekundet, Lausmann habe als besonderes Merkmal einen Silberzahn
gehabt.
Der
Angeklagte Pansegrau hat sich hierzu eingelassen, er habe damals zwar schon
sine Metallbrücke gehabt, diese sei aber nicht von vorne sichtbar gewesen,
sondern hinter den Zähnen verlaufen.
Weiter
meinte der Zeuge Szmidt, dieser ihm als Mietliczka bekannte SS.Mann habe im
Lager einen Hund gehabt. Dies trifft,
- 476 -
wie schon
wiederholt ausgeführt wurde, nicht auf den Angeklagten Pansegrau zu.
Schließlich hat der Zeuge Szmidt selbst ausgesagt, im Lager Jaworzno habe es
einen SS.Mann Pansegrau gegeben und er sei sich sicher, daß dieser Pansegrau
und der ihm als Mietliczka bekanntgewordene SS.Mann nicht identisch gewesen
seien.
Unter
diesen Umständen kann nicht sicher davon ausgegangen werden, daß der Zeuge
Szmidt den Angeklagten Pansegrau meint, wenn er von Mietliczka spricht.
Im
übrigen erscheint es nach der Aussage des Zeuge Szmidt möglich, daß er,
soweit er einen Täter für Erschießungen auf dem Evakuierungsmarsch nennt,
nicht nur eigene Wahrnehmungen, sondern auch Schlußfolgerungen wiedergibt.
Zunächst
ist hier darauf hinzuweisen, daß sich die Erschießungen, die der Zeuge
Szmidt am Ende der Kolonne beobachtet hat, hinter ihm selbst
zugetragen haben. Dies bedeutet, daß der Zeuge irgendwelche Beobachtungen
nur beim Zurückschauen gemacht haben kann, während er selbst weiter nach
vorne gelaufen ist. Es erscheint sehr zweifelhaft, ob unter diesen Umständen
sichere Beobachtungen und ein sicheres Erkennen der SS.Leute für den Zeugen,
der selbst, wie er bekundet hat, sehr erschöpft war, überhaupt möglich
waren.
weiter
hat der Zeuge ausgesagt, er habe Mietliczka vom Lager her gekannt und als er
seine Beobachtungen bezüglich der Erschießungen gemacht habe, sei es ihm so
vorgekommen, daß es Mietliczka gewesen sei, der geschossen habe.
Bei
dieser Aussage des Zeugen kann nach Auffassung der Kammer nicht sicher
ausgeschlossen werden, daß der Zeuge das Schießen auf Häftlinge, das er
beobachtet hat, einer bestimmten Person zugeordnet hat, die er gekannt und
der er solche Taten aufgrund ihres anderen Verhaltens zugetraut hat. Von der
Gefahr einer
- 477 -
solchen
Übertragung von Taten auf Personen, denen ein Zeuge diese Taten zutraut, hat
auch schon der Sachverständige Prof. Dr. Undeutsch in seinem Gutachten
gesprochen. Für eine solche Übertragung spricht im übrigen auch, daß der
Zeuge Szmidt nach seiner Aussage nur den SS.Mann Mietliczka beim Schießen
auf Häftlinge beobachtet haben will.
Insgesamt
sieht es die Kammer daher aufgrund der Aussage den Zeugen Szmidt nicht als
erwiesen an, daß der Angeklagte Pansegrau Während des Evakuierungsmarsches
auf Häftlinge geschossen hat.
18. Die
Aussage des Zeugen Walerian Redyk, der ebenfalls in Polen wohnhaft ist, zur
Person des Angeklagten Olejak und zu dessen Aufenthalt in Jaworzno wurde
bereits dargelegt (vgl. Seite 263).
Den
Angeklagten Pansegrau hat der Zeuge zu Beginn seiner Vernehmung, als die
beiden Angeklagten noch im Zuhörerraum do, Sitzungssaales saßen, nicht
erkannt, ebenso auch nicht den Angeklagten Olejak. Er hielt vielmehr den
Ergänzungsschöffen Zang für Pansegrau und einen Justizangestellten für
Olejak.
Bei
Vorlage der Bilder meinte der Zeuge Redyk zu den Bildern 14 und 17 der
Bildtafeln (Angeklagter Olejak) und 5 und 6 der Bildtafeln (Angeklagter
Pansegrau), die auf diesen Bildern abgebildete Person sei der „Passengrau“.
Dieser Passengrau, der auch Pansegrau geheißen haben könne, sei der
schlimmste SS.Mann in Jaworzno gewesen, er habe viel geschrieen und
geschlagen. Er selbst sei von diesem SS.Mann allerdings nicht geschlagen
worden.
Während
des Evakuierungsmarsches habe er viele Fälle gesehen, bei denen auf
Häftlinge geschossen worden sei. Täter seien der Pansegrau, der Olejak und
der Lausmann und auch ihm namentlich nicht bekannte SS.Leute gewesen.
- 478 -
Er könne
sich noch an einen Fall erinnern, wo Passengrau auf einen jungen Häftling
geschossen habe. Dies sei zwischen Gleiwitz und Blechhammer gewesen, und
zwar wenige Stunden vor Erreichen des Lagers Blechhammer. Im Vorbeigehen
habe er gehört, wie der junge Häftling bei Passengrau, der mit einer
Maschinenpistole in der Hand neben ihm gestanden habe, um sein Leben
gebettelt habe. Auch andere Wachleute seien in der Nähe gestanden.
Nachdem
er schon 15 - 20 Meter von de Häftling entfernt gewesen sei, habe er hinter
sich einen Schuß gehört. Ob der Häftling getroffen worden sei, könne er
nicht sagen.
Zu diesem
Vorfall ist zu bemerken,. daß der Zeuge Redyk weder gesehen hat, wer auf den
Häftling geschossen hat, noch ob überhaupt auf den Häftling geschossen
worden ist. Im übrigen konnte der Zeuge nur allgemein berichten, von
Passengrau, Olejak und Lausmann sei auf dem Evakuierungsmarsch geschossen
worden.
Die
Kammer sieht deshalb die Aussage dieses Zeugen, der auch Olejak beim
Schießen auf dem Evakuierungsmarsch gesehen haben will, nicht als sicher und
zuverlässig genug an, um den Angeklagten Pansegrau mit der Erschießung eines
Häftlings auf dem Evakuierungsmarsch oder auch nur des Schießens auf
Häftlinge zu überführen.
19. Die
Aussage des Zeugen Mieczyslaw Baran zur Person des Angeklagten Olejak, zur
Dauer von dessen Einsatz im Lager Jaworzno und seiner angeblichen Teilnahme
am Evakuierungsmarsch wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 264).
Weiter
hat der Zeuge Baran ausgesagt, Pansegrau, der von den Häftlingen Mietliczka
genannt worden sei, sei der jüngste SS. Mann im Lager Jaworzno gewesen. Er
habe ihn immer zusammen mit Olejak im Lager gesehen. Bei der Vernehmung im
Jahre 1975 sei ihm der Name Pansegrau nicht eingefallen, obwohl er ihn schon
damals gekannt habe.
- 479 -
Den
Evakuierungsmarsch habe er nicht bis zu Ende mitgemacht. Zwischen Beuthen
und Gleiwitz sei es ihm zusammen mit zwei anderen Häftlingen gelungen, von
der Kolonne zu fliehen.
Er habe
sowohl Olejak als auch Pansegrau während des Evakuierungsmarsches gesehen.
Pansegrau sei auf einem Motorrad an der Kolonne auf und abgefahren. Zu
Beginn des Evakuierungsmarsches habe Olejak ihm befohlen, einen kleinen
Wagen zu ziehen, auf den er, Olejak, Gepäck gelegt habe. Auch Pansegrau habe
ein Gepäckstück auf diesen Wagen geworfen.
Kurze
Zeit nach Verlassen des Lagers habe er zufällig gehört, wie Pansegrau zu
einem anderen SS.Mann gesagt habe, er fahre jetzt mit dem Motorrad in das
Lager zurück und erledige dort die kranken Häftlinge, die im Lager
zurückgeblieben seien. Er habe dies verstanden, da er damals die deutsche
Sprache gut beherrscht habe. Er habe dann einige Zeit später beobachtet, wie
Pansegrau mit dem Motorrad zu der Kolonne zurückgekehrt sei. Er habe auch
gehört, wie Pansegrau zu einem anderen SS.Mann sinngemäß gesagt habe, er
habe dies erledigt.
Auf die
Frage, ob er gesehen habe, daß Olejak und Pansegrau während des
Evakuierungsmarsch auf Häftlinge geschossen hätten, erklärte der Zeuge Baran
zunächst, er habe dies nicht gesehen. Später meinte der Zeuge Baran dann, er
habe doch gesehen, wie Pansegrau auf Häftlinge geschossen habe, Pansegrau
habe eine Maschinenpistole und eine normale Pistole .gehabt. Mit diesen
Waffen habe er abwechselnd auf Häftlinge geschossen.
Auf die
Frage, ob er Pansegrau während des Marsches auch ohne Motorrad gesehen habe,
antwortete der Zeuge Baran zunächst mit nein. Später meinte er dann, er habe
ihn zu Beginn des Evakuierungsmarsches auf der Strecke zwischen Jaworzno und
Myslowitz ohne Motorrad gesehen. während er dann das Motorrad gehabt habe,
habe er es, um schießen zu können, jeweils kurz abgestellt.
- 480 -
Die
Kammer hält die Aussage dieses Zeugen, was die Teilnahme von Olejak am
Evakuierungsmarsch und das angebliche Verhalten des Angeklagten Pansegrau
beim Evakuierungsmarsch betrifft, für völlig unglaubwürdig, obwohl der Zeuge
Baran seine Aussage sehr sicher gemacht hat. Daß der Zeuge den Angeklagten
Olejak beim Evakuierungsmarsch nicht gesehen haben kann, wurde bereits
ausgeführt.
Die
Kammer ist auch der Überzeugung, daß der Angeklagte Pansegrau während des
Evakuierungsmarsches kein Motorrad benutzt hat. Hierzu hat sich der
Angeklagte Pansegrau dahingehend eingelassen, er habe erst 1956 einen
Führerschein erworben und habe vorher kein Motorrad fahren können. Im
übrigen hat auch kein anderer Zeuge bestätigt, Pansegrau während des
Evakuierungsmarsches auf einem Motorrad gesehen zu haben. Lediglich der
Lagerführer Pfütze soll nach den Aussagen mehrerer Zeugen zeitweilig bei der
Evakuierung ein Motorrad benutzt haben.
Auch
soweit der Zeuge Baran bekundet bat, er habe gehört, wie Pansegrau zunächst
gesagt habe, er fahre in das Lager zurück um die kranken Häftlinge zu
erledigen und dann einem anderen SS.Mann mitgeteilt habe, er habe dies
erledigt, ist diese Aussage völlig unglaubwürdig.
Es wurde
schon ausgeführt, daß von den kranken Häftlingen, die im Lager Jaworzno
zurückgeblieben sind, keiner im Lager Jaworzno getötet worden ist (vgl.
Seite 52 und 145). Der Zeuge Schwarzbart, der nach seiner Aussage in der
Hauptverhandlung nach einer Fußamputation im Lager zurückgeblieben war, hat
weiter ausgesagt, von den im Lager eingesetzten SS.Leuten sei nur Lausmann
noch einmal in das Lager zurückgekommen, ohne allerdings einen der
zurückgebliebenen Häftlinge zu töten.
- 481 -
Die
Kammer mißt unter diesen Umständen der Aussage des Zeugen Mieczyslaw Baran
bei der Entscheidung der Frage, ob der Angeklagte Pansegrau auf dem
Evakuierungsmarsch auf Häftlinge geschossen hat, keine Bedeutung bei.
20. Die
Aussage des Zeugen Mordechaj Goldbart (als einziger Tatzeuge benannt zum
Anklagepunkt II 9 d) wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 410 - 413).
Dabei
wurde auch darauf hingewiesen, daß die Kammer der Aussage dieses Zeugen, der
sowohl im Falle der Mißhandlung seiner eigenen Brüder als auch beim Schießen
auf einen bestimmten Häftling, den er zuvor selbst gestützt hatte, bei
seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel Aviv andere Täter genannt hat,
als bei seiner polizeilichen Vernehmung, aufgrund dieser Umstände keine
Bedeutung beimißt.
21. Die
Aussage des Zeugen Israel Lior zu der Frage, wer bei seiner Ankunft im Lager
Jaworzno im September 1944 Rapportführer war, wurde bereits dargelegt (vgl.
Seite 319).
Weiter
hat der Zeuge bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel Aviv
ausgesagt, in Jaworzno habe es einen SS.Mann gegeben, über den er von
anderen Mithäftlingen gehört habe, er heiße Panzergrau. Für diesen Mann sei
auch der Name „Panzer“ verwendet worden.
Außerdem
habe es dort einen SS.Mann gegeben, der von den Häftlingen Miotelka genannt
worden sei. Dies sei ein polnischer Ausdruck und bedeute auf deutsch Besen.
Warum dieser Mann den Spitznamen gehabt habe, könne er nicht sagen.
Panzergrau sei ein junger Mann von ca. 20 Jahren gewesen. Miotelka sei ca.
28 - 30 Jabre alt gewesen. Seiner Erinnerung nach seien die SS.Männer
Panzergrau und Miotelka verschiedene Leute gewesen. Er sei sich jedoch nicht
ganz sicher. Dabei blieb der Zeuge
- 482 -
Lior
auch, als ihm aus der Niederschrift über seine polizeiliche Vernehmung vom
19.3.1976 vorgehalten wurde, daß er damals ausgesagt habe, Panzergrau und
der Besen seien ein und die selbe Person gewesen.
Bei
Vorlage der Bildtafeln meinte der Zeuge Lior zu den Bildern mit den Nummern
1, 6, 10, 11, 13, 14 und 17, diese Männer habe er seinerzeit in Jaworzno
gesehen. Ob einer von diesen der Rapportführer, der Panzergrau oder der
Besen seien, könne er nicht sagen.
Bei
Vorlage des Bildbandes erklärte der Zeuge Lior dann, die auf Bild 33 (Emil
Hantl) abgebildete Person könne in Jaworzno gewesen sein.
Bild 27
könne den SS.Mann Panzergrau darstellen, er sei sich aber nicht sicher. Ob
dieses Bild und Bild 28 des Bildbandes die gleiche Person darstellten, könne
er nicht sagen.
Auch die
auf den Bildern 12, 17 und 25 abgebildeten Personen könnten in Jaworzno
gewesen sein.
Nach
Vorhalt der polizeilichen Aussage vom 19.3.1976, bei der er erklärt hatte,
die den Angeklagten Olejak darstellenden Bilder 17, 18 und 19 des Bildbandes
seien Bilder des Rapportführers des Lagers Jaworzno, meinte der Zeuge Lior
nach nochmaligem Betrachten der Bilder, auf den Bildern 17 und 18 sei nicht
die gleiche Person abgebildet.
Nach
Vorhalt seiner polizeilichen Aussage zu den Bildern 27 und 28 des
Bildbandes, zu denen er damals gesagt hatte, diese Bilder seien Bilder den
Panzergrau, meinte der Zeuge Lior, er könne jetzt nichts anderes sagen als
das, was er schon gesagt habe.
Weiter
sagte der Zeuge Lior aus, wahrend des Evakuierungsmarsches habe er
beobachtet, wie der SS.Mann Pansegrau auf einen Häftling, der aus der Reihe
herausgegangen sei und sich gebückt habe, geschossen habe. Seiner Erinnerung
nach habe Panzergrau
- 483 -
dabei
eine Pistole benutzt. Wohin der Häftling getroffen worden sei, könne er
nicht sagen. Im Gegensatz dazu hatte der Zeuge bei seiner polizeilichen
Vernehmung bekundet, der betreffenden Häftling sei ins Genick getroffen
worden.
Nach
Auffassung der Kammer beweisen die unterschiedlichen Angaben des Zeugen bei
der Polizei und vor dem Amtsgericht in Tel Aviv zu den Lichtbildern der
beiden Angeklagten und zu der Identität der SS.Leute Pansegrau und Besen,
daß der Zeuge an die damalige Zeit, insbesondere an die SS.Leute, keine
sichere und zuverlässige Erinnerung mehr hat. Die Kammer sieht es deshalb
nicht als erwiesen an, daß der Zeuge Lior, wenn er von dem SS. Mann
Panzergrau oder Panzer spricht, tatsächlich den Angeklagten Pansegrau meint.
22. Der
Zeuge Jakob Frenkel (als Tatzeuge benannt zum Fall II 9 f) hat einer
Vorladung zur Hauptverhandlung keine Folge geleistet, worauf er am 4.1. und
8.1.1979 im Wege der Rechtshilfe durch den zuständigen Richter des
Amtsgerichts Tel Aviv in Anwesenheit der Kammer vernommen worden ist.
Dabei hat
der Zeuge Frenkel ausgesagt, er sei bei der Auflösung des Lagers Lagischa
nach Jaworzno gekommen. Aus dem Lager Jaworzno erinnere er sich noch an die
Namen von drei SS.Leuten, nämlich Lausmann, Markewicz und Mietliczka.
Er habe
während des Marsches beobachtet, wie am 2. oder 3. Tag, als es nach hell
gewesen sei, etwa zwei oder drei Reihen vor ihm ein Häftling zu Boden
gefallen und liegengeblieben sei. Ein SS.Mann, der sich etwa in gleicher
Höhe neben der Kolonne aufgehalten habe, habe „halt“ gerufen. Daraufhin
seien alle Häftlinge stehen geblieben. Der SS.Mann sei zu dem am Boden
liegenden Häftling heran gegangen und habe sinngemäß zu ihm gesagt
„aufstehen“. Der am Boden liegende Häftling habe mit einer Bewegung
angedeutet, daß er dazu nicht mehr im Stande sei. Daraufhin habe dieser
SS.Mann aus seiner Waffe auf den
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Häftling
geschossen und den anderen Häftlingen befohlen, weiter zu gehen.
Den
SS.Mann, der auf den Häftling geschossen habe, habe er vor Beginn des
Evakuierungsmarsches schon öfters im Lager gesehen. Er habe aber dessen
Namen oder Spitznamen bis zu dem Zeitpunkt dieses Vorfalles nicht gewußt.
Anläßlich dieser Erschießung habe ein Mithäftling, der den Vorfall auch
beobachtet habe, zu ihm gesagt:
„Da hat
der Mietliczka den Mann erschossen“.
Erst zu
diesem Zeitpunkt und auf diese Weise habe erfahren, daß der betreffende
SS.Mann Mietliczka geheißen habe.
Nach
Auffassung der Kammer besteht bei dieser Aussage des Zeugen Frenkel keine
genügende Sicherheit dafür, daß es der Angeklagte Pansegrau war, der auf
diesen Häftling geschossen hat. Der Zeuge konnte sich nicht mehr an den
Namen des Häftlings erinnern, der ihm seinerzeit gesagt hat, daß Mietliczka
der Täter gewesen ist. Es besteht deshalb für die Kammer keinerlei
Kontrollmöglichkeit, ob der betreffende Häftling, als er von Mietliczka
gesprochen hat, tatsächlich den Angeklagten Pansegrau gemeint hat.
23. Die
Aussage des im Wege der Rechtshilfe vor dem Amtsgericht in Tel Aviv
Vernommenen Zeugen Chaim Mastbaum zum Anklagepunkt II 2 wurde bereits
dargelegt (vgl. Seite 400 - 403).
Weiter
hat der Zeuge bekundet, auf dem Evakuierungsmarsch seien viele Häftlinge
erschossen worden. Das habe er zwar gesehen, er habe aber nicht darauf
geachtet, wer die Täter gewesen seien. Er sei während des Marsches sehr
erschöpft und zu genauen Wahrnehmungen nicht mehr fähig gewesen.
Den ihm
unter dem Namen Lischka bekannte SS.Mann habe man unter den Häftlingen auch
als „Sadist“ bezeichnet. Er könne sich noch erinnern, daß die mit ihm
marschierenden Häftlinge dauernd
- 485 -
untereinander gesagt hatten, „der Sadist“ sei hinter ihnen. Dies sei für sie
der Grund gewesen, einander zu stützen, vorwärts zu eilen und ja nicht
zurück zu bleiben.
Auch
hätten einige SS.Leute, darunter der Lischka, mit den Häftlingen in der
Weise „gespielt“, daß sie ihnen beim Evakuierungsmarsch die Mütze vom Kopf
gerissen, diese zur Seite geworfen und dann den Häftling, wenn er seine
Mütze habe holen wollen, erschossen hätten.
Die
Kammer sieht es aufgrund der Aussage des Zeugen Chaim Mastbaum nicht als
erwiesen an, daß der Angeklagte Pansegrau beim Evakuierungsmarsch selbst auf
Häftlinge geschossen hat. Zum einen kann nicht sicher davon ausgegangen
werden, daß der Zeuge, wenn er von Lischka oder dem „Sadist“ spricht,
tatsächlich den Angeklagten Pansegrau meint. Der Ausdruck „Sadist“ ist im
übrigen von keinem anderen Zeugen für den Angeklagten Pansegrau genannt
worden.
Zum
anderen hat der Zeuge selbst ausgesagt, auf dem Evakuierungsmarsch sei er
wegen seines schlechten Gesundheitszustandes zu sicheren Wahrnehmungen nicht
mehr in der Lage gewesen. Die Kammer hält auch die Schilderung, die der
Zeuge Mastbaum über die Art der Erschießung von Häftlingen auf dem
Evakuierungsmarsch gegeben hat, nicht für zutreffend. Kein anderer der
zahlreichen im Rahmen des Verfahrens vernommenen Zeugen hat Erschießungen
von Häftlingen auf dem Evakuierungsmarsch aus den von dem Zeugen Mastbaum
genannten Gründen und unter den von ihm geschilderten Umständen erwähnt.
Auch der Zeuge Mastbaum hatte bei seiner polizeilichen Vernehmung vom
16.3.1976 diese Art von Erschießungen nicht genannt.
24. Die
Aussage des Zeugen Lemel Orenbach zur Person des Angeklagten Olejak, zur
Dauer von dessen Einsatz ins Lager Jaworzno und seiner Teilnahme am
Evakuierungsmarsch sowie zum Anklagepunkt I 7 wurde bereits Dargelegt (vgl.
283 - 286 und 372 - 377).
- 486 -
Dabei
wurde auch darauf hingewiesen, daß der Zeuge Orenbach den Angeklagten
Pansegrau beschuldigt hat, bei dem dem Angeklagten Olejak im Anklagepunkt I
7 zur Last liegenden Vorfall der Erschießung von mehreren Häftlingen auf
einem LKW beteiligt. gewesen zu sein. Es wurde auch darauf hingewiesen, daß
der Zeuge Orenbach bei seiner polizeilichen Vernehmung eine Beteiligung des
Angeklagten Pansegrau an diesem Vorfall nicht erwähnt hat. Schließlich wurde
auch dargelegt, aus welchen Gründen die Kammer diese Aussage des Zeugen
Orenbach nicht für zutreffend und richtig ansieht, Jedenfalls was die
möglichen Täter anbelangt.
25. Der
Zeuge Abraham Strykowski wurde am 3.1.1979 im Wege der Rechtshilfe durch den
zuständigen Richter des Amtsgerichts Tel Aviv vernommen, nachdem er einer
Vorladung zur Hauptverhandlung keine Folge geleistet hatte.
Dabei hat
der Zeuge ausgesagt, er sei von Sommer 1942 an bis zur Evakuierung im Lager
Jaworzno inhaftiert gewesen und habe auch den Evakuierungsmarsch mitgemacht.
Von den
in Jaworzno eingesetzten SS.Leuten könne er sich nur noch an zwei Namen
erinnern, nämlich Lausmann und Mietliczka. Beide seien im Lager als
Blockführer tätig gewesen.
Seiner
Meinung nach sei Mietliczka der richtige Name dieses SS.Mannes gewesen. Von
den Häftlingen sei er Lapka genannt worden. Er sei sich sicher, daß Lapka
und Mietliczka ein und die selbe Person gewesen seien. Dieser SS.Mann habe
gleich zu Beginn des Marsches einfach in die Häftlingskolonne
hineingeschossen, um die Häftlinge zum schnelleren Verlassen des Lagers zu
veranlassen. Weitere Erschießungen durch diesen SS.Mann habe er auf dem
Evakuierungsmarsch nicht gesehen.
Nach
Vorhalt seiner polizeilichen Aussage vom 6.4.1976, bei der er ausgesagt
hatte, Mietliczka habe am 2. Tag des Marsches einen
- 487 -
Häftlinge, der sich außerhalb der Kolonne gebückt habe, erschossen, meinte
der Zeuge dann, er erinnere sich jetzt wieder an diesen Vorfall. Bei dieser
polizeilichen Vernehmung hat der Zeuge Strykowski im übrigen das angebliche
schießen auf Häftlinge beim Verlassen des Lagers nicht erwähnt.
Die
Aussage des Zeugen zu den im Lager eingesetzten SS.Leuten, insbesondere die
Tatsache, daß er von Lapka (wie ausgeführt war dies der Spitzname für den
SS.Unterscharführer Paul Kraus) und Mietliczka ale einer Person spricht,
beweist, daß der Zeuge Strykowski an die damalige Zeit keine sichere und
zuverlässige Erinnerung mehr hat. Auch an den angeblichen Fall einer
Erschießung auf dem Evakuierungsmarsch durch den SS.Mann Mietliczka hat sich
der Zeuge von sich aus nicht mehr erinnern können.
Die
Kammer sieht deshalb die Aussage dieses Zeugen nicht als Nachweis dafür an,
daß der Angeklagte Pansegrau auf dem Evakuierungsmarsch auf einen Häftling
selbst geschossen hat.
26. Die
Aussage des im Wege der Rechtshilfe in Polen vernommenen Zeugen Tadeusz
Usielski zur Person des Angeklagten Olejak, zur Dauer seines Aufenthaltes in
Jaworzno und zur Teilnahme am Evakuierungsmarsch wurde bereits dargelegt
(vgl. Seite 262 und 263).
Zur
Person des Angeklagten Pansegrau hat der Zeuge Usielski bekundet, dieser sei
von den Häftlingen Mietliczka genannt worden und in Jaworzno als Blockführer
tätig gewesen.
Zum
Evakuierungsmarsch hat der Zeuge Usielski ausgesagt, kurz vor dessen Beginn
seien zur Verstärkung noch zwei Kompanien SS.Leute in Jaworzno eingetroffen.
Während den Marsches sei hinter den Häftlingen ein SS.Kommando gegangen, dem
auch der Angeklagte Pansegrau angehört habe. Diese hätten auf die Häftlinge
geschossen und viele getötet. Die Leichen seien auf einen
- 488 -
von
Häftlingen gezogenen Wagen geladen und im nächstgelegenen Waldstück begraben
worden.
Von einem
anderen SS.Mann habe er gehört, daß Pansegrau einen Häftling namens Kazik
erschossen habe. Dieser Häftling Kazik sei beim Durchqueren einer Ortschaft,
in der er gewohnt habe, aus der Kolonne gesprungen und nach Hause gelaufen.
Zwei SS.Leute, darunter Pansegrau, seien ihm gefolgt und er selbst habe
kurze Zeit später einen Schuß gehört. Das Schießen auf den Häftling selbst
habe er nicht gesehen, da dies in einem Korridor erfolgt sei. Er habe dann
von einem SS.Mann gehört, Pansegrau habe diesen Häftling erschossen.
Die
Kammer hat keinen Zweifel daran, daß der Zeuge Usielski den Angeklagten
Pansegrau in Jaworzno gut gekannt hat.
Gegen die
Zuverlässigkeit der Erinnerung des Zeugen spricht aber, daß er den
Angeklagten Olejak immer in Jaworzno und auch beim Evakuierungsmarsch
gesehen haben will. im übrigen hat dieser Zeuge die von ihm geschilderte
Erschießung des Häftlings Kazik nicht selbst gesehen. Ob das, was dem Zeugen
nach seiner Aussage mitgeteilt worden sei, richtig ist, kann die Kammer
nicht überprüfen.
Im
übrigen hat der Zeuge Usielski nach der in der Hauptverhandlung verlesenen
Niederschrift über seine kommissarische Vernehmung nicht direkt ausgesagt,
er habe Pansegrau auf dem Evakuierungsmarsch beim Schießen auf Häftlinge
gesehen. Er hat vielmehr nur ausgesagt, er habe Pansegrau in der Gruppe von
SS.Leuten gesehen, die hinter der Kolonne hergegangen seien und die auf
Häftlinge geschossen hätten. Daß er Pansegrau direkt beim Schießen gesehen
hat, hat der Zeuge Usielski nicht ausgesagt.
Auch
aufgrund dieser Aussage sieht es die Kammer nicht mit der zu einer
Verurteilung ausreichenden Sicherheit als erwiesen an, daß der Angeklagte
Pansegrau beim Evakuierungsmarsch selbst auf Häftlinge geschossen hat.
- 489 -
27. Zu
der in der Hauptverhandlung verlesenen polizeilichen Aussage der Zeuge
Szabtei Leszczinsky, der wegen seines schlechten Gesundheitszustandes weder
in der Hauptvorhandlang noch im Wege der Rechtshilfe vernommen werden
konnte, wurde bereits im Rahmen der Ausführungen zum Anklagepunkt II 1
Stellung genommen (vgl. Seite 390 - 392 und 394 - 396).
Dabei
wurde auch schon zum Ausdruck gebracht, daß die Kammer die Aussage dieses
Zeugen nicht als sicher und zuverlässig ansieht.
Zu der
Frage von Erschießungen auf dem Evakuierungsmarsch hat der Zeuge Leszczinsky
nach dem Inhalt der Niederschrift ausgesagt, es seien viele Häftlinge
erschossen worden. Weiter heißt es in der Niederschrift:
...
Mietliczka gehörte bei dem Marsch zu den Hauptschießern. Er hat mit Pistole
und Gewehr geschossen. Ich war mit Unterbrechungen am Freitag und Samstag,
immer in der Nähe von Mietliczka, und habe ihn selbst schießen sehen. Ich
kann nicht sagen, wieviele Häftlinge Mietliczka erschossen hat. Ich habe
auch keine Erinnerung mehr an ganz konkrete Fälle. Ich weiß nur, daß
Mietliczka immer hin und her ging. Er war einmal da und einmal dort und hat
geschossen. Er hat mir befohlen, die Erschossenen auf den Wagen zu legen. Es
war verschieden, ein Häftling war in den Kopf, der andere in den Nacken, der
dritte in den Rücken geschossen. ...
Aus den
bereits erwähnten Gründen sieht die Kammer auch diesen sehr pauschal
gemachten Teil der Aussage des Zeugen Leszczinsky nicht als so zuverlässig
und sicher an, um hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau
stützen zu können. Hier sei insbesondere nochmals auf die Ausführungen auf
Seiten 395 und 396 hingewiesen.
- 490 -
Der Zeuge
David Burdowski, der jetzt in den USA wohnhaft ist, wurde am 9.6. und
12.6.1980 in der Hauptverhandlung vernommen.
Dabei hat
er ausgesagt, er sei im Mai 1944 von Lagischa nach
Jaworzno
verlegt worden. Zu Beginn seiner Vernehmung, als die beiden Angeklagten mit
mehreren Vergleichspersonen im Zuhörerraum des Sitzungssaales saßen, deutete
der Zeuge auf den Angeklagten Pansegrau und erklärte, diesen Mann kenne er
vielleicht. Es sei aber schwer zu sagen, ob er ihn wirklich kenne. Dieser
Mann sehe aus wie einer der Wachposten, der auf dem Evakuierungsmarsch auf
Häftlinge geschossen habe.
Weiter
deutete der Zeuge auf einen Justizangestellten und erklärte, dieser Mann
könne damals auch dabei gewesen sin. Er habe auch bei der Evakuierung auf
Häftlinge geschossen.
Namen von
SS.Leuten aus Jaworzno könne er nicht nennen, da er diese damals nicht
gekannt habe. Spitznamen habe er damals zwar gekannt, er erinnere sich aber
nicht mehr an sie.
Bei
Vorlage der Bildtafeln meinte der Zeuge zu Bild Nr. 15 (Angeklagter Olejak)
dieser Mann sei in Jaworzno gewesen.
Zu Bild
Nr. 10 (Oberscharführer Knoblich) meinte der Zeuge, auch diese Person
erinnere ihn an einen Mann, der auf dem Evakuierungsmarsch dabei gewesen
sei. Er glaube auch, daß dieser SS.Mann bei der Erhängung von 28 Häftlingen
eine aktive Rolle gespielt habe.
Auch zu
Bild Nr. 7 (Angeklagter Pansegrau) bekundete der Zeuge, dieser sei bei der
Hängeaktion dabei gewesen.
Zu Bild
Nr. 17 (Angeklagter Olejak) meinte der Zeuge, der sehe aus wie ein SS.Mann
aus dem Lager Lagischa.
- 491 -
Zu den
Bildern 14 und 15 (Angeklagter Olejak) schließlich erklärte der Zeuge, hier
handele es sich um die gleiche Person. der betreffende Mann sei in Lagischa,
in Jaworzno und auch auf dem Evakuierungsmarsch dabei gewesen.
Weiter
sagte der Zeuge Burdowski folgendes aus:
Kurz nach
seiner Ankunft aus Lagischa in Jaworzno habe er selbst gesehen, wie im Lager
28 Häftlinge, die versucht gehabt hätten, durch einen Tunnel aus dem Lager
zu fliehen, erhängt worden seien. Den Namen Pansegrau habe er im Lager
Jaworzno gehört, mehr könne er dazu nicht sagen.
Am
zweiten Tag seiner Vernehmung erklärte der Zeuge dann, er sei in der
Zwischenzeit im Konzentrationslager Dachau gewesen und da sei ihm vieles
wieder eingefallen. Das Gesicht des Angeklagten Pansegrau habe er zum
erstenmal gesehen, als er ihn im Schlaf heimgesucht habe. Dieser Mann sei
beim Evakuierungsmarsch dabei gewesen und habe einen Häftling, der nicht
mehr habe laufen können, mit einer Pistole erschossen. Er habe ihn ganz
sicher und auf den ersten Blick wiedererkannt.
Die
Aussage dieses Zeugen stellt zwar sine gewisse Belastung des Angeklagten
Pansegrau dar. Sie enthalt jedoch so viele Unrichtigkeiten und Widersprüche,
daß sie nicht als sicher und zuverlässig angesehen werden kann.
So ist
die Erklärung des Zeugen am zweiten Tag seiner Vernehmung, er habe den
Angeklagten Pansegrau sofort und auf den ersten Blick sicher wiedererkannt,
nicht zutreffend, Der Zeuge hielt es vielmehr zu Beginn seiner Vernehmung
lediglich für möglich, daß der Angeklagte Pansegrau in Jaworzno gewesen ist.
Diese Erklärung gab der Zeuge allerdings nicht nur zur Person des
Angeklagten Pansegrau ab, sondern auch zu einem Justizangestellten ab.
- 492 -
Was die
Aussage des Zeugen Burdowski zu den Lichtbildern betrifft, so kam ihm zwar
das Bild Nr. 7, das den Angeklagten Pansegrau darstellt, bekannt vor. Er
brachte es aber nicht mit dem Mann in Verbindung, der auf dem
Evakuierungsmarsch Häftlinge erschossen haben soll, sondern mit der
Erhängung von 28 Häftlingen im Lager Jaworzno. Im übrigen will der Zeuge
auch den SS.Oberscharführer Knoblich (Bild 10), den ersten Lagerführer des
Lagers Czechowitz, in Jaworzno gesehen haben. Den auf den Bildern 14 und 15
(Angeklagter 0lejak) abgebildeten Mann will der Zeuge in Lagischa, in
Jaworzno und auch beim Evakuierungsmarsch gesehen haben.
Diese
Aussage des Zeugen beweist nach Auffassung der Kammer klar und eindeutig,
daß er an die SS.Leute aus dem Lager Jaworzno keine sichere und klare
Erinnerung mehr hat.
Gegen
eine sichere Erinnerung des Zeugen an die damalige Zeit spricht insbesondere
auch die Tatsache, daß er die Erhängung von 28 Häftlingen im Lager Jaworzno
nach einem gescheiterten Fluchtversuch selbst gesehen haben will. Es
wurde berette dargelegt, daß diese Erhängung am 6.12.1943 stattgefunden hat
und daß die Verlegung der Häftlinge aus dem Lager Lagischa nach Jaworzno im
September 1944 (der Zeuge spricht vom Mai) erfolgt ist. Der Zeuge Burdowski
kann demnach die Erhängung der Häftlinge im Lager Jaworzno nicht selbst
gesehen, sondern davon nur gehört haben. Trotzdem schildert er dieses
Ereignis als eigenes Erlebnis.
Die
Kammer sieht deshalb dies Aussage dieses Zeugen nicht als Beweis dafür an,
daß der Angeklagte Pansegrau auf dem Evakuierungsmarsch selbst auf Häftlinge
geschossen hat.
29. Zur
Aussage des Zeugen David Zimmermann wird im Rahmen der Ausführungen zum
Anklagepunkt II 10 Stellung genommen werden. Auch aufgrund der Aussage
dieses Zeugen sieht es die Kammer nicht als erwiesen an, daß der Angeklagte
Pansegrau selbst auf Häftlinge geschossen hat.
- 493 -
30. Von
den übrigen in der Hauptverhandlung oder im Wage der Rechtshilfe vernommenen
Zeugen konnte keiner zu der Frage, ob der Angeklagte Pansegrau auf dem
Evakuierungsmarsch auf Häftlinge geschossen hat brauchbare Angaben machen,
sei es, daß sich diese Zeugen an den Angeklagten Pansegrau nicht erinnert
haben, sei es, daß sie zu der Frage, welche SS.Leute auf dem
Evakuierungsmarsch geschossen haben, keine Angaben mehr machen konnten.
Dies gilt
auch für die übrigen noch nicht erwähnten Zeugen, deren Aussagen im
Ermittlungsverfahren in der Hauptverhandlung verlesen worden sind.
Trotz
einer gewissen Belastung, die das Beweisergebnis in diesem Punkt gebracht
hat, sieht es die Kammer deshalb nicht mit einer zur Verurteilung
ausreichenden Sicherheit als erwiesen an, daß der Angeklagte Pansegrau im
Rahmen des Evakuierungsmarsches selbst auf Häftlinge geschossen oder solche
erschossen hat.
- 494 -
IV.
Anklagepunkt II 10 (Begraben von lebendigen Häftlingen nach einer
Übernachtung während den Evakuierungsmarsches).
1. In
diesem Fall der Anklage liegt dem Angeklagten Pansegrau folgendes zur Last:
Während
der einzigen längeren Pause auf dem Evakuierungsmarsch, die die Häftlinge in
einer Scheune in Peiskretscham hätten verbringen müssen, sei eine nicht mehr
feststellbare Zahl von Häftlingen ums Leben gekommen. Die Leichen dieser
Häftlinge seien am anderen Morgen in einem Massengrab beerdigt worden. In
die betreffende Grube seien neben den Leichen der toten Häftlinge auch
solche Häftlinge hineingeworfen worden, die vollkommen erschöpft oder
verwundet gewesen seien. Während andere Häftlinge auf Befehl der SS.Leute
die Grube zugeschaufelt hätten, hätten einige dieser noch nicht toten
Häftlinge versucht, wieder aus der Grube heraus zu kommen. Sie seien von dem
Angeklagten Pansegrau und anderen SS.Leuten mit den Stiefeln wieder in die
Grube zurückgetreten und schließlich lebendig begraben worden. Der
Angeschuldigte Pansegrau habe in mindestens einem Fall durch bewußtes und
gewolltes Zusammenwirken mit anderen SS.Leuten den Tod eines Häftlings
herbeigeführt.
Als
mögliche Tatzeugen hat die Staatsanwaltschart in ihrer Anklageschrift die
Zeugen
Menachem
Pruszanowski,
Mordechaj
Hoffmann,
Chaim
Mastbaum,
Eljahu
Tenzer,
Abraham
Podebski und
David
Zimmermann
benannt.
Nach
Durchführung der Beweisaufnahme hat die Staatsanwaltschaft ohne nähere
Begründung insoweit Freispruch für den Angeklagten Pansegrau beantragt
- 495 -
2.1. Der
Zeuge Menachem Pruszanowski hat hierzu bei seinen Vernehmungen in der
Hauptverhandlung bekundet, er habe selbst gesehen, wie zwischen Jaworzno und
Blechhammer nach einer Übernachtung in einer Scheune zahlreiche verletzte
Häftlinge von SS.Leuten, die er nicht namentlich nennen könne, erschossen
worden seien. Ihre Leichen seien zusammen mit den Leichen von solchen
Häftlingen, die schon vorher verstorben gewesen seien oder erschossen worden
seien, in eine Grube geworfen worden. Diese Grube sei von Häftlingen auf
Befehl von SS.Leuten in der Nähe dieser Scheune ausgehoben worden.
Er habe
nicht gesehen, daß Häftlinge, die noch nicht tot gewesen seien, versucht
hätten, aus dieser Grube wieder heraus zu kriechen. Er habe auch nicht
gesehen, daß sich die auf die Leichen der Häftlinge gefüllte Erde noch
bewegt habe.
2.2. Der
bereits mehrfach erwähnte Zeuge Mordechaj Hoffmann hat ebenfalls ausgesagt,
nach der Übernachtung in der Scheune sei von Häftlingen eine Grube gegraben
worden. In dieser seien die Leichen der Häftlinge, die während der
Übernachtung in der Scheune ums Leben gekommen seien, hineingeworfen worden.
In dieser Grube seien auch die Körper von noch lebenden Häftlingen geworfen
worden, die dann erschossen worden seien. Irgendeinen Täter könne er nicht
nennen.
2.3. Der
Zeuge Chaim Mastbaum hat bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel
Aviv bekundet, er habe nach der Übernachtung in einer Scheune zwischen
Jaworzno und Blechhammer gesehen, wie in einer Grube Häftlinge begraben
worden seien. Er habe nicht gesehen, wie diese Grube ausgehoben worden sei,
sondern nur, wie die Leichen von Häftlingen hineingelegt und anschließend
Erde darüber geschüttet worden sei. Er habe nicht beobachtet, daß ein
- 496 -
oder
mehrere Häftlinge wieder versucht hätten, aus der
Grube
heraus zu kommen.
Er nehme
allerdings an, daß einige der in die Grube geworfenen Häftlinge noch gelebt
hätten. Dies schließe er daraus, daß sich die auf die Häftlinge geschüttete
Erde nach oben bewegt habe. Dies habe er selbst gesehen.
2.4. Der
Zeuge Eljahu Tenzer hat bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht Tel Aviv
ausgesagt, auf der Strecke zwischen Jaworzno und Blechhammer sei einmal in
der Nahe von Peiskretscham in einer Scheune übernachtet worden. Als er am
Morgen nach der Übernachtung die Scheune verlassen habe, habe er in der Nähe
viele Leichen von Häftlingen liegen sehen. Neben diesen Leichen seien etwa
drei Häftlinge gesessen, die schon dreiviertel tot gewesen seien.
Er habe
weiter gesehen, daß in der Nähe der Scheune eine Grube ausgehoben worden
sei. Er habe dann später gehört, daß in dieser Grube die Leichen der toten
Häftlinge begraben worden seien. Er habe auch gehört, daß man die drei
schwachen Häftlinge in die Grube geworfen und erschossen habe. Irgendwelche
Täter hier für könne er nicht nennen.
2.5. Der
Zeuge Abraham Podebski hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung
bekundet, er habe gesehen, wie an einem Morgen nach einer Pause zusammen mit
den Leichen von toten Häftlingen noch lebenden Häftlinge in eine Grube
geworfen worden seien. Dies sei von Mithäftlingen in Anwesenheit von
SS.Leuten gemacht worden.
Welche
SS.Leute dies gewesen seien, wisse er nicht mehr. Als einige dieser noch
lebenden Häftlinge versucht hätten, wieder aus der Grube zu kommen, seien
sie zurückgestoßen worden. Ob dies ebenfalls die anderen Häftlinge oder die
SS.Leute getan hätten, wisse er nicht mehr.
- 497 -
Nach
Vorhalt seiner Aussage vor dem Generalkonsulat der Bundesrepublik
Deutschland in Seattle vom 15.3.1976, nach dem er damals gesagt hatte, bei
diesen SS.Leuten seien Pansegrau und Lapka gewesen, erklärte der Zeuge, er
bezweifele, daß er damals Pansegrau in diesem Zusammenhang erwähnt habe.
Unter Pansegrau stelle er sich den SS.Mann mit dem verkürzten Arm vor, der
von den Häftlingen Lapka genannt worden sei. Er könne aber auch nicht sicher
sagen, ob dieser Lapka bei dem Vorfall an der Grube dabei gewesen sei.
2.6. Die
Aussage des Zeugen David Zimmermann zur Person des Angeklagten Olejak und zu
dem hier vorliegenden Anklagepunkt wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 288
und 289).
Dabei
wurde auch schon darauf hingewiesen, daß die Aussage des Zeugen, was die
angeblieben Täter, als die er die SS.Leute Olejak, Pansegrau, König und
Markewicz bezeichnet hat, betrifft, in dieser Form nicht richtig ist.
Insbesondere hat der ehemalige Block- und Kommandoführer König, der im
Frühjahr 1944 nach einem Selbstmordversuch aus Jaworzno weggekommen ist, am
Evakuierungsmarsch nicht teilgenommen und kann deshalb als Täter nicht in
Betracht kommen. Dies ergibt sich, wie bereits erwähnt, aus der Aussage des
Zeugen König. Auch der Angeklagte Olejak hat nach dem übrigen Ergebnis der
Beweisaufnahme nach Auffassung der Kammer nicht am Evakuierungsmarsch des
Lagers Jaworzno teilgenommen und scheidet daher als Täter von vorneherein
aus.
Daß der
Zeuge Zimmermann diese beiden SS.Leute trotzdem als Täter in diesem Fall
genannt hat, beweist, daß er von den betreffenden SS.Leuten keine klare und
deutliche Vorstellung mehr hat. Dafür spricht auch, daß der Zeuge
Zimmermann, wie bereits ausgeführt, zu Beginn seiner Vernehmung von den
SS.Leuten Gruber und Olejak von zwei
- 498 -
verschiedenen Personen gesprochen und diese auch unterschiedlich beschrieben
hat und erst nach einem Vorhalt aus der Vernehmung vor dem Generalkonsulat
im Jahre 1972 gemeint hat, Gruber und Olejak seien ein und die selbe Person.
Die
Kammer sieht deshalb die Aussage des Zeugen Zimmermann, Pansegrau sei einer
der SS.Leute gewesen, die noch lebende Häftlinge wieder in die Grube
zurückgetreten haben sollen, als nicht so zuverlässig und sicher an, um
hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau stützen zu können.
Von den
weiter zu diesem Vorfall vernommenen Zeugen, deren Aussagen bereits
dargelegt wurden, hat keiner bekundet, daß er gesehen habe, daß noch lebende
Häftlinge von SS. Leuten am Verlassen der Grube gehindert wurden. Während
die Zeugen Pruszanowski, Hoffmann, Mastbaum und Tenzer nach ihren Aussagen
einen solchen Vorfall überhaupt nicht gesehen haben, wußte der Zeuge
Podebski nicht mehr, ob es sich um SS.Leute oder Mithäftlinge gehandelt hat.
Aufgrund
der Aussagen dieser Zeugen geht die Kammer im übrigen davon aus, daß nach
der Übernachtung in der Scheune bei Peiskretscham tatsachlich Häftlinge
erschossen und zusammen mit den Leichen von Häftlingen, die während der
Übernachtung in der Scheune ums Leben gekommen sind, begraben worden sind.
Dies ergibt sich auch schon aus dem Buch von Dr. Novy ans dem Jahre 1949 und
dem Bericht von Dr. Paul Heller aus dem Jahre 1945 (vgl. Seite 50, 133 und
136).
Aufgrund
der geschilderten Umstände sieht die Kammer auch die Aussage den Zeugen
David Zimmermann, Pansegrau habe auf dem Evakuierungsmarsch einen Häftling
erschossen, nicht als so sicher und zuverlässig an, was die Angabe den
Täters betrifft.
- 499 -
V. Bei
Würdigung den gesamten. Ergebnisses der Beweisaufnahme sieht es die Kammer
daher nicht als erwiesen an, daß der Angeklagte Pansegrau mit einer zu einer
Verurteilung ausreichenden Sicherheit in den Anklagepunkten II 9 und II 10
überführt ist, während der Evakuierung der Häftlinge des Lagers Jaworzno auf
der Strecke zwischen Jaworzno und Blechhammer einen Häftling selbst getötet
zu haben. Die Kammer hält die Aussage keines der Zeugen, was den jeweiligen
Täter angeht, für so sicher und zuverlässig, um hierauf eine Verurteilung
des Angeklagten Pansegrau stützen zu können.
Allerdings hat die Kammer keinen Zweifel daran, daß die Zeugen zahlreiche
Erschießungen von Häftlingen tatsächlich beobachtet haben. Denn, wie bereits
ausgeführt, sieht es die Kammer als erwiesen an, daß während der Evakuierung
der Häftlinge des Lagers Jaworzno zwischen Jaworzno und Blechhammer
zahlreiche Häftlinge erschossen worden sind.
- 500 -
VI.
Mittäterschaft und Beihilfe:
Der
Angeklagte Pansegrau hat sich dadurch, daß er sich während der Evakuierung
der Häftlinge des Lagers Jaworzno auf der Strecke zwischen Jaworzno und
Blechhammer zumindest zeitweise bei der Häftlingskolonne aufgehalten hat,
nicht eines oder mehrerer in Mittäterschaft begangener Verbrechen des Mordes
und auch keines Verbrechens der Beihilfe zu einem oder mehreren Verbrechen
des Mordes schuldig gemacht.
1. Die
Kammer sieht es, wie bereits ausgeführt, aufgrund des Ergebnisses der
Beweisaufnahme als erwiesen an, daß auf der Strecke zwischen Jaworzno und
Blechhammer zahlreiche, besonders schwache und entkräftete Häftlinge, von
den begleitenden SS.Leuten erschossen worden sind. Die Zahl der auf diese
Weise um Leben gekommenen Häftlinge konnte nicht sicher festgestellt werden
(vgl. Seite 50 und 51 sowie 144 - 146).
Ebenso
konnte nicht sicher geklärt werden, wie es zu diesen Erschießungen gekommen
ist, insbesondere weiche Befehle der damalige Kompanie- und Lagerführer
Pfütze für die Evakuierung der Häftlinge von seiner vorgesetzten
Dienststelle bekommen und welche Befehle er den Angehörigen der Wachkompanie
und der Lagerkommandantur für den Evakuierungsmarsch erteilt hat.
Der Zeuge
Josef Weis, der, wie schon erwähnt, damals im Range eines Oberscharführers
nach Pfütze der ranghöchste SS.Mann in Jaworzno war, hat hierzu ausgesagt,
Pfütze habe vor Beginn des Evakuierungsmarsches zu den angetretenen
SS.Leuten gesagt, unterwegs dürfe kein Häftling erschossen werden. Weiter
habe Pfütze gesagt, die Häftlinge, die dem Marschtempo nicht mehr folgen
könnten, sollten zurückgelassen werden. Gegenüber dem Rapportführer des
Lagers habe Pfütze gesagt, wer von den Häftlingen aus Gesundheitsgründen den
Marsch nicht mitmachen könne, solle schon im Lager zurück bleiben.
- 501 -
Die
anderen in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, die als SS.Leute im
Lager Jaworzno bzw. bei der Wachkompanie waren, nämlich der damalige
Sanitätsdienstgrad Emil Hantl und die damaligen Wachleute Philipp Desch und
Anton Oder, wollten oder konnten zu der Frage, welche Befehle Pfütze zu
Beginn des Evakuierungsmarsches an die ihm unterstellten SS.Leute erteilt
hat, keine Angaben mehr machen.
In diesem
Zusammenhang ist auch auf die Aussage des Zeugen Theo Streicher hinzuweisen.
Dieser Zeuge, der eine zeitlang zur Wachmannschaft des Lagers Czechowitz
gehört hat, hat bekundet, er sei von Czechowitz aus in das Hauptlager nach
Monowitz versetzt worden und habe an der ebenfalls zu Fuß erfolgten
Evakuierung dieses Lagers teilgenommen.
Zu Beginn
des Marsches sei der Befehl erteilt worden, auf solche Häftlinge, die zu
fliehen versuchten, zu schießen. Weitere Befehle zur Erschießung von
Häftlingen seien nicht erteilt worden.
Es sei
dann während des Marsches so gehandhabt worden, daß sich die SS.Leute, die
auf Häftlinge hätten schießen wollen, am Ende der Kolonne aufgehalten und
dort entkräftete Häftlinge erschossen hätten. Es habe viele SS.Leute
gegeben, die am Schießen auf Häftlinge eine Freude und Lust gehabt hätten.
Ob es bei
der Evakuierung der Häftlinge den Lagers Jaworzno so gehandhabt worden ist
wie dies der Zeuge Streicher für das Lager Monowitz geschildert hat, konnte
nicht sicher geklärt werden.
Nach
Auffassung der Kammer spricht aber die Tatsache, daß auch bei der
Evakuierung des Lagers Jaworzno besonders am Ende der Häftlingskolonne auf
schwache und entkräftete Häftlingen geschossen worden ist dafür, daß auch
bei dieser Evakuierung wie in der von dem Zeugen Streicher für das
- 502 -
Lager
Monowitz geschilderten Weise verfahren worden ist, zumal das Lager Jaworzno
dem Lager Monowitz unterstellt war und Pfütze seine Befehle von der
Kommandantur dieses Lagers erhalten hat.
2.
Aufgrund des gesamten Ergebnisses der Hauptverhandlung geht die Kammer davon
aus, daß die Evakuierung der Häftlinge des Lagers Jaworzno nicht dem Zweck
diente, alle Häftlinge oder auch nur einen Teil dieser Häftlinge zu töten.
Hierfür
spricht einmal die Tatsache, daß schon zu Beginn der Marsches die etwa 400 -
500 kranken bzw. gehunfähigen Häftlinge ohne Bewachung im Lager Jaworzno
zurückgelassen worden sind. Von diesen Häftlingen ist, wie bereits
ausgeführt, in der Folgezeit bis zu ihrer Befreiung keiner im Lager Jaworzno
getötet worden.
Für diese
Annahme spricht weiter die Tatsache, daß während des Evakuierungsmarsches
eine größere Gruppe von schwachen Häftlingen von den übrigen Häftlingen
abgetrennt und alsbald in Züge verladen worden ist. Dies ergibt sich aus den
Aussagen der Zeugen Schwarz, Zejer und Orenbach. Auch der Zeuge Weis hat
ausgesagt, er habe eine Gruppe von etwa 20 besonders schwachen Häftlingen
übernommen und diese der Polizei übergeben.
Schließlich spricht dafür auch, daß die Mehrzahl der in Blechhammer
angekommenen Häftlingen von den SS.Leuten unbehelligt und unbewacht in
diesem Lager zurückgelassen worden ist.
3. Unter
diesen Umständen liegen bei dem Angeklagten Pansegrau nicht die
Voraussetzungen dafür vor, daß er hinsichtlich der Erschießung von
Häftlingen durch andere SS.Leute als Mittäter anzusehen ist.
Als
Mittäter gilt gem. § 25 Abs. 2 StGB, wer gemeinsam mit einem anderen handelt
oder einen Teil der Handlung durch ihn ausführen läßt, und zwar aufgrund
eines
- 503 -
gemeinschaftlichen Entschlusses. Darauf wie die Tatbestandsverwirklichung
auf die einzelnen Mittäter verteilt ist, kommt es nicht an. Maßgebend ist
der gemeinsame Wille sowie die gemeinsame Herrschaft über die Tat. Dazu ist
noch irgendeine Förderung der als gemeinsam gewollten Tat erforderlich, sei
es durch Rat, durch bewußtes Bestärken im Tatwillen oder durch eine
vorbereitende Handlung (vgl. Dreher-Tröndle, Kom. zum Strafgesetzbuch, 39.
Auflage, Anm. 3 A und 3 B zu § 25 StGB).
Dem
Angeklagten Pannegran kann nicht nachgewiesen werden, daß er mit der
Erschießung von Häftlingen auf dem Evakuierungsmarsch einverstanden war oder
diese gar als eigene Tat gewollt hat. Der Angeklagte Pansegrau als
SS.Rottenführer hatte auch keine Tatherrschaft hinsichtlich dieser
Erschießungen, da er als Angehöriger der Lagerkommandantur gegenüber den
Angehörigen der Wachmannschaft auf dem Evakuierungsmarsch keine
Befehlsgewalt hatte. Insoweit hat die Hauptverhandlung jedenfalls keine
konkreten Anhaltspunkte ergeben.
4. Auch
die Voraussetzung für die Annahme eines Verbrechens der Beihilfe zu den von
anderen SS.Leuten durch die Erschießung von Häftlingen begangenen Verbrechen
des Mordes liegen bei dem Angeklagten Pansegrau nicht vor.
Nach
Auffassung der Kammer ist es schon zweifelhaft, ob in der Tatsache, daß der
Angeklagte Pansegrau zumindest zeitweise die Häftlingskolonne befehlsgemäß
begleitet hat, eine Förderung und Unterstützung der Haupttat, nämlich der
Erschießung von Häftlingen, gesehen werden kann.
Auf jeden
Fall kann dem Angeklagten Pansegrau nicht nachgewiesen werden, daß er mit
der Erschießung von Häftlingen durch andere SS.Leute einverstanden war oder
diese selbst gewollt hat.
- 504 -
Als
Gehilfe könnte der Angeklagte Pansegrau gem. § 27 StGB nur dann bestraft
werden, wenn er das Zustandekommen der Haupttat, nämlich die Erschießung von
Häftlingen während des Evakuierungsmarsches, selbst gewollt hätte.
5. Der
Angeklagte Pansegrau war daher insgesamt freizusprechen.
Unter
diesen Umständen brauchte dem Hilfsbeweisantrag seiner Verteidiger, die im
Beschluß der Kammer vom 31.5.1979 näher bezeichneten Zeugen zum Beweis dafür
zu vernehmen, daß der Angeklagte Pansegrau während der Evakuierung zu keiner
Zeit zur Begleitmannschaft der Häftlinge gehört und mit den Häftlingen nicht
in Berührung gekommen ist, nicht entsprochen zu worden.
K)
Nebenentscheidungen :
1.
Da die
beiden Angeklagten Olejak und Pansegrau freigesprochen wurden, war gem. §§ 2
Abs. 1, 8 Abs. 1 des Gesetzes über die Entschädigung für
Strafverfolgungsmaßnahmen vom 8.3.1971 anzuordnen, daß sie für den durch den
Vollzug der Untersuchungshaft erlittenen Schaden aus der Staatskasse zu
entschädigen sind.
2. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.
(Link) (Dr. Martin) (Staab)
Vors.
Richter Richter Richter
Das
Urteil ist zur Geschäftsstelle gelangt am: 29 Juli 1981